n/y0 z^- :"^ iSl '^"^^^.M^ !i ! ! ! ;l I ili-iii^iifiTll^li I i 'i P i l! ! II THE GETTY RESEARCH INSTITUTE LIBRARY Halsted VanderPoel Campanian Collection HELBIG, Wolfgan^^ Untersuchungen über die campan i sehe Wandnialere i , 8vo j half bound, green marbied boards , gilt decorat ion and lettering , Leipzig ,1873. a- '60. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE CAMPANISCHE WANDMALEREI. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE CAMPANISCHE WANDMALEREI VON WOLFGANG HELBIG LEIPZIG DRUCK UND VERLAG VON BREITKOPF UND HARTE L 1873 ERNST CURTIUS GEWIDMET. Vorwort. Die Untersuchungen , welche dieses Buch enthält , ver- folgen im Wesentlichen zwei Zwecke. Einerseits habe ich mich bemüht , innerhalb der campanischen Wandbilder zu scheiden , was auf ältere Originale zurückgeht und was der Kaiserzeit eigenthümlich ist ; andererseits ist der Gedanke ausgeführt, den ich bereits im Bulletino dell' Institute 1863 p. 134 ausgesprochen , dass nämlich die Erfindung der aus älterer Zeit stammenden Motive im Grossen und Ganzen der an die Alexanderepoche anknüpfenden Malerei angehört. Ich verkenne am wenigsten, wie diese Leistung nur als ein erster Versuch gelten kann, wie namentlich der zweite Theil der Untersuchung , für welchen es an mehreren nothwen- digen Vorarbeiten und vor allem an einer kritischen Samm- lung der Fragmente der alexandrinischen Dichter gebrach, mancher Nachbesserungen und Ergänzungen bedürftig ist. Doch wird jeder billig Denkende dies mit Nachsicht be- urtheilen; sind ja doch die Fragen, welche hierbei zu er- örtern waren, so mannigfaltig und greifen in so verschiedene Zweige des Wissens über, dass sie schwerlich alle von einer Kraft bewältigt werden können. Jedenfalls würde es i.ir zur grössten Freude gereichen, wenn andere Gelehrte, welche auf den einzelnen einschlagenden Gebieten bewan- derter sind als der Verfasser , durch dieses Buch angeregt, ihrei*seit8 zur Lösung der darin behandelten Fragen bei- trügen. yui Vorwort. Es bleibt mir , ehe ich dieses Buch der Oeflfentlichkeit übergebe , nur noch übrig , mich wegen einiger Einwände, welche gegen gewisse Theile der Untersuchung erhoben werden könnten, mit dem Leser zu verständigen. Ich bin des Vorwurfs gewärtig, den Begriff Hellenismus in zu weitem Sinne gefasst zu haben. Hellenismus dürfen wir eigentlich nur das Griechenthum nennen, welches in fremden Civilisationen Wurzel geschlagen hat und in grösserem oder geringerem Grade durch Einflüsse der- selben berührt ist. Wird der Begriff in diesem Sinne ge- fasst, dann sind wir nur berechtigt, die Entwickelung, welche in den Reichen der Diadochen Statt hatte, als eine hellenistische zu bezeichnen. Dagegen gehören viele Cultur- erscheinungen , welche das eigentliche Griechenland in der nämlichen Periode darbietet , streng genommen nicht in diesen Kreis. Die attische Vasenmalerei, welche in die Zeit von Alexander dem Grossen abwärts fällt , und die neuere Komödie wurzeln auf acht attischem Boden, hängen auf das engste mit der vorhergehenden Entwickelung zusammen und sind von fremden Einflüssen höchstens ganz äusser- lich und oberflächlich berührt. Wenn ich sie nichts desto weniger unter der hellenistischen Entwickelung einbegriffen, so ist dies allerdings eine Ungenauigkeit , die sich aber bei der Schwierigkeit, den Complex der damaligen Civilisation kurz zu bezeichnen , entschuldigen lässt und die nach die- sem Hinweise hoffentlich keine Verwirrung anrichten wird. Ein anderer Einwand könnte gegen die Abschnitte er- hoben werden , in denen ich über die Lebens- und Kunst- formen gehandelt , welche bei den Griechen während der Diadochenperiode Eingang fanden. Eine Reihe derselben tritt bereits in der ältesten griechischen Entwickelung auf. Dieses Zusammentreffen erklärt sich grössten Theils aus dem orientalischen Einflüsse, welcher die griechi- sche Civilisation in ihren ältesten Stadien und dann wie- Vorwort. IX der seit der Alexanderepoche bedingte und von welchem nur die eigentliche Blüthezeit des Griechenthums im Wesent- lichen freiblieb. Ich hebe es ausdrücklich hervor, dass Erscheinungen dieser Art, welche die älteste griechische Cultur darbietet, absichtlich nirgends berücksichtigt worden sind ; denn selbst ein flüchtiger Hinweis auf jede einzelne derselben hätte mich von dem Hauptzwecke meiner Untersuchung zu weit abgeführt. Endlich noch eine Bemerkung über den Versuch, den ich gemacht , die späteren Vasenbilder zur Reconstruction der an die Alexanderepoche anknüpfenden Malerei zu benutzen.. Mögen über die Chronologie der einzelnen Vasenstyle noch sehr widersprechende Ansichten herrschen , so ist die Datirung gerade der Gefässe, welche bei meiner Unter- suchung in Betracht kommen, hinreichend festgestellt. Nie- mand wird Einspruch erheben gegen die Annahme, dass die Gattung zierlicher Gefässe mit rothen Figuren feiner und voll- ständig freier Zeichnung um die Alexanderepoche zur Aus- bildung kam, dass ferner die lockeren, polychromen und ba- rocken Manieren, wie sie namentlich den aus unteritalischen Nekropolen stammenden Vasen eigenthümlich sind, der folgenden hellenistischen Epoche angehören i). Allerdings 1 ) Der Gebrauch , welchen ich von diesen Vasen gemacht , ist auch, wenn man die von Brunn, Probleme in der Geschichte der Vasen- malerei (Abhandl. d. bayer. Ak. Gl. I Band XII Abth. II), entwickelten Theorien annimmt, vollständig gerechtfertigt. Wenn Brunn behauptet, dass die meisten der in den etruskischen Nekropolen gefundenen Ge- fässe Nachahmungen aus späterer Zeit und zwar aus dem dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. sind, so dürfte aus ihren'Darstellungen, denen ja ältere Vorbilder zu Grunde liegen würden, immerhin auf die Entwickelung der älteren Malerei geschlossen werden. Die jüngsten Vasengattungen, welche sich namentlich in grossgriechischen Gräbern finden und für die Reconstruction der hellenistischen Malerei beson- ders wichtig sind, hat Brunn aus seiner Betrachtung ausgeschlossen. Wir dürfen sie daher , bis nicht das Gegentheil nachgewiesen ist , un- bedenklich als Originalproducte der Keramik der hellenistischen Epoche betrachten. X Vorwort. reichen nach meiner Ansicht auch gewisse Gattungen roth- figuriger Vasen von mehr oder minder gebundener Zeich- nung bis nahe an die Alexanderepoche herab und hätten dieselben , um die Untersuchung zu vervollständigen , eben- falls in Betracht gezogen werden müssen. Ich hatte dies auch in dem Manuscripte meines Buches gethan und wollte die Datirung dieser Gefässe in einem beizugebenden An- hange rechtfertigen. Da sich jedoch während der Dauer des Druckes das einschlagende Material durch Ausgrabungen, welche in Sicilien, bei S. Maria di Capua, Cervetri, Corneto ^ und schliesslich zwischen Nazzano und Filacciano (Provincia di Civita Castellana) Statt fanden , beträchtlich vermehrte, so musste ich darauf verzichten , diese Frage als Parergon zu behandeln. Die Stellen , wo ich Gefässe solcher Art be- rücksichtigt hatte , wurden daher von mir aus den Druck- bogen gestrichen. Unabsichtlich ist auf Seite 174 Anm. 1 die Schale mit der Perserschlacht stehen geblieben, welche Gerhard, auserl. Vasenb. III 166, publicirt hat. Absicht- lich dagegen wurde eine Ausnahme gemacht hinsichtlich der bekannten Schale mit der Bronzegiesserei, die auf Seite 188 besprochen ist. Allerdings zeigt dieselbe in den Inschriften das voreuklidische Alphabet und in der Zeichnung allerlei Formen gebundener Kunstweise. Doch spricht, wenn irgendwo, so hiev alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass die betreffende Vasenfabrik, vermuthlich aus mercantilen Rücksichten , archaische EigenthUmlichkeiten conventioneil festgehalten hat. Ist doch auch in der Zeichnung der ge- bundene Styl keineswegs consequent durchgeführt, sondern gewahren wir namentlich in der Bildung der Augen, welche bald en face, bald im Profil wiedergegeben sind, ein merk- würdiges Schwanken. Jedenfalls verräth der ganze Geist, welcher in der Darstellung herrscht , eine eminent charak- teristische Richtung und eine Fähigkeit zu individualisiren, welche , soweit gegenwärtig unsere Kenntniss der griechi- Vorwort. XI sehen Kunst reieht, nicht auf die letzten Jahrzehnte des fünften Jahrhunderts, sondern auf beträchtlich spätere Zeit hinweisen \] . Die ganze Frage wird von mir demnächst auf Grundlage der Resultate der neuesten Ausgrabungen , die ich zum Theil persönlich besichtigen konnte, eingehend behandelt werden, und die unbefangene Würdigung des Thatbestandes der in den einzelnen Gräbern gefundenen Gegenstände wird, denke ich, die Gelehrten von der Richtig- keit meiner Datirung überzeugen. Da sich der Druck dieses Buches wegen allerlei zufälliger Umstände beträchtlich in die Länge zog und vom Juni 1872 bis zum Mai 1873 dauerte, so konnte es nicht ausbleiben, dass während dieser Zeit mancherlei veröffentlicht wurde, was sich mit den Untersuchungen des Verfassers berührte , al)er nicht mehr von ihm berücksichtigt werden konnte. Dies gilt von den Artikeln , welche Brunn in den bisher erschienenen Lieferungen von Meyers Künstlerlexicon publi- cirt hat. Ausserdem erwähne ich Philippi, über die römischen Triumphalreliefs und ihre Stellung in der Kunstgeschichte, Abhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss, VI n. 3 p, 247 ff. Es freut mich, dass dieser Gelehrte über den Zusammenhang des historischen Reliefs der Kaiserzeit mit der vorhergehenden Malerei zu einem wesentlich überein- stimmenden Resultate gelangt ist, wie ich in meinem dritten Abschnitte. Für den zwanzigsten Abschnitt wäre die Be- nutzung des zweiunddreissigsten Winckelmannsprogramms der Berliner archäologischen Gesellschaft, Athena und Marsyas, von G. Hirschfeld (Berlin 1872), wtinschenswerth 1) Die Thatsache, dass die eine der Statuen, mit welcher die Arbeiter auf der Schale beschäftigt sind , dem bekannten Typus des anbetenden Knaben, der keines Falls älter ist als Lysippos, ent- spricht, lasse ich bei der Frage über die Chronologie des Gefässes ab- sichtlich unberücksichtigt; denn es ist wohl möglicli, dass dieses Motiv bereits von der älteren Kunst behandelt wurde. Vgl. Frie- derichs, kleinere Kunst und Industrie p. 37S. xn Vorwort. gewesen. Heydemanns Buch, die Vasensammlungen des Museo nazionale zu Neapel (Berlin 1872), erhielt ich noch rechtzeitig, um einige Citate aus demselben in die Cor- recturbogen von dem neunzehnten an nachzutragen. An- deres Einzelne ist von mir in den Nachträgen angeführt worden. Herr von Wilamowitz-Möllendorff hat mich, so lange er in Rom war, bei der Correctur der Druckbogen auf das liebenswürdigste unterstützt. Herrn Fiorelli spreche ich meinen Dank aus für die Liberalität , mit der er , während ich mich in Neapel und in Pompei aufhielt , meine Arbeit förderte. Rom, 1. Mai 1873. W. Heibig. Inhalt. Das Knnstvermögcii der griechisch-römischen Epoche. Seite I. Die Seltenheit von Darstellungen aus dem nationalen Mythos 1 II. Die ideale Sculptur 7 III. Die realistische Sculptur 36 IV. Die Ueberlieferung über die Malerei 60 Die campanische Wandmalerei. V. Ueber einige eigenthümliche stylistische Erscheinungen 65 VI. Die beiden Hauptgruppen 68 VII. Die realistische Richtung 72 VIII. Die idealisirenden Darstellungen aus dem Alltagsleben 76 Villi. Die mythologischen Compositionen 79 X. Ueber einige synkretistische Producte 88 XI. Thierstück und Stillleben 92 XII. Die Landschaft 95 XIII. Die decorativ angewandten Figuren 109 XIV. Ueber das Verhältniss der mythologischen Wandgemälde zur Dichtung der Kaiserzeit 112 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. XV. Die Decorationsweise 122 XVI. Chronologisch bestimmte Compositionen 140 XVII. Die äusseren Bedmgungen der hellenistischen Kunst . . 167 XVIII. Die Gesellschaft 185 XIV Inhalt. Seite X Villi. Das Interesse für die Wirklichkeit 204 XX. Die Auffassung der Mythen 220 XXI. Die Sentimentalität , 244 XXII. Der Sinnenreiz 249 XXIII. Das Naturgefühl 269 XXIV. lieber das Verhältniss der campanischen Landschafts- bilder zur hellenistischen Malerei 291 XXV. Thierstück und Stillleben 306 XXVI. Die decorativ angewandten Figuren 314 XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden . . . 320 XXVni. Ueber einen Grundunterschied antiker und moderner Malerei 348 Nachträge und Verbesserungen 367 Register 373 Die mihi, Damoeta, cttium pecus, anne latinumi' Das Kunstvermögeii der griechisch- römischen Epoche. I. Die Seltenheit von Darstellungen aus dem nationalen Mythos. L'ie Ausführung der grössten Masse der Wandgemälde in den vom Vesuv verschütteten Städten Campaniens fällt in einen verhältnissmässig kurzen Zeitraum. Da das Erdbeben, welches im Jahre 6*3 u. Chr. Statt fand, wenigstens in Pompei grossen Schaden angerichtet hatte und , wie der Thatbestand der Aus- grabungen zeigt, viele Häuser, als die Katastrophe des Jahres 79 eintrat, noch nicht vollständig hergestellt waren, so wird die Zahl der Gemälde, deren Ausführung vor das Jahr 63 fällt, eine ver- hältnissmässig geringe sein. Also bilden diese Wandgemälde eine chronologisch im Wesentlichen begrenzte Denkmälergattung und , da mit ihrer Fülh^ verglichen der Vorrath der anderweitig gefundenen Fresken aus römischer Epoche sehr unbedeutend ist, unsere Hauptquelle für die Kenntniss der Malerei des ersten Jahr- hunderts der Kaiserzeit. Um den richtigen Standpunkt zur Beurthe'lung dieser Denk- mälergattung zu gewinnen , müssen wir uns zunächst den Cha- rakter der Kunst der Epoche, in welche ihre Ausführung fällt, im Grossen und Ganzen vergegenv.ärtigen. Da die gleichzeitige Sculptur durch ein reicheres Material ver- treten und bisher von der Forschung in eingehenderer Weise be- rücksichtigt wor^-cu ist , als die Malerei , so beginne ich mit einer kurzen Betrachtung der wesentlichsten Erscheinungen auf dem Gebiete der Sculptur. Bei den engen Beziehungen , wie sie in derselben Epoche zwischen den beiden Künsten obzuwalten pfle- gen . wird es verstattet sein , mit der nöthigen Vorsicht von dem Charakter der einen auf den der andern zu schliessen. Allerdings sind trotz des reichen Materials und der vielseitigen Untersuchung desselben die Ansichten über die Leistungsfähigkeit der dama- ligen Plastik sehr verschieden. Die Einen, an deren Spitze Hellii;;, Uiiter>ucluiii'_'eii ü. «1. iaiii]i;ui. Waiifliiialerei. 1 2 Kuvistvennögeii der griechiscli-röniisclien Epoche. Brunu^j steht, schlagen das Erfiudungsvermögen derselben wenigstens auf idealem Gebiete sehr gering an und behaupten, dass sie im Wesentlichen nur von der Erbschaft der älteren griechischen Kunst gezehrt habe. Andere wiederum erkennen ihr einen immerhin bedeutenden Grad von Productivität zu , eine Ansicht, welche neuerdings namentlich durch Friederichs^) Vertretung gefunden hat , der eine beträchtliche Anzahl hervor- ragender Denkmäler idealen Inhalts, darunter auch den Laokoou, als Werke griechisch-römischer Kunst anführt. Ehe ich jedoch die Ueberlieferung im Einzelneu auf diese Alter- native hin untersuche, muss eine Erscheinung allgemeiner Art be- rücksichtigt werden, die hierbei von erhebliclier Tragweite ist. Es ist dies die Seltenheit von Darstellungen aus dem römischen Sagen- kreise. Die Mythen von der Ankunft der Troer in Latium hatten in augusteischer Epoche durch Vergil eine Behandlung erfahren, welche ganz geeignet schien, um der bildenden Kunst neue Stoffe zuzuführen. Durch den patriotischen Inhalt, durch die edle und trotz aller Gelehrsamkeit fassliche Form wurde die Aeneis rasch die populärste Kunstdichtung. Sie diente in den Kinderschulen als Lesebuch und war in den weitesten Kreisen und selbst in den nie- deren Schichten der Gesellschaft geläufig^) . Da ausserdem das iuli- sche Kaiserhaus im eigensten Interesse bestrebt war, seine Stamm- sage in dem Volksbewusstsein lebendig zu machen , so konnte es der bildenden Kunst, falls sie diese Stoffe aufgriff, von oben herein nicht an Unterstützung fehlen. Der Inhalt des römischen Mythos als solcher widerstrebt der bildlichen Gestaltung keineswegs. Wollte Jemand einwenden , dass die vergilische Darstellung nicht die lebendigen sinnlichen Eindrücke hervorruft, wie sie erforder- lich sind, um auf die bildende Kunst zu wirken, so ist dieser Ge- sichtspunkt von nebensächlicher Bedeutung. Die Grundbedingung, um den römischen Mythos in Sculptur und Malerei einzuführen, die allgemeine Popularität und Verständlichkeit desselben , war durch die Aeneis jedenfalls erfüllt. Neben Vergil hat Ovid Scenen aus der nationalen Sage behandelt. Die lebendige Schil- derung, welche er^) von dem Raube der Sabinerinnen entwirft, hätte recht wohl einen Maler anregen können, diese Handlung als Staffage für ein grösseres Landschaftsbild zu verwenden , wie sie sich , doch stets mit Scenen aus der griechischen Mythologie ausgestattet, häufig in den campanischen Städten vorfinden. Neue l) Gesch. d. Künstler I p. ülü flf. 2i Bausteine p. 426 ff. 3) Friedllinder, Darst. aus d. Sitteng. III p .101. 4] Arsam. I p. lol «. I. Diirstellungon aus dem nationulen Mythos. 3 Bildungsgesetze brauchten für Schilderungen aus dem römischen Mythos nicht erfunden zu werden; vielmehr durfte die Kunst, da derselbe durch eine Menge von Fädeu mit der griechischen Heroensage zusammenhing .. einfacli die Principien zur Anwen- dung bringen , welche bei Darstellungen der letzteren maass- gebend waren. Trotzdem ist die Zahl der Bildwerke, welche durch die lateinische Bearbeitung des römischen Mythos bestimmt sind , überhaupt der Bildwerke , welche den Stoff aus diesem Mythos entlehnen, im Vergleich mit der Fülle der Darstellungen aus dem griechischen, verschwindend klein. Ausserdem gehören sie, soweit gegenwärtig unsere Keuntniss reicht, nicht einmal der Kunst im höheren Sinne des Worts, sondern durchweg einem untergeordneteren Gebiete an. Wenn es noch Gelehrte giebt, die es für möglich halten , dass der Laokoon in der Kaiserzeit ent- standen ist, so werden sie jedeufalls zugeben, dass kein Grund vorliegt, darin den Einfluss Vergils vorauszusetzen. Ueberhaupt dürfte bei einem Kunstwerke , worin der Stoff in so eigenthüm- licher Weise verarbeitet ist, selbst, wenn uns die classische Poesie vollständiger erhalten wäre, die Frage nach der bestimmten Dich- tung, welche die Meister desselben inspirirte, sehr schwer zu beantworten sein. Will man aber selbst auf Grundlage unserer dürftigen Ueberlieferung Yermuthungen in diesem Sinne wagen, dann liegt nicht nur die Alternative zwischen Sophokles und Vergil vor . sondern hat mau auch einen Dichter der Diadochen- periode, den Euphorion, in Betracht zu ziehen. Wir wissen, dass Euphoriou den Tod des Laokoon und seiner Söhne behandelte ') , und, wenn er die Qualen der Sterbenden mit der ihm eigenthüm- lichen Detailmalerei behandelte 2) , dann ergiebt sich eine Schilde- rung , die der in der Gruppe ersichtlichen nahe verwandt sein musste. Für die Frage, ob der Laokoon in der Diadochenperiode oder in der ersten Kaiserzeit gearbeitet wurde, ist dieser Hinweis selbstverständlich von sehr geringer Bedeutung. Sie kann nur durch die richtige Erkenntniss der künstlerischen Befähigung der beiden Epochen zur Lösung gebracht werden. Die Fälle, wo ein Einfluss von Seiten der Dichtung der augusteischen Epoche auf die bildende Kunst nachweisbar ist, sind sehr vereinzelt. Allerdings berichtet Macrobius^i, dass die 1) Vgl. Meineke anal. alex. p. 152 ff. frgm. 152. Vielleicht gehört hielier frgm. 157 (Meineke a. a. 0. p. 154) : Ila^ta 0£ ot vEX'jTjOov iXs'jxaivov xa TrpooouTrct. Vgl. Vergil, Aen. II 262 : diffugimus visu exangues. 2) de conscr. bist. 66 (II p. 65 Amst.l: zi U llap{>£>jio; tj Ej9optüJv r\ KaX/.[(jiayo; £/.£y£ , "oaot; oiv oÜ7. i'-eat to uowp i'ypt rpö; ~6 /si/.o; toü Tav-aXou rjaYov Eixa rooot; av 'l;iova ty.'j/.iaav; 3) V 16, 5. 4 Kimstvennögen der griechisch-römischen Epoche. 09 ff. 7) Cic. in Verr. IV 4a, 93. IV 3, 5. 8) Strabo XIV p. 037. Plin. XXXIV 5S. 9) Pausan. VIII 46, 1 . 10; Plin. XXXVI 13. 11) C. J. Gr. 0141. Vgl. Brunn, Gesch. d. ijr. Künstl. I p. 41. 12) Plin. XXXIV 78. 13] Plin. XXXVI 36. 14; Plin. XXXIV 57. 15; de bell. goth. IV 21. II. Die ideale Sculptur. 13 Friedenstempel. Eine beträchtliche Anzahl archaischer griechi- scher Sculpturen , darunter sogar Grabreliefs, sind auf römi- schem Boden gefunden. Mag es sich nicht entscheiden lassen, wann diese Sculpturen nach Rom gebracht wurden, so bezeugen die soeben angefülirten Stellen, welche die Entführung an be- stimmte Persönlichkeiten anknüpfen , genügend , dass diese Rich- tung des Kunstraubes gerade im letzten Jahrhundert der Republik und im Anfange der Kaiserzeit im Schwünge war. Auch wurden damals archaische Kunstwerke copirt. Zenodoros , der Künstler des neronischen Kolosses , fand Beifall durch die exacten Repro- ductionen zweier Becher des Kaiamis *) . Eine ganze Reihe von Copien archaischer Statuen, wie z. B. derDiskobolMassimi, dürfen mit hinlänglicher Sicherheit als Arbeiten unserer Periode betrachtet werden. Bei dieser Richtung des Geschmacks konnte sich Ste- phanos , dessen Thätigkeit im Wesentlichen unter die Regierung des August gefallen sein wird, wohl veranlasst fühlen, eine archaische Statue zu copiren. Dass diese Thätigkeit keineswegs gering geachtet wurde, bezeugt die Thatsache, dass sich ein an- gesehener Künstler, wie Zenodoros, herbeiliess, zwei Becher des Kaiamis genau nachzuahmen , und dass gewisse Sculpturen der Neuattiker, wie wir später sehen werden, nichts Anderes waren, als Copien nach Schöpfungen der Blüthezeit der griechischen Kunst. Ausserdem hat man zu berücksichtigen , dass die Statue des Stephanos , falls sie eine Oopie ist , wie die Stylisirung deut- lich zeigt , nicht ein marmornes , sondern ein bronzenes Original reproducirt. Die Wiedergabe eines Originals in einem verschie- denen Stoffe erhöht aber die Schwierigkeit und somit das Ver- dienst der Copie. Andererseits lässt sich die Möglichkeit nicht abläugnen, dass das der damaligen Zeit eigenthümliche Interesse und Verständniss für archaische Kunst von tiefer greifender Wirkung war. Die Schule eines gelehrten und reflectirenden Künstlers, wie Pasiteles, ilie sich der Naivität und präcisen Sauberkeit des archaischen Styls bewusst war, konnte darauf denken, diese Eigenschaften in freier Weise für die künstlerische Production zu verwerthen , sie mit der ihr zu Gebote stehenden Virtuosität der Durchführung zu verbinden und so ein eklektisches Verfahren einzuschlagen , wel- ches die Vorzüge zweier weit auseinander liegender Stylepochen vereinigte. Dass die damalige Kunst bisweilen archaische Typen, 1) Plin. XXXIV 47. — DasZeugniss des Lncian Jup. tragoed. 33, dass der archaische Heruies bei der Stoa poikile (Overbeck , Schrift- quellen p. S8 n. 4T() ff., Blümner, arch. Stud. zu Lucian p. 92) vom vielen Abformen ganz schwarz geworden wäre , lasse ich , weil es einer späteren Epoche angehört, vor der Hand ausser Betracht. 14 Kunstverniügen der griechisch-römischen Epoche. wenigstens in gewissen Motiven mit einer freiereu Behandlung zum Vortrag brachte, bezeugt die Pallas aus Herculaneum i , die in der ganzen Anordnung offenbar einen sehr alten Typus wieder- giebt, während die Bildung des Gesichts ungleich mildere und freiere Formen verräth. Auch die Vase des Sosibios^j, auf welcher die Gestalten des Hermes und der Artemis archaisch, die anderen Figuren aber im Sinne der freien Kunst gebildet sind, bietet eine zum Mindesten verwandte Erscheinung dar. Endlich könnte die Fassung der Inschrift an der Statue des Stephanos, in welcher derselbe seinen Schulzusammenhang mit Pasiteles hervor- hebt, zu Gunsten der Annahme, der Künstler sei mehr als blosser Copist gewesen, geltend gemacht werden. Wenn Kekule im Be- sondern annimmt, derselbe habe die Oberfläche seiner Statue in selbstständiger Weise behandelt , so bietet die Kunst der Kaiser- zeit vielfache Belege eines entsprechenden Verfahrens dar. Oefters legt sie Typen, welche die ältere Kunst geschaffen hatte, zu Grunde, giebt ihnen jedoch durch veränderte Charakteristik der Oberfläche den Reiz der Neuheit. Da ich im Laufe der Unter- suchung Gelegenheit haben werde, auf derartige Erscheinungen zu- rückzukommen, so begnüge ich mich hier an den Heraklestypus zu erinnern , der namentlich durch die farnesische Statue und durch den gegenwärtig im Museum zu Basel befindlichen Kopf ^) be- kannt ist. Wie die Untersuchung des letztem gezeigt hat^), ist dieser Typus spätestens in den letzten Jahrzehnten des 4. Jahr- hunderts V. Chr. erfunden , und zwar scheint die neuerdings be- obachtete Uebereinstimmung ^ i seiner Formen mit denen eines vom Mausoleum stammenden Kopfes auf die zweite attische Schule hin- zuweisen. Während in dem zu Basel befindlichen Herakleskopfe und in einigen anderen Repliken der Geist und das Formenprincip der griechischen Kunst des 4. Jahrhunderts gewahrt sind, hält der Künstler der farnesischen Statue, der jedenfalls der Kaiser- zeit angehört , zwar die Composition des Typus fest , stattet ihn jedoch im Sinne einer späteren Geschmacksrichtung mit einer realistischen Behandlung der Oberfläche und einer übertriebenen Charakteristik physischer Kraft aus. Diese Erscheinung bietet eine schlagende Analogie zu der Bildungsweise, welche Kekule 1) Denkm. d. a. K. I 10 37. Die Artemis aus Pompei (Denkm. d. a. K. I 10, 38) lasse ich unerwähnt, weil hier der Gegensatz nicht mit genügender Energie hervortritt. 2] Denkm. d. a. K. II 48, 602. Friederichs. Bausteine p. 451 n. 737. 3) Mon. dell Inst. VIII 54, 55. 4) Ann. dell' Inst. 18()8 p. 336 ff. 5) Bull, dell' Inst. 1872 p. 67. II. Die ideale Sculptur. 15 in der Statue des Stepliauos voraussetzt. Wenn in dieser und den ihr am Nächsten verwandten Marmorsculpturen der Contrast zwischen den archaischen Typen und der fortgeschrittenen Be- handlung des Nackten nicht von allen Gelehrten anerkannt wor- den ist, !^o tritt derselbe mit der grössten Energie in der bronzenen zu Pompei gefundenen ApoUo^st^tue ') hervor, welche Kekiüe, mag auch die Bildung des Gesichtes verschieden sein, mit Recht einer der Statue des Steplianos verwandten Kunstrichtung zu- schreibt. Hier bilden in der That die archaischen Principien, welche in der Anlage und dem Gesichtstypus ersichtlich sind, und die Behandlung des Nackten , die von einem raffinirten , ich möchte fast sagen pedantischen Studium zeugt, einen in die Augen springenden und höchst merkwürdigen Gegensatz. Es ist das bleibende Verdienst Kekules, diese Thatsaclie durch eine ein- gehende Analyse entwickelt und deutlich gemacht zu haben. Wenn er aber , hierauf fusseud , behauptet , die Behandlung des Nackten sei dem Künstler der Kaiserzeit eigenthümlicli und von ihm auf einen archaischen Typus übertragen , so möchte ich bei der dürftigen Kenntniss, die wir von der individuellen Entwicke- lung der verschiedenen arcliaischen Style besitzen , vor der Hand mit einem beipflichtenden Urtheil zurückhalten. Es liegt in der Natur der Sache , dass die einzelnen Künstler in der Epoche des Kingens nach freier Darstellung nicht alle Seiten des Schaffens gleichraässig durchbildeten. So kam Myron in der Schilderung des lebendig bewegten menschlichen Körpers der Naturwahrheit nahe, behandelte dagegen das Haar in noch alterthümlicher Weise 2). Es ist demnach die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass ein Künstler, welcher jener Uebergaugsepoche angehörte, in der Anlage und der physiognomischen Bildung seiner Gestalten archaische Principien festhielt, dagegen seine ganze Energie auf eine naturentsprechende Wiedergabe der Obei-fläche concentrirte und somit zu einer studirteu Darstellungsweise derselben gedieh, wie sie dem pompeianischen Apoll eigenthümlich ist. Die Kunst der Frührenaissance bietet einige ganz entsprechende Erschei- nungen dar. Gewisse Gestalten des Donatello , namentlich der heilige Johannes in den Uffizieu, sind in der Stellung gebun- den, während die Behandlung des Nackten eine beträchtlich fortgeschrittene Richtung im naturalistischen Sinne verräth. Ein ähnlicher Gegensatz zeigt sich auf den Bildern des Lorenzo di Credi, wo die Anlage der Figuren unfrei, die Carnation und 1) Mon. deir Inst. VIII 13; Ann. dell' Inst. 1865 Tav. d'agg. C. Kekul6, die Gruppe des Menelaos Taf. III 1. 2) Plin. XXXIV 58. 16 Kuristvermogen der griechiscli-iöinisclien Epoche. die Gewandimg dagegen mit grosser Naturwahrheit behandelt sind. Dürfen wir endlich den Kallimachos zu der Gruppe der Künstler rechneu , welche die freie Entwickelung vorbereiteten, dann lassen die Nachrichten , welche über diesen xaiatTj^i- T2/V0C vorliegen , auf eine studirte Behandlung des Nackten schliessen, welche vielleicht, wie bei dem pompeianischen Apoll, im Gegensatz stand zu der sonstigen Bildung der Gestalt*). Zugeben muss ich allerdings Kekule , dass eine Charak- teristik der Oberfläche , welche der des Apollo entspräche , bis jetzt bei einer sicher beglaubigten archaischen Sculptur noch nicht nachgewiesen ist. Doch haben wir zu bedenken , wie beschränkt unsere Kenntniss von der dem Pheidias unmittelbar vorhergehenden Kunstentwickelung ist, wie wenig wir von den ii^igen thümlichkeiten selbst der bedeutendsten Meister , die der- selbe/? angehören, wissen. Ich glaube demnach, dass, bevor nicht unsere Anschauung der in jene Uebergaugsepoche fallenden Stylindividualitäten an Vollständigkeit gewonnen hat, ein end- gültiges Urtheil über diese vielfach erörterte Frage unmöglich ist. Mag übrigens die schliessliche Entscheidung zu Gunsten Kekules oder zu Gunsten Conzes ausfallen , jedenfalls ist die Richtung des Stephanos von älteren Leistungen abhängig. Sollte er auch , wie ersterer (Jelehrte annimmt , in gewissen Hinsichten selbstthätig verfahren sein , so hat er zum Mindesten den Gesichtstypus und die Stellung seiner Statue aus der archaischen Kunst entlehnt. Der Gesichtstypus ist derselbe wie bei der vaticanischen Statue der Wettläuferin 2) . Diese aber zeigt eine so vollendete Uebereinstimmung zwischen Gedanken und Form, dass sie unbedenklich für eine im Ganzen genaue ('opie nach einem Originale betrachtet werden darf, welches in der Uebergaugsepoche von der gebundenen zu der vollständig freien Entwickelung geschaffen wurde. Und da die Erschei- nungsweise der vaticanischen Statue vollständig der Schilde- rung entspricht, welche Pausauias^) von den Mädchen giebt, die in Olympia zu Ehren der Hera um die Wette liefen , so schliessen Friederichs ^) und Conze^) mit Recht auf eine alte peloponnesische Schule. Die Auswahl des Typus aus einer solchen Entwickelung ist ganz im Geiste des Pasiteles, des- sen Kenntniss die Denkmäler des gesammten Erdkreises uni- 1 Vgl. Bull, dell' Inst. 1870 p. I4U ff. 2 Mus. Pio-Cl. ni27. ;}; Pausan. V 16, 3. 4 Bausteine p. 111 n. 91. ö; Beiträge p. 28. 11. Die ideale Sculptur. I 7 t'asste und der auch die dem archaischen Style eigeuthümlichen Vorzüge zu schätzen wusste. Den Bemerkungen , welche Kekule ') über den Stand der Statue des Stephanos macht, kann ich nicht beipflichten. Wenn er läugnet, dass derselbe den Principien des archaischen Styls entspreche , und er darin Einflüsse der namentlich von Lysipp ausgebildeten Ponderation erkennen will , so wird diese Annahme durch eine Bronzestatue im Palazzo Sciarra^) widerlegt. Die- selbe schildert einen stehenden Epheben, der die Rechte vor- streckt, während der gegenwärtig grösstentheils restaurirte linke Arm längs der Seite herabhing. Löcher, welche an dem Kopf eingebohrt sind, weisen darauf hin, dass ursprünglich daran ein aus einem besonderen Stücke gearbeiteter Kranz angebracht war. Die vorgestreckte Rechte ist restaurirt. Es ist somit un- gewiss, ob sie eine Schale hielt, wie es bei dem Epheben von Pesaro'^j der Fall gewesen zu sein scheint, oder ob sie ohne Attribut, etwa zur Begleitung des Gebets, vorgestreckt war. Nie- mand wird diese Statue für eine eklektische oder archaisirende Arbeit erklären. Nicht einmal die.Annahme, dass sie eine genaue Copie nach einem archaischen Originale sei , ist zulässig ; denn wir dürfen voraussetzen, dass nur Werke des entwickelteren archaischen Styls copirt wurden, die durch ihre Eleganz und Sauberkeit dem Geschmacke der römischen Epoche zusagten. Der Ephebe Sciarra dagegen fällt mit seinen wuchtigen Propor- tionen, seiner zwar feinen, aber sehr befangenen Behandlung der Oberfläche und der fast primitiv zu benennenden Charakteristik des Haares entschieden vor dieses fortgeschrittenere Stadium und erscheint in allen einzelnen Bestandtheilen so aus einem Gusse, dass ich kein Bedenken trage , ihn , wie es bereits Michaelis ge- than hat, für ein archaisches Original aus verhältnissmässig früher Epoche zu erklären. Auch wird diese Statue demnächst in den Monumenti des Instituts mit einigen anderen sicher beglaubigten archaischen Typen zusammengestellt und hierbei gezeigt werden, wie sie sich hinsichtlich der Behandlung der einzelnen Theile auf das Organischste in die Entwickelung dieses Styles einreiht. Nun entspricht die Stellung des Epheben Sciarra vollständig der der Statue des Stephanos. Wenn daher jener eine archaische Arbeit ist , so ergiebt sich mit Sicherheit , dass Stephanos die Pondera- tion seiner Figur nicht selbstständig erdachte, sondern aus der archaischen Kunst entlehnte. 1) Die Gruppe des Menelaos p. 35. flF. 2) Vgl. Michaelis, archäol. Anzeiger 1863 p. 132. 3j Gal. dl Firenze Ser. IV Band II 93 flf. Hei bi g, Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. 18 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. Ausserdem werden unter den Monumenten des Asinius Polio Appiades als Werke eines Steplianos angeführt ^) . Auch diese waren vermuthlich Copien oder Reproductionen eines älteren Kunstwerkes, der Appiades nämlich, welche die vor dem Tempel der Venus Genetrix befindlichen Wasserkünste schmückten 2) . Die Untersuchung der dritten Generation der Schule des Pasiteles beruht namentlich auf der Gruppe in Villa Ludovisi, welche inschriftlich bezeichnet ist als ein Werk des Menelaos, Schülers des Stephanos^), in zweiter Linie auf einer dieser Gruppe verwandten weiblichen Gewandstatue idealen Charakters, die sich in Villa Pamfili befindet, und auf verschiedenen Portrait- statuen ^) . Welcker ^) hält es für denkbar , dass Menelaos ein älteres, vor die rhodische Schule fallendes Werk nachgebildet habe, und Conze'') wirft die Frage auf, ob er nicht durch das Studium sepulcraler Gruppen , namentlich attischer Grabreliefs, bestimmt worden sei. Ausser von diesen beiden Gelehrten ist kein Zweifel gegen die Originalität der Gruppe Ludovisi ge- äussert worden. Und doch scheint , wenn wir uns in eingehen- der Weise von dem Kunstcharakter derselben Rechenschaft geben, dieser Zweifel sehr berechtigt. Die Auffassung ist ganz im Geiste der Kunst des fünften Jahrhunderts ; die Figuren zeigen jene ethische Darstellungsweise , welche den unmittelbaren Aus- druck der Affecte zurückhält; die Jünglingsgestalt, deren Be- deutung untergeordneter Art ist, tritt nach acht griechischem Kunstgebrauche mit kleineren Dimensionen auf. Dagegen ent- spricht die Ausführung vollständig dem Geiste der Epoche , in welcher Menelaos arbeitete. Weit entfernt von der grossartigen Einfachheit und frischen Ursprünglichkeit, wie sie Sculpturen aus der Blüthezeit der griechischen Kunst eigenthümlich sind, zeigt sie in der Behandlung der Gewänder ein reflectirtes , fast ängstliches Studium des Modells, in der Behandlung des Nackten eine glatte , elegante Darstellungsweise. Der Kopf der weib- lichen Figur erinnert durch die grossartigen Züge und den ge- waltigen Schädelbau an Typen des fünften Jahrhunderts , ent- behrt jedoch der Klarheit und Schärfe derselben ; unwillkürlich wird man zu der Annahme geführt, dass in der That ein sol- 1) Plin. XXXVI 38. 2) Ovid a. a. I 79 if. III 451 ff. rem. am. 659 ff. Vgl. 0. Jahn, Ber. d. sUchs. Ges. d. Wiss. 1S62 p. 116 ff. 3) Kekule, die Gruppe des Menelaos Taf. I. 4 Kekul6 a. a. 0. Ta af. III 4, pag. 40 ff. Beizufügen ist eine in der Krim entdeckte weibliche Portraitstatue : Antiqu. du Bosph. Cim. Titelbild I p. 5. 5) Alte Denkra. V p. S5. 6 Zeitschrift für österr. Gymnasien 1870 p. 870. II. Die ideale Sculptur. 19 eher Typus zu Grunde gelegt, jedoch durch die elegante Aus- führung verflacht worden ist. Der Kopf des Jünglings ver- räth deutliche Reminiscenzen an die Bildung der Söhne der Niobe. Bei so verschieden gearteten Elementen darf man, wenn irgendwo, so gewiss bei der Gruppe des Menelaos ein eklektisches Verfahren voraussetzen. Wenn nicht der Künstler bei Anlage der Gruppe geradezu ein Vorbild aus der besten grie- chischen Kunstentwickelung zu Grunde legte , so wurde er we- nigstens durch Studien oder Reminiscenzen älterer griechischer Motive bestimmt. Auf diese Grundlage übertrug er Bestan) . Schliesslich sei hier noch einiger Motive gedacht , von denen es feststeht, dass sie im Anfange der Kaiserzeit geläufig waren, während allerdings die Möglichkeit vorliegt, dass ihre Gestaltung einige Generationen früher erfolgte. Auch sie sind unter Be- nutzung älterer Typen entstanden und können daher in den Kreis dieser Untersuchung gezogen werden; denn, sollte ihre Aus- bildung vor die Kaiserzeit fallen, dann würde sich in üeber- einstimmung mit anderen Resultaten ergeben , dass die Abnahme der Productivität und das Benutzen älterer Vorbilder bereits der vorhergehenden Entwickelung eigenthümlich sind. Hierher gehört die auf Reliefs, Lampen, Gemmen und Münzen unendlich oft wiederkehrende Gruppe , welche den Aeneas dar- stellt, wie er den Anchises davonträgt 2) . Jedenfalls wurde diese Gruppe erst gestaltet, nachdem der troische Ursprung Roms officiell anerkannt war ; vielleicht ist sie nicht älter , als die augusteische Epoche. Einen bestimmten chronologischen Anhalts- punkt giebt uns der Umstand, dass eine solche Gruppe aus Terra- cotta in Pompei gefunden 3) und dass der Gegenstand derselben auf einem herculaner Gemälde ^j karikirt ist. Auch hier nehmen wir die Benutzung älterer griechischer Motive wahr. Der eine der katanäischen Brüder , welcher seineu Vater rettet , ist auf Münzen von Katana ^) und auf Denaren des Münzmeisters M. Herennius^) und des S. Pompeius^) in ganz ähnlicher Weise gebildet. Der römische Künstler hat das griechische Motiv mit einer verschiedenen Charakteristik durchdrungen und an die Stelle des nackten Hellenen den gewappneten Aeneas gesetzt. Der Typus der auf den Schild schreibenden Nike ist aus der den Schild haltenden Aphrodite abgeleitet. Nicht nur die Stellung , sondeiTi selbst der Faltenwurf des um die Hüften ge- schlagenen Obergewandes ist festgehalten*^). Wann diese Ab- l)Mon. dell' Inst. Vm47. 2) Vgl. Arch. Zeit. 1S72 p. 120 ff. 3) Sie befindet sich gegenwärtig im Museum zu Pompei. Vgl. Arch. Zeit. 1872 p. 120, Anm. 33. -I) Heibig N. 1380. 5) Paruta et Augustini Sicilia numismatica (stud. Havercampij Tav. XXXI ff. 6 Cohen, monn. de la rep. rom. pl. XVIIII p. 149 n. 1. 7) Cohen a. a 0. pl. XXXIII n. 8. 9. 8) Vgl. 0. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 18GI p. 125. II. Die ideale Sculptuv. 29 leitung Statt hatte, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Da die prachtvolle Bronzereplik in Bresciai) in dem Charakter der Durchführung deutlich mit den besten in den carapanischen Städten entdeckten Bronzen übereinstimmt, so liegt die Annahme nahe , dass sie zur Zeit der flavischen Kaiser gearbeitet und von Haus aus zur Ausschmückung des von Vespasian errichteten Ge- bäudes bestimmt war, unter dessen Ruinen sie entdeckt wurde 2). Jedenfalls war dieser Typus in traianischer Epoche allgemein .bekannt, wie der Umstand beweist, dass er auf der Traiansäule als monumentaler Ruhepunkt zwischen den Schilderungen der beiden dacischen Kriege angebracht ist 3). Oefters kehrt in den Museen eine sitzende Knabengestalt wieder, bald ohne Attribute, bald mit denen der Hirten oder Fischer ausgestattet. Die Terracottenfigur eines solchen Knaben, welche in Pompei gefunden wurde und sich gegenwärtig in dem dortigen Museum befindet, beweist, dass diese Darstellung bereits zur Zeit der flavischen Kaiser geläufig war. Auch hier ist ein Motiv der älteren griechischen Kunst verarbeitet, die auf attischen Grabreliefs häufig vorkommende Figur des trauernd hinter dem Herrn sitzenden Sklaven'*), die in der Anlage festgehalten, je-: doch mit veränderter Charakteristik und verschiedenen Attributen dargestellt ist. Der bei der Kirche S. Maria sopra Minej-va gefundenen Statue des Tiber ^) gedenke ich an dieser Stelle nur, weil die unbe- fangene Würdigung derselben die Streitfrage über die Zeit, in welcher ihr Gegenstück , die Statue des Nil 6) , erfunden wurde, zu Gunsten der Ptolemaierepoche entscheidet. Jeder unpartei- ische Beobachter wird zugestehen, dass der Kunstgehalt der letzteren dem in der Statue des Tiber gebotenen beträchtlich überlegen ist. Die Charakteristik des Nil als Flussgottes ist, wie Friederichs '^) in sehr feiner Weise analysirt , in der Stellung , iu den Formen des Körpers und in dem Ausdrucke des Gesichts vor- trefflich durchgeführt; die kolossale Gestalt, umspielt von den Putti, bietet ein Bild voll des bewegtesten Lebens und reich an fein berechneten Gegensätzen. Wie es sich mit der Individuali- sirung der Gestalt des Tiber verhält, wage ich nach den Abbil- 1) Museo Bresciano Taf. 38 flf. . 2) Museo Bresciano p. 23. 3) Bartoli undBellori, colonna trajana Taf. 58. Fröhner, colonne trajane p. 120. 4) Vgl. Stephani, der ausruhende Hercules p. 40. 5) Mus. Pio-Cl. I 38. 6) Mus. Pio-Cl. I 37. 7) Bausteine p. 434 n. 719. 30 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. düngen nicht zu beiirtheilen. Jedenfalls aber ist die Gesammt- erscheinung dieser Statue , verglichen mit der des Nil , kahl und dürftig. Somit begreife ich nicht, wie Friederichs, welcher die Vorzüge der Statue des Nil mit so feinem Verständnisse würdigt, eine üebereinstimmung derselben mit der des Tiber wahr- nimmt und , weil die letztere in römischer Epoche gestaltet ist. auch die Erfindung des Nil in derselben Zeit ansetzt. Bei dem Unterschiede des Erßndungsvermögens , welches sich bei Ver- gleich der beiden Statuen herausstellt, ist der entgegengesetzte Schluss ungleich berechtigter, dass nämlich, wenn die Statue des Tiber in römischer Epoche zurecht gemacht ist, der Typus des Nil aus einer reicher begabten Kunstentwickelung stammt, welche wir nach dem Gegenstande und der Auffassung des- selben mit hinlänglicher Sicherheit in der Ptolemaierepoche an- setzen dürfen. Das Portrait des ersten Jahrhunderts der Kaiserzeit ist durch mehrere sehr bedeutende Leistungen vertreten und die Gelehrten, welche dieser Epoche einen hohen Grad künstlerischer Produc- tivität zusprechen , haben nicht ermangelt , dieselben als Bekräf- tigung ihrer Ansicht geltend zu machen. Dass die damalige Kunst die Züge der darzustellenden Persönlichkeiten in treffender Weise wiederzugeben verstand, wird Jedermann anerkennen. Doch beweisen gelungene Lieistungen in dieser Richtung keineswegs, dass die Kunst befähigt war, im höheren Sinne poetisch zu schaffen. Allerdings lässt die Anlage der Portraitstatuen der Kaiserzeit beim ersten Anscheine auf eine solche Befähigung schliessen. Sie sind durchweg klar gedacht und schön gestellt oder gesetzt und machen, was die Conception betrifft, mit wenigen Ausnahmen einen acht monumentalen Eindruck. Die Anordnung der Gewänder ist übersichtlich und geschmackvoll, Vorzüge, welche selbst bei einer mittelmässigen Ausführung in die Augen springen. Doch fragt es sich, ob diese Typen in der Kaiserzeit erfunden oder aus der älteren Kunst entlehnt sind. Versuchen wir es , uns hierüber ein Urtheil zu bilden , so macht sich , wenn irgendwo , so hier die Lückenhaftigkeit unserer Denkmälerkunde fühlbar. Und namentlich ist es zu beklagen , dass wir von der Kunst der Diadochenperiode , die nachweislich auf dem Gebiete der Portraitdavötellung die vielseitigste Thätigkeit entfaltete, so gut wie nichts wissen. Jedenfalls ist es ein bezeichnender Zug der Portraitkunst der Kaiserzeit, dass sie sich in der Regel begnügt , die Aehnlichkeit in den Köpfen wiederzuge- ben , auf die Individualisirung der Gestalt dagegen verzichtet. Die Torsen der statuae loricatae wurden auf Vorrath gearbeitet und vielfach von anderer Hand mit dem betreffenden Portrait- II. Die ideale Sculptur. 31 köpf ergänzt ') . Das dem Zeustypus nachgebildete Motiv , wel- ches die Kaiser sitzend, mit nacktem Oberkörper und um die Schenkel gebreitetem Mantel, darstellt, ist bei einer ganzen Reihe von Statuen verschiedener Kaiser dasselbe. Die Behand- lung der Körper abstrahirt fast immer von einer individuellen Charakteristik. Unter den Statuen dieser Art, die ich im Originale kenne , wüsste ich als Ausnahme nur den vaticanischen Nerva- torso 2) anzuführen , wo der Bildhauer auch in der Behandlung der Brust die schwächliche Constitution des greisen Caesaren angedeutet hat. Wie wenig man es sich angelegen sein liess, die Aehnlichkeit in den Gestalten wiederzugeben , bezeugt ferner das damals bisweilen angewendete Verfahren , Portraits herzustellen, indem man von bereits vorhandenen Statuen die Köpfe entfernte und dieselben durch die der gerade abzubildenden Persönlich- keiten ersetzte ^) . An den Statuen zweier Töchter des Baibus *) geben die Köpfe die Portraits der Mädchen wieder ; dagegen sind bei beiden Stellung, Körperformen und Gewandbehand- lung dieselben. Das Motiv, welches namentlich durch die so- genannte Pudicitia im Vatican bekaniit ist, findet sich mit geringen Abweichungen bei einer ganzen Reihe von Sepulcralstatuen. Diese Thatsachen, deren Zahl ich, wenn ich den Gegenstand eingehender behandeln dürfte, beträchtlich vermehren könnte, zeigen deutlich, dass die Portraitkunst der Kaiserzeit das Hauptgewicht auf eine der Natur entsprechende Wiedergabe der Köpfe legte. Dagegen verzichtete sie nachweislich in vielen Fällen darauf, die Körper- formen und Stellungen zu individualisiren, und bediente sie sich bei Bildung der Gestalten einer Reihe ausgebildet vorliegender Typen. Bei jeder Portraitstatue der Kaiserzeit ist somit der Zweifel zu- lässig, ob der Künstler, welcher das Gesicht der darzustellenden Persönlichkeit so vorzüglich zu treffen wusste, die Anlage der Gestalt selbst erfand oder anderswoher cntlehute. Auch lässt sich bei mehreren und gerade sehr hervorragenden Portrait- statuen der Beweis führen, dass ihr Motiv nicht in der Kaiserzeit, sondern in der älteren Entwickelung ausgebildet wurde. So liegt 1) Vgl. Ann. deir Inst. 1863 p. 433. Benndorf und Schöne, Bildw. d. lat. Mus. p. 125. 2; Fio-Clem. III 6. Vgl. Braun, Ruinen und Museen p. 432 n. 147. 3) Plin. XXXV 4: surdo figurarum discrimine statuarum capita permutantur (vgl. Arch. Zeit. 1856 p. 220). Belege dieses Gebrauchs 8. bei Tacitus Ann. I 74. Plin. XXXV 94. Dio Chrysost. or. XXXI p. 312 M., 343 M., p. 357 M. Vgl. Köhler, Verm. Sehr. V p. 357. Friedlaender, Darst. aus der Sittengesch. Roms III p. 161 fF. 4j Mus. Borb. II 41, 42. 32 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. der Gestalt des sogenannten Germanicus des Kleomenes^) ein alter Hermestypus "^) zu Grunde. Dass die Anlage einer der beiden in Dresden befindlichen herculanischen Portraitstatuen aus der älteren Entwickelung entlehnt ist, -wurde bereits bemerkt 3). Das häufig bei Sepulcralstatuen verwendete und namentlich durch die sogenannte Pudicitia bekannte Motiv findet sich bereits an der Krönung einer attischen Grabstele, in welcher ein Kenner wie Stackeiberg, dessen stylistisches Urtheil selten trügt, eine Arbeit aus der Epoche der Ptolemaier erkannte 4), Wäre uns" eine hin- reichende Anzahl von Bildnissen aus der Diadochenperiode er- halten , dann würden sich gewiss viele der von der Kaiserzeit verwendeten Motive als Producte dieser Kunstentwickelung herausstellen. Die Versuche , welche gemacht worden sind , um in der Ge- sammterscheinung einzelner Portraitstatuen der Kaiserzeit eine individuelle , gewissermaassen historische Schilderung , Hindeu- tungen auf die Schicksale der dargestellten Persönlichkeiten u. ä. , nachzuweisen, halte ich durchweg für verunglückt. So schreibt z. B. Braun -^j über die capitolinische Statue der älte- ren Agrippina *'] : »Hier erscheint sie (Agrippiua) in der Stim- mung , in welcher wir sie uns nach der grossen Katastrophe zu denken haben, die das unheimliche Ableben ihres Gemahls be- zeichnet. Sie macht den Eindruck, als wäre sie von dem Schicksal in Banden geschlagen, könne sich aber der hohen Gedanken, mit denen ihr Geist in den Tagen des Glücks schwanger gegangen, noch nicht entledigen«. Ich muss gestehen, dass ich von dem Allen nichts wahrnehme. Ich sehe nur eine mit edlem und un- gezwungenem Anstände dasitzende vornehme Dame und glaube, dass das Motiv der Statue auch bei dem Bildnisse einer Berenike oder Stratonike vollständig am Platze sein würde. Uebrigens wurde dasselbe in der Kaiserzeit nicht lediglich zur Darstel- lung der Agrippina verwendet; vielmehr begegnen wir ihm in Villa Albani bei dem Portrait einer anderen römischen Dame ') . Eben so wenig kann ich den Bemerkungen beipflichten , welche 1) Denkm. d. a. K. I 50, 225. 2) Braun, Vorschule 97. Denkm. d. a. K. II 29, 318. 3) S. oben Seite 19. 4) Stackeiberg, Gräber der Hellenen p. 44, Vignette unter dem Texte. Uebrigens ist das Motiv der Arme dem der sog. Germania verwandt , welches sich bereits auf Spiegelkapseln findet. Siehe oben Seite 27. 5) Ruinen und Museen p. 163. 6) Denkm. d. a. K. I 68. 371. 7) Vgl. Braun, Ruinen und Museen p. 618. II. Die ideale Sculptur. 33 Friederichs ^) über die angebliehe Statue der jüngeren Agrip- pina2] macht. Wenn er vermuthet, dass der Bildhauer durch den schwermüthigen Ausdruck , welcher in ihrem Gesichte und in ihrer Haltung durchklingt, die Trauer andeuten wollte, die die Kaiserin wegen des Zerwürfnisses mit ihrem Sohne empfindet, so wäre eine derartige Absicht , falls sie unter der Regierung des Nero ruchbar geworden wäre , dem Künstler gewiss theuer zu stehen gekommen. Die Stimmung, welche in dieser Statue herrscht , ist bei allen für Grabmonumeute bestimmten Portraits in grösserem oder geringerem Grade maassgebend und war bei der Sepulcralstatue einer Griechin der Diadocheuperiode in gleicher Weise indicirt , wie bei der einer ßömerin der Kaiserzeit. Dass die Motive, welche dem August Pourtales oder der Statue desselben Kaisers aus der Villa ad Gallinas eigenthümlich sind, auch zur Darstellung eines Ptolemaiers oder Seleukiden geeignet waren, wird Jedermann zugeben. Um etwaigen Einwürfen zu begegnen , muss au dieser Stelle noch des Antinoostypus gedacht werden. Da es hinlänglich fest- steht, dass sich die Kunstentwickelung der Kaiserzeit in einer absteigenden Linie bewegt , so könnte Jemand einwenden , dass, wenn noch die hadrianische Epoche zu einer solchen Schöpfung befähigt war, das künstlerische Vermögen der anderthalb Jahr- Imnderte älteren Entwickelung höher veranschlagt werden müsse, als ich es gethan. In der That ist dieser Typus von wunderbarer Schönheit und lässt sich ihm kein Product der unmittelbar vor- hergehenden oder gleichzeitigen Kunst an die Seite stellen. Da er aber als eine so vollständig vereinzelte Erscheinung auftritt, so sind wir berechtigt anzunehmen, dass es mit ihm eine beson- dere Bewandniss hat. Fragen wir, was in diesem Falle die Natur darbot und was die Kunst leistete , um aus den realen Elementen den bekannten Typus zu entwickeln , so dürfen wir mit hinläng- licher Sicherheit antworten, dass die Thätigkeit der Kunst hierbei sehr gering anzuschlagen ist. Antinoos muss eine jener Gestal- ten von Gottes Gnaden gewesen sein, in welchen die Natur selbst gewissermaassen ein Ideal physischer Vollkommenheit verwirk- •licht. Die Kunst that im Grunde nichts weiter, als die wunder- bare Erscheinung in das Kolossale zu vergrössern und mit den Stellungen und Attributen der von Alfers her überlieferten Götter- typen zur Darstellung zu bringen. Hätte sie dabei im eigent- lichen Sinne des Wortes poetisch schaffend gewirkt, dann bliebe es unerklärlich , warum diese Fähigkeit nur bei dieser Bildung 1) Bausteine p. 50.5 n. 812. 2) Mus. Borb. III 22. Clarac pl. 929. Helbi g, Untersnchnngen ü. d. campan. Wandmalerei. 34 Kunst vermögen der griechisch-römischen Epoche. und nicht auch anderweitig zur Geltung kam. Mit dieser Auf- fassung stimmt der geistige Inhalt des Typus. Wenn von einer idealen Schilderung gefordert wird, dass sie die darzustellende Individualität nicht nur hinsichtlich ihrer physischen, sondern auch ihrer geistigen Eigenschaften läutere und in eine höhere Sphäre entrücke , so dürfen wir den Antinoostypus kaum unter die Idealbildungen im strengsten Sinne des Wortes rechnen. Der Ausdruck desselben zeigt keine Spur von einem Streben nach Ver- edelung, verräth vielmehr rückhaltslos die Wollust und düsteren Fanatismus mischende Natur , wie sie dem bithynischen Jüngling in der Wirklichkeit eigenthümlich war. Allerdings erscheinen die Sculpturen, deren Abhängigkeit von älteren Leistungen sich bew^eisen Hess , gegenüber der Fülle von Denkmälern, deren Ausführung auf die erste Kaiserzeit hinweist, sehr vereinzelt. Wenn wir jedoch die Lückenhaftigkeit unserer Denkraälerkunde in Betracht ziehen , so sind die Fälle , wo sich der Beweis führen lässt, zahlreich genug, um diese Abhängigkeit in weiterer Ausdehnung und auch da vorauszusetzen, wo die Ueberlieferung keine bestimmten Schlüsse gestattet. Weist doch schon die Menge der Copien, Avelche damals nach Meister- werken der griechischen Kunst gearbeitet wurden'), darauf hin, dass es mit dem Erfindungsvermögen dieser Epoche schwach bestellt w^ar, und stimmt hiermit die schriftstellerische Ueber- lieferung, welche nirgends von einem hervorragenden Ideen- gehalt der damaligen Plastik berichtet. Somit werden wir nicht irren , wenn wir annehmen , dass die Kunst dieser Epoche mehr reproducirend, als producirend thätig war, dass die Künstler, wo sie etwas Neues bieten wollten, die von Alters her überlieferten Motive modificirten, sie in anderen Zusammenhang brachten, sie mit veränderter Charakteristik vortrugen. Ihr wesentliches Ver- dienst ist die Durchführung, welche in den bedeutenderen Werken der Epoche, wie dem vaticanischen Heraklestorso, dem sogenann- ten Germanicus und der mediceischen Venus, ein eingehendes Stu- dium der Natur, eine feine Auffassung derselben und eine raffinirte Fertigkeit des Ausdruckes verräth und diesen Sculpturen einen immerhin hervorragenden Platz in der Kunstgeschichte sichert. Nur darf man nicht, durch die ausgezeichneten Leistungen in dieser Richtung bestochen, voreilig auf das poetische Gestaltungs- vermögen der Künstler schliessen. Will man, wie es noch Frie- derichs ^j gethan hat , den Laokoon als ein Werk der griechisch- Tüfflischeu Kunst betrachten, dann ergiebt sich eine unter abnormen 1) Vgl. J>iedlaender, Darstell, aus d. Sittengesch. III p. 193 ff. 2/ Bausteine p. 431. II. Die ideale Sculptur. 35 Hebungen und Senkungen vorschreitende Kunstentwickelung. Wenn die Zeit des Titus noch fähig war, ein in dem Gedanken wie in der Ausführung so eigenthümliches und trotz aller Mängel so bedeutendes Werk zu erfinden, dann stellt sich in der un- mittelbar folgenden Periode ein urplötzliches Stillstehen des poetischen Schaffens , ein schroffer Abbruch der Entwickelung heraus, wofür es auf dem Gebiete der Kunstgeschichte an jeg- licher Analogie gebricht. Setzen wir den Laokoon dagegen in die Diadochenperiode, dann erscheint er als die organische Folge der unmittelbar vorhergehenden Leistungen und ergiebt sich für die folgende Zeit eine allmälige Abnahme der Productivität , wie sie den Bedingungen einer organischen Entwickelung vollständig ent- spricht. Ueber das Yerhältniss, in welchem die unserer Epoche eigen- thümliche Durchführung zu der der älteren Entwickelung stand, ob die Kunst der Kaiserzeit sich begnügte , mit den bereits aus- gebildeten Mitteln der Darstellung weiter zu arbeiten, oder ob sie ■dieselben erweiterte, darüber sind wir bei der Dürftigkeit unserer Monumentalkenntniss ausser Staude, ein bestimmtes Urtheil zu fällen. Jedenfalls ist es unvorsichtig, Eigenthümlichkeiten der Durchführung, weil sie sich bisher nur an Sculpturen der griechisch-römischen Epoche finden, als Neuerungen der da- maligen Kunst in Anspruch zu nehmen. Die Erweiterung unserer Kenntniss von Originalarbeiten aus der älteren Entwickelung führt in dieser Hinsicht bisweilen zu sehr überraschenden Kesul- taten. So ist die Charakteristik des feinen, sich eng an den Körper anschmiegenden Gewandes, wie es u. a. an Aphrodite- statuen vorkommt, in denen man früher Copien der Venus Gene- trix des Arkesilaos erkannte'), mindestens drei Jahrhunderte Tor der Kaiserzeit ausgebildet worden; denn diese Gewand- Jjehandlung findet sich bereits bei einer Statue des Nereiden- monuments von Xanthos. Aehnlich ist auch der Chiton der jüng- sten Tochter der Niobe gearbeitet. In der Gewandung einiger Statuen , deren Arbeit auf das erste Jahrhundert der Kaiserzeit hinweist, namentlich der sogenannten Ceres — richtiger wohl Proserpina — im CapitoP], sind mit leichten Meisselhieben die Brüche angedeutet, welche die Zusammenfaltung des im Schreine aufbewahrten Gewandes zurücklässt. Dieser natura- listische Zug datirt keineswegs erst aus römischer Epoche. Er ündet sich bereits an den Gewändern des angeblichen Mausolos 1) Vgl. Ann. deir Inst. 186-5 p. 63. 2) Mus. capltol. III 8. Braun, Ruinen und Museen p. 207 n. 66. 3* 36 Kunstvermögeu der griechisch-römischen Epoche. und der angeblichen Artemisia vom Mausoleum i) und war so- mit schon der zweiten attischen Schule geläufig. Immerhin darf man mit Sicherheit voraussetzen, dass in Rom alle Bedingungen vorlagen , um während des Verlaufes unserer Periode die Durchführung auf einer beträchtlichen Höhe zu er- halten. Seit die Stadt die Metropole des Erdkreises geworden, zog sie die bedeutendsten Kräfte an sich ; bei der Masse ausgezeich- neter Kunstwerke aller Epochen, welche in Rom vereinigt waren und einen hohen Maassstab der Vergleichung an die Hand gaben, wurden die grössten Anforderungen an die Künstler gestellt; doch standen ihnen auch die reichsten materiellen Mittel zu Ge- bote. Unter solchen Umständen ist es sogar wahrscheinlich, dass das künstlerische Machwerk in der Weltstadt Rom auf einem höheren Niveau stand , als in den sinkenden Jiellenistischen Rei- chen. Diese Annahme wird durch die Betrachtung der Münzen empfohlen , der einzigen Denkmälergattung , welche uns in un- unterbrochener Reihenfolge die Kunstentwickelung von Alexander dem Grossen abwärts vergegenwärtigt. Die Münzstempel der iulischen Kaiser sind sorgfältiger und feiner gearbeitet, als die der letzten Seleukiden und Ptolemaier. Auch besitzen wir in einer Bemerkung des Kallixenos^) einen bestimmten Beleg von dem Verfall des Kunsthandwerks zur Zeit Ptolemaios' IV. In der Be- schreibung der Thalaraegos dieses Königs berichtet er, dass die in der grossen Kajüte befindlichen elfenbeinernen Friesreliefs von geringem künstlerischen Werthe und nur wegen der Kostbarkeit des Stoffs beachtenswerth waren. III. Die realistische Sculptur. Die realistische Richtung, welche neben der im vorigen Ab- schnitt behandelten idealen hergeht, kommt namentlich im Por- trait, den historischen Sculpturen , mit denen Triumphbögen und andere öffentliche Gebäude verwandter Art geschmückt wurden, seltener in Darstellungen aus dem Alltagsleben zur Geltung. Die hierher gehörige Portraitbildung ist bestrebt , die Natur, wie sie vor den Sinnen liegt, mit allen Zufälligkeiten wieder- 1) In der Publication bei Newton, travels and discov. in the Levant II, Taf. 8— lo sind diese Brüche nur schwer zu erkennen. 2) Bei Athen. V p. 205 C = Overbeck, Schriftquellen n. 1%6. III. Die realistische Sculptur. 37 zugeben. Wenn sie zur vollendeten Entwickeluug kommt, dann unterscheidet sie sich von der idealen ganz äusserlich durch be- stimmte Mittel des Ausdrucks. Während die letztere die Augen- lider mit strenger Stylisirung herausarbeitet und auf Andeutung der Augenbrauen verziclitet , lässt die realistische Ilichtung die Lider , wie es in der Wirklichkeit der Fall ist , auf dem Auge aufliegen und drückt sie die Brauen plastisch aus. Bisweilen deutet sie auch die Pupillen durch vertiefte Umrisse au, ein Verfahren, welches jedoch erst nach Ablauf der Periode, mit der wir uns beschäftigen, allgemeinere Verbreitung findet. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Richtung im Wesentlichen in der Diadochenperiode zur Ausbildung kam. Der plastischen Behandlung der Augenbrauen begegnen wu- bereits bei dem Barbarenstatuen aus pergamenischer Schule. Auf dem Gebiete der Portraitdarstellung ist ein vollendeter Realismus schon durch Lysistratos , den Bruder des Lysippos , vertreten. Er drückte die Gesichter der zu Portraitirenden in Gyps ab , goss die Form mit Wachs aus und stellte , indem er den Abguss re- touchirte, Portraits her, welche die Aehnlichkeit in allen Einzel- heiten und Zufälligkeiten wiedergaben i;. Mag auch dieser ex- treme Realismus vor der Hand eine vereinzelte Erscheinung geblieben sein , so ist er nichts desto weniger ein bedeutsames Zeichen für die Tendenzen der gleichzeitigen Kunst und begegnen wir innerhalb der erhaltenen Denkmäler der Diadochenperiode verschiedenen Bildnissen , die zum Mindesten einen nah ver- wandten Geist verrathen. Dies gilt von der Charakteristik , mit der bisweilen die Köpfe der Diadochen auf Münzstempelu be- handelt sind. Vor allen erinnere ich au die Silbermünzen des ersten Ptolemaiers, auf denen das Gesicht de^ hochbejahrten Königs mit zahnlosem Munde, eingefallenen Lippen, spitzem Kinne und einer Menge tief ein gefurchter Falten dargestellt ist. Ein entsprechendes Bildungsprincip verrathen zwei im britischen Museum befindliche Portraitköpfe, welche mit hinlänglicher Sicher- heit als Originalarbeiten der Diadochenperiode betrachtet werden dürfen. Der eine derselben, aus Marmor gearbeitet, stammt aus den Ruinen des Tempels der Athene Polias von Priene •^j ; der andere , aus Bronze , ist in Kyrene 1 1 englische Fuss unter dem Mosaikfussboden des im Anfange der römischen Kaiserzeit ge- bauten Apollotempels entdeckt worden-'). Ausserdem darf man 1) Plin. XXXV 153. 2) Vgl Lützow, Kunstblatt VII (1872) p. 212. 3) Smith and Porcher , hist. of the discov. at Cyrene N. 06 p. 42 -und 94. Leider giebt die photographische Abbildung nur einen sehr dürftigen Begriff von der Feinheit, mit der dieser Kopf raodellirt ist. 38 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. noch das früher fälschlich auf Seneca gedeutete Portrait eine& alexandrinischen Dichters in Betracht ziehen, dessen bessere Re- pliken, wie namentlich der ausgezeichnete herculaner Bronzekopf ') ^ gewiss einen hinreichenden Begriff von der Beschaffenheit des Originals geben. Das Bildungsprincip , auf welchem diese Por- traits der Diadochenperiode beruhen, ist im Ganzen dasselbe, wie das, welches bei den realistischen Portraits der römischen Epoche maassgebend ist. Hier wie dort ist die Kunst bestrebt, die reale Erscheinung in getreuster Weise wiederzugeben. Nur verrathen die ersteren, verglichen mit den besten römischen , eine grössere- Feinheit in der Auffassung der Natur, eine richtigere Unterschei- dung zwischen AVesentlichem und Unwesentlichem und mehr Delicatesse in der Modellirung. Die Selbstständigkeit der römi- schen Epoche würde somit höchstens darin zu suchen sein , dass- sie das hellenistische Bildungsprincip vergröbert hat. Es liegt ausserhalb unserer Aufgabe , das Verhältniss , in welchem die beiden Richtungen der Portraitbildung , die ideale und die realistische, gegen Ende der Republik und im ersten Jahr- hundert der Kaiserzeit stehen , eingehender zu verfolgen. Wir sehen, wie sich in mehreren Portraitstatuen die beiden Richtungen kreuzen , wie der Pompeius Spada ^j in idealer Nacktheit dar- gestellt ist , während die Bildung des Kopfes einen realistischen Zug verräth , wie an der Augustusstatue von Prima Porta 3) die- Rüstung der Wirklichkeit nachgebildet, dieBehandlung des Kopfes und die Nacktheit der Beine dagegen durch die ideale Richtung bedingt sind , und werden das Vorkommen solcher Synkretismen um so leichter begreifen , da die Torsen bekanntlich öfters be- sonders gearbeitet und von anderer Hand durch die betreffenden Portraitköpfe ergänzt wurden. Nur muss ich im Interesse de» weiteren Verlaufs unserer Untersuchung eine Thatsache hervor- heben, welche wenigstens während des ersten Jahrhundert» der Kaiserzeit in der deutlichsten Weise hervortritt. Die ideale Richtung gilt nämlich während dieser Periode entschieden als die vornehmere und macht , wo es darauf ankommt , ein Kunst- werk von hervorragenderer Bedeutung zu gestalten , stets ihren Einfluss geltend. Man kann selbst weiter gehen und behaupten, dass das realistische Princip bei der Bildung von Portrait- statuen damals wenigstens in der Hauptstadt nur sehr geringen Anklang fand ; denn bei allen solchen Statuen , welche in Rom 1; Bronzi d'ErcoIano I 35, 36 p. 127, 128. Vgl. Bull, dell' Inst. 1872 p. 3«. 2) Visconti, iconog. rom. I 5. 3) Mon. deir Inst. VI. VII 84. 0. Jahn, aus der Alterthums- Wissenschaft Taf. VI. III. Die realistische Sculptur. 39 gefunden sind und mit Sicherheit dem ersten Jahrhundert der Kaiserzeit zugeschrieben werden dürfen , ist die ideale Richtung die allein oder die vor-herrschende. Wir begegnen in Rom einer ausschliesslich realistischen Bildungsweise vorwiegend bei Büsten und am Reinsten und Ungetrübtesten bei einer verhältnissmässig untergeordneten Gattung , den in Hochrelief gearbeiteten Büsten römischer Grabmäler. Für das erste Jahrhundert der Kaiserzeit dürften sich diese Beobachtungen als vollständig stichhaltig erweisen. In der wei- teren Entwickelung , die zu verfolgen ausserhalb unseres Planes liegt, ändei'n sich allerdings die Verhältnisse und gewinnt die realistische Richtung des Portraits an Bedeutung. In der Epoche von den Antoninen abwärts tritt sie, vermuthlich als Reaction gegen die glatte akademische Manier , wie sie unter Hadrian tonangebend gewesen war , ebenbürtig der idealen Richtung zur Seite und bewahrt im weiteren Verlaufe länger die Lebenskraft, als die letztere. Selbst im Laufe des dritten Jahrhunderts leistet sie noch Beachtenswerthes , wie es unter anderen die Büsten des Caracalla beweisen , deren häufiges Vorkommen sich gewiss nicht aus der Vorliebe für die dargestellte Persönlichkeit, sondern aus dem Interesse für die künstlerische Vollendung erklärt, mit welcher dieses Portrait den schrecklichen Charakter des Kaisers veran- schaulicht. Noch gilt es, in Betreff der in römischer Epoche üblichen Form des Portraitkopfes , der Büste, einen allgemein verbrei- teten Irrthum zu beseitigen'). Die Büste wird in der Regel als eine ausschliesslich römische und der griechischen Kunst fremde Form betrachtet. Doch spricht hiergegen schon die That- sache , dass die Lateiner eines besonderen Wortes für diesen Ge- genstand entbehren und ihn durch imago, also durch die An- wendung eines allgemeinen Ausdrucks im speciellen Sinne, be- zeichnen '^) . Die griechische Sprache dagegen besitzt hierfür das Wort TipoTojxTJ ^) . Oflenbar ist auch die Büste ein von der Dia- dochenperiode ausgebildetes Motiv. Es ergiebt sich dies in un- widerleglicher Weise aus Münzen und geschnittenen Steinen dieser Periode. Neben der bis auf Alexander den Grossen allgemein üblichen Darstellung der Köpfe, welche, wie es bei der Herme der Fall ist, einen kurzen und streng stylisirten Abschnitt des Halses Vi Vgl. Visconti, Vorrede zu Mus. Pio-Cl. VI. Benndorf und Schöne, Bildw. d. lat. Mus. p. 209. 2] S. Bull, deir Inst. 1&66 p. 100. 3; Hesych. : 7:poTO[i.7] ßaoiXtxr, , eio; toü öixttaXoü toü ciu[i.aTo; ei5oc* irpoTOfAaf eixove; ßaotXecuv. Said, und Phot. : TtpoTOfiai ßaotXt-/.af eixovec ßaot).rocpopoi, welche den König an der Spitze seiner Land- und Seemacht darstellten^^ , liegt kein zwingender Grund vor, an Reliefs zu denken. Mit gleichem Rechte können wir sie als friesartige Gemäldeplatten, etwa aus Elfenbein, betrachten und sie den von Panainos bemalten Schranken am Throne des olympischen Zeus vergleichen. End- lich lässt der Umstand , dass in den erhaltenen Beschreibungen hellenistischer Prachtbauten des historischeu Reliefs nirgends ge- dacht wird, deutlich darauf schliessen , dass die architektonische Verwendung desselben in der Diadochenperiode zum Mindesten nicht so verbreitet war, wie in der römischen Kaiserzeit. Sicher ist , dass die historische Gattung in Italien zunächst durch die Malerei eingebürgert wurde. Bereits während des 3. Jahrhun- derts V. Chr. war es bei dem römischen Triumphe üblich , Ge- mälde einherzutragen, welche die bezeichnendsten Ereignisse des glücklich vollbrachten Feldzugs darstellten. Bisweilen wurden solche Gemälde auch auf dem Forum ausgestellt oder zu bleiben- der Erinnerung an den Wänden der Tempel oder in den Häusern der siegreichen Feldherrn ausgeführt '^) . Das historische Relief, wie es an den Siegesdenkmälern der Kaiserzeit auftritt, steht in engsten Beziehungen zu dieser vorher- gehenden Entwickelung der Malerei und erscheint recht eigent- lich als eine eigenthümliche Fortsetzung derselben. Ja wir dürfen 1) Coli, of anc. umrbl. in the Britli. Mus. X 32. Vgl. Rhein. Mus. XXVII (1872) p. ].-»,{ ff. 2) Diodor. XVIII 2<3. 27. 3) Die Stellen s. bei Raoul Rochette, peint. ant. indd. p. 30:; ff. 46 Kunstvermögea der griechisch-römischen Epociie. sogar aunelimen , dass es eine Decoration ersetzt , welciie früher durch die Malerei erzielt worden war. Als Vorläufer des eigentlichen Arcus triuiuphalis treten in republikanischer Epoche die Fornices auf. Zwei Fornices wurden 198 V. Chr. (556 d. St.) von L. Stertinius ans dem Ertrage der spanischen Kriegsbeute . der eine auf dem Forum boarium , der andere im Circus maximns, errichtet'). 192 v. Chr. (562 d. St.) wurde ein solcher Bau von P. Cornelius Scipio Africanus auf dem Capitol aufgeführt"^). Im Jahre .133 v. Chr. 621 d. St.) be- gegnen wir am Abhänge des Capitol dem Fornix Calpurnius , bei welchem Ti. Gracchus den Todesstreich erhielt^ . Hieran schliesst sich der vermuthlich von Fabius Maximus AUobrogicus , Consul im Jahre 121 )633 d. St.), auf dem Forum errichtete und von einem seiner Nachkommen gegen 56 v. Chr. (698 d. St.) restau- rirte Fornix Fabiauus, dessen Trümmer im 16. Jahrhunderte auf- gefunden wurden ^) . Schwerlich waren diese Bauten , wie die Triumphbögen der Kaiserzeit, mit historischen Reliefs geschmückt. Livius spricht bei Gelegenheit der Fornices des Stertinius und des Scipio nur von Statuen , welche die Plattform derselben krönten; in den Berichten, welche wir über die Trümmer des Fornix Fa- bianus besitzen, ist nur von ornamentalen Reliefs, welche Schilde und Tropaien darstellten , die Rede. Ausserdem schliesst das Material , in dem diese Bögsni ausgeführt waren , eine Entfaltung des historischen Reliefs , wie wir ihr an den Siegesdenkiuälern der Kaiserzeit begegnen , entscliieden aus. Der Fornix Fabianus bestand aus Travertiu. Peperin oder Tuff, Gesteine, welche in noch höherem Grade der plastischen Behandlung widerstreben, haben wir bei den älteren Bauten zu gewärtigen-^' . Dagegen lässt es sich kaum bezweifeln , dass diese Denkmäler und zwar bereits in republikanischer Epoche bei festlichen Gelegenheiten mit Ge- mälden geschmückt wurden. Der römische Gebrauch, bei Triumphen und anderen Feierlichkeiten die Gebäude, in deren Be- reiche die Feier Statt fand, mit einem der Gelegenheit entsprechen- den teoaporären Schmuck zu versehen, ist bekannt und neuerdings 1) Liv. XXXIIl 27. 2: Liv. XXXVll .;. ;Jj Orosius, hist. V '.». 4) Vgl. Ann. doli" Inst. 185S p. 17.J. (!. J. L. 1 p. 177. Die Pro- vinz ahmte den römischen Gebrauch nach. Zu Syrakus wurde ein Fornix zum Andenken an die Verwaltung des Verres errichtet: Cic in Verr. II 2, (>:{. 5) Auch der bei der Porta S. Sebastiane gelegene Bogen, welcher für identisch gilt mit dem vom Senat zu hhren des Nero Claudius Druäus errichteten , besteht noch im (Janzen aus Travertin ; nur die Archivolten , der Ci-berbau und die Säulen sind marmorn. Sucton. Claud. I. Cohen, uk'üI. imp. l pl. X I. Nibbj- zu Nardini, Roma ant. I p. I. ■).■.. III. Die realistische Sculptur. 47 von Semperl) geistvoll erläutert worden. Die Aedilen hatten die bei den Triumphen übliche Ausschmückung des Forums zu über- wachen, eine Function, die ihnen zum ersten Male bei dem Triumphe des Papirius Cursor über dieSamniten (308 v, Chr. = 444 d. St.) übertragen worden sein soU'-^). Vielfache Belege, die von Raoul Rochette '^] und Semper *j zusammengestellt sind , bezeugen , dass bei dieser Decoration auch Gemälde , sei es auf Holz , sei es auf Leinwand , Verwendung fanden. Mögen auch die Schriftsteller keine bestimmten Nachrichten geben , wie diese Gemälde an den Gebäuden angebracht wurden , so dürfen wir es bei dem ganzen Geiste des Alterthums als sicher annehmen , dass dies in einer organischen Weise geschah, die der architektonischen Structur der betreffenden Baulichkeiten Rechnung trug. Wenn somit die Foruices in republikanischer Epoche bei festlichen Gelegenheiten mit Gemälden geschmückt wurden, so mussten diese Gemälde nothwendig in einer verwandten Weise angeordnet werden , wie die Reliefs an den Triumphbögen der Kaiserzeit. Das historische Relief trat demnach , als jene temporäre Decoration monumental durchgebildet wurde , recht eigentlich an die Stelle der histori- schen Malerei, eine Thatsache , welche, um die Eigenthümlich- keiten jenes Kunstzweiges richtig zu würdigen , von bedeutender Tragweite ist. Aehnlich wie mit den Reliefs der Triumphbögen verhält es sich mit denen der Cochlearsäulen. Sempera) vermuthet mit vollem Rechte, dass der sich an dem Schaft derselben empor- windende Figurenfries durch den Eindruck der mit historischen Darstellungen bemalten Leinwandumwürfe bestimmt wurde , wie sie bei den Pegmata und anderen ähnlichen Vorrichtungen zur Anwendung kamen *>) . Gehen wir näher ein auf die einzelnen Erscheinungen, welche das historische Relief der Kaiserzeit darbietet, so ist die ihm eigenthümliche Weise der Flächenbehandlung jedenfalls von 1) Der Stil I p. 290 ff. 2) Liv. Villi 40. 3) Feint, ant. ined. p. 305 ff. 4j Der Stülp. 291 ff'. 5) Der Stil I p. 290. 295. 6) Auch die Wandmalerei der campanischen Städte hat bisweilen Reminiscenzen au ähnliche Vorrichtungen bewahrt. So sind im Tri- clinium der pompeiani sehen Casa del poeta die gelben Wandfelder als ausgespannte Zeugstücke charakterisirt und darauf in sehr unorgani- scher Weise Gemälde , die durch die umgebenden Rahmen als Tafel- bilder bezeichnet sind, angebracht (Heibig N. 254, 821, 1218). S. die Abbildung der Wand bei Zahn, die schönst. Orn. I 23, Gell, Pomp. II 47 p, 118. 48 Kimstvermügen der griechisch-römischen Epoche. früheren Leistungen abhängig. Die ältesten römischen Denkmäler dieser Gattung, die wir kennen, die Reliefs eines Triumphbogens des Kaisers Claudius, enthalten eine doppelte Fläche i). Da sich diese Behandlung bereits bei dem agrigentiner Relief mit den Köpfen Hierons IL und der Philistis^j findet, so ergiebt sich mit Gewissheit, dass sie bereits in der griechischen Kunst des 3. Jahr- hunderts geläufig war. Vermuthlich kam sie bereits in den ersten Jahrzehnten der Diadochenperiode zur Ausbildung. Münzen aus dieser Zeit stellen öfters die Brustbilder des Herrscherpaares neben eiijander dar, den Kopf des Königs in höherem Relief, den der Gattin in flacherem daneben hervorragend. In dieser Weise finden wir die Köpfe Ptolemaios' I. und der Berenike'^) und die Ptolemaios IL und der Arsinoe^) zusammengestellt. Die gleiche Behandlung kommt auch auf mehreren Prachtcameen aus der Diadochenperiode vor. Da dieser Technik , um die verschieden gefärbten Schichten des Onyx künstlerisch zu verwerthen , die Ausbildung der doppelten Fläche besonders nahe lag , so scheint die Vermuthung berechtigt , dass diese Neuerung zunächst auf dem Gebiete der Glyptik Statt hatte und von hier aus in die Plastik Eingang fand. Allerdings blieb die Kaiserzeit bei der doppelten Flächenbehandlung nicht stehen. Vielmehr verfügen die Künstler, welche die grossen Reliefs am Titusbogen und die in den Con- stantinsbogen übertragenen Traianschlachten arbeiteten , über noch mehrere Pläne. Doch erscheint diese Vermehrung deutlich als die Weiterentwickelung des bereits in dem älteren Stadium ausgebildeten Princips, eine Weiterentwickelung, welche offenbar von dem Streben bedingt war , dem Relief mehr und mehr die Mittel malerischer Darstellung anzueignen. Dieses Streben ti'itt nicht nur in der Vermehrung der Pläne , durch welche eine der malerischen Perspective entsprechende Wirkung erzielt werden soll , sondern aucli in der Behandlung einer Menge einzelner Motive hervor und nimmt mit fortschreitender Entwickelung mehr und mehr überhand. Gewiss liegt es nicht allein in der Natur des dargestellten Gegenstandes, dass die Reliefs am Titus- bogen plastischer gehalten sind, als die traianischen , welche in den Bogen des Constantin eingelassen sind , in denen wir den kühnsten Verkürzungen , Andeutungen des Terrains und anderen von Haus aus der Malerei eigenthümlichen Mitteln der Darstel- 1) Nibby, monumenti scelti di Villa Borghese Taf. I, V. 2) Anc. marbl. of the Brit. Mus. X 32. Vgl. Rhein. Mus. XXVII (1872) p. 153 ff. 3) Denkm. d. a. K. I 51. 226'\ 4) Denkm. d. a. K. 151, 227 »>. III. Die realistische Sculptur. 49 lung begegnen. Ausserdem wird diese Richtung in der Bemalung der Reliefs einen entsprechenden Ausdruck gefunden haben. Ich glaube an jenen Traianschlachten Anzeichen entdeckt zu haben, welche auf eine sehr ausführhche und naturalistische Poly- chromie schliessen lassen. Obwohl diese Erscheinung für die Ge- schichte des historischen Reliefs und im Besonderen zur Be- urtheilung seines Zusammenhanges mit der historischen Malerei sehr wichtig ist, muss ich doch die eingehendere Erörterung der- selben, da sie die Grenzen dieses Buches überschreiten würde und ich hinsichtlich mehrerer einschlagender Gesichtspunkte noch das Gutachten technischer Autoritäten einholen möchte, auf eine andere Gelegenheit verschieben i) . Mit dieser Continuität der Entwickelung der historischen Kunst von der Diadochenperiode bis in die Kaiserzeit , wie sie sich aus den bisherigen Betrachtungen ergiebt, stimmen auch die beiden uns überlieferten Künstlernamen , welche die Pflege dieser Gat- tung auf italischem Boden bezeichnen. Um die für den Triumph des Aemilius Paulus nöthigen Gemälde herzustellen, wurde Metro- doros aus Athen nach Rom berufen 2] . Er gehört zu den Griechen, welche die historische Kunst nach Italien hinüberführen. Der letzte bedeutende Aufschwung derselben erfolgte zur Zeit Traians bei der Decoratiou der Bauten dieses Kaisers , die grösstentheils von einem griechischen Architekten, ApoUodoros von Da- maskos^) geleitet wurden. Also ist die Entwickelung, welche diese Gattung in Italien erfuhr, zu Anfang und zu Ende von einem griechischen Meister vertreten. Wir haben nunmehr zu untersuchen , wie sich die historische Kunst der Kaiserzeit hinsichtlich der bestimmten Gestaltung der Stoffe zu den hellenistischen Leistungen verhielt, in wie weit sie die Stoffe, die sie darzustellen unternahm, selbbtständig gestaltete, in wie weit sie dabei Vorbilder aus der älteren Entwickelung be- nutzte. Seitdem das östliche Becken des Mittelmeeres in das Bereich der römischen Herrschaft gezogen worden war, gewann die helle- nistische Cultur von Jahrzehnt zu Jahrzehnt nachhaltigeren Ein- fluss auf italischem Boden. Sie wirkte nicht nur auf die geistige Bewegung, sondern auch auf Verhältnisse des äusseren Lebens, auf Sitten und Gebräuche, und verlieh mannigfachen Erschei- 1) Ueber die Bemalung der Traiansäule vgl. Bull, dell' Inst. 1833 p. 92, 1836 p. 39. HittorflF, restitution du temple d'Empedocle p. 142 ff. Semper, der Stil I p. 500 ff. 2) Plin. XXXV 135. Vgl. oben Seite 5. 3) Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. II p. 336, 340. Heibig, Untersnchnngen ü.d. camp. Wandmalerei. 4 50 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. muigen der römischen Wirklichkeit ein hellenistisches Gepräge. Hatte nun bereits die Diadochenperiode Erscheinungen , wie sie später in der römischen Entwickelung wiederkehrten, künstlerisch gestaltet , so besass die Kunst der Kaiserzeit Vorbilder , welche sie mit geringen Abwandlungen zur Darstellung entsprechender Stoffe ihrer eigenen Epoche verwenden konnte. Auch der römische Triumph , welcher in engster Beziehung steht zu den Denkmälern , die uns gegenwärtig beschäftigen, wurde im Laufe der Zeit von hellenistischen Einflüssen berührt. Seit der Zeit Alexanders des Grossen galt bei den Griechen als Vorbild der siegreiclien Feldherru der Indienbezwinger Dionysos. Dieser soll , nachdem er Indien unterworfen , zum ersten Mal den Festzug veranstaltet haben, den man ilpiafißo? nannte 'i . Mögen auch die Angaben , dass Alexander der Grosse mit seinem Heere nach der Weise des bakchischen Thiasos durch die Landschaft Karamania gezogen sei, berechtigtem Zweifel unterworfen sein'-^), so ist es jedenfalls sicher , dass er von den Zeitgenossen mit dem Gotte verglichen wurde. Bereits Protogenes stellte auf einem Ge- mälde Alexander und Pan zusammen ') und bezeichnete hierdurch den König, da Pan in der auf den indischen Feldzug bezüglichen Ueberlieferung als Unterfeldherr des Gottes auftritt^;, als neuen Dionysos. Bekannt ist, wie Ptolemaier, Seleukiden und später König Mithridates von Pontos den Beinamen Dionysos annahmen, wie die Portraits der Diadochen auf Münzen öfters mit Attributen des Gottes, Hörnern oderEpheukranz, ausgestattet sind. Mit dem Steigen des hellenistischen Einflusses auf italischem Boden wirkten diese Anschauungen auch auf die Römer. Marius soll , um seine Siege mit denen des Dionysos zu vergleichen , aus einem Kan- tharos, dem bekannten Attribute des Gottes, getrunken haben'»). M. Antonius Hess sich Dionysos nennen^') und zog nach seinem angeblichen Sieg über den Armenier Artavasdes in bakchischer Tracht in Alexandreia ein ") . Sein Einzug in Ephesos erfolgte in Bisgleitung eines ganzen Thiasos von Satyrn , Panen und Bak- chantinnen '') . Aehnliches wird von Kaligula berichtet ; er soll in bakchischer Tracht sogar zu Gericlit gesessen sein '') . Selbst 1) Vgl. Stephani. Compte rendu 18G7 p. l(;a ff. 2) Theophr. h. pl. IV 4, 1. Plin. XVI 144. Arrian. anab. VI 28. Vgl. Droysen, Alexander p. 484. :i) Plin. XXXV 100. 4) Siehe z. B. Lucian, Dionys. 2. 5) Valer. Max. III 7, 7. Plin. XXXIH 150. 6) Valer. Paterc U 82. Piut. Ant. (iO. Athen. IV p. 148 C. 7) Valer. Paterc. II 82. 8) Plnt. Anton. 24. 9) Athen. IV p. 148 D. III. Die realistische Sculptur. 51 der officielle römische Triumph wurde von diesen Anschauungen berührt. So wollte Pompeius nach dem Beispiele des Liber pater seinen Triumphzug auf einer Elephantenquadriga abhalten und stand davon nur ab , weil das ungeheuere Gespann das Thor nicht passiren konnte ') . Zwei Elephantenquadrigen , beide voi) kolossalen Figuren des Domitian gelenkt, standen auf der Platt- form des Bogens , welchen dieser Kaiser nach seiner Rückkehr aus dem Sarmatenkriege errichten liess 2) . Mag es sich , da ausführlichere Beschreibungen nur von römischen Triumphen verhältnissmässig später Epoche vorliegen, nicht immer entscheiden lassen , ob die einzelnen Züge der Aus- stattung derselben national oder durch hellenistische Einwir- kung bedingt sind , immerhin steht soviel fest , dass die Erschei- nungsweise der Festzüge der Diadoclienperiode und der späteren Triumphe vielfache A^erwandtschaft darbot. Die Kunst der Diadoclienperiode hatte bereits solche Vorgänge aus ihrer Zeit zur Darstellung gebracht. Ich erinnere an den Festzug des Ptole- maiosPhiladelphos, dessen Ausrüstung, wie sich mit hinreichender Sicherheit nachweisen lässt •') , beinah durchweg auf der Wieder- gabe künstlerischer Motive beruhte und der im Grunde nichts weiter war, als ein mit grossartigem Luxus ausgestattetes lebendes Bild. Ich verweise ferner auf den Bilderschmuck am Leichen- wagen Alexanders des Grossen, welclier den König mit dem Scepter auf dem Wagen sitzend , umgeben von makedonischen Hopliten und persischen Melophoren , gefolgt von dem Zuge der Kriegs- elephanten , der Reiterei und der Kriegsschiffe darstellte ^ - . Bei der Aehnlichkeit der Erscheinung , welche solche Aufzüge , ver- glichen mit römischen , darboten , bei der Verwandtschaft der geistigen Richtung , welche die beiden Perioden belierrschte, konnten die Künstler der römischen Epoche Compositionen ihrer hellenistischen Vorgänger mit geringen Veränderungen zur Dar- stellung entsprechender Vorgänge ihrer Zeit verwenden. Auch lässt sich mit Bestimmtheit nachweisen , dass sie zum Mindesten eine Menge künstlerischer Gedanken aus der hellenistischen Ent- wickelung entlehnten. Hierher gehört die Darstellung der Nike, welche den Kranz über dem Haupte des triuniphirenden Feld- lierrn hält. Während in der Wirklichkeit ein servus publicus die Corona etrusca über dem Haupte des Triumphators hielt''), zog 1) Plin. VIII 4. Procilius bist. roni. rel. ed. Peter p. Mi] fr. 2. Plut. Pomp. 14. Vgl. Plin. VIT 95. 2, Donaldson archit. nnmism. N. r>T. Martial. VIII «>5. ;{) Vgl. Ann. deir Inst. ISC.i p. :$74 ff. 4) Diodor. XyiH 27. 5) Vgl. Goell de triumph. rom. ordine p. ;{1. 4* 52 Kunstverraögen der griechisch-iömischen Epoche. es die griechisch-römische Kunst vor , diese Handlung durch ein Motiv zu symbolisiren , welches in der Alexander- und der Dia- dochenperiode vielfach vorgebildet worden war. Ein hellenistischer Gedanke ist es ferner , wenn der Triumphwagen der Kaiser auf geschnittenen Steinen und Münzen mit Kentauren bespannt er- scheint 1) ; der Kaiser wird hierdurch ganz im hellenistischen Sinne dem Dionysos verglichen. Wie sehr die Kunstwerke der Alexander- epoche , welche siegreiche Monarchen verherrlichten , den An- schauungen der Kaiserzeit entsprachen , bezeugt eine Thatsache, welche Plinius"^) hinsichtlich zweier Gemälde des Apelles berichtet, von denen das eine Alexander auf dem Triumphwagen und da- neben den gefesselten Kriegsdaimon, das andere denselben König mit Nike und den Dioskuren darstellte. Der Kaiser Claudius Hess aus beiden einfach den Kopf des Alexander herausschneiden und durch das Portrait des Augustus ersetzen. Die bisherige Betrachtung hat gezeigt, dass die römische Epoche in den Darstellungen aus der gleichzeitigen Geschichte vielfach hellenistische Compositionen zu Grunde legen konnte. Wir haben dabei auch wahrgenommen , dass dieselbe mit einer Reihe künstlerischer Gedanken weiter arbeitet, die in der Diadochenperiode ausgebildet worden waren. Dagegen ist die Frage, wie sich die römische Kunst in formeller Hinsicht, in der bestimmten Gestaltung der Motive, zu der hellenistischen ver- hält, noch nicht der Lösung näher gebracht. Um in dieser Hin- sicht wenigstens einige Gesichtspunkte festzustellen , müssen wir zunächst eine Summe von Compositionen oderCompositionsmotiven nachweisen, welche in der Diadochenperiode erfunden sind und geeignet waren, bei historischen Schilderungen aus der Kaiserzeit als Grundlage zu dienen. Und zwar haben wir, da das histo- rische Relief der Kaiserzeit an die vorhergehende Malerei an- knüpft , namentlich solche Denkmäler in Betracht zu ziehen, von denen es sich wahrscheinlich machen lässt , dass sie Motive aus der Malerei der Diadochenperiode wiederholen. Wir besitzen eine Reihe von Sarkophagreliefs, welche den Triumph des Dionysos , des mythologischen Vorbildes siegreicher Feldherm, schildern-') und auf ein gemeinsames Original zurück- gehen , welches von den Sarkophagarbeitern bald durch Auslas- sungen verkürzt, bald durch Zuthaten erweitert, zur Darstellung gebracht wird. Bei dem Reichthume der Phantasie , welchen 1) Mongez iconogr. rom. pl. XXIX 1. 5. 2) Plin. XXXV 93. Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. II p. 210. ;<] Diese .Sarkophage; sind zusaiinncugestellt von Stephani, Compte lendii 1SÜ7 p. 104 Anui 2. * III. Die realistische Sculptur. 53 die Erfindung dieser Reliefs offenbart, dürfen wir annehmen, dass die Originalmotive in einer hochbegabten Kunstentwicke- lung gestaltet sind. Da es die Alexanderepoche war, welche den Dionysos zuerst in der Weise auffasste , in der er in diesen Darstellungen auftritt, so dürfen wir die Erfindung nicht vor dieser Epoche ansetzen. Andererseits scheint es, dass die wesent- lichsten Motive dieses bakchischen Triumphzuges bereits zur Zeit des Ptolemaios Philadelphos geläufig waren. In dem berühmten Festzuge nämlich , den dieser König veranstaltete , wurde auch die Rückkehr des Dionysos aus Indien dargestellt ') , Der Gott erschien auf einem Elephanten gelagert, der von einem Satyrisken gelenkt wurde; es folgten Schwärme von Bakchantinnen, Satyrn, Silenen, dann allerlei bei dem Feldzuge erbeutete Thiere, darunter auch Kameele ; gefangene Inderfrauen wurden auf Wagen einlier- gefahren. Abgesehen von dem auf dem Elephanten gelagerten Dionysos lassen sich, wie bereits Petersen 2) ausgeführt hat, alle in diesem Theile des Zuges vorkommenden Motive auf den Reliefs nachweisen. Es scheint somit, dass dieselbe Composition, welche von den Sarkophagarbeitern benutzt wurde, auch die Ausstattung des Festzuges bedingte. Es bedarf keiner weiteren Auseinander- setzung , um zu begreifen , wie leicht die Motive dieses bakchi- schen Triumphzuges bei der Darstellung eines römischen Triumphs zu Grunde gelegt werden konnten. Vergleichen wir aber den Triumphzug am Bogen des Titus mit den bakchischen Reliefs, so findet sich keine Spur, die darauf hinwiese , dass der Künstler der Kaiserzeit ein Motiv aus jener Composition der Diadochen- periode entlehnt habe. Hier wie dort begegnen wir der Nike, welche den Kranz über dem Triumphator hält; auf den Sarko- phagen , wie am Bogen des Titus treten Träger mit Beutestücken auf. Doch ist die Behandlung der betreffenden Gestalten beide Male zu verschieden, als dass ein gemeinsames Original voraus- gesetzt werden könnte. Auch die Sarkophagreliefs, welche Dionysos darstellen, wie er , begleitet von seinem Schildträger Pan , besiegte Indier em- pfängt'), werden , nach Inhalt und Auffassung zu schliesscn, auf Vorbilder aus der Diadochenperiode zurückgehen. Die Haupt- gruppe dieser Composition ist auf einem anderen Sarkophage ') zu einer Darstellung aus dem römischen Kriegsleben verwendet. Die Anlage der Figuren des römischen Imperators und der vor 1) Kallixenos bei Athen. V p. 200 D. 2) Ann. deir Inst. 1863 p. 374 flf. 3) Gerhard, ant Bildw. Taf. 109, 1. 2. Zoega, bassiril. II 75. 4) Visconti , Mus. Pio-CI. V 31. Vgl. Gerhard , ant. Bildw. Taf. 109, 2. 54 Kunstveruiögen der griechisch-römischen Epoche. ihm knieenden Barbaren stimmt hier deutlich mit der überoin, welche dort dem Dionysos und den sich ihm ergebenden Indiern eigenthümlicli ist. Diese Erscheinung liefert einen deutlichen Be- leg , wie solche Compositionen der Diadochenperiode geeignet waren , um für die Schilderung entsprechender Scenen aus römi- scher Epoche als Grundlage zu dienen. Ein Hauptgegenstand der Siegesdenkmale der Kaiserzeit ist die Schilderung von Barbarenschlachten. Dass die Schlachten- malerei in der Alexander- und Diadochenperiode eifrig gepflegt wurde, ist bekannt. Ausser dem pompeianischen Alexander- mosaik, über das bereits oben die Rede war, glaube ich, dass die Gallierschlacht auf dem Sarkophage Amendola '; auf ein Ge- mälde der Diadochenperiode zurückgeführt werden darf. Und zwar hat man vermuthlich den Ursprung dieses Gemäldes in Pergamos zu suchen. Dass die Reliefs des Sarkophags Amendola Motive der Malerei reproduciren , ist bei der malerischen Anord- nung der Composition und bei der Menge darin vorkommender Verkürzungen , die das Relief selbstverständlich nur in unvoll- kommener Weise ausdrücken konnte , kaum zu bezweifeln. Da nun Pausanias'^) berichtet, dass sich in Pergamos ein Gemälde befand , welches den Sieg der Pergamener über die Gallier dar- stellte , so liegt die V^ermuthung nahe , dass das Sarkophagrelief von diesem oder einem anderen Gemälde derselben Richtung ab- hängt. Auch ist ein bestimmter Zusammenhang dieser Composition mit der pergamenischen Kunst bereits von Brunn ') nachgewiesen worden. Die Gestalten zweier Gallier nämlich, die darin vor- kommen, verrathen deutlich dieselbe Anlage wie zwei Statuen, welche zu dem von Attalos den Athenern geschenkten Sculpturen- cyklus gehörten ') . Allerdings könnte angesichts dieser l'jrschei- nung Jemand einwenden, die beiden Figuren seien von dem Sar- kophagarbeiter aus diesem Gyklus entlehnt und mit anderen 1) Mon. (leir Inst. I ;{ii. Gegen die geläufige Annahuie , dass diese Composition unter deui Eindrucke einer Schlacht zwischen Rö- mern und Galliern erfunden sei , spricht entschieden der eigenthüni- liche, an die Form der phrygischen Mütze erinnernde Helm, mit dem einer der gegen die Barbaren kämpfenden Krieger gerüstet ist. Bei einem römischen Legionär wäre ein solches Waflfenstiick ohne jegliche Analogie. Dagegen ist orientalisirende Kleidung und ilewatt'nung bei den Griechen der Diadochenperiode etwas ganz (iewöhnliches. Vgl. hierüber den siebzehnten Abschnitt. 2) I 4, ü : riif>Y'j((ATjVO(; 0£ eatt [xav sr.'jK'i dixo l'aAaTwv, saxt oe Ypoitpr, t6 £p")fOv TÖ TTfiö; VnXdT'j.i syo'jsa. ;<) Ann. dell' Inst. 18^0 p. ;J02. 4; Mon. dell' Inst. Villi 10, 1.2. 111. Die realistisciie Sculptur. 55 Motiven zu der Daistelhiiig" der IJarbareuscIilaclit verarbeitet. Doch spriclit gegen diese Annahme der organische Zusammenhang, welcher zwischen den einzelnen Bestandtheilen dieser Composition obwaltet. Es ist daher viel natürliclier anzunehmen, dass ein pergamenischer Künstler, der zugleich IVildhauer und Maler war ' : , ein von ihm selbst erfundenes Motiv sowohl in der Sculptur wie in der Malerei verwendete , dass somit der Sarko- phagarbeiter die Composition , die er darstellte , bereits in der pergameuischen Malerei im Wesentlichen fertig vorfand. Die Homer führten im ersten Jahrhundort der Kaiserzeit namentlich mit nordischen Barbaren Krieg. Wollten die damaligen Künstler bei Schilderung dieser Kämpfe an ältere Jjcislungen anknüpfen, dann lag ihnen uichti näher, als solche Compositionen der per- gamenischen Schule zu benutzen. Da wir gegenwärtig eine Anzahl von Motiven kennen , deren Erfindung mit hinlängHcher Sicherheit der Diadochenperiode zu- geschi-ieben werden darf und die sich zur Benutzung von Seiten der historischen Kunst der Kaiserzeit vortrefflich eigneten , so fragt es sich, ob die Werke der letzteren Erscheinungen dar- bieten, welche auf eine formelle Abhängigkeit von jenen Motiven schliessen lassen. Allerdings begegnen wir einigen, aber doch nur sehr vereinzelten Erscheinungen dieser Art. Der Barbar, welcher auf dem oben besprochenen bakchischen Sarkophage vor Dionysos kniet, kehrt, ganz ähnlich behandelt, auf traianischen Monumenten wieder '^ i . Auf denselben finden sich auch Figuren , welche au Motive des Sarkophags Amendola erinnern , deren Erfindung wir der pergamenischen Malerei vin- dicirten. Dies gilt von einem der Keiter in der Traianschlacht am Constantinbogen ^j , von einem stürzenden Dacier auf der Traian- säule *) , dessen Anlage mit der des durch die Kopf binde ausge- zeichneten gallischen Häuptlings auf dem Sarkophage überein- stimmt , von einem mit dem Schwerte ausholenden Legionär auf derselben Säule''), der ähnlich behandelt ist, wie der kämpfende, mit dem phrygischen Helme versehene Grieche in der Gallier- schlacht. Ein todter Dacier auf der Säule") erinnert an .den 1) Da der Maler Milon aus Soloi als Schüler des pergamenischen Bildhauers Phyromachos (Plin. XXXV 146) erwähnt wird , so ist es wahrscheinlich , dass der letztere sich neben der Sculptur auch mit Malerei beschäftigte. 2) Rossini, archi trionfali Taf. 7(1. Bartoli und Bellori, col. traiana 41, 5.5. Frohner, cd. trajane p. 111. 3) Rossini a. a. 0- Taf. 70. 4) Bartoli und Bellori a. a. 0. 71. "5) Bartoli und Bellori a. a. 0. 71. 6) Bartoli und Bellori a. a. 0. 104. 56 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. Giganten aus dem Statuencyklus des Attalos. Auf den traiaui- schen Reliefs am Bogen des Constantin ist die Figur des reitenden Kaisers dreimal in derselben Weise behandelt, nämlich in der Schlachtscene und auf den beiden Medaillons, welche Traian jagend darstellen i) . Ein entsprechendes Motiv findet sich bereits auf der Grabstele des attischen Ritters Dexileos, welcher 394 v. Chr. bei Korinth fiel ^) . Doch finden sich Erscheinungen , wie die angedeuteten , sehr sporadisch und machen sie mehr den Eindruck von Reminiscenzen, als von bewussten Reproductionen. Die genaue Uebertragung eines hellenistischen Compositionsschemas, wie wir ihr auf einem Sarkophagrelief begegneten ^i , ist innerhalb der historischen Dar- stellungen der öffentlichen Monumente der ersten Kaiserzeit nicht nachweisbar. Somit liegt kein Grund vor, die formelle Abhängig- keit dieser Kunst in ausgedehnter Weise vorauszusetzen. Es wäre gewagt , in diesem Falle ein besonderes Gewicht auf unsere dürftige Kenntniss der Kunst der Diadochenperiode zu legen. Einerseits sind viele namentlich der auf der Traiansäule darge- stellten Ereignisse aus den dacischen Kriegen von sehr eigen- thümlicher und individueller Art und lässt sich kaum annehmen, dass die ältere Entwickelung zur Gestaltung aller dieser Scenen geeignete Vorbilder darbot. Andererseits haben wir in dieser Frage eine Seite der Thätigkeit der Künstler der Kaiserzeit in Betracht zu ziehen, welche der Annahme zum Mindesten eines sklavischen Copirens älterer Motive schlechthin zuwider- läuft. Es ist dies die Weise der Charakteristik. Diese ist auf das Tiefste von dem Geiste der Epoche, welche jeue Denkmäler in das Leben rief, durchdrungen und demnach original im höchsten Sinne des Worts ; sie ist von einer Frische und Energie , welche uns gewisscrmaassen aussöhnen mit den Ver- stössen gegen die Gesetze der plastischen Composition, wie sie nur zu häufig in dieser Denkmälergattung vorkommen. Wollte man annehmen, die Künstler hätten in reflectireuder Weise helle- nistische Compositiouen zu Grunde gelegt, so würden diese Vor- züge eine vollständig unbegreifliche Erscheinung darbieten. Wo vielmehr Spuren der Benutzung älterer Motive vorliegen , haben wir die Verwandtschaft des Geistes und der Lebensformen in Be- tracht zu ziehen, wie sie zwischen der Diadochenperiode und der römischen Kaiserzeit obwaltete. Wie die damaligen Römer in 1) Rossini, archi trionl'ali Tiif. 72. 2) Saunas , Monuuienti seop. prcsso S. 'J'rinita in Atenc 'J'af. IL Vgl. Arch Zeit. 1863 Taf. Kii». 3) Vgl. oben Seite 53. III. Die realistische Sculptur. 57 der historischen Kunst der Diadochenperiode eine Menge von Selbsterlebtem wiederfanden, so gingen Gedanken und Motive dieser Kunst, als geistesverwandt, ohne mühsames Anlernen in ihr Fleisch und Blut über und fanden sie somit gewissermaassen spontan in Schilderungen aus der Geschichte des kaiserlichen Roms Eingang. Also dürfen wir der Kaiserzeit auf dem Gebiete der histori- schen Darstellung immerhin eine eigenthümlich productive Thä- tigkeit zusprechen. Mag sie eine Gattung weiterpflegen, deren Ausbildung aus der Alexanderepoche datirt, mag sie eine Reihe künstlerischer Gedanken aus der vorhergehenden Entwickelung festhalten, mag sie auch bisweilen durch Reminiscenzen an bereits vorhandene Motive bestimmt werden , so ist sie doch in der Be- handlung der historischen Stoffe im Grossen und Ganzen selbst- ständig ; sie führt die Richtung , welche auf getreue Wiedergabe der Wirklichkeit ausging und die in der Diadochenperiode noch durch künstlerisches Gesetz gebunden war, rückhaltslos weiter; sie schildert die Begebenheiten unmittelbar nach den Eindrücken, die sie bei der Mitwelt hervorriefen. Doch liefert uns das ausführ- lichste Denkmal der historischen Kunst unserer Periode , die Traiansäule, einen deutlichen Beleg von der Beschränkung dieser Fähigkeit. Hier bildet die Gestalt der auf den Schild schrei- benden Nike einen monumentalen Ruhepunkt zwischen den Schilderungen aus den beiden dacischen Kriegen ') . W^ährend die militärischen Ereignisse von den mit der Ausschmückung die- ser Säule beauftragten Künstlern offenbar im Grossen und Ganzen selbstständig gestaltet sind, ist die Nike nach einem bereits früher zurechtgemachten Typus copirt 2) . Diese Erscheinung bezeichnet deutlich die Grenzen des Könnens dieser Künstler. Sie sind be- fähigt. Gestalten , wie sie die Wirklichkeit darbot , getreu nach- zuschildern , Begebenheiten , bei welchen solche Gestalten auf- treten, den kaiserlichen Bulletins nachzuerzählen. Wo ihnen aber die Grundlage der Wirklichkeit maugelt , wo sie im höheren Sinne des Worts poetisch schaffen sollen, erscheinen sie ohn- mächtig und müssen sie sich fremde Erfindungen zu Nutze machen. Uebrigens entspricht das Resultat, zu welchem wir in diesem Abschnitte gelangt sind , vollständig den Bedingungen einer nor- malen Kunstentwickelung. Wie die realistische Richtung der letzte Sprosse war, den der bereits alternde Stamm der classischen Kunst hervortrieb, so ist es auch ganz naturgemäss, dass derselbe länger, als die übrigen Zweige, seine Lebenskraft bewahrte, dass demnach 1) Bartoli und Bellori a. a. 0. 58. Fröhner a. a. 0. p. 120. 2) Vgl. oben Seite 2S. 58 KTinstvenuögcn der gricchisph-röiiiisclicn Epoche. das realistische Portrait das ideale , dass die historische Kunst, welche Stoffe aus der Gegenwart in einer der Wirklichkeit ent- sprechenden Weise behandelte , die ideale tiberlebte , die auf dem Gebiete der Mythologie ihre glänzendste Entwickelung gefunden hatte. Der historischen Kunst kam noch der Umstand zu Gute, dass sie in ungleich höherem Grade dem Geiste und den Bedürfnissen der Zeit entsprach. Während die classische Welt mit der fort- schreitenden Zersetzung der Religion mehr und mehr gleichgültig gegen die Mythologie wurde, blieb das Interesse für die reale Ge- genwart reger und fand die Majestät des römischen Namens, welche den Zeitgenossen wenigstens unter den tüchtigeren Kaisern als berechtigtes Ideal erscheinen konnte, in der historischen Schil- derung den geeignetsten Ausdruck. Wie Traian der letzte Kaiser war , der in nachhaltiger Weise das Weltreich nach Innen und nach Aussen sicherte und festigte und noch einmal die gross- artigen Eigenschaften acht römischen Charakters offenbarte, so nahm die historische Darstellung zur Verherrlichung der Thaten des grossen Kaisers noch einmal einen bedeutenden Aufschwung, der uns berechtigt , die traianische Epoche als die letzte Glanz- periode der classischen Kunst überhaupt zu beträchten. Wäre es mir verstattet, in diesen Blättern eine umfassendere Untersuchung über das Kunsttreiben im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit anzustellen , so müsste ich , um das Bild zu vervoll- ständigen, auch die damalige Glyptik und Toreutik in Betracht ziehen. Die Glyptik dieser Periode ist glänzend vertreten durch eine Reihe von Cameos, welche verschiedene Begebenheiten aus der Geschichte des julischen Kaiserhauses verherrlichen. Doch würde eine eingehendere Würdigung dieser Denkmäler die Grenzen , die ich nothwendiger Weise dieser Einleitung stecken muss , weit überschreiten. Indem ich somit die Mittheilung meiner Unter- suchung auf eine andere Gelegenheit verschiebe, begnüge ich mich hier in aller Kürze das Resultat derselben mitzutheilen. Wenn irgend eine Gattung, so knüpft sicherlich diese an hel- lenistische Leistungen an. Um die Alexanderepoche fand die Technik, welche das Bild erhaben aus dem Steine herausschneidet, in der griechischen Kunst Eingang. Die Situationen, welche auf den Cameos der Kaiserzeit geschildert sind, und die Weise ihrer Auffassung stehen in engstem Zusammenhange mit der Cultur und der Kunst der Diadochenperiode. Bereits damals begann die göttliche Verehrung sterblicher Herrscher oder ihre Gleichsetzung mit bestimmten Gottheiten; bereits damals wurde die symbolisi- 111. Die realistische Sculptur. 59 rende Richtung , welche iu diesen Cameendarstellungen zu herr- schen pflegt, und der ihnen eigenthümliche Apparat von Personi- ficationen ausgebildet ^j . Hinsichtlich der Toreutik begnüge ich mich , auf ein Urtheil des Plinius zu verweisen, welches, richtig gefasst, den damaligen Zustand dieser Kunst in der deutlichsten Weise bezeichnet. Er schreibt am Schlüsse des Kapitels, in dem er über die berühmten Toreuten handelt'-^): subitoque ars haec ita exolevit ut sola iam vetustate censeatur usuque attritis caelaturis , si ncc figura discerni possit, auctoritas constet. Die erhaltenen Denk- mäler scheinen dieser Angabe zu widersprechen. Mögen die Ge- fässe des Hildesheimer Silberfundes einer älteren Epoche ange- liöreu, so dürfen doch die in Pompei gefundenen Arbeiten dieser Art im Ganzen als Producte der Zeit der flavischen Kaiser betrachtet werden und lassen dieselben beim ersten Anscheine auf einen hohen Standpunkt der damaligen Toreutik schliessen. Doch hat man auch hier zwischen Erfindung und Ausführung zu scheiden. Während das Verdienst einev vortrefflichen Ausführung den Toreu- ten der Kaiserzeit nicht abgesprochen werden kann, ist es sehr un- wahrscheinlich, dass sie den bildlichen und ornamentalen Schmuck der Gefässe selbst erfanden. Fassen wir diesen Gesichtspunkt in das Auge , dann steht die Angabe des Plinius mit den erhaltenen Denkmälern keineswegs im Widerspruch und giebt sie einen ganz verständlichen Sfnn. Wenn die Toreutik nichts Neues hervor- brachte, sondern sich begnügte, ältere Vorbilder zu wiederholen, dann ist es ganz begreiflich , dass Kenner oder solche , die als Kenner gelten wollten , nur Gefässe schätzten, die einer älteren, selbstständig schaftenden Epoche anzugehören schienen. Allerdings giebt Plinius nicht an, wann dieser Verfall eintrat. Den Pasiteles, welcher in den letzten Jahrzehnten der Republik thätig war, er- wähnt er'*) noch unter den »lobenswerthen« Toreuten. Doch hat man wohl zu beachten , dass er die Vertreter dieser Kunst nach dem Ansehen, dessen sie genossen, ausdrücklich in vier Kategorien eintheilt und dass Pasiteles erst in der letzten seinen Platz findet. Ausserdem darf man annehmen , dass , wenn es zur Zeit des Plinius mit der Toreutik vollständig aus war , in der unmittelbar vorhei-gehenden Epoche zum Mindesten eine Abnahme der Erfin- dungskraft vorherging, welche den definitiven Verfall vorbereitete. Nur über eine toreutische Arbeit des Pasiteles sind wir einiger- maassen unterrichtet. Sie war in Silber ausgeführt und stellte 1) Vgl. 0. Jahn, aus der Alterthumswissenschaftp. 297 ff. 2) Plin. XXXIII 157. Vgl. Wieseler, Hildesheimer Silberfund p. 37. 3) Plin. XXXIII 156. 60 Kunstverraogen der griechisch-römischen Epoche. ein Ereigiiiss aus der Jugend des Schauspielers Roscius dar , in welchem man ein Vorzeichen der späteren Berühmtheit desselben erkennen wollte, wie Roscius als Knabe von einer Schlange um- wunden wurde i) . Ueber die Behandlung der Composifion er- fahren wir nichts ; doch kann ich nicht unterlassen darauf hinzu- weisen, dass Kekule^j die Frage aufwirft, ob sich nicht der Künstler dabei das Gemälde des Zeuxis zu Nutzen gemacht habe, welches den Schlangen würgenden Herakles darstellte und, wie es scheint, vonPasiteles in seiner Schrift über die mirabilia opera mit besonderem Lobe hervorgehoben wurde. Wenn wir es bei Betrach- tung der Sculptur als ein Zeichen der Schwäche des Kunstver- mögens anführten , dass viele Copien nach MeisteTwerken der griechischen Kunst gearbeitet wurden, so wissen wir, dass bereits Zenodoros, der Künstler des neronischen Kolosses, genaue Copien zweier Becher des Kaiamis arbeitete ■') . Unter solchen Umständen dürfen wir mit hinreichender Sicherheit annehmen , dass es sich während der ganzen Epoche , mit der wir uns gegenwärtig be- schäftigen, mit der Toreutik ähnlich verhielt wie mit der idealen Plastik , dass das poetische Gestaltungsvermögen hier wie dort gering war , dass beide Künste mehr oder minder von der Erb- schaft zehrten, welche ihnen aus einer reicher begabten Ver- gangenheit zugefallen war. IV. Die Uebeiiieferung über die Malerei. Einer der feinsten Kunstkenner unter den erhaltenen römi- schen Schriftstellern, Petronius'), der vermutlilich unter Nero lebte , urtheilt über die Malerei seiner Zeit in der abschätzigsten Weise. Nach seiner Ansicht war es mit dieser Kunst vollständig zu Ende. Auch Plinius''] bezeichnet dieselbe als eine ars mori- 1) Cicero, de div. I 36. 2) Die Gruppe des Monelaos p. 20. 3) Plin. XXXIV 47. 4) Petron.sat. 88 : Erectus his sermonibus consulere prudcntiorem cocpi aetatcs tabularum et quaedam argumenta mihi obscura, simulque causam rtesidiae praesentis excuterc, cum pulcherrimae artes pcriisscnt, inter quas pictura nc minimum quidcm sui vestigium reliquisset. Ueber die bekannte Stelle im Kap. 2 »pictura quoquc non alium exitum fecit, postquam« etc. vergleiche den fünfzehnten Abschnitt. 5) Plin. XXXV 2». Vgl. XXXV 50. Ueber die entsprechende Ansicht des Lucian s. Blüraner, arch. Stud. zu Lucian p. 89. IV. Die üeberlieferung über die Malerei. 61 ans. Wie es mit ähnlichen Aeusserungen über die gleichzeitige Toreiitik der Fall war, stehen auch diese anscheinend im Wider- spruch zu den erhaltenen Denkmälern. Nach den römischen und campanischen Wandmalereien , deren Ausführung ungefähr in die Zeit fällt, in welcher jene Schriftsteller thätig waren, möchte man im Gegentheil auf eine gedeihliche Entwickelung der Malerei schliesseu. Somit werden wir auch hier zwischen Erfindung und Ausführung zu scheiden haben. Dass sich die letztere in dem ersten Jahrhundert der Kaiserzeit auf einer verhältnissmässig hohen Stufe hielt, ist nach den Wandbildern, die doch nur einen annähernden Begriff von den Vorzügen der gleichzeitigen Tafelmalerei geben, unzweifelhaft. Hierüber abschätzig zu ur- theilen , lag also kein Grund vor. Anders dagegen wird es sich mit dem poetischen Gestaltungsvermögen verhalten haben. Dieses war offenbar höchst geringfügig, wie es derselbe Pliuius au einer anderen Stelle in der bestimmtesten Weise ausspricht. Er sagt, dass die gleichzeitige Malerei trotz der vielfachen materiellen Mittel, welche ihr zu Gebote standen, doch keine bedeutende Leis- tung aufweise *) . Mit dieser Auffassung stimmen die Bemerkungen, welche Plinius über die Maler des letzten Jahrhunderts der Republik und des ersten der Kaiserzeit mittheilt. Er weiss verschwindend wenig darüber zu berichten. Während er in der Geschichte der gleichzeitigen Plastik mehrere Künstler, wie Pasiteles, Arkesilaos und Diogenes, lobend hervorhebt und sogar einige ihrer Werke einer kurzen Beschreibung würdigt, führt er auf dem Gebiete der Malerei kaum mehr als Namen an. Aus den letzten Jahrzehnten der Republik erwähnt er die gesuchten Portraitmaler Sopolis und Dionysios und die Portraitmalerin laia oder Laia '^) . Für So- polis ist eine Bemerkung in einem Briefe des Cicero ■*) bezeichnend, wo Gabinius Antiochus »einer von den Malern des Sopolis , Frei- gelassener und accensus des Gabinius« erwähnt wird ; demnach scheint er wie gewisse heutige Modemaler das Geschäft im Grossen betrieben und eine Anzahl von Hülfsarbeitern in seinem Atelier beschäftigt zu haben. Von der Richtung , welche diese Künstler 1) XXXV 50: nunc et purpuris in parietes migrantibus et India conferente fluminum suorum limuin et draconum elephantorumque saniem nulla nobilis pictura est. omnia ergo meliora tunc fuere , cum minor copia. ita est , quoniam , ut supra diximus, reruui , non animi pretiis excubatur. 2) Plin. XXXV 147, 1 18. Den von Varro (Plin. XXXV 113) an- geführten Skenographen Serapion lasse ich , da es nicht sicher ist , ob er unserer Periode angehört, unerwähnt. 3) Epist. ad Att. IV 16, 12. 62 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. verfolgten, erfahren wir nichts. Doch ist es bedeutsam, dass Pli- nius ^) an einer anderen Stelle darüber klagt , wie die Portrait- malerei zu seiner Zeit vollständig verkümmere und bei dem Hange zur Verarbeitung kostbarer Stoffe durch imagines clupeatae aus Edelmetall verdrängt werde. Ausserdem wird aus republikani- scher Epoche noch Arellius^ erwähnt, der Göttinnen mit den Zügen seiner Maitressen malte. In angusteischer Epoche begegnen wir einem geschickten Prospectenmaler, dessen Name Studius, Lndius oder S. Tadius nicht hinlänglich feststeht; er ist der einzige unter allen diesen Künstlern , von dessen Thätigkeit wir uns vermöge der Charakteristik bei Plinius^) und durch Vergleichung von Wandbildern in der Villa ad Gallinas* , im Grabe des Patron an Via Latina '^] und in Pompei ^'\ , die von seiner Richtung abhängig zu sein scheinen, einen anschaulichen Begriff bilden können. Weiterhin finden wir den Fabullus oder Amulius ") , der in dem goldenen Hause des Nero thätig war und unter dessen Werken Plinius ein Miuervenbild hervorhebt, endlich Cornelius Pinus und Attius Priscus , die den Tempel des Honor und der Virtus , nach der Wiederherstellung desselben durch Vespasian , ausmalten ^) . Auf die Dilettanten , die Plinius der Merkwürdigkeit halber an- führt, brauchen wir an dieser Stelle nicht einzugehen. Es ist bezeichnend , dass beinah alle diese Maler in verhält- nissmässig untergeordneten Kunstgattungen thätig sind. Das Prospectenbild, wie es von jenem unter August arbeitenden Maler gepflegt wurde, gehört dem decorativen Gebiete an. Sopolis, Dionysios und laia oder Laia waren gesuchte Portraitmaler. Nirgends hören wir von einem Gemälde, welches sich durch den geistigen Inhalt ausgezeichnet hätte; kaum, dass virtuose Züge in der Behandlung der Einzelheiten , wie die geschickte Zeichnung des Auges an der Minerva des P"'abullus oder Amulius , hervor- gehoben werden. Wenn wir, was möglich ist, monumentale Ma- lereien in den Werken des Cornelius Pinus und Attius Priscus vorauszusetzen haben, so ist es beachtenswerth, dass Plinius von dem letzteren Künstler überliefert , »er habe sich den Alten ge- nähert«. Also werden wir auch hier, wo es sich vielleicht um 1) Piin. XXXV 4. 2) Plin. XXXV 119. H) Plin. XXXV ll<5. 4) Bull, dell' Inst. 18ü:J p. 81 ff. 5) Secchi, inon. ined. d'un sepolcro di fainiglla greca Koma 1843) Taf. I. II. <») Heibig, Wandgeuiülde p. .'$84 fli". 7) Plin. XXXV 120. 8] Plin. XXXV 120. IV. Die Ueberlieferung über die Malerei. 63 bedeutendere Leistungen handelt, auf Einflüsse der älteren Kunst hingewiesen. Wenn ferner massenhaftes (Jopiren älterer Meisterwerke ge- eignet ist, gegen die selbstsländige Productivität einer Epoche Verdacht zu erwecken , so liegen in dieser Hinsicht die Verhält- nisse auf dem Gebiete der Malerei ganz ähnlich wie auf dem der Plastik. Ks gab damals viele Maler, welche sich nur mit Copiren beschäftigten ^ . Auch scheint diese Thätigkeit keines- wegs gering geachtet Avorden zu sein. Wenigstens hat uns die Ueberlieferung den Namen des üorolheos bewalirt, welcher für Nero die Anadyomene des Apelles copirte"-). Aus diesen Betrachtungen ergiebt sich Eines mit Sicherheit, dass nämlich in der Epoche, mit der wir uns gegenwärtig beschäf- tigen , keine reiche und im höheren Sinne poetisch schaftende Entwickelung der Malerei Statt fand, üeber die verschiedenen Richtungen, in denen sich die damalige Malerei bewegte, schweigt die Ueberlieferung. Doch ist es verstattet, hierüber vor der Hand aus der Analogie der Sculptur einige Schlüsse zu ziehen. Wie in der Sculptur werden auch in der Malerei eine ideale und eine realistische Richtung neben einander her gegangen sein. Jene herrschte selbstverständlich in den Gemälden mythologischen In- halts ; die letztere wird namentlich maassgebend gewesen sein bei Darstellungen aus der Wirklichkeit, den grossen Leinwandbildern, wie sie zur Ausstattung von Spielen oder zur Erinnerung an Spiele gemalt wurden'^), den Gemälden mit Scenen aus Feldzügen, wie sie bei Triumphen ausgestellt und vorttbergeführt oder zu bleiben- der Erinnerung in Tempeln oder in den Häusern der Feldherrn ausgeführt wurden ^1 . In das Portrait und die Darstellung aus dem Alltagsleben können sich die beiden Richtungen , wie es in der Sculptur der Fall war, auch in der Schwesterkunst getheilt haben. Mag nun die Malerei, wo sie an die Wirklichkeit anknüpfen konnte, eine gewisse Productivität gewahrt haben , so werden wir auf idealem Gebiete ihre Erfindungskraft noch geringer veranschlagen und in höherem Grade ihre Abhängigkeit von älteren Leistungen voraussetzen müssen, als beider gleichzeitigen Sculptur ; denn, während sich die antike Ueberlieferung über die letztere aus- 1) Dionys. Hai. de Dinarcho VII p. (i44. Quintilian. X 2, C». Vgl. X 2, 2. Lucullns kauft das apographon eines Gemäldes des Pausias Plin. XXXV 12.5. Lueian (Zeuxis '-i] sieht zu Atlien im Atelier eines Malers eine Copie des Kentaurenbildes des Zeuxis. 2) Plin. XXXV «ll. .ij Vgl. Friedlaender , Darstellungen aus der .Sittengeschichte Roms II p. 230. 4) Vgl. Raoul Rochette, peint. ant. ined. p. 303 ff. 64 Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche. führlicher und zum Theil selbst mit Lob ausspricht, würdigt sie nur wenige Maler, die ausserdem grösstentheils in unter- geordneteren Kunstgattungen thätig sind, einer fittchtigen Erwäh- nung und giebt sie über den ganzen Zustand der Kunst absolute Verdammungsurtlieile ab. Wenn wir daher in unserer Epoche Ge- mälden begegnen, deren Erfindung eine bedeutende künstlerische Begabung voraussetzt, so ist von vorn herein die Vermuthung berechtigt, dass die Composition nicht von der gleichzeitigen Kunst gestaltet, sondern aus einer älteren, reicher begabten Ent- wickelung entlehnt ist. Dieses Resultat wird uns bei Beurtheiluug der campanischen Wandgemälde als Grandlage dienen. Die campanische Wandmalerei. V. lieber einige eigrenthttmliche stylistische Erscheinungen. Die campanische Wandmalerei verti'itt mit wenigen Aus- nahmen eine vollständig freie Entwickelung , eine Entwickelung, wie sie nach Allem , was wir von griechischer Kunst wissen, etwa seit der Zeit Alexanders des Grossen zur Vollendung kam. Nur ganz vereinzelte Erscheinungen treten aus diesem Kreise heraus. Es sei mir verstattet , um den weiteren Zusammenhang der Untersuchung nicht durch Hinweis auf dieselben zu unter- brechen, die betreffenden Gemälde gleich hier zu erwähnen. Am Deutlichsten zeigt sich eine Behandlungsweise , die vor die freie Entwickelung und die Durchbildung des eigentlich Ma- lerischen fällt, in dem bekannten Gemälde aus der Casa del poeta, welches das Opfer der Iphigeneia darstellt^). Die Composition ist mit strengster Symmetrie gegliedert : um die Mittel gruppe entspre- chen sich unten die Gestalten des Kalchas und des Agamemnon, oben die der Artemis und der Nymphe, welche den an Iphigeneias Statt zu opfernden Hirsch herbeibringt. Die gegenseitige Deckung der Figuren ist möglichst vermieden, sodass es nur weniger Modi- ficationen bedürfen würde, um die Composition in das Relief zu übertragen. Die Faltenbehandlung an den Gewändern des Aga- memnon, des Kalchas und des muthmaasslichen Diomedes verräth eine eigenthümliche Steifheit. Während der Hintergrund auf den übrigen Bildern in einer mehr oder minder der Wirklichkeit ent- sprechenden Weise behandelt ist, hat der Maler hier von der Andeutung eines realen Raumes beinah vollständig abstrahirt. Wie wir diese eigenthümliche Erscheinung zu erklären , ob wir darin die Copie eines vor die freie Entwickelung fallenden Ge- 1) Die beste Abbildung bei Zahn, die schönst. Orn. III 42. Heibig N. 1304. Hei big, Untersuchungen ü. d. camp. Wandmalerei. 5 66 Die campanische Wandmalerei. mäldes oder etwa eine bewusst archaisirende oder eklektische Richtung zu erkennen haben , darüber wird es vor der Hand ge- rathen sein , mit einem entscheidenden Urtheil zurückzuhalten. Ausserdem ist ein leises Archaisiren von Dilthey ^) richtig in einem Gemälde erkannt worden , welches die Strafe des Aktaion darstellt. Nicht wegen der Zeichnung, sondern wegen des Colorits wären an dieser Stelle zwei Gemälde aus Casa del citarista zu erwähnen, von denen das eine das Urtheil des Paris 2), das andere einen griechischen Jüngling als Schutzflehenden vor einem barbarischen Herrscher '*) darstellt. Die Färbung derselben erscheint auffällig hart und trocken und bewegt sich , während die Wandgemälde in der Regel eine sehr harmonische Farbenscala verrathen, in schar- fen Gegensätzen. Ich begnüge mich, hiermit die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf diese eigenthümliche Erscheinung gelenkt zu haben. Darin eine archaisirende Richtung des Colorits zu er- kennen , scheint mir vor der Hand gewagt. Einerseits halte ich es nicht für unmöglich, dass diese Eigenthümlichkeiten zum Theil durch äussere Umstände, etwa durch die Einflüsse der Atmosphäre oder durch die Feuchtigkeit der in unmittelbarer Nähe aufge- thürmten Schuttmassen, verursacht sind. Andererseits hat man zu bedenken, dass uns, bevor nicht das Colorit der Wandmaler überhaupt und namentlich das Verhältniss, in welchem die Farben- scala der Mittelbilder zu dem Tone der umgebenden Wand steht, systematisch untersucht ist , die uöthige Grundlage fehlt , um Er- scheinungen aus diesem Gebiete richtig zu würdigen. Die Composition, welche Helle darstellt, wie sie im Meere versinkt, während der auf dem Widder reitende Phrixos die Hand nach ihr ausstreckt ^j , enthält zwar keine archaischen Bilduugs- elemente , verräth aber eine Auffassung und Behandlung , welche nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntniss der griechi- schen Kunst eher auf die Entwickelung vor Alexander dem Grossen , als auf eine spätere Epoche hinweisen . Der Ausdruck der Affecte ist sehr maassvoll und erinnert trotz der mittelmäs- sigen Ausführung an die zarte Au ffassungs weise, welcher wir auf attischen Grabreliefs der besten Zeit begegnen. Das Durch- schimmern der unteren Theile des Widders durch das Gewässer verräth eine ungleich weniger naturalistische Charakteristik, als die , mit welcher die campauische Wandmalerei sonst derartige 1) Bull, deir Inst. 1869 p. 151 : Heibig, N. 249, Atlas Taf. VH. 2J Heibig N. 12S6. .3J Arch. Zeitung 186G Taf. 205. Heibig N. 1401. 4) Heibig N. 1251 flf. V. Ueber einige eigenthümliche stylistische Erscheinungen. 67 Motive zu behandeln pflegt. Besonders eigenthümlich ist die ideale und von der Wirklichkeit abstrahirende Behandlung des Hintergrundes, welche der besten Keplik dieser Composition ') eigenthümlich ist. Hier ist nämlich der ganze Grund von Meer- wasser überzogen. Dasselbe reicht bis an den oberen liand des Bildes und lässt von dem Himmel, der bei einer naturalistischen Darstellung oben angedeutet sein müsste, nichts wahrnehmen, eine Behandlung , welche in wundervoller Weise die unendliche Weite des Meeres veranschaulicht. Wiewohl sich dieses Motiv nur bei einer Replik findet und die anderen den Himmel andeuten, so scheint es doch unzweifelhaft , dass die ideale Darstellungsweise dem Originale eigenthümlich war: denn, da sie den sonst in der Wandmalerei herrschenden Principien vollständig zuwiderläuft, so liesse es sich schwer begreifen, wie ein Wandmaler darauf ver- fallen konnte, dieselbe zu improvisiren. Es scheint somit, dass diese Gemälde auf ein Original zurückgehen , welches entweder vor der Alexanderepoche entstand oder einer Richtung augehörte, die auch über die.se Epoche hinaus den Geist der älteren Entwicke- lung bewahrte. Allerdings stehen noch einige andere in der campanischen Wandmalerei vorkommende Compositionen mit der Kunst vor Alexander in Zusammenhang. Doch ist nur das Grund- schema im Grossen und Ganzen festgehalten und entspricht die Charakteristik in Geist und Form einer jüngeren Entwickelung. Hierher gehört das herculaner Gemälde, welches den Kampf des Herakles mit dem nemäischen Löwen darstellt 2] . Die Composition desselben liegt im Wesentlichen bereits auf einer Metope des Theseion ausgebildet vor ^) . Dagegen ist die Charakteristik im Sinne einer späteren Entwickelang behandelt und lässt namentlich die Bildung des Kopfes des Herakles deutlich den Einfluss des von Lysippos erfundenen Typus erkennen. Aehnlich verhält es sich mit dem herculaner Monochrom , welches einen auf einer Quadriga fliehenden Krieger darstellt^]. Wir begegnen einer entsprechenden Composition bereits auf einem zu Oropos gefun- denen Relief, dessen Styl auf die Epoche vor Alexander dem Orossen hinweist ^^ . Doch ist auf dem Monochrom im Grunde nur die räumliche Anordnung der einzelnen Bestandtheile festgehal- ten. Durch allerlei Abwandelungen in der Anlage des. Kriegers 1) Die beste Abbildung bei Ternite 3. Abth. I 1. Heibig N. 125 J . 2) Pitt. d'Erc. IV 5 p. 27. Heibig N. 1124. 3: Denkm. d. a. K. I 20, 105. 4) Zahn, die schönst. Orn. H 1. Welcker, alte Denkm. H 10, 16 179 ff. Heibig N. 14ti5i>. 5, Welcker, alte Denkm. II 9, 15. Overbeck, Gal. her. Bildw. VI 6. 5* 68 Die campanische Wandmalerei. erscheint sogar der Inhalt der dargestellten Handlung wesentlich modificirt. Endlich ist die Charakteristik ungleich naturalistischer, als auf dem griechischen Relief. Wir haben es in diesen beiden Fällen mit einer durch vielfache Belege bekannten Erscheinung zu thun : ein einmal ausgebildetes künstlerisches Motiv wird von der späteren Kunst wiederholt, dabei jedoch nach dem Geiste der Epoche , in welcher die Reproduction stattfindet , und nach in- dividuellen Absichten des reproducirenden Künstlers eigenthümlich abgewandelt. yi. Die beiden Hanptgruppen. Sehen wir von vereinzelten Erscheinungen ab , welche einer besonderen Erörterung bedürfen, dann lässt sich der uns bekannte Vorrath campanischer Wandgemälde , soweit sie Scenen aus der Mythologie , der Geschichte und dem Alltagsleben darstellen , in zwei Hauptgruppen scheiden. Die eine Hauptgruppe umfasst mit wenigen Ausnahmen alle Gemälde, welche Scenen aus der griechischen Mythologie dar- stellen , eine Reihe von Gemälden aus dem Alltagsleben und die einzige, in der Wandmalerei erhaltene historische Schilderung, das Bild mit dem Tode der Sophoniba i) . Die zweite enthält ledig- lich Darstellungen aus der Wirklichkeit, Scenen aus dem Alltags- leben, aus Circus und Amphitheater 2) . Der Gegensatz , welcher zwischen den beiden Gattungen ob- waltet, könnte nicht schärfer gedacht werden. Das Gestaltungs- princip , welches den der ersten Hauptgruppe angehörigen Pro- ducten zu Grunde liegt , dürfen wir in aller Kürze als ein ideales bezeichnen. Der Geist der Künstler, welche diese Gemälde er- fanden, ist sichtend und ordnend zu Werke gegangen. Die Com- position erscheint allenthalben nach aesthetischen Gesetzen ge- gliedert. Hinsichtlich der Charakteristik der Träger der Hand-" lungen lassen sich zwei Richtungen unterscheiden , die sich aber streng innerhalb der dieser Gattung gesteckten Grenzen bewegen. Die eine dieser Richtungen geht darauf aus , schöne oder an- muthige Erscheinungen zu verwirklichen, schliesst Charaktere, 1) Mus. Borb. I 34. Visconti, iconogr. gr. HI IS. 0. Jahn, Tod der Sophoniba. Heibig N. 1385. 2) Heibig N. 1477 ff. 1507 ff.. VI. Die beiden Hauptgruppen. 69 welche ihr zuwiderlaufen, entweder aus oder gestaltet sie in ihrem Sinne um. Die andere strebt nach einer eminent charakteristischen Darstellung. Wiewohl sie nicht absolut schöne und vollkommene Bildungen erzielt , so ist ihr Gestaltungsprocess doch von einem realistischen Verfahren weit entfernt. Sie copirt die Wirklichkeit nicht , wie sie vor den Sinnen liegt , sondern giebt , was dieselbe zersplittert, mehr oder minder getrübt und zweifelhaft zeigt, con- centrirt, in sich wahr und vollständig wieder. Die beiden Rich- tungen greifen auf einer ganzen Reihe von Gemälden in einander über und schon dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es hinlänglich, dass wir sie in eine und dieselbe Gruppe einbegriffen haben. Innerhalb der Bilder mythologischen Inhalts herrscht die an erster Stelle erwähnte Richtung beinah unumschränkt. Wo nicht die Hand des ausführenden Wandmalers den Charakter der Originalcomposition getrübt hat, begegnen wir fast durchweg schönen oder anmuthigen Erscheinungen. Nur in wenigen Fällen greift die charakteristische Richtung auf mythologisches Gebiet über. Wir begegnen einigen sehr charakteristisch gebildeten alten Frauen wie der Eurykleia^) und den Ammen der Phaidra^), der Skylla 3] und der Alkestis -*) . Auf dem Gemälde, welches die Ent- lassung der Briseis darstellt^), erscheint Phoinix bartlos, mit verfallenem und sehr individuell gebildetem Gesichte. Aehnlich ist einmal der Vater des Admetos aufgefasst ''] . Unbeschränkt herrscht die charakteristische Richtung nur in einer Serie mytho- logischer Bilder, der nämlich, welche Pygmaien bald im Kampfe mit Kranichen oder Hähnen '') , bald in genreartigen Situationen *') darstellt. Da die Bildung der Pygmaien von einer über die Wirk- lichkeit hinausragenden, also idealen Hässlichkeit ist, so versteht es sich , dass diese Gemälde in das Bereich der Gruppe gehören, mit der wir uns gegenwärtig beschäftigen. In bedeutenderem Umfange als auf mythologischem Gebiete macht sich die charakteristische Richtung innerhalb der Darstel- lungen aus dem Alltagsleben geltend. Hier strebt sie Typen aus- 1) N. 1331. 2) N. 1243 ff. 3) N. 1337. 4) N. 1157 ff. Vgl. Bull, deir Inst. 1872 p. 70. 5) N. 1309. 6) N. 1161. Vgl. auch N. 1398. Aus dem Bereiche der Compo- sitionen , welche Scenen aus dem Alltagsleben , mit mythologischen Motiven vermischt , schildern , wären die beiden Gemälde mit dem Erotenverkaufe beizufügen (N. 824, 825;. Auf dem einen verkauft die Eroten eine sehr charakteristisch gebildete Alte , auf dem an- deren ein zwerghafter , dickleibiger Mann mit Spitzbart und derben Zügen. 7) N. 1528 ff. 8} N. 1530 ff. » 70 Die campanische Wandmalerei. zuprägen , welche in allgemein gültiger Weise ganze Gattungen vertreten , und dieselben in Situationen darzustellen , welche fiir das Denken und Treiben dieser Gattungen bezeichnend sind. Hierher gehören zunächst zwei Gemälde , welche einen Barbaren darstellen , der mit einem schönen Mädchen , vermuthlich einer Hetäre, zecht ^j. Gewiss hat man diesen Barbaren, wie die ent- sprechenden Darstellungen der bosporanischen und pergameni- schen Kunst , als eine Gestalt zu betrachten , welche Eigenthüm- lichkeiten , die in der Natur bei einzelnen Individuen der be- trefFeudeu Kace zerstreut auftreten , zu einem die ganze Race bezeichnenden Typus zusammenfasst. Niemand wird aber einen auf solchem Wege gestalteten Typus als ein realistisches Product bezeichnen. Ausserdem stimmt die wohl angeordnete Composition und die anmuthige Schönheit des dem Barbaren beigesellten Mäd- chens, die durch den Gegensatz des Barbarentypus besonders her- vorgehoben wird , vollständig mit den Bildungsgesetzen, welche den Gemälden der ersten Hauptgruppe eigenthtimlich sind. Ob wir die sehr individuell gebildeten Gestalten, welche auf Gemälden vorkommen , die Scenen aus dem Leben der Theater- und Tonkünstler schildern '^) , als Porfraits oder als Standestypen aufzufassen haben , lässt sich nicht in jedem einzelnen Falle ent- scheiden. Gewiss aber berechtigen uns Composition und Charak- teristik, diese Gemälde als Producte einer idealen Kunstrichtung zu betrachten. Einen sehr bezeichnenden Ausdruck empfängt die charak- teristische Richtung in den Gemälden , welche Scenen aus der Komödie darstellen -T. Mochte sich die neuere Komödie ihrem Inhalte nach vollständig in das philiströse Alltagsleben und dessen kleinliche Interessen und Conflicte versenken , so beruhte ihre Darstellung doch nicht sowohl auf dem Detail individueller Klein- malerei , sondern folgte dem allgemeinen Zuge der späteren grie- chischen Kunst, der dahin ging, Charaktertypen auszuprägen. Diesem Zuge entsprach auch die äussere Ausstattung , die Maske und die Tracht. Die Untersuchung antiker Masken, deren uns eine beträchtliche Menge in Marmor, Bronze und Thon erhalten ist, zeigt, wie die Alten auch hier mit feinem Verständnisse her- vorstechende physiognomische Eigenthümlichkeiten zu erfassen und zu steigern und auf diesem Wege grotteske Idealtypen der verschiedenen Charaktere zu gestalten wussten. Dass das Gemälde mit dem Tode der Sophoniba^), in das Be- reich der uns gegenwärtig beschäftigenden Gruppe zu rechnen 1) N. 1448, i448b. 2) N. 1455 ff. 3) N. 1468 ff. 4) N. 1385. VI. Die beiden Hauptgruppen. 71 sei , kann nach der Weise der Charakteristik , welche die Träger der Handlung als historische Charaktere im ächtesten Sinne schildert, und nach dem dramatischen Inhalte und der künst- lerischen Gliederung der Composition keinem Zweifel unterliegen . Die Charakteristik der Eigenthümlichkeiten der zweiten Haupt- gruppe können wir sehr kurz fassen, da die ihr angehörigen Pro- ducte i-ückhaltslos von einer Richtung beherrscht sind und Ab- stufungen , wie wir sie innerhalb der ersten Hauptgruppe wahr- nahmen, hier nicht vorkommen. Wie die Stoffe dieser Bilder durchweg der realen Gegenwart entlehnt sind, so ist auch ihre Auffassungs- und Behandlungsweise eine entschieden realistische. Die Maler greifen die Wirklichkeit auf, wie sie vor den Sinnen liegt , und geben die Erscheinungsweise derselben ohne ordnende Thätigkeit des Geistes und der Phantasie wieder. Nirgends zeigt sich das Streben , die Natur im Bilde zu veredeln oder zu ver- schönern, sie von den Zufälligkeiten zu läutern und in ihren wesentlichen Elementen zu erfassen. Vielmehr wird allenthalben, sowohl hinsichtlich der Composition, wie hinsichtlich der Charak- teristik der handelnden Figuren , das AlltägHchste und Nächst- liegende aufgegriffen. Dies sind die beiden Hauptgruppen , in welche sich die cam- panischen Wandgemälde eintheilen lassen. Doch zeigt sich ihr Gegensatz nicht nur in der Verschiedenheit der künstlerischen Principien , die wir soeben hervorgehoben , sondern es haften an jeder der beiden noch andere bezeichnende Unterschiede. Viele der Compositionen der ersten Hauptgruppe kehren in den campa- nischen Städten in einer grösseren Anzahl von Repliken wieder. Manche sind nicht blos auf die campanischen Städte beschränkt ; vielmehr begegnen wir ihnen oder wenigstens Motiven aus den- selben auch auf Denkmälern , die au verschiedenen anderen Stellen des orbis antiquus gefunden sind. Hieraus ergiebt sich mit Sicherheit , dass diese Compositionen nicht Producte localer Bedeutung, sondern gemeinsames Eigenthum der griechisch- römischen Welt waren. Die Compositionen der zweiten Haupt- gruppe dagegen sind auf die Malerei der campanischen Städte beschränkt und finden sich auch hier nur in einem Exemplare. Hiermit stimmt eine andere Erscheinung , welche sich bei Betrachtung der Bilder der beiden Gattungen jedem aufmerk- samen Beobachter aufdrängt. Angesichts der Gemälde der ersten Hauptgruppe gewahren wir fast durchweg einen auffälligen Ab- stand zwischen Erfindung und Ausführung. Während die Er- findung von einer bedeutenden künstlerischen Begabung zeugt, steht die Ausführung mehr oder minder zurück. Wir werden somit unwillkürlich zu der Annahme geführt, dass diese beiden 72 Die campanische Wandmalerei. Seiten künstlerischer Thätigkeit verschiedenen Individuen zuzu- schreiben sind. Bei den Gemälden der zweiten Hauptgruppe da- gegen tritt kein derartiger Unterschied hervor ; vielmehr steht in der Regel der Kunstwerth der Erfindung wie der der Ausführung auf derselben Stufe. VII. Die realistische Richtung. Aus Gründen , die sich im Laufe der Untersuchung rechtfer- tigen werden , wende ich mich zunächst zur näheren Betrachtung der Bilder der zweiten Hauptgruppe. Die besten Leistungen auf diesem Gebiete scheinen , soweit man nach den Abbildungen schliessen darf, die gegenwärtig zerstörten Gladiatorenkämpfe und Thierhetzen gewesen zu sein, welche am Podium des pompeiani- schen Amphitheaters gemalt waren i) . Wenn auch nur decorativer Art, gehörten sie immerhin der öffentlichen Kunst der cam- panischen Landstädte an. Die erhalteneu Bilder stammen durch- weg aus privaten Räumen. Hinsichtlich der Güte der Durch- führung verdienen an erster Stelle genannt zu werden die Gemälde, welche die verschiedenen Thätigkeiten der FuUones schildern 2j, und das Bild mit dem Bäckerladen 3) . Trotz der banausischen Prosa , welche diese Darstellungen bedingt , lässt sich ihnen das Verdienst einer lebendigen, der Natur entsprechenden Charak- teristik nicht absprechen. Roher sind die spielenden Strassen- jungen auf einem Bilde aus Casa de Lucrezio behandelt *) . Noch tiefer stehen die Malereien aus dem sogenannten Lupanar^), welche, abgeselien von einem gewissen Geschick in der Wieder- gabe der Gesichter , einen vollständigen Mangel der Elementar- kenntnisse der Zeichnung verrathen. Auch die dieser Richtung angehörigen obscönen Bilder, von denen eine reiche Serie in dem pompeianischen Bordell erhalten ist, sind von kaum mittelmässiger Ausführung ß) . Die Gemälde endlich , welche Scenen auf dem Forum schildern , sind kurz gesagt Schmierereien , welche bei glücklichen Griffen in dem Ausdrucke einzelner Motive nicht ein- mal die Handlung aller Figuren deutlich erkennen lassen. Offenbar geben alle diese Bilder Erscheinungen aus der 1) N. 1514, 1515, 1519. 2) N. 1502. 3) N. 1501. 4) N. 1477. 5) N. 1504 S. 6) N. 1506. VII. Die realistische Richtung. 73 Civilisation des ersten Jahrhunderts der Kaiserzeit wieder und sind sie in dieser Epoche sowohl erfunden, wie ausgeführt. Von einigen lässt es sieb sogar wahrscheinlicli machen , dass sie unter Eindrücken, welche die campanischen Landstädte darboten, ent- standen sind. Die Köpfe der auf diesen Gemälden dargestellten Personen entsprechen Typen , wie man sie noch heut zu Tage im Neapolitanischen wahrnimmt. Die Bilder, welche Scenen auf dem Forum darstellen , schildern ein Treiben , wie es der Reisende noch jetzt auf den öffentlichen Plätzen süditalienischer Land- städte beobachten kann. Der tunicatus popellus, der das Forum bevölkert , erinnert an eine bekannte Stelle des Horaz ^j . Die sehr individuelle Charakteristik der Mädchen auf den Bildern in dem Bordell kann nur unter dem unmittelbaren Eindrucke der Insassinnen dieses Locales entstanden sein; einige sind mit dem hohen Toupet ausgestattet, welches zur Zeit der flavischen Kaiser Mode war. Die Tracht ist innerhalb dieser Gattung von Bildern die im römischen Alltagsleben übliche. Wir begegnen Reisenden mit dem cucuUus bekleidet 2), der als Reisetracht öfters von den Schriftstellern der Kaiserzeit erwähnt wird 3). Die Form der Brode auf dem Bäckerbilde stimmt mit der ttberein , welche den in Pompei gefundenen Broden eigenthümlich ist. Der Hintergrund der Marktscenen entspricht genau der Architektur des pompeiani- schen Forums. Sollten diese Erscheinungen für nicht bezeichnend genug er- achtet werden, um daraus gerade den campanischen Ur- sprung dieser Bilder zu erweisen, so kenneu wir gegenwärtig wenigstens ein Gemälde, welches nur in Pompei concepirt wer- den konnte^;. Allerdings ist dasselbe ein Landschaftsbild und müsste seine Würdigung eigentlich in unseren zwölften Abschnitt verwiesen werden. Da es sich aber nach Inhalt, Autfassung und Durchführung deutlich als ein Product der Richtung heraus- stellt, die uns gegenwärtig beschäftigt, so dürfen wir es be- reits hier in den Kreis der Untersuchung ziehen. Das Gemälde schildert ein bekanntes Ereigniss aus der pompeianischen Stadt- geschichte. Wir sehen darauf das Amphitheater in seinem Fest- schmucke prangend und mit dem velum bedeckt; daneben sind, wie es noch heute bei italienischen Volksfesten üblich ist , höl- zerne Baracken aufgeschlagen , worin allerlei Händler ihre Waaren feilbieten; in der Arena, auf den Stufen der Cunei 1) EpI. I 7, -65. 2) N. 1504. 3) Vgl. Stephani, Compte rendu 1S67 p. 56, 211. 4) Giornale degli scavi (n. s.) I Jav. VIII. 74 Die campanische Wandmalerei. und auf dem das Amphitheater umgebenden Platze bewegen sich mehrere Gruppen von Leuten, die auf einander losschlagen. Offenbar schildert diese Darstellung die von Tacitus ') berichtete Rauferei, welche im Jahre 59 n. Chr. bei einer Aufführung im Amphitheater zwischen Pompeianern und Nucerinern stattfand, ein Ereigniss, welches die Regierung veranlasste, die amphithea- tralischen Spiele in der campanischen Landstadt zu verbieten, und, wie wir aus Graffiti 2] wissen, einen tiefen Eindruck in der Erinnerung der Pompeianer hinterliess ^) . Es versteht sich, dass die Schilderung eines Vorganges von so ausschliesslich localer Bedeutung nur an der Stelle entstehen konnte, wo das Interesse an demselben rege war. Somit dürfen wir dieses Bild mit Sicher- heit als ein Product ausschliesslich pompeianischer Kuustübung betrachten. Dieses Resultat aber berechtigt uns, hinsichtlich der oben angeführten Gemälde , welche einer ganz entsprechenden Richtung angehören , das Gleiche vorauszusetzen. Ein Motiv, welches der Annahme des campanischen Ursprungs derselben widerspräche , lässt sich nicht nachweisen. Vielmehr gewinnt Pompei durch die Figuren , welche auf diesen Bildern auftreten, und durch das auf ihnen geschilderte Treiben die naturgemässe Staffage. Mit Gestalten, wie sie auf den Gemälden im sogenannten Lupanar vorkommen , haben wir uns die vor dem herculaner Thor und längs der consularischen Strasse gelegenen Schenken bevölkert zu denken. Der Bewaffnete, dem ein Kellner zu trinken reicht^), wird für einen der Stadtsoldaten, der Vigiles, zu erklären sein, die bisweilen in Municipalinschriften ^) erwähnt werden. Wie es auf dem Cyklus der Marktscenen der Fall ist , werden auch auf dem pompeianischen Forum der Ortolano , Fruttaiolo und Ramaiolo dem tunicatus popellus ihre Waare feilgeboten haben. Aufzüge, wie sie, veranstaltet von der Bürgerschaft oder von einzelnen Innungen, bei festlichen Gelegenheiten die Strassen der Stadt belebten , werden uns in bezeichnendster Weise durch zwei Gemälde^) vergegenwärtigt. 1) Ann. XIV 17. 2) C. J. L. IV n. 1293, 1329. 3) Die Zweifel, welche gegen diese Deutung in der Arch. Zeitung 1S70 p. 21 geäussert sind, halte ich für imbegründet. 4) N. 1504. 5) Vgl. Kellermann, vigilum romanor. latercula p. 33. Vielleicht gehört auch hierher die brundisiner Inschrift hei Mommsen J. N. 487 : C.CLODi VS.MILEs BRVNDISi NVS, falls hier nicht Miles cognomen ist. 6) N. 1479 = Giorn. d. scavi jn. s.) I Tav. VI ; N. 1480. VII. Die realistische Richtung. 75 Mit der Annahme des campanischen Ursprungs dieser Bilder stimmt auch der bereits im vorigen Abschnitte hervor- gehobene Umstand , dass sie alle nur in einem Exemplare vor- liegen und sich kein Motiv derselben ausserhalb der campani- schen Städte vorgefunden hat , eine Thatsaehe , welche darauf hinweist , dass sie ein beschränktes locales Interesse hatten und vermuthlich für die Decoration des bestimmten Raumes , in dem sie entdeckt wurden, erfanden sind. Uebrigens nahm die realistische Richtung , soweit sie sich mit Darstellungen aus dem Alltagsleben beschäftigte , in der campa- nischen Wandmalerei einen sehr untergeordneten Rang ein. Die Ausführung dieser Bilder ist im Ganzen ungleich nachlässiger als die der Gemälde der ersten Hauptgiuppe. Soweit wir ihre Pro- venienz kennen, stammen sie fast durchweg aus Räumen, auf deren Decoration man keine Sorgfalt verwenden konnte oder wollte , zum Theil sogar aus Localen von entschieden vulgärem Charakter. Nur das Bäckerbild wurde in einem im Ganzen wohl decorirten Zimmer gefunden. Die spielenden Strassenjungen waren in einem der hinteren Räume der Casa di Lucrezio gemalt, welche , namentlich in Vergleich mit dem reichen Schmucke der vorderen Räume, sehr ärmlich ausgestattet sind. Der Bildercyklus, welcher die verschiedenen Thätigkeiten der Walker schildert, stammt aus dem Fabrikraume der Fullonica. Das so- genannte Lupanar, worin sich die Gemälde fanden, welche Scenen aus dem pompeianischen Kneipleben darstellen , scheint der Hefe des Volkes zugleich als Schenke und Bordell gedient zu haben. In dem grossen Bordell war das obere Stockwerk, an dessen er- haltenen Theilen sehr feine Architekturraalereien ersichtlich sind, vermuthlich für die höheren Classen der Gesellschaft bestimmt ; das Erdgeschoss dagegen , worin sich die hierher gehörigen obscönen Bilder vorfinden, ist sehr roh decorirt und wurde, wie die Graffiti an den Wänden bezeugen ') , von Leuten aus den untersten Schichten des V^olkes, Sklaven, Krämern, Gladiatoren u. s. w., frequentirt. Die Bilder, welche das Treiben auf dem Forum schildern , stammen vermuthlich aus einer der Schenken , welche an der Gräberstrasse und an der Strada consolare aufgedeckt wurden. Somit gelangen wir bei Betrachtung der Wandmalereien zu demselben Resultat, welches sich oben für die Sculptur ergab, dass nämlich die realistische Richtung innerhalb der Darstellungen aus dem Alltagsleben nur bei Arbeiten untergeordneter Bedeu- tung maassgebend war. 1) Vgl. C. J. L. IV 2173 fif 76 Die campanische Wandmalerei. Till. Die idealisirenden Darstellaiigreii ans dem AUta Rieben. Von den beiden Richtungen, welche sich, wie wir im sechsten Abschnitt gesehen haben, innerhalb der zu der ersten Hauptgruppe gehörigen genrehaften Gemälde unterscheiden lassen, ist die, welche darauf ausgeht, schöne oder anmuthige Erscheinungen zu verwirklichen, quantitativ die stärker vertretene. Die Stoffe, welche sie zur Darstellung wählt, sind solche, die eine Schilderung in diesem Sinne begünstigen. Mit Vorliebe werden jugendliche Frauengestalten zu Trägern der Handlung gemacht. Wir begegnen ihnen in den verschiedensten Situationen. Sie schicken sich an, Cultushandlungen zu vollziehen i) ; sie sind mit ihrer Toilette beschäftigt 2) , unterhalten sich 3), musiciren^), scheinen in Liebes- gedanken versenkt'^); eine Malerin ist in ihrem Atelier thätigß;; Mädchen spielen mit einer Ziege''). Die Bildung ist durchweg von anmuthiger Schönheit ; in der Behandlung der Gewänder ist allenthalben die Entwickelung schöner Motive angestrebt. Im Wesentlichen ist es nur die vollständigere Bekleidung, welche diese Gestalten von der in der Regel bei mythologischen Figuren üblichen Behandlungsweise unterscheidet. Wo Knabenfiguren vorkommen, sind sie , abgesehen von der fehlenden Beflügeluug , wie Eroten gebildet. Gegenstände, deren Charakter einer anmuthigen Darstellung widerstrebt , werden vermieden oder es wird zu dem Auskunfts- mittel gegriffen , sie auf mythologisches Gebiet zu entrücken. Bei Schilderungen aus dem Leben der niederen Schichten der Gesellschaft, der Landleute, Fischer, Hirten, Jäger, Handwerker, waren, wenn sie in dem Bereiche der Wirklichkeit gehalten wur- den, Züge, welche auf die Härte der Existenz dieser Berufsclassen hinweisen, kaum zu vermeiden. Um solche Stoffe in ihrem Sinne zur Darstellung zu bringen, macht die Richtung, mit der wir uns beschäftigen, mythologische Gestalten, Eroten oder Eroten und Psychen, zu Trägern der Handlung. Diese Bilder entbehren mit wenigen Ausnahmen jeglichen mythologischen Gehalts, sind viel- mehr, da sie die geflügelten Kinder in den verschiedenartigsten Thätigkeiten und Situationen des täglichen Lebens, auf der Jagd *) , beim Fischfang'^], auf der Weinlese ^o]^ mit mannigfachen Hand- werken i^) beschäftigt, vor Augen führen, nichts Anderes als Darstellungen aus dem Alltagsleben, die jedoch in eine über die 1) N. 141Ü. 1412. 2j N. 1435 ff. 3; N. 1431 ff. 4) N. 1442. 5) N. 1429. 1430. 6) N. 1443. 1444. 7) N. 1434. 8) N. 807 ff. 9) N. 820. 10) N. 801 ff. llj N. 804 ff. >a^ VIII. Die idealisirenden Darstellungen aus dem Alltagsleben. 77 Mängel des irdischen Daseins erhabene Sphäre tibertragen sind nnd lauter Erscheinungen anmuthigster Naivität verwirklichen. Auch ftihrt diese Richtung bisweilen mythologische Motive in Seenen aus der Wirklichkeit ein. So findet sich Eros zu Frauen oder Mädchen gesellt , welche in Gedanken versenkt dasitzen ') , bringt somit die Art der Gedanken, denen die Schöne nach- hängt, figtirlich im Bilde zum Ausdruck und verleiht zugleich der Scene einen über die alltägliche Wirklichkeit hinausragenden Charakter. Zwei Gemälde '^j schildern, wie die geflügelten Knaben, in einen Käfig eingeschlossen , schönen Frauen zum Kaufe ange- boten werden. Die charakteristische Richtung giebt^ wie bereits im sechsten Kapitel bemerkt wurde, Spiegelbilder von dem Treiben bestimmter Charaktere oder Gattungen und erscheint bisweilen dem modernen Sittenbilde verwandt. Besonders bezeichnend ist hierfür eine bereits oben erwähnte Composition '^) : ein Barbar , der mit einer Hetäre zecht, spricht dem Weine männiglich zu; die Hetäre benutzt die günstige Situation und winkt ein Mädchen heran, die ein Kästchen mit Schmucksachen hält; offenbar soll der ange- trunkene Liebhaber dieselben für sie kaufen. Eine andere Serie schildert das Treiben der Vertreter der theatralischen und musi- kalischen Künste 4) . Mag es öfters unsicher sein, ob man in den Hauptfiguren Portraits oder Standestypen vorauszusetzen hat, mag auch die bestimmte Bedeutung einzelner Figuren zweifelhaft bleiben und es sich nicht überall entscheiden lassen, ob wir es mit Dichtern, Regisseurs oder Schauspielern zu thun haben, so ist nichts desto weniger die Absicht, Charakterbilder zu geben, deutlich zu erkennen. Um hier einige Gemälde zu erwähnen, deren Erklärung hinlänglich gesichert ist , so begegnen wir einem preisgekrönten tragischen Schauspieler ; bekleidet mit dem Costüm seiner Rolle , sitzt er voll Selbstbewusstsein da und sieht zu, während unter dem zum Andenken an seinen Sieg aufge- stellten Anathera, einer tragischen Maske, die Inschrift ange- bracht wird 5) . Ein anderes Bild 6) stellt das Duett eines Flöten- bläsers und einer Kitharspielerin dar. Vermuthlich haben wir es mit einer Probe zu thun. Der Flötenbläser rollt in bedeutsamer Weise die Augen gegen die Kitharspielerin und scheint mit deren Spiel nicht zufrieden ; ein daneben sitzendes Mädchen blickt auf ein Täfelchen , das es in der Hand hält und auf dem wir die Noten zu gewärtigen haben, und begleitet mit ausgestrecktem Zeigefinger die Takte. 1) N. 1429. 1430. 2) N. 824. 825. 3) N. 1448. 4) N. 1455 ff. 5) N. 1460. 6) N. 1462. 78 Die canipanische Wandmalerei. Entsprechend der Absicht, Charakterbilder zu geben, geht die Kunst auf diesem Gebiete in höherem Grade , als es die an- muthige Kichtung zu thun pflegt , darauf aus , den Schein der Wirklichkeit zu erwecken. Die Tracht wird nach Schnitt und Farbe mannigfach iudividualisirt und stimmt in allen Einzelheiten mit der, welche den handelnden Personen, je nach Stand oder Beruf, im Leben eigenthümlich war. Der tragische Schau- spieler erscheint in dem Costüm eines Königs der Tragödie , wie man es auf dem Theater zu sehen gewohnt war. Die Tracht des Flötenspielers verräth alle Eigenthümlichkeiten, die, wie uns die Schriftsteller berichten, dem festlichen Ornate dieser Künstler zukamen ^ . Weibliche Figuren treten in langärmeligen Chitonen ^j und anderen individuellen Trachten des täglichen Leb ms auf. Wie die anmuthige Richtung gewisse Stoffe , um sie in ihrem Sinne zu behandeln, der Wirklichkeit entrückt, so bietet auch die charakteristische ähnliche Erscheinungen dar. W^o eine komische Wirkung erzielt werden soll , schöpft sie nicht unmittelbar aus dem Leben, sondern entlehnt die Situation nnd die Charakteristik der dabei auftretenden Personen von der komischen Bühne. Die Gemälde mit den sceuae comicae^^ sind im Grunde nichts Anderes als Darstellungen aus dem städtischen Alltagsleben, welche von der Malerei nicht nach der Natur, sondern nach dem Vorgänge der Komödie gestaltet sind. Einerseits ergab sich hierbei eine Dar- stellung, welche im höclisten Sinne charakteristisch war und so- mit vollständig dem Geiste dieser Richtung entsprach. Anderer- seits war sie im Besonderen den Bedingungen der W^andmalerei angemessen. Während es für die beschränkten Mittel der decora- tiven Frescotechnik schwierig sein musste, die vielfältigen Charak- tere , wie sie das städtische Alltagsleben darbot , in einer der Natur entsprechenden Weise zu individualisiren , Hessen sicli die einfachen, aber bezeichnenden Formen der Maskentypen auch durch eine nur andeutende Behandlung dem Verständniss des Be- trachters nahebringen. Sollte die Wirkung eine noch drastischere sein , dann wurden Pygmaien zu Trägern der Handlung gemacht. Wir finden die- selben vielfach in genreartigen Situationen, als Landleute, Jäger, Fischer und Maler '•). Es fehlt diesen Bildern nicht an sehr derben Zügen. Ich erinnere an das pompeianische Bild ^; , auf dem ein in einem Nachen befindlicher Pygmaie seineu Koth in den 1) Der den Chiton des Flötenspielers (N. 1462) der Länge nach durchziehende Streifen wird von Statius Theb. VI 367 erwähnt : picto discingit pectora limbo. 2i N. 1462. 3) N. 1468 ff. 4) N. 1530 ff.. 5) N. 1541 ff. villi. Die mythologischen Compositionen. 79 gähnenden Rachen eines Hippopotamos streichen lässt. Auch kommen bisweilen starke Obscönitäten vor^). Doch machen diese Darstellungen, da sie der Welt der Fabel angehören, einen ungleich weniger anstössigen Eindruck , als es der Fall sein würde, wenn sie im Bereiche der Wirklichkeit gehalten wären. Villi. Die mythologischen Compositionen. Um die innerhalb der mythologischen Compositionen herr- schenden Richtungen zu veranschaulichen , können wir nicht um- hin , zu einem vielfach benutzten Nothbehelf unsere Zuflucht zu nehmen und Bezeichnungen zu Grunde zu legen , die von einer zwar verwandten, aber immerhin verschieden bedingten Kunst, der Poesie , entlehnt sind. Die hierbei in Betracht kommenden Mängel sind allgemein anerkannt und bedürfen keiner weiteren Erörterung meinerseits. Eine der epischen Poesie verwandte Darstellungsweise, wie sie der Malerei des Polygnot eigenthümlich war und wie sie auf den ältesten mit mythologischen Scenen bemalten Vasen zu herr- schen pflegt, hat man in der campanischen Wandmalerei, wo die mythologischen Compositionen in der Regel auf geringen Raum und wenige Figuren beschränkt sind, nicht zu gewärtigen. Höch- stens Hessen sich die Bilder einiger Predellen und Friese , welche Amazonen- und Kentaurenkämpfe darstellen 2) , als einer epischen Schilderung verwandt anführen ; doch ist ihre Behandlung so flüchtig und wenig eingehend, dass sie kaum zu den Malereien gerechnet werden können, welche als einigermaassen selbststän- dige Bestandtheile aus der Wanddecoration heraustreten. Inner- halb der als Tafelbilder behandelten Gemälde verrathen nur we- nige und auch diese nur sehr oberflächliche Berührungspunkte mit einer epischen Darstellung : zwei herculaner Monochrome, welche Theseus im Kentaurenkampfe 3) und einen fliehenden Krieger auf einer Quadriga darstellen *) , die Gemälde mit Thaten des Herakles^), endlich einige noch nicht hinreichend erklärte Bilder, welche den Eindruck erwecken, als gehörten sie von Haus aus zu einem grösseren Cyklus, der Episoden aus einer erzählen- 1) N. 1540. 2) N. 1250 flf. 504 flf. 3) N. 1241. 4) N. 1405b. 5) N. 1124 ff. 80 ' Die campanische Wandmalerei. den Dichtung behandelte i) . Die Monochrome und die Herakles- bilder schildern Scenen, wie sie das Epos behandelte, in einer der epischen Poesie entsprechenden Weise. Bei den letzteren läss-t sich sogar der Beweis führen, dass sie aus einem grösseren Ganzen herausgelöst sind , welches , dem Epos vergleichbar , die Thaten des Helden in ununterbrochener Reihenfolge zusammenstellte. Doch wird gerade durch die Lösung aus diesem Zusammenhange der epische Charakter gewissermaassen aufgehoben. Derselbe Gesichtspunkt kommt bei den an letzter Stelle erwähnten Ge- mälden in Betracht , falls dieselben in der That von Haus aus zu der fortlaufenden Illustration einer erzählenden Dichtung ge- hörten. Andere Compositionen, wie die, welche die Ankunft der lo in Aegypten 2] und Thetis in der Schmiede des Hephaistos >*) darstellen, erinnern zwar an die erzählende Darstellung des Epos; dagegen widerspricht das reflectirende Gestaltungsver- fahren , welches in ihnen hervortritt und sich namentlich in der Einführung von Personificationen äussert, dem Geiste ächter epischer Poesie, welche, ohne mit Verstandeswerk zu operiren, unmittelbar auf die sinnliche Anschauung wirkt. Mit ungleich grösserer Bestimmtheit können wir eine Richtung nachweisen, die der dramatischen Poesie nahe verwandt ist. Sie strebt darnach , eine Handlung in ihrem ausdrucksvollsten Mo- mente aufzufassen, aus dem heraus man auf das Vorhergegangene und Nachfolgende schliessen kann , hat es daher vorwiegend mit dem streitenden Inneren der Individuen, dem Inhalte ihrer Leiden- schaften und deren Wechselwirkung auf einander zu thun. Als einen besonders bezeichnenden Beleg dieser Richtung hebe ich die auf Timomachos zurückgehende Composition hervor , welche Medeia darstellt , wie sie , herumgetrieben von widersprechenden Gefühlen, Rachedurst und Mutterliebe, den Mord ihrer Kinder erwägt "*) ; es ist hier der höchste tragische Conflict veranschau- licht , als dessen nothwendige Folge man die schreckliche That voraussieht. Andere Situationen, welche einem entscheidenden Momente der dramatischen Entwickelung unmittelbar vorher- gehen , bieten die Gemälde , welche darstellen , wie Kalchas die Iphigeneia zu dem bevorstehenden Opfer weiht ^] , wie der zür- nende Achill sich anschickt, gegen Agamemnon das Schwert zu ziehen ^') , und , um dies gleich an dieser Stelle einzuschalten, die einzige innerhalb der Wandmalerei erhaltene historische Dar- stellung , das auf den Tod der Sophoniba bezügliche Gemälde ^) . 1) Z. B. N. 138S. 1388 b. 1389. 1389b. 1398. 2) N. 138 flf. 3) N. 1316 ff. 4) N. 1262 ff. 5) N. 1305. 6) N. 1306. 1307. 7) N. 1385. villi. Die mythologischen Coinpositionen. 8 I Gewissermaassen der Moment der Katastrophe selbst ist in der Composition einbegriffen, welche die Strafe der Dirke darstellt ^j . Ein gewaltiger tragischer Conflict und die damit verbundene moralische Katastrophe sind in den Bildern veranschaulicht, welche schildern, wie Hippolytos den Liebesantrag der Phaidra zurückweist 2) , wie Skylla dem entsetzten Minos die Locke ihres Vaters überreicht^) . Das grosse Bild mit dem Iphigenienopfer ^) und die mit dem Schlangen würgenden Heraklesknaben ^) lassen uns zugleich die Lösung der vor Augen geführten Verwickelung erkennen. Der Moment der Lösung selbst ist in den Composi- tionen festgehalten, welche Achill auf Skyros darstellen 6) ; unter lebhafter Bewegung und mit verschiedenartigen ihren Charak- teren entsprechenden Affecten gruppiren sich die Gestalten um ihren Mittelpunkt, den die Waffen ergreifenden Achill. Andere Bilder wiederum verrathen weniger Bewegtheit in der äusserlichen Erscheinung der Handlung und enthalten keinen bis an die Grenzen der Katastrophe geführten Conflict , bieten aber eine in- haltschwere Verbindung von psychologischen Motiven dar, welche das Fortschreiten der Handlung deutlich erkennen lässt. Hierher gehört die Composition, welche darstellt, wieAdmetos und Alkestis von dem vei hängnissvoUen Orakel Kenntniss erhalten ') ; ferner das Bild, welches die Heimsendung der Chryseis darstellt s) ; nur muss man sich, um den Inhalt dieser Composition richtig zu wür- digen, über die Bedeutung des der scheidenden Jungfrau zornig nachblickenden Helden, der kein anderer sein kann, als Achill, klar werden. Eine reich entwickelte Stufenleiter psychologischer Affecte ist in den Compositionen zur Darstellung gebracht, welche die Entlassung der Briseis '^j und Orestes bei den Tauriernio) dar- stellen. Dort sehen wir Achill stolz, aber gefasst, die Herolde verlegen, ßriseis schamhaft zugleich und betrübt. Hier steht Orestes physisch und moralisch ermattet, in dumpfer Resignation hinbrütend ; Pylades hängt noch am Leben und verräth eine Mischung von Unwillen und Besorgniss ; davor sitzt Thoas und betrachtet mit trotziger Miene die Gefangenen ; im Hintergrunde sieht man Iphigeneia die Tempeltreppe herab schreiten ; ihr gegen- wärtig zerstörtes Gesicht war vermuthlich mit theilnehmendem Ausdrucke den Jünglingen zugewendet. 1) N. 1151. 2) N. 1242 ff 3) N. 1337. 4) N. 1304. 5) N. 1123 ; Arch. Zeitung 1868 Taf. 4. 6) N. 1296 ff. 7) N. 1157 ff. 8) N. 1308. Mit der Deutung dieses Bildes auf die Entführung der Helena (Brunn , troische Miscellen p. 81 ff. in den Sitzungsberichten der Akad. d. Wiss. zu München 1868 I 2; lässt sich der im Hinter- grunde befindliche Jüngling nicht in Einklang bringen. 9) N. 1309. 10) N. 1333 ff. Heibig, Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. 6 82 Die campanische Wandmalerei. Wenn sich diese dramatischen Scenen auf einem räumlich charakterisirten Hintergrunde entwickeln , so ist derselbe in der Regel ein architektonischer. Einerseits musste der Inhalt. der Scenen und der Einfluss der Tragödie , die sich gewöhnlich auf einer architektonischen Decoration abspielte, zu dieser Behand- lungsweise führen. Andererseits empfahl es sich aus aesthe- tischeu Gründen, dass eine innerlich wie äusserlich heftig bewegte Handlung in der, Ruhe eines streng gegliederten Hintergrundes ein Gegengewicht fand. Wir sehen deutlich, wie das Bewusstsein dieses Gesichtspunktes auch in der campanischen Wandmalerei lebendig ist. Betrachten wir die Gemälde, welche eine Ausnahme von der soeben aufgestellten Regel zu bilden scheinen , so stellt es sich fast durchweg heraus , dass es mit ihnen eine besondere Bewandniss hat. Ein pompeianisches Gemälde, welches Hippolytos und Phaidra darstellt ^) , hat den architektonischen Hintergi-und aufgegeben , welcher allen übrigen Darstellungen aus diesem Mythos eigenthümlich ist, und lässt die Scene in freier Natur vor sich gehen. Doch ist mit dieser Veränderung des Locales eine verschiedene Auffassung der Handlung verbunden. Die Bewegung der Figuren ist ungleich ruhiger und ihr Pathos weniger ent- wickelt, als auf den übrigen Bildern desselben Gegenstandes. Be- zeichnend hierfür ist es , dass Hippolytos nicht wie gewöhnlich schreitend, sondern sitzend dargestellt ist und dass Phaidra durch den Vorgang nicht so sehr heftig erregt, als wehmüthig betroffen erscheint. Somit herrscht statt eines dramatischen Pathos vielmehr ein sentimentaler Zug in der Composition. Eben so unterliegt das Gemälde , welches die Sti-afe der Dirke in einem waldigen Thale darstellt 2), besonderen Gesichtspunkten. Einerseits dürfen wir dasselbe bei seinem ausführlichen landschaftlichen Hintergrunde kaum der eigentlichen Megalographie zurechnen ; andererseits fragt es sich, ob dieses Bild nicht unter dem Eindrucke der Gruppe des farnesischen Stieres entstanden und somit aus den selbststän- digen Producten der dramatischen Malerei auszuscheiden ist. Wir wenden uns nunmehr zu der Gattung, welche in der campanischen Wandmalerei weitaus am Reichsten vertreten ist. Es ist derselben nicht an der Schilderung leidenschaftlicher Mo- mente oder tief einschneidender Conflicte gelegen: auch die äusserliche Bewegung der Handlung ist für sie von nebensäch- lichem Interesse. Sie trachtet vorwiegend darnach, Empfindungen zur Darstellung zu bringen, welche die in dem Bilde aufti-etenden Charaktere entweder in übereinstimmender Weise umfassen oder, wenn sie in Gegensätzen hervortreten, doch nicht so energisch 1) N. 1245. 2) N. 1151. YIIII. Die mythologischen Compositioneu. 83 entwickelt sind, dass eine Katastrophe unausbleiblich schiene. Während in der dramatischen Gattung besonders das pathetische Element maassgebend ist, herrscht hier in der Kegel eine baschauliche Befriedigung oder ein sentimentaler Zug. Somit führen Inhalt und Auffassung von selbst dazu, dass die Handlung nur wenig bewegt ist oder an die Stelle der Handlung geradezu ein Zustand tritt. Solchen Gesichtspunkten entsprechend wählt diese Richtung mit Vorliebe Mythen zur Darstellung , welche wie der von Endymion oder die geläufige Version der Narkissossage keine Conflicte enthalten. Zieht sie anders geartete Mythen in ihr Bereich , dann behandelt sie nicht ergreifende und folgen- schwere Momente aus denselben, sondern schildert Götter oder Heroen in Situationen , welche für die Entwickelung des Mythos von geringer Bedeutung sind, aber sich den soeben auseinander- gesetzten Bedingungen fügen. Mag es misslich sein , diese Bilder , welche nach Inhalt und Auffassung eine Fülle der verschiedenartigsten Abstufungen dar- bieten , durch ein Schlagwort zu bezeichnen , so möchte doch, will man ihre Richtung durch einen Vergleich aus dem Gebiete der Poesie veranschaulichen, das Idyll mit ihnen die meiste Ver- wandtschaft darbieten. Diese Dichtungsgattung schildert den Menschen, wie er sich durch die Bedingungen der ihn umgebenden Aussenwelt bestimmen lässt, sei es dass er darin Befriedigung findet, sei es dass er sich darunter beugt. Daher beschäftigt sich das antike Idyll am Liebsten mit naiven, von der Civilisation un- berührten Individualitäten , die in ungetrübtem Zusammenhange mit der Natur leben, wie Hirten, Fischern, Jägern. Die Natur, welche die Träger der Situation umgiebt, findet in dieser Gattung eine eingehendere Berücksichtigung, als in allen übrigen. Wenn das Idyll mythische Gestalten in sein Bereich zieht, dann pflegt es dieselben in gemüthlichen Bezügen zu schildern , die sich nicht über die Sphäre des Allgemeinmenschlichen erheben. Im Gegen- satz zu dem Epos endlich, dessen hauptsächlichstes Object die Handlung ist und dessen Vortragsweise auf der Erzählung beruht, hat es das Idyll vorwiegend mit Zuständen zu thun und ist es mehr beschreibend, als erzählend thätig. Eine Reihe von Wandbildern erscheint dieser Dichtungsgattung schon ganz äusserlich durch den bukolischen Charakter der Dar- stellung verwandt. Ich erinnere an die Compositionen , welche die Liebe des Polyphemos zur Galateia^), das Gespräch des Hermes und des Argos über die Syrinx 2) , Apoll bei Admet 3) , Marsyas als Lehrer des Olympos^) darstellen. Das Gleiche gilt 1) N. 1042 flf. 2) N. 135 ff. 3) N. 220 ff. 4) N. 225 ff. 6* 84 Die campanische Wandmalerei. von Schilderungen aus dem Leben des Paris auf dem Ida, mag er in beschaulicher Stille seine Heerden weiden i) , mag er der Oinone seine Liebe betheuern 2) , und von Darstellungen des Paris- urtheils, wenn die Scene auf einem bedeutender entwickelten landschaftlichen Hintergrunde vor sich geht s) . Zwar kein bukolischer Charakter, aber immerhin ein dem Idyll nah verwandter Geist herrscht in den Compositionen aus den Mythen von Ganymedes ^) , Kyparissos ^) , Adonis ''^j , Endy- mion'), Narkissos^), in den Gemälden, welche darstellen, wie Aphrodite angelt 'J), wie sie in einem schattigen Waldthal ihren Schmuck anlegt ^^j ^ wie der Dionysosknabe von dem Thiasos er- lustigt wird 11), wie Perseus und Andromeda die Spiegelung des Medusenhauptes in einem Bache betrachten ^^) . Endlich sei hier noch , um diese Eeihe mit einem besonders bezeichnenden Bei- spiele abzuschliesseu, der Composition gedacht, welche ein Liebes- paar in der Betrachtung eines Nestes mit Eroten schildert '^) . Diese Bilder enthalten mannigfache der idyllischen Poesie entsprechende Züge. Bald herrscht darin jene beschauliche Stille, welche vielfach auch in dem Idyll die maassgebende Stimmung ist. Bald sehen wir die mythologischen Gestalten in Beschäftigungen eingeführt, deren Schilderung zu den Lieblingsstoifen dieser Dichtungsgattung gehört. Aphrodite angelt; Ganymedes und Endymion treten als Jäger auf; eines der Gemälde, welches den Dionysosknaben im bakchischen Thiasos darstellt ^i) , nähert sich beträchtlich einer bäuerlichen Genrescene. Besonders aber tritt diese Verwandtschaft in einem allen diesen Gemälden gemeinsamen Zuge hervor. Es ist dies der innige Wechselbezug , welcher zwischen der Handluug und der umgebenden Natur obwaltet. Wie im Idyll wird der Charakter der Landschaft in der Kegel auf das Harmonischste der darin vorgehenden Scene angepasst. Während die dramatische Poesie und die entsprechende Richtung der Malerei einen architektonischen Hintergrund bevorzugen, spielt sich die Scene auf diesen Bildern , wie es im Idyll zwar nicht immer , aber doch in der Regel der Fall ist , in der freien Natur ab und bilden Berg und Wald den Hintergrund , während der Vordergrund mit Vorliebe durch ein Gewässer belebt wird. Durch die Beifügung von Personificationen aus dem Gebiete der freien Natur , wie der 'AxTai und SxoTrtat , welche die in ihrem Bereiche vorgehende Scene betrachten, wird der Bezug der Land- 1) N. 1279. 2) 12S0. 3) N. 1281 ff. 4) N. 153 ff. 5) N.218 ff. 6) N. 329 ff. 7) N. 950 ff. 8) N. 1338 ff. 9) N. 346 ff. 10) N 305. 11) N. 376 ff. 12) N. 1192 ff. 13) N. 8-21 ff. Vgl. Bull, dell' Inst. 1S69 p. 152. 14) N. 376. villi. Die mythologischen Compositionen. 85 Schaft zu der dargestellten Situation öfters auf das Nachdrück- lichste hervorgehoben. Um Missverstände zu vermeiden , bemerke ich ausdrücklich, dass ich den Hintergrund der freien Natur keineswegs als eine nothwendige Bedingung der idyllischen Schilderang in An- spruch nehme. Vielmehr kennen wir Idyllien wie die Adoniazusen des Theokrit, welche Scenen aus dem städtischen Leben schildern und somit ein veröchiedenes Local voraussetzten. Ich sehe dem- nich keinen hinreicheuden Grand, eine Reihe von Gemälden, welche hinsichtlich der Situation, die sie darstellen, und der Stimmung , die dieselbe erweckt , mit der idyllischen Diclitung übereinstimmen, lediglich desshalb, weil ihr Hintergrund der Poesie der freien Natur entbehrt, einer besonderen Gattung zu- zuweisen, die man etwa »mythologisches Geure« benennen dürfte. Als Exemplare, bei denen dieser Gesichtsp.nkt in Betracht kommen könnte, erwähne ich die Gemälde, welche schildern, wie Apoll einem schönen Mädchen Unterricht im Kitharspiel ertheilt i) , wie derselbe Gott Liebesgedanken nachhängt, während sich Eios mit seiner Kithara erhistigt^], wie Achill in seinem Zelte die Leier spielt ^j . Wollte mau diese Gemälde einer besonderen Gat- tung, dem »mythologischen Genre«, zuweisen, dann würde dieselbe vielfach in die, welche ich ah idyllischer Richtung bezeichnet habe, übergreifen und mehrere Gemälde, z. ß. die, welche darstellen, wie Aphrodite angelt oder sich schmückt, wie Perseus und Andromeda die Spiegelung des Medusenhauptes betrachten, unter beiden Kategorien aufzuführen sein. Es scheint mir daher einfacher, wenn wir uns auf die Aufstellung einer dem Idyll verwandten Gattung beschränken, die, falls wir die ganze Breite der idyllischen Poesie in Betracht ziehen , geeignet ist, auch die soeben berührten Gemälde zu umfassen. Um die Umrisse der in der campanischen Wandmalerei maassgebenden Richtungen zu vervollständigen, müssen wir noch der Compositionen gedenken , in denen ein humoristisches oder lascives Element vorwaltet. Es ist sehr misslich, dieselben durch den Vergleich mit einer bestimmten Dichtungsgattung zu veran- schaulichen. Allerdings finden sich einzelne Züge dieser Art in der idyllischen Poesie und auf den Gemälden , die wir mit der- selben verglichen. Doch ist der Eindruck, wenn ein solcher Zug als Nebenmotiv auftritt, ein anderer, als wenn er den wesent- lichen Inhalt eines Gemäldes bildet. Ich wage es demnach nicht, diese Compositionen in die idyllische Gattung einzubegreifen. Jedenfalls läuft das berechnete Zuspitzen des Gedankens, wie IJ N. 217. 2) N. 205. 3) N. 1315. 86 Die campanische Wandmalerei. es in mehreren derselben ersichtlich ist, der Frische und der Ur- sprünglichkeit, die wir als bezeichnende Eigenthümlichkeiten einer idyllischen Schilderung betrachten müssen , zuwider und werden wir dabei eher an gewisse Producte der epigrammatischen Dich- tung erinnert. Um diese Richtung durch Beispiele zu veranschaulichen , sei folgender Compositionen gedacht : Zeus thront, missgestimmt, in den Wolken und scheint bereit, seine üble Laune mit dem Blitze auszulassen. Da giebt Eros, in- dem er den Göttervater auf eine Schöne hinweist, den Gedanken desselben eine andere Richtung *) . Während der Schwan Leda heimsucht, trägt Eros das Spinn- geräth von dannen und deutet dabei auf den Vogel , gleich als wolle er sagen, die Jungfrau möge sich besser hiermit beschäftigen, als mit der Spindel 2) . Auf einem Bilde aus dem Danaemythos 3) ist der goldene Regen in humoristischer Weise behandelt. Nicht Zeus lässt ihn dem Mädchen in den Schooss träufeln ; vielmehr schüttet ihn ein schwe- bender Eros aus einer Amphora aus. Reich an fein berechneten Gegensätzen sind die Compositionen, welche den Aufenthalt des Herakles bei Omphale schildern^). Omphale tritt überall auf voll Stolzes über ihren Erfolg. Der Held ist auf den einzelnen Bildern verschieden aufgefasst ; bald unterzieht er sich gehorsam der ungewohnten Arbeit des Spinnens ^) , bald giebt er sich, seiner selbst vergessen, den ihm dargebotenen Genüssen hin*»), bald erscheint er in Folge derselben physisch und moralisch ermattet '' ) . Um die Hauptfiguren herum ergehen sich bakchische Thiasoten und Eroten in muthwilligem oder lascivem Treiben. Als eine drastische Steigerung der humoristischen Richtung lassen sich die Pygmaienbilder betrachten, über welche im vorigen Abschnitte die Rede war. Träger der Handlung auf den lasciven Bildern sind Satyrn, Pane, Bakchantinnen und der Hermaphrodit. Bisweilen sind diese Gemälde mit einer humoristischen Pointe ausgestattet. Dies ist der Fall auf den Gemälden, welche Pan darstellen, wie er den Herma- phroditen aufgedeckt hat und über den unerwarteten Anblick er- schrickt ^) . Weitaus die grössere Menge dagegen beruht lediglich auf sinnlichem Reize und schildert Satyrn oder Pane und Bakchan- tinnen in unzweideutig wollüstigen Situationen '^) . In vielen Hin- 1) N. 113. 2) N. 149. 3) N. 116. 4) N. 1136 ff. 5) N. 1136 ff. 6) N. 1137—39. 7) N. 1140. 8) N. 1370. 1371. Vgl. 1372. 9) N. 542 ff. N. 559 ff. villi. Die mythologischen Compositionen. 87 Bichten lehrreich ist der Vergleich dieser Gemälde mit den dem Gegenstaude nach verwandten obscönen Bildern realistischer Richtung. Der Gegensatz, der in dem Kunstprincipe der beiden Hauptgruppeu obwaltet, in welche wir die Wandbilder eingetheilt, tritt hierbei mit aller Schärfe zu Tage. Wenn Figuren aus dem bakchischen Thiasos, denen die mythologische üeberlieferung von Alters her eine stark entwickelte Sinnlichkeit zuschrieb , in lasciven Situationen auftreten, so erscheint die Scene in die Welt der Fabel entrückt und somit weniger anstössig, als wenn sie, wie es in den obscönen Bildern der zweiten Hauptgruppe der Fall ist , auf dem Boden der Wirklichkeit vorgeht. Dort gestattet die ideale Sphäre die Entwickelung hinreissend schöner Formen und Geberden. Hier giebt der Maler irdische Erscheinungen mit allen Mängeln und Zufälligkeiten wieder. Eiu anderer Unter- schied zwischen den beiden Richtungen zeigt sich in der Wahl des darzustellenden Moments. Während die realistische Rich- tung mit Vorliebe das Symplegma selbst zur Darstellung er- wählt, begegnen wir innerhalb der vielen Bilder, welche den lasciven Verkehr der bakchischen Thiasoten schildern mit einer einzigen Ausnahme i) nur Scenen, welche diesem Acte vorher- gehen. Es ist dies gewiss nicht als Zufall zu betrachten, sondern als ein Zeugniss , wie diese Kunstrichtung selbst bei schlüpfrigen Darstellungen gewisse Grenzen einzuhalten bestrebt war. Nur mit wenigen Worten genügt es, an eine in vereinzelten Exemplaren verti'eteue Gattung mythologischer Bilder zu erinnern. Bisweilen sind verschiedene Gottheiten zusammengestellt, ohne jedoch durch eine bestimmte Handlung zu einander in Bezug gesetzt zu sein. So finden wir auf einem pompeianischen Bilde Apoll, Cheiron und Asklepios 2) . Der Gesichtspunkt, auf welchem diese Vereinigung beruht, ist hinreichend klar: die beiden Götter und der Kentaur sind als Vertreter der Heilkunde zusammen- gestellt. Wenn dagegen auf einem anderen pompeianischen Ge- mälde Zeus, umgeben von Dionysos und Aphrodite 3), vorkommt, so lässt sich der Gedanke, welcher bei dieser Zusammenstellung zu Grunde lag, nicht mit Sicherheit bestimmen. Vielleicht waren dabei individuelle Absichten des Auftraggebers maassgebend, wel- cher jene Gottheiten besonders verehrte und diese Verehrung, die gewöhnlich in den Penatenbildern ihren Ausdruck fand , auch in einem Decorationsbilde geäussert wissen wollte. Dass auch ein pompeianisches Bild, welches Apoll und Artemis vereinigt*), in diesen Kreis zu ziehen sei, wage ich nicht zu behaupten. Da der Gott, der vor ihm sitzenden Artemis zugewendet, die Kithara 1) N. 556b. 2) N. 202. 3) N. 104. 4) N. 200. 88 I^ie campamsche Wandmalerei. spielt, ist es auch möglich, dass der Künstler das göttliche Ge- schwisterpaar in einer genrehaften Situation auffasste und schil- dern wollte, wie Apoll die Schwester durch seine Musik ergötzt ^j. Eine ganz vereinzelte Erscheinung ist es endlich, wenn Heroen, welche der Mythos durch eine bestimmt entwickelte Handlung zu einander in Bezug setzt, ohne Handlang und ohne Ausdruck einer durch das Zusammensein bedingten Stimmung neben einander gestellt sind. Dieser Fall könnte vorliegen auf zwei Gemälden, welche Meleagros und Atalante darstellen 2] , Doch fragt es sich, ob diese Erscheinung nicht vielmehr der Hand des ausführenden Wandmalers zuzuschreiben ist, ob nicht die Originale in der psychologischen Entwickelung der Gesichter der Darstellung einen Inhalt gaben , welcher in der decorativen Frescomalerei verloren ging. Ich verhehle es mir nicht, wie unzureichend diese Bemerkungen sind gegenüber der Fülle der mannigfachen Abstufungen, welche innerhalb der gesammten Masse der mythologischen Wandgemälde ersichtlich sind, bin mir vielmehr wohl bewusst, jlass sich die Grenze zwischen den einzelnen Richtungen, die ich unterschieden habe, nicht immer mit mathematischer Genauigkeit ziehen lässt, dass man angesichts vieler Compositionen schwanken kann, welcher Richtung sie zuzuschreiben seien , dass sich in einzelnen Bildern Züge verschiedener Richtungen kreuzen. Trotzdem habe ich diese Bemerkungen nicht unterdrückt ; gelingt es auch nicht, ein in alle Einzelheiten eingehendes Bild der auf diesem Gebiete herrschenden Bewegung zu geben , so sind wenigstens gewisse Hauptrichtungen, die eine grössere Menge von Compositionen um- fassen, zum Bewusstsein gebracht und durch charakteristische Beispiele veranschaulicht. X. lieber einige synlfretistische Produete. Ehe wir mit der Untersuchung weiterschreiten, sei liier einiger Gemälde gedacht , in denen ideale Motive , welche von Haus aus in das Bereich der ersten Hauptgruppe gehören, absichtlich mit einer veränderten Charakteristik zur Darstellung gebracht sind. 1) üebrigens findet sich bei Nenn, dionys. XLIV 177 ein Hinweis auf eine unglückliche Liebe des Apoll zur Artemis. 2) N. tl6:i. 1164. X. Ueber einige synkretistische Produete. 89 Hierher gehört das Portrait des Pompeianers Paquius Proculus und seiner Gattin ^) . Der Maler hat Motive zu Grunde gelegt, welche auf anderen Wandbildern mit einer idealen Behandlung zum Vortrag kommen. Die Anlage des Brustbildes des Paquius, der eine Schriftrolle unter dem Kinne hält, entspricht der einer Jünglingsbüste mit schönen Zügen, die etwas Individuelles haben, aber nicht in dem Grade , dass man sie nothwendig für ein Por- trait erklären müsste^) . Das Bildniss der Gattin, welche mit der Rechten den Griffel zum Munde führt und in der anderen Hand ein Diptychon hält, stimmt mit einer anmuthigen Mädchenbüste, der wir dreimal in der Wandmalerei begegnen 3) . Der Portrait- maler hat diese Typen zu Grunde gelegt , aber die edlen Köpfe derselben durch die prosaischen Physiognomien des pompeiani- schen Ehepaares ersetzt. Eine ähnliche Erscheinung bietet das Wandgemälde, welches eine Sceue aus dem 12. Bache der Aeneis darstellt^). Wie wir bereits im ersten Abschnitte sahen, sind die Motive dieser Dar- stellung zum Theil aus anderen Compositionen entlehnt. Doch erscheinen sie auf dem Wandgemälde mit einer verschiedeneu, mehr realistischen Charakteristik durchdrungen. Aeneas tritt nicht auf in idealer Nacktheit, sondern versehen mit allem Detail kriegerischer Rüstung , goldfarbigem Panzer , violetter Tunica mit blauem Rande und blauem Gürtel, hellviolettem Paluda- mentum und grauen Sandalen. Unwillkürlich denken wir dabei an eine bekannte Stelle des Plinius^) : Graeca res nil velare, at. contra Romana ac militaris thoraces addere. Das bräunliche Gesicht des Helden, welches Bartspuren auf den Wangeu erkennen lässt, ist sehr individuell gebildet, noch mehr den Kopf des au der Wunde beschäftigten Arztes mit der stark hervortretenden kahlen Stirn, der Adlernase und braun und grau gemischtem Haar und Bart. Wir begegnen hier einem Streben, den Schein individueller Wirk- lichkeit zu erwecken, wie es innerhalb der Gemälde der ersten Hauptgruppe nicht vorkommt. Selbst bei den genreartigen Cha- raktertypen dieser Gruppe ist die Kunst in dieser Hinsicht zu- rückhaltender. Vielmehr erinnert die Charakteristik des Aeneas- bildes in ungleich höherem Grade an die, welche wir in den realistischen Producten der zweiten Hauptgruppe nachgewiesen haben. Dürfen wir, von dem Gebiete der decorativen Malerei ab- schweifend, eine Bemerkung über die Sacralbilder einschalten, so verrathen dieselben mit wenigen Ausnahmen und vor Allen 1) Giorn. d. scav. (n. s.) I Tav. II p. 63. 2j N. 1420. 1420b. 3) N. 1422—24. 4) N. 1383. 5) XXXIV 18. 90 Die campanische Wandmalerei. die Laren- und Penatenbilder ein ganz ähnliches Gestaltungs- princip. Die von Alters her überlieferten griechischen Götter- typen sind in der Anlage im Allgemeinen festgehalten ; dagegen wird die Idealität der Köpfe mehr oder minder durch Einführung individueller Züge getrübt. Fast nirgends begegnen wir einem idealen Profile ; vielmehr sprirgt die Nase beinah durchweg in sehr bemerklicher Weise unter der Stirn hervor. Eben so ist die Bildung und Stellung der Augen meist sehr individuell behandelt. Bei Darstellungen der reiferen Götter, wie des Jupiter *) , tritt das Streben hervor, durch Beifügung von Runzeln die Einflüsse des Alters anzudeuten. Das Auftreten einer solchen Tendenz gerade in diesen Bildern darf uns nicht befremden. Wie sich aus ihrer Ausführung ergiebt, die im Ganzen tief unter der der mytholo- gischen Bilder steht , gehören sie zu den niedrigsten Gattungen der Wandmalerei. Bei der Verschiedenheit, welche in der Auf- fassung und Behandlung zwischen den für decorative Zwecke be- stimmten Malereien und den Laren- und Penatenbildern obwaltet, möchte man sogar annehmen , dass die letzteren von einer ganz bestimmten Classe von Malern oder richtiger Anstreichern aus- geführt wurden , welche , wie der Spott des Naevius über Theo- dotos, ein Individuum dieser Art, beweist 2) , nicht in besonderem Ansehen gestanden haben wird. Wir sahen aber sowohl bei der Betrachtung der Sculptur der Kaiserzeit 3] , wie bei der Unter- suchung der zur zweiten Hauptgruppe gehörigen Bilder aus dem campanischen Alltagsleben ^) , dass eine realistische Richtung vor- zugsweise bei Arbeiten untergeordneter Art zur Geltung kam. Somit ist es begreiflich, dass sie auch in die volksthümliche Malerei der Laren- und Penatenbilder Eingang fand. Uebrigens zeigt sich eine entsprechende Erscheinung in einer diesen Bildern verwandten Gattung der Sculptur , nämlich in den Hermen oder Doppelhermen , welche in dem antiken Hause zum Schmucke der Atrien oder Peristyle verwendet zu werden pflegten. Auch hier regt sich bisweilen ein realistischer Zug, von dem wir in der- kunstmässigen Plastik keine Spur wahrnehmen. Besonders merk- würdig ist der in dieser Denkmälergattung häufig vorkommende Marstypus ^] , der mit seinen scharf geschnittenen Zügen , der krummen Nase und dem trotzigen, beinahe höhnischen Ausdrucke 1) Z. B. N. 60; 67 = Atlas Taf. II. 2) Ribbeck, Comic, rel. p. 20. 3) Siehe oben Seite .'5'.t und 42. 4) Siehe oben Seite 74. 5) Z. B. Gerhard , antike Biidw. Taf. 318. Vgl. Bull, dell' Inst. 1867 p. 66. Viele Repliken dieses Typus, die grössten Theils aus Pompei stammen , befinden sich im Museum zu Neapel. X. Ueber einige synkretiatische Producte. 91 an Köpfe römischer Soldaten erinnert , denen wir auf den Reliefs der Siegesdenkmäler der Kaiserzeit begegnen. Einen ganz vereinzelten Platz nimmt unter der Masse der Gemälde aus der griechischen Mythologie ein pompeianisches Wandbild ein, dessen Darstellung mit hinreichender Sicherheit auf den Tod des Archemoros gedeutet wird i) . Wie auf dem Aeneasbilde ist die ideale Nacktheit aufgegeben und treten die gegen die Schlange kämpfenden Helden der eine mit dem Panzer, der andere mit dem Chiton bekleidet auf. Die Ausführung er- scheint gleich roh und nachlässig wie bei den untergeordnetsten -Bildern , welche Scenea aus dem campanischen Alltagsleben schildern. Es ist dies der einzige Fall innerlialb der campa- nischen Wandmalerei, dass ein Gegenstand aus der griechischen Mythologie in einem Geiste behandelt ist, welcher den Producten der realistischen Richtung entspricht, die ich in der zweiten Haupt- gruppe zusammengefasst habe. Ganz ausnahmsweise hat sich einmal ein Wandmaler, der auf dem Gebiete des groben Realismus zu Hause war , dazu verstiegen , ein mythologisches Bild herzu- stellen. Ob er es aber ganz selbstständig gestaltete, scheint sehr zweifelhaft. Die Anordnung nämlich und die Stellung der ein- zelnen Gestalten zeugen von einem Geschicke, welches zu der Rohheit der Ausführung in deutlichem Gegensatze steht. Es scheint somit, dass dem Maler ein Original vorschwebte, welches derselben Richtung angehörte wie die Gesammtmasse der in der Wandmalerei reproducirten mythologischen Compositionen ; doch wurde der ursprüngliche Bestand desselben durch die realistische Charakteristik und durch die rohe Ausführung so verwischt, dass das Bild bei flüchtiger Betrachtung für ein selbstständiges Product der plebeischen realistischen Richtung gehalten werden könnte. Sehr schwer ist es, ein endgültiges Urtheil zu fällen über die beiden herculaner Bilder , welche Scenen aus dem Isiscultus dar- stellen 2). Die Composition derselben überhaupt und namentlich die Anordnung der Massen der Gläubigen , welche in geschickter Weise um den Tempel herum gruppirt sind, verrathen einen höheren Grad eigentlich künstlerischer Auffassung , als wir ihn innerhalb der realistischen Richtung wahrzunehmen gewohnt sind. Dagegen herrscht in der Bildung der menschlichen Gestalt ein auffälliger Mangel an Sinn für Proportion und ist die Ausführung so flüchtig, dass sie die Bedeutung mancher Einzelheiten voll- ständig im Unklaren lässt. Trotzdem machen diese Bilder, namentlich aus grösserer Ferne gesehen , einen effectvollen Ein- druck , welcher wesentlich verschieden ist von dem , den wir an- 1) N. 1156. 2) N. Uli. 1112. 92 Die campanische Wandmalerei. gesichts der realistischen Darstellungen aus dem campanischen Alltagsleben empfinden. Ich begnüge mich , die eigenthümlichen Eigenschaften dieser Bilder in der Kürze hervorzuheben, Ueber die Weise ihrer Entstehung wage ich bei dem Mangel an be- stimmten Anhaltspunkten keine Vermuthung auszusprechen. XI. Thierstück und Sfllllelben. Das Thierstück ist in der catnpanischen Wandmalerei durch eine reiche Serie verschiedenartiger Bilder vertreten. Wir be- gegnen einerseits Schilderungen , welche das Treiben der reissen- den Thiere veranschaulichen , wie sie sich zum Kampfe mit ein- ander anschicken oder wie sie Roth wild verfolgen ^) . Diese Dar- stellungen sind bisweilen als grosse Prospectenbilder behandelt, finden sich aber besonders häufig auf den kleinen Gemälden, welche vignettenartig der Architekturmalerei eingefügt sind. Innerhalb der ersteren Gattung veranschaulicht der landschaft- liche Hintergrund meist in angemessener Weise die Wildniss, in der diese Thiere zu Hause sind 2) . Aehnlichen Gesichtspunkten unterliegen die nah verwandten Malereien , welche Jagdscenen darstellen 3) . Eine besondere Betrachtung erfordern zwei grosse Thierstücke, die in einem Hause auf Vico d'Eumachia als Gegenstücke gemalt sind 4) . Auf dem einen derselben sehen wir einen Löwen, welcher, krank oder missmuthig, daliegt, und vor ihm einen Hirsch, der ängstlich die linke Vorderpfote erhebt , wie um in jedem Augen- blicke zur Flucht bereit zu sein. Der Inhalt dieser Darstellung stimmt in deutlicher Weise mit einer in verschiedenen Versionen überlieferten Thierfabel tiberein ^) . Die aus einer solchen Fabel erhaltenen Verse") »K^pSeoi cpTjXtu&eiaa %Qi] xefict?, i^Y"^^' ^ ioTfi ■/jTteoavoio Xdovtoi« " schildern in aller Kürze die Situation des Wandgemäldes. Wenn aber dieses Bild mit hinlänglicher Sicherheit aus der Thierfabel erklärt werden darf, so wird dasselbe bei dem Gegenstück anzu- 1) N. 1585 ff. 2) Siehe namentlich N. 1585. 3) N. 1520 flf. 4) N. 1583. 1584. 5) Babrius 95. Vgl. 103 und syll II 40 (Anthol. lyric. ed. Bergk 2. Ausg. p. 311). 6) Anth. lyr. ed. Bergk 2. Ausg. p. 172 n. 5. XI. Thierstück und Stillleben. 93 nehmen sein. Allerdings ist die darauf dargestellte Situation — ein Eber und ein Bär, die sich zum Kampfe anschicken, während hinter einem Felsen ein grimmig blickender Löwe liegt — in dem erhaltenen Schatze antiker Thierfabeln nicht nachweis- bar ; dagegen wird Niemand bestreiten , dass sie ganz geeignet war, in einer solchen Erzählung Platz zu finden. Die betreflfeude Fabel konnte beispielsweise dahin lauten , dass , während der Löwe krank liegt , Eber und Bär sich vorzeitig um die Königs- wtirde streiten , deren Erledigung durch den baldigst erwarteten Tod des Löwen bevorsteht, dass beide in dem Kampfe ihrem Ehrgeize zum Opfer fallen und ihre Leiber dem kranken Thier- könig zyr Atzung dienen. Eine andere Gattung beschäftigt sich mit den zahmen Thieren. Sie schildert mit VorHebe solche , welche culinarischen Zwecken dienen , Ziegen , Lämmer , Schweine , meist mit gebundenen Füssen, und dabei allerlei Gegenstände aus Küche oder Vor- rathskammer und nähert sich somit beträchtlich der Gattung, welche wir als »Stillleben« zu bezeichnen pflegen i) . Werfen wir einen Blick auf die Bilder , welche das Treiben der Vögel schildern 2) , so begegnen wir Reihern, wie sie, auf Fische passend , in das Wasser hinabblicken , einem mit seiner Beute beschäftigten Sperber , Rothkehlchen , Wachteln , Reb- hühnern, Eichelhähern, Amseln ihrem Futter nachgehend. Noch häufiger wird das zahme Geflügel zum Gegenstand der Dar- stellung gemacht. Tauben, Hühner, Gänse, Enten finden sich in den mannigfachsten Situationen und der verschiedenartigsten Umgebung , die der Darstellung öfters ebenfalls einen dem »Stiil- leben« verwandten Charakter verleiht. Einige Male kommen auch Luxusvögel , Pfauen und Papageien , vor. Bilder, welche Fische darstellen, finden sich in Pompei beinah in jedem Hause •^). Vielfach ist anderes dem feuchten Elemente eigenthümliches Gethier mit ihnen vereinigt : Hummern, Polypen, verschiedenartige Muscheln. Diese wenigen Andeutungen mögen genügen , um dem Leser das auf dem Gebiete des Thierstückes herrschende Treiben zu veranschaulichen. Eine ehigehendere Behandlung ist überflüssig, da für Jeden, der diese Gattung näher kennen lernen will, mein Verzeichniss das einschlagende Material darbietet. Die Durchführung steht innerhalb dieser Gattung im Grossen und Ganzen auf einer sehr hohen Stufe. Wir begegnen beinah durchweg einem richtigen Verständniss für den Charakter des darzustellenden Gegenstandes. Nicht nur die plastischen Typen 1) N. 1608 S. 2) N. 1614 flf. 3) N. 1649 ff. 94 Die campanische Wandmalerei. der Tiiiere, sondern auch die verschiedene Erscheinungsweise ihrer Oberfläche, das Haar der Vierfüssler, die Federn der Vögel, die glatte und schleimige Haut der Fische, sind in treffendster Weise individualisirt. Unmöglich ist es, mit wenigen Worten die bunte Welt zu vergegenwärtigen, die sich uns in den Fruchtstücken, den Schilde- rungen aus Küche und Vorrathskammer , den Darstellungen von allerlei Geräthen des täglichen Gebrauchs aufthut^). Wie die Zusammenstellung dieser Gegenstände in der Wirklichkeit von Willkühr oder Zufall bedingt ist , so darf sie auch die Kunst in der mannigfachsten Weise gruppiren. Ohne demnach den Ver- such zu machen, den Inhalt dieser Gemälde eingehender zu ana- lysiren , sei hier nur eine Bemerkung über ihre Auffassung und Durchführung beigefügt. Die letztere ist mit wenigen Aus- nahmen sehr sorgfältig und steht, wenn wir sie mit der der mythologischen und genrehaften Compositionen vergleichen , im Grossen und Ganzen auf einer höheren Stufe. Die Ursache dieser Erscheinung ist hinreichend deutlich. Während die Ge- mälde mit mythologischen oder genrehaften Scenen selbst bei flüchtiger Behandlung durch ihren Inhalt Interesse erregen , ent- behren die Fruchtstücke und ähnliche Schilderungen ohne Fein- heit und Naturwahrheit der Durchführung jeglichen Reizes ^j . Es ist demnach leicht begreiflich , dass die tüchtigsten Kräfte unter den Wandmalern gerade auf diesem Gebiete thätig waren. Doch müssen wir hier zugleich eine wesentliche Beschränkung hervor- heben, welche diesen Bildern im Vergleiche mit den entsprechen- den modernen eigenthümlich ist. Während die moderne und na- mentlich die holländische Malerei auch in dem »Stillleben«, indem sie die Gegenstände unter eigenthümlichen Wirkungen der Luft und des Lichts zur Darstellung bringt , eine eigenthümliche poetische Stimmung zu erwecken weiss , findet sich innerhalb der antiken Gemälde dieser Gattung keine Spur eines derartigen Strebens. Ich glaube nicht, dass man diese Erscheinung aus der Beschränkt- heit der Mittel der Frescotechnik ableiten darf. Bei den aus- gezeichneten Leistungen, welche die Wandmalerei gerade in dieser Gemäldegattung aufweist , bei der feinen Auffassung der Natur der Dinge , bei der Fähigkeit , sie in bezeichnender Weise 1) N. 1661 ff. 2j Diese Vorzüge werden auch in antiken Epigrammen , welche sich auf solche Gemälde beziehen, hervorgehoben. Z. B. Anth. pal. Villi 761 el; ßÖTp'jv 1% yp««|j.aT(uv. MiTcpoü xax^ayov xov ßoip'jv toT; oay.TuXoi;, JjTrepanaxTjftei; T]j)! 8da tü)v ypo»(AaT(uv. XII. Die Landschaft. 95 wiederzugeben, hätten einige der Wirkungen, über welche die moderne Kunst verfügt, recht wohl zum Mindesten angedeutet werden können. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass wir mit dieser Beobachtung eine Beschränkung der antiken Malerei und einen Gi-undunterschied derselben gegenüber der modernen be- rührt haben. XII. Die Landschaft. Das einzige bis jetzt bekannte Landschaftsbild, welches eine grobrealistische Richtung vertritt und mit Sicherheit als in den campanischen Städten erfunden beti'achtet werden darf, ist das Gemälde, welches das pompeianische Amphitheater und darin die Prügelei zwischen Pompeianern und Nucerinern darstellt i) . Da wir hierüber das Nöthige im siebenten Abschnitte bemerkt, so brauchen wir gegenwärtig nicht mehr darauf zurückzukommen. Versuchen wir die ganze sonstige Masse der erhaltenen Land- schaftsbilder nach bestimmten Gattungen zu classificiren, so stellen sich hierbei noch erheblichere Schwierigkeiten heraus als auf dem Gebiete der mythologischen Compositionen. Während die Fresco- technik 'bei den letzteren in der Regel ausreicht, um wenigstens die wesentlichen Motive, auf denen der Gedanke beruht, zum Ausdruck zu bringen , erfordert die Landschaft, falls die durch dieselbe beabsichtigte Wirkung einigermaassen vollständig erzielt werden soll, eine ungleich eingehendere Behandlung des Details, wie sie die Wandmaler nur in beschränktem Grade zu erreichen vermochten. Daher kommt es, dass der Gedanke auf diesen Bildern nicht immer zu vollständiger Klarheit entwickelt ist, dass der Geist des Betrachters , um denselben zu erfassen , öfters den Andeutungen der Frescomalerei ausführend und ergänzend entgegenkommen muss. Eine weitere Schwierigkeit ergiebt sich, wenn wir das Verhältniss dieser Bilder zu den muthmaasslichen Originalen erwägen. Das einzige Landschaftsbild, welches sicher in Pompei erfunden wurde, ist, wie gesagt, jenes Gemälde mit dem Amphitheater. Dagegen ist die grosse Masse , wie wir bei Betrachtung der einzelnen Gattungen sehen werden, unter dem Ein- drucke von Vorbildern gestaltet, die den campanischen Wandmalern aus bedeutenderen künstlerischen Mittelpunkten zugekommen waren. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Improvisation 1) Giomale degli scavi (n. s.) I Tav. VIII. Vgl. oben Seite 73. 96 Die campanische Wandmalerei. bei der Wiedergabe einer Landschaft leichtern Spielraum hat, als bei der Reproduction eines mythologischen Originals. Wie in der Wirklichkeit der Charakter einer Gegend, namentlich wenn in ihr menschliche Cultur thätig gewesen ist, vielfach durch Zufällig- keiten bestimmt wird , so konnte der Wandmaler bei der Repro- duction eines landschaftlichen Vorbildes leicht darauf verfallen, Motive, sei es aus anderen Compositionen , sei es aus der ihn umgebenden Natur, beizufügen. Wiewohl hierdurch der einheit- liche Charakter, wie er dem Originale eigenthümlich sein mochte, getrübt wurde, so ergab sich nichts desto weniger eine Gestaltung, die der Wirklichkeit nicht schlechthin widersprach. Hieraus er- klärt es sich offenbar , dass eine grosse Menge der campanischen Landschaftsgemälde nicht eine bestimmte Richtung ausschliesslich und ohne fremdartige Zuthat vertritt, sondern dass die Bilder vielfach einzelne Bestandtheile enthalten , welche zu der in dem Ganzen vorherrschenden Stimmung im Widerspruche stehen, oder dass sie gar aus verschieden gearteten Motiven zusammen- gearbeitet sind , die sich unter einander gewissermaassen neutra- lisiren und somit das Hervortreten eines bestimmten landschaft- lichen Charakters vollständig aufheben. Wir werden diese Er- scheinung im weiteren Laufe der Untersuchung durch bezeich- nende Belege veranschaulichen. Um unter so schwierigen Bedingungen wenigstens einige feste Gesichtspunkte zu gewinnen, beschränke ich mich vor der Hand auf Bilder , welche eine bestimmte Richtung ausschliesslich oder wenigstens im Ganzen einheitlich zum Ausdruck bringen. Einige der Landschaftsgemälde vertreten eine Richtung, welche der , die wir innerhalb der mythologischen Compositionen als eine dramatische bezeichneten, nahe verwandt ist. Sie schil- dern eine erhabene Natur, voll von energischen Formen, nament- lich kühnen Felsbildungen, und beleben dieselbe durch eine dramatisch bewegte Staffage. Wie die verwandten mythologischen Bilder machen sie auf den Betrachter einen mächtig ergreifenden Eindruck. Dürfen wir dieselben durch einen Vergleich mit der modernen Malerei veranschaulichen, so würden sie sich am Besten der »historischen Landschaft« vergleichen lassen, vorausgesetzt, dass diese Bezeichnung in dem ursprünglichen präcisen Sinne gefasst wird. Die glänzendsten Leistungen dieser Art, welche uns aus dem Alterthume erhalten , sind die zu Rom auf dem Esquilin entdeckten Landschaftsbilder mit Scenen aus der Odyssee'), 1) Matranga, Cittä di Lamo Tav. 1. 2. Arch. Zeit. 1852 Taf. 45, 46 p. 497. Vgl. Grifi, Scoperta di una statua inTrastevere e di pitture suir Esquilino, Roma 1849. Arch. Anz. 1849 p. 27. Brunn, die phi- lostrat. Gemälde p. 286. XII. Die Landschaft. 97 Gemälde, auf welche wii- in den späteren Abschnitten noch öfters zurückkommen werden. Aus der campanischen Wandmalerei gehört hierher eine Landschaft , worin der Kampf des Perseus mit dem Meerungeheuer dargestellt ist ') . Die in einem düstergrauen Grundtone gehaltenen schi'offen Felsen , aus denen nur hie und da ein abgestorbener Baum emporragt, und der schreckliche Vor- gang , der im Vordergründe stattfindet , vereinigen sich zu einer vollständig harmonischen Gesammtwirkung. Einen ähnlichen Eindruck macht ein Landschaftsbild, dessen Staffage aus dem Daidalosmythos entnommen ist 2). Zackige Klippen umrahmen auf beiden Seiten die Düne, auf welcher der Leichnam des Ikaros liegt. Daidalos schwebt zu dem todten Sohne herab, während sich eine nicht mehr deutlich erkennbare Figur, vielleicht eine Personification des Gestades, theilnahmsvoU zu dem Leichnam herabbeugt. Links steht auf dem Felsen ein ländliches Heilig- thum, beschattet von einem Feigenbaum. Im Hintergrunde er- streckt sich das Meer , leicht vom Winde gekräuselt , und darin fährt ein Nachen mit zwei Schiffern einher. Eine andere Gattung entspricht der , welche ich auf mytho- logischem Gebiete als idyllisch gestimmt bezeichnet habe. Ein pompeianisches Gemälde '■^) schildert eine wohl entwickelte Fels- landschaft, die sich vorn in schroffen, weiter hinten in milderen Formen aufthürmt ; in der Mitte liegt, beschattet von einem ehr- würdigen Baume, ein ländliches Heiligthum ; ein mit einem Felle umgürteter Hirt führt eine Ziege auf dasselbe zu, während rechts ein Schäfer mit seiner Heerde den Bergpfad herabsteigt. Ein anderes Gemälde^) zeigt uns ein von Felsen umrahmtes und von einem Bache durchflossenes Thal ; der Mittelpunkt ist wiederum von einem Sacellum gebildet ; Landleute schicken sich davor zum Opfer an; einer wäscht sich zu der bevorstehenden heiligen Handlung unter dem Sturzbache die Hände. Es spricht aus diesen Compositionen eine frische Naturpoesie, wie aus den besten Producten der idyllischen Dichtung. Alles vereinigt sich zu einer harmonischen Wirkung in diesem Sinne ; höchstens könnte Jemand den Vorwurf erheben , dass die Architektur der länd- lichen Heiligthümer für die vorliegende Scenerie etwas zu elegant gehalten ist. Ferner verweise ich, um diese Gattung zu veranschau- lichen, auf Landschaften, welche bald Paris ^) , bald einen gewöhn- 1) Pitt. d'Erc. IV 61 p. 309. Heibig N. 1184. 2) Pitt. d'Erc. IV 63 p. 317. Miliin, gal. myth. 131 bis, 489. Heibig N. 1209. 3 Pitt. d'Erc. II 45 p. 251. N. 1564. 4) Mus. Borb. XI 26. N. 1558. 5) Pitt. d'Erc. III 53 p. 283. N. 1279. Helbig, Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. 7 98 Die campanische Wandmalerei. liehen Hirten '^ auf grünem Wiesengrunde im Kreise seiner Heer- den vor Augen f lihren , eine andere 2] , in welcher ein Hirt seiner Geliebten auf der Doppelflöte vorspielt, die in zwei Repliken vor- liegende Composition ^) , welche einen Bauernhof und von der Arbeit zurückkehrende Landleute darstellt, endlich das Gemälde^) , in dessen Staffage ich eine Zauberin erkenne , die einem Land- mann einen Trank reicht. Diese Bilder schildern eine Natur, wie sie dem Städter im Gegensatz zu dem ihn umgebenden com- plicirten Culturleben lieb ist, die einen erfrischenden und zu- gleich beruhigenden Eindruck in dem Geiste des Betrachters her- vorruft. Die in der Landschaft vorgehende Handlung wird in der Regel von Lieblingsfiguren des Idyll, Hirten und Landleuten, ge- tragen. Einige Male kommen auch mythologische Gestalten vor. Doch sind dieselben entweder in eine entsprechende bukolische Sphäre übertragen, wie wir z. B. auf einer Landschaft dieser Art dem Paris als Hirten begegneten , oder werden nicht in den er- greifendsten Momenten der mythischen Handlung, sondern in mehr genreartigen Situationen aufgefasst. Als Beleg für die letztere Auffassung diene ein Landschaftsbild ^; , dessen Staffage aus dem Bellerophonmythos entlehnt ist: vorn ein Bach, umgeben von aumuthigen, blumigen Triften ; rechts ein Sacelliim mit dem ein- gefriedigten heiligen Baume ; hinten erheben sich Felsen, zwischen denen hindurch ein Pfad abwärts führt; vorn an dem Bache grast Pegasos, während Pallas und Bellerophon den Pfad her- abschreiten , um sich des arglos weidenden Thieres zu bemäch- tigen. Während in den bisher erwähnten Gemälden überall eine bestimmte Staffage bedeutsam hervortrat, die gewissermaassen zu- gleich zur Erklärung der Stimmung diente, welche darin zum Ausdruck kommen soll , begegnen wir anderen , in welchen der poetische Gedanke ausschliesslich oder fast ausschliesslich auf der Landschaft beruht, die Staffage entweder fehlt oder nur ganz flüchtig angedeutet ist. Bei der Schwierigkeit , welche die Auf- stellung bestimmt abgegrenzter Kategorien mit sich bringt, sei es mir verstattet , ihrer an dieser Stelle zu gedenken , mögen sie auch Nuancen enthalten, die über den Kreis des schlechthin Idyl- lischen hinausgehen. Sie schildern namentlich die eigenthilmliche Poesie von Strand- gegenden. Wir sehen am Ufer einen schlichten Tempel und ein Donarium, an dem, wie es scheint, zwei Fackeln angebunden sind ; 1) N. 1559. 2) N. 1560. 3) N. 1561. 1562. 41 Mus. Borb. X 57. Gell, Pomp. II 72 p. 150. N. 1565. 5) (xioni. degli scavi (n. s.) I Tav. VII n. 1. XII. Die Landschaft. 99 davor breitet sich das Meer aus, in welchem ein Nachen einher- fährt, während iiu Hintergründe Berge mit zackigen Umrissen den Horizont abschliessend;. Auf einem anderen Gemälde"^) ist derMittelpanlct durch ein auf einer Landenge liegendes Heiligthum gebildet ; rechts und links davon streckt sich das Meer, vorn der Strand hin; auf dem letzteren sieht man links eine Priapherme und an einzelnen Stellen geborstene Baumstämme, deren Zweige durch die anprallende Fluth abgespült zu sein scheinen. Offenbar soll diese Composition die eigenthümlich melancholische Stimmung einer öden Strandgegend verwirklichen. Ein drittes Bild 3) zeigt im Vordergrund einen Te iipel, von dem dazu gehörigen heiligen Baume beschattet, weiter hinten Hafenbauten mit den Schitfs- hütten (vaua-a&jJLOi), die sich in der Mitte öffnen und die Aussicht auf die weite See gestatten ; am äussersten Horizonte liegt ein Eiland, dessen Form an die der Insel Capri erinnert. B.sweileu ist auch die Poesie verfallener Architekturen künst- lerisch \ erwerthet. Eine sehr zart gestimmte , idyllische Land- schaft in Villa Albani^) zeigt neben einer Brücke ein Tlior, zwischen dessen Steinen Gras und Gesträuch herauswachsen. Auf einem kleinen campanischen ßundbilde •^) , welches einen hei- ligen Baum und das zugehörige Saeelluo) darstellt, ist das Epistyl des Sacellums deutlich verschoben und erscheint die ümfriedigung des Baumes verfallen. Immerhin hat mau diese Bilder bei Unter- suchung über ein von Philostratos *^; beschriebenes Gemälde zu berücksichtigen , welches nach der Schilderung des Rhetors den Einblick in ein verfallenes Atrium durch eine von Spinngeweben überzogene Thüre darstellte. Wir wenden uns nunmehr zu einer dritten Richtung , welche in der campanischen Landschaftsmalerei weitaus am reichsten vertreten ist. Die Neigung für das Ursprüngliche, wie wir ihr bei der idyllischen Gattung begegneten, ist ihr fremd. Sie schildert eine lachende , von einer üppigen Cultur überwucherte und reichlich durch Meuschenwerk ausgestattete Natur. Am häufigsten behandelt sie Küstenlandschaften, die allenthalben mit Prachtbauten überzogen sind. Villen mit reichen Fa9aden sind auf hohen Substructionen in das Gewässer hineingebaut ^) und durch mächtige Dämme vor dem Andränge der Fluthen 1) Pitt. d'Erc. I p. 75. 2) Pitt. d'Erc. I p. 55. 3) Pitt. d'Erc. II 52 p. 2>1. Vgl. auch Pitt. d'Erc. II p. 4. 4) Winckelmann,.mon. ined. II parte 4 p. 281. 5) Pitt. d'Erc. I p. 18. 6) Imag. II 28. 7) Pitt. dErc. I p. 7. II p. 285. Gell, Pomp. I p. 46. 100 I^iö campanische Wandmalerei. geschützt 1) . Wir begegnen Prospecten auf Hafenbauten mit ihren Arsenalen und reich decorirten Molos 2) . Eine Seestadt baut sich araphitheatralisch empor, während im Vordergrunde der Hafen, reich an plastischem Schmuck, und das Treiben der Schiffe in demselben geschildert wird ^) . Die Säulenpracht der Hallen und der Reichthum der Fa§aden spiegeln sich in dem grünlichen Blau des feuchten Elements. Eine poetische Idee im höheren Sinne des Worts , der »Ausdruck einer geahnten Seelenstimmung« *] , findet sich in diesen Gemälden nicht. Im Wesentlichen herrscht darin ein üppiges Behagen, eine Stimmung, welche deutliche An- klänge verräth an die , welche in der Durchschnittsmasse der moderneu neapolitanischen Vedutenbilder den Grundton zu bilden pflegt, wo sich die Bläue des Himmels und des Meeres, die schön geschwungenen Umrisse der den Golf umgebenden Berge, die weissen Häusermassen der sich an den Küsten hinziehenden Ort- schaften zu einer heiteren Gesammtwirkung vereinigen, ohne da- bei einen tieferen poetischen Inhalt zum Ausdruck zu bringen. Es sei mir verstattet , die antike Gattung in aller Kürze als Ve- dutenbilder zu bezeichnen, eine Benennung, die im weiteren Laufe der Untersuchung ihre Rechtfertigung finden wird. Zum Theil dem Stoffe nach, durchweg in der Auffassung sind dieser Gattung verwandt die grossen Prospectenbilder , welche wir berechtigt sind, mit den Leistungen des Studius, Ludius oder S. Tadius, eines Decorationsmalers der augusteischen Epoche, in Beziehung zu setzen. Die Schilderung von Villen, Häfen, See- städten, welche Plinius ^) als diesem Maler eigenthümlich anführt, wird namentlich durch die Prospectenbilder im Peristyl der Casa della piccola Fontana und im Xystos der Casa dApoUine *^) veranschaulicht. Die Malerei der Parkanlagen ist im Bereich der campanischen Städte nur durch unbedeutende Arbeiten ') , desto glänzender aber in der Villa ad Gallinas bei Prima Porta ver- treten ^) . Ueberall vermissen wir , wie es bei den soeben be- 1) Pitt. d'Erc. II p. 1. 2) Pitt. d'Erc. III p. 47. II p. 137. 277. 3) Pitt. d'Erc. II 55 p. 295. N. 1572 ie campanisclie Wandmalerei. unendlich schwer, die Fülle derselben zu zergliedern und in ge- drängter Weise zu veranschaulichen. Doch ist ein Grundzug der Erfindung beinah allen diesen Gestalten gemein: eine hinreisseude Schönheit der Form und der Bewegung. Wir begegnen auf diesem Gebiete künstlerischen Gedanken , die zu den vortrefflichsten ge- hören, welche uns aus dem classischen Alterthume erhalten sind. Die zarte Anaiuth und der leichte Ausdruck des Schwebens, wie sie den berühmten sogenannten T<änzerinnen ') eigenthümlich sind, das Feuer und die Energie in der Gruppe der Bakchautin, die dem gebundenen Kentaur den Fuss in den Kücken stemmt 2], sind bis auf den heutigen Tag nicht übertroffen. Allerdings ist bei diesen Malereien auch die Ausführung von besonders fein fühlen- der Hand und der Genuss, den ihr Anblick gewährt, somit von seltener Harmonie und Reinheit. Wenn andere Figuren hin- sichtlich der Ausführung zurückstehen, dann folge der Be- trachter , um sich ein richtiges Urtheil über den Kunstwerth der Erfindung zu bilden, dem Käthe Burckhardts ^) und lege sich immer nur die Frage vor : »Liess sich die betreffende Figur überhaupt schöner denken , deutlicher ausdrücken , anmuthiger stellen?« — und in der Kegel wird man das Höchste erreicht finden , wenn auch in flüchtiger Ausführung. Derselbe ausge- zeichnete Kenner ^; fasst seine Eindrücke über die ganze Gattung in folgenden Worten zusammen : »Den unmittelbarsten und un- gestörtesten Eindruck griechischen Geistes machen aber (nach meinem Gefühl überhaupt nicht die vollständigen Gemälde, son- dern jene zahlreichen decorativ angewandten einzelnen Figuren und Gruppen, welche theils auf einfarbigem Grunde stehen, theils zur Belebung der gemalten Architektur, der Kapellchen, Pavil- lons, Balustraden u. s. w. dienen. Die besten derselben können nur in der Zeit der höchsten griechischen Kunstblüthe erfunden worden und dann Jahrhunderte hindurch von Hand zu Hand ge- gangen sein, bis sie unter anderm auch in der kleinen Stadt am Vesuv ihre Anwendung fanden. Die Maler lernten sie ohne Zweifel am besten auswendig und reproducirten sie am unbe- fangen-sten«. Verstehen wir jene höchste Kunstblüthe im engeren Sinne von der vollendetsten Entwickeluug der decorativ ange- wandten Malerei, dann stimmt das Resultat, zu dem unsere Unter- suchung ftlhren wird , mit dem Urtheile Burekhardts vollständig überein. 1,. N. 190(3. 1907 (vgl. deu topographischen Index hinter meinem Verzciehniss p. 484 unter: sog. Villa des Cicero^ . 2, N. 499. 3; Cicerone III p. 723. 4) Cicerone III p. 721. XIII. Die (iecorativ angewandten Figuren. 111 Wir haben nunmehr diese Umrisse , die wir von der in der Wandmalerei vorliegenden Entwickelung gegeben haben , mit dem Resultate zu vergleichen, welches wir in den früheren Kapiteln hinsichtlich des Kunstvermögens des ersten Jahrhunderts der Kaiserzeit gewannen. Dieses Resultat lautete dahin, dass die Erfindungskraft wenigstens auf idealem Gebiete sehr gering war, dass die Kunst nur, wo sie unmittelbar an die Wirklichkeit anknüpfen konnte , ein reges Leben bewahrt hatte. Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkte die verschiedenen Gattungen der campanischen Wandmalerei, so entsprechen die realistischen Dar- stellungen aus Amphitheater , Circus und aus dem campanischen Alltagsleben, die Prospecten- und Vedutenbilder, die Stillleben, vielleicht auch die Mehrzahl der Thierstücke dem Maasse des Kunst Vermögens, welches wir dem ersten Jahrhundert der Kaiser- zeit zutrauen dürfen. Anders verhält es sich dagegen mit der Gesammtmasse der mythologischen Compositionen , den idealen Darstellungen aus dem Alltagsleben, den grossartigen Land- schaften mit dramatischer Staffage , den zart gestimmten Land- schaften idyllischer Richtung , den auf einfarbigem Grunde oder in der Architekturmalerei angebrachten Figuren oder Gruppen. Sehen Avir von der mehr oder minder mangelhaften Ausführung dieser Malereien ab und betrachten wir den Geist, welcher in ihrer Erfindung ersichtlich ist, dann tritt uns das Bild einer reich begabten und vielseitigen Kunstentwickelung entgegen. Wir be- wundern in einer Reihe von Compositionen die Tiefe und Gross- artigkeit des Inhalts und die ergreifende Gewalt der Darstellung ; wo der Inhalt weniger bedeutend ist, gewahren wir in der Regel ein zartes poetisches Gefühl und unter allen Umständen schön gedachte und klar ausgedrückte Figuren, im Ganzen eine reiche Fülle bedeutender Motive , wie sie nur von einer im höchsten Sinne productiven Kunst erfunden werden konnte. Wollten wir annehmen , dass diese Motive in der Kaiserzeit erfunden sind, dann würden wir mit dem Resultate, welches wir im Vorhergehenden über den Zustand der Malerei dieser Epoche gewonnen haben, in den entschiedensten Widerspruch gerathen. Wir glaubten annehmen zu müssen, dass es mit der Malerei der Kaiserzeit noch schlimmer stand, als mit der gleichzeitigen Plastik, dass, wenn schon die letztere auf idealem Gebiete mehr oder min- der an ältere Leistungen anknüpfte , diese Annahme in noch höherem Grade bei der Malerei berechtigt ist. Ist dieses Resultat richtig, dann ergiebt es sich mit Nothwendigkeit, dass die soeben erwähnten Compositionen nicht in der Kaiserzeit erfunden sind, sondern auf ältere Originale zurückgehen. Gegen diese Annahme scheint bei flüchtiger Betrachtung die 112 Die campanische Wandmalerei. eigenthümliche Uebereinstimmung zu sprechen , welche zwischen der lateinischen Dichtung der augusteischen Epoche und den Wandgemälden obwaltet. Dieselbe ist im Besonderen hinsichtlich der beiderseitigen Behandlung der mythologischen Stoffe beobachtet worden und hat öfters die Erklärer der Wandbilder zu der An- nahme veranlasst, dieselben seien durch die lateinische Dichtung angeregt und somit in dem ersten Jahrhundert der Kaiserzeit er- funden 1) . Da diese Ansicht selbst durch die bedeutende Autorität eines Gelehrten wie Welcker vertreten ist, so erfordert sie eine eingehende Prüfung und behandeln wir sie daher in einem beson- deren Kapitel., XIV. Ueber das Verhältniss der mythologischen Wandgemälde zu der Dichtung der Kaiserzeit. Die Thatsache , dass die mythischen Stoffe von der Wand- tiaalerei und von der Dichtung der augusteischen Epoche vielfach in eigenthtimlich übereinstimmender Weise behandelt sind, dass gewisse Gemälde geradezu wie Abbildungen nach Schilderungen der betreffenden Dichter erscheinen , ist so oft bemerkt worden, dass ich mich begnügen darf, einige besonders bezeichnende Be- lege in das Gedächtniss zurückzurufen. So lässt sich die Erzäh- lung des Europamythos , wie sie sich in Ovids Metamorphosen 2) findet, in geeignetster Weise durch die campanische Wandmalerei illustriren Wir begegnen innerhalb derselben sowohl der Scene, wie sich Europa, umgeben von ihren Gefährtinnen, auf den Rücken des Stieres setzt 3), als auch mehreren Compositionen, welche dar- stellen , wie sie von dem Stier durch das Meer getragen wird ^) . Hier wie dort stimmt die malerische Darstellung in der allgemeinen Charakteristik und sogar in der Wiedergabe bestimmter Motive mit der Schilderung des Ovid überein. Die gleiche Verwandtschaft findet statt zwischen den Wandgemälden und der Erzählung des- selben Mythos in den Fasten ^] . Das pompeianische Gemälde, welches Paris auf dem Ida dar- stellt, wie er den Namen seiner Geliebten, Oinone, einschneidet*^), erscheint wie eine Illustration zu der fünften Epistel des Ovid, 1) Vgl. z. B. Avellino, il raito di Ciparissp p. 16; Welcker, Bull, aap. (a. s.) I p. 34; Minervini, Bull. nap. (n. s.) VII p. 131. 2) II 846 ff. 3) N. 123. 4) N. 124 ff. 5) V 607 ff. 6) N. 1280. XIV. Ueber das Verhältniss der mythol. Wandgemälde etc. 113 in welcher Oinone den treulosen Paris an ihr glückliches gemein- sames Leben auf dem Ida erinnert und dabei auch der auf jenem Bilde dargestellten Handlung gedenkt. Dasselbe Resultat ergiebt sich, wenn wir die auf den lomythos bezüglichen Gemälde , welche darstellen , wie sich Hermes und Argos über die Syrinx unterhalten ') , und die Erzählung dieser Begebenheit in Ovids Metamorphosen •^) vergleichen. Die enge Verwandtschaft, welche in der Behandlung des Mythos von Herakles und Omphale zwischen campanischer Wand- malerei und lateinischer Dichtung vorliegt, ist von 0. Jahn^) her- vorgehoben worden. Stark ^) hat das Gleiche gethan hinsichtlich der Behandlung des Mythos von Ariadne auf Naxos. Besonders lehrreich ist der Vergleich der Schilderung, welche CatuU'') von Ariadne giebt , wie sie , von Theseus verlassen , erwacht , mit Wandgemälden, welche dieselbe Scene darstellen ") . Die Ueber- einstimmung erstreckt sich hier beinah bis auf die gering- fügigsten Einzelheiten. Wenn man aus dieser Erscheinung den Schluss zog, dass die Compositionen der Wandgemälde durch die lateinische Dich- tung des goldenen Zeitalters inspirirt und somit Schöpfungen der Kunst der ersten Kaiserzeit seien, so hat man eine hin- länglich beglaubigte litteraturgeschichtliche Thatsache ausser Acht gelassen. Die lateinische Dichtung der augusteischen Epoche, insoweit sie sich mit Stoffen aus der griechischen Mytho- logie beschäftigt, schafft nicht vollständig frei und original, sondern hängt mehr oder minder von der griechischen Poesie der Dia- dochenperiode ab, von jener Poesie, die wir in der Regel als die alexandrinische bezeichnen. Dieser Sachverhalt lässt sich auch hinsichtlich mehrerer der lateinischen Dichtungen, die wir soeben wegen ihrer Uebereinstimmung mit den Wandgemälden erwähnt haben, entweder nachweisen oder wahrscheinlich machen, ts ist wohl zu beachteu , dass sich die wesentlichen Züge der Schil- derung , welche Ovid von der Entführung der Europa entwirft, bereits in einem Idyll des Moschos') vorfinden. Das 64. Gedicht des Catull geht, wenn ich auch die Vermuthung von Riese S, welcher anniaunt, dasselbe sei aus Kallimachos übersetzt, keines- wegs als bewiesen betrachte, jedenfalls auf eine alexandrinische Quelle zurück. Bei der trümmerhaften Ueberlieferung der Lit- teratur der Diadochenperiode ist es begreiflich , dass wir niclit 1) N. i:J5 ff. 2) I 67.5 ff. 3; Berichte der sächs. Gesellschaft d. Wiss. 1S55 p. 222 ff. 4) Ber. d. sächs. Ges. 1S60 p. 3ü. hl LXIV 52 ff. ö, N. 1222 ff. 7) II 125 ff. S; Rheinisches Museum XXI (1866) p. 498 ff. He 1 b i g , Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. 8 114 Die campanische Wandmalerei. überall im Stande siud, dieses Abhäugigkeitsverhältniss bestimmt zu beweisen. Immerhin liegt öfters die Wahrscheinlichkeit und unter allen Umständen die Möglichkeit vor , dass der lateinische Dichter den mythischen Stoff nach einem alexandrinischen Vorbilde gestaltete. So sind wir, um uns auch hier auf die oben angeführten Stellen zu beschränken, gewiss berechtigt zu fragen, ob nicht die Züge, welche Ovid bei der Schilderung der Liebe des Paris und der Oinone verwerthet, bereits vonNikandros oder dem Gergithier Kephalon berichtet wurden, die als Quellen der Erzählung des Partheniosi- angeführt werden, ob nicht die Behandlung des lomy- thos bei demselben Dichter durch alexandrinische Poesien, etwa die'Iou; acpi^ic des Kallimachos 2- , bedingt ist. Wie bei Erwei- terung unserer Kenntniss der antiken Plastik die Abhängigkeit der Kaiserzeit von älteren griechischen Leistungen mehr und mehr zu Tage tritt, so haben wir Aehnliches hinsichtlich der gleich- zeitigen Poesie zu gewärtigen und werden wir, wenn einmal dem lang empfundenen Bedürfniss einer kritischen Sammlung und Sichtung der Fragmente der alexandrinischen Dichter genügt ist und unser Blick für die Eigenthümlichkeiten derselben an Umfang und Schärfe gewonnen hat, auch auf diesem Gebiete ein bestimm- teres Urtheil fällen können, als es gegenwärtig möglich ist. Wenn demnach ein Wandgemälde den mythischen Stoff in ent- sprechender Weise gestaltet und ausschmückt wie eine lateinische Dichtung , so berechtigt dies noch nicht zu dem Schlüsse , dass die Composition desselben durch die letztere bedingt sei. Da vielmehr stets zum Mindesten die Möglichkeit vorhanden ist, dass der lateinische Dichter ein alexandrinisches Vorbild benutzte, so gestaltet sich die Frage dahin, ob die Malerei an die ursprüng- liche alexandrinische oder an die reproducirende lateinische Be- arbeitung des Mythos anknüpft. Eine Erscheinung, welche sich bei eingehenderer Vergleichung der lateinischen Poesie und der Wandmalerei herausstellt, giebt uns zur Beurtheilung dieser Alternative einen beachtenswerthen Fingerzeig. Wir haben derselben bereits in dem ersten Abschnitte gedacht, müssen aber nothwendig in dem gegenwärtigen Zu- sammenhange darauf zurückkommen. Die Dichtung der augu- steischen Epoche behandelt einerseits griechische Mythen, die bereits in der vorhergehenden hellenischen und hellenistischen Poesie Verarbeitung gefunden hatten. Andererseits zieht sie aber auch mythische Stoffe in ihr Bereich , die bisher entweder gar nicht oder nur nebenbei behandelt worden waren, nämlich die 1) Narrat. amat. IV. Die Stelle, welche von den Liebesbetheue- rungen des Paris handelt, ist leider lückenhaft. 2 Suid. 3. V. XIV. Ueber das Verhältniss der mythol. Wandgemälde etc. 115 Sagen von der Ankunft des Aeneas in Italien und von der Grün- dung Roms. Diese StofiFe, die im Wesentlichen ausschliesslich der lateinischen Dichtung eigenthümlich sind, haben wir bei unserer Untersuchung in erster Linie in Betracht zu ziehen. Wenn diese Dichtung in der That, wie in der Regel angenommen wird, einen bedeutenderen Einfluss auf die Wandmalerei ausübte, dann steht zu gewärtigen, dass die Behandlung, welche sie dem römischen Mythos angedeihen liess, zum Mindesten in gleichem Orade wirksam war, wie ihre Thätigkeit auf dem Gebiete der griechischen Mythologie. Dies ist aber nicht der Fall. Neben der unendlichen Fülle von W^andgemälden , welche Scenen aus dem griechischen Mythos darstellen, begegnen wir nur einem Gemälde, welches mit Sicherheit auf die poetische Bearbeitung der römischen Sage, wie sie in der Epoche des August erfolgte, zurückgeführt werden darf. Es ist dies das bereits mehrfach er- wähnte Gemälde, welches eine Scene aus dem zwölften Buche der Aeneis darstellt ^] . Ausser diesem vollständig vereinzelten Falle ist die dichterische Behandlung des römischen Mythos spurlos an der Wandmalerei vorübergegangen. Wir kennen kein weiteres sicher beglaubigtes Bild aus der Aeneis, kein Bild, welches, wenn wir von der die Zwillinge säugenden Wölfin, dem bekannten und verbreiteten Symbol der römischen W^eltherrschaft , absehen , ein Ereigniss aus dem Sagenkreise der römischen Königszeit dar- stellte. Diese Thatsache muss gegen die geläufige Annahme, dass die Wandmalerei im weiteren Umfange durch die Dichtung der augusteischen Epoche bedingt sei , uothwendiger W^eise Verdacht erwecken. Gewiss wäre es eine höchst befremdende Erscheinung, wenn diese Dichtung nur, insoweit sie griechische Mythen behan- delt, auf die Wandmalerei wirkte, die andere Seite ihrer Thätig- keit dagegen, die Behandlung des römischen Mythos, fast spurlos daran vorüberging. Vielmehr führt die unbefangene Betrachtung des Sachverhalts zu der entgegengesetzten Annahme, dass näm- lich der Einfluss jener Dichtung auf die Wandmalerei sehr gering- fügig war , dass die letztere im Grossen und Ganzen davon un- abhängig und durch eine andere und dann ohne Zweifel ältere Entwickelung bedingt ist. Gehen wir einen Schritt weiter und gedenken wir des bereits oben berührten Abhängigkeitsverhält- nisses , in dem die lateinische Dichtung hinsichtlich der Be- handlung der griechischen Mythen zu der alexandrinischeu Poesie steht, so ist es das Nächstliegendste, die Erfindung der Gemälde in der alexandrinischeu Entwickelung anzunehmen. Hierdurch würde es sich zugleich erklären, warum die au^u- 1) N. 1383. Vgl. oben Seite 6 und SO. 8* 116 Die campanische Wandmalerei. steische Poesie und die Wandmalerei, obwohl sie im Allgemeinen von einander unabhängig sind , doch so viele Berührungspunkte darbieten. .Diese wären dann auf die gemeinsame alexandrinische Quelle zurückzuführen. Doch ich will der Untersuchung nicht vorgreifen und beschränke mich daher vor der Hand auf diesen flüchtigen Hinweis. Noch sei es mir verstattet, zwei Gesichtspunkte hervorzuheben, welche in engstem Zusammenhange zu der in diesem Kapitel niedergelegten Untersuchung stehen und die Resultate derselben bestätigen. Das Gemälde aus der Aeneis ist, wie wir sahen, das einzige innerhalb der campanischen Wandmalerei erhaltene Pro- duct, welches nach dem Vorgange der augusteischen Poesie und also sicher im Anfange der Kaiserzeit gestaltet ist. Der Leser erinnere sich gegenwärtig dessen , was wir im ersten und zehnten Kapitel über den Charakter dieses Gemäldes bemerkt haben. Es. steht hinsichtlich des Kunstwerthes der Erfindung auf einer tieferen Stufe als die meisten Bilder mythologischen Inhalts und nimmt wegen der realistischen Charakteristik , mit der es seine Figuren durchdringt, innerhalb der ganzen mythologischen Wand- malerei einen vereinzelten Platz ein. Diese Erscheinung stimmt mit der Annahme, dass die Gesaramtmasse der mythologischen Gemälde, die einen von dem Aeneasbilde ganz verschiedenen Geist verrathen, auf einer anderen Grundlage erwachsen sind, als dieses. Mannigfache in der Wandmalerei hervortretende Eigenthüm- lichkeiten deuten darauf hin, dass diese Grundlage eine griechische war. Die Inschriften , welche bisweilen die Bedeutung der auf den Gemälden dargestellten Figuren erläutern, sind innerhalb der mythologischen Malerei der campanischen Städte stets griechisch . Dasselbe gilt auch von den au anderen Orten entdeckten mytho- logischen Wandbildern mit einziger Ausnahme der Heroinen von Tor Marancio ') , die indess nach der Architektur der Villa, in der sie sich vorfanden , und nach der Art ihrer Ausführung einer beträchtlich späteren Epoche, nämlich dem Ende des zweiten Jahrhunderts n, Chr., angehören. Wären die campanischen Wandbilder durch eine lateinische Poesie bedingt, so hätte man naturgemäss lateinische Inschriften auf ihnen zu gewärtigen. Eben so sind gewisse Personificationen , die sich häufig auf den Wandgemälden finden, deutlich aus der griechischen Sprache herausgestaltet und zum Theil nur unter Voraussetzung der Kenntniss dieser Sprache verständlich. Es sind dies die Personi- I Raoul Rochette, peint. ant. ined. pl. 1 ff. Biondi monumenti amaranziani tav. IV ff. Xiy. lieber das Verbültniss der mythol. Wandgemälde etc. 1 1 7 ficationeu der eiusam emporragendeu Bergwarteu, der a/.o-iai. welche als Frauengestalten auftreten , die , auf einem Felsen ge- lagert, in der Thätigkeit des Schauens begriffen sind, der Ufer, der axiai, die durch eine Nymphengruppe bezeichnet werden, der Wiesen , der Xci;xu)vsc , deren Persouification vermuthlich in einer Gruppe zarter, mit Laub und Primeln bekränzter Jünglinge zn erkennen ist ' . Das lateinische Wort specula bezeichnet in der voraugusteischen Litteratur stets die Warte '^] . In der Be- deutung der einsam emporragenden Bergspitze findet es sich das erste Mal bei Vergil-^;. Offenbar ist es von der hellenisirenden lateinischen Poesie künstlich auf diesen Gegenstand übertragen, um für die in den griechischen Vorbildern häufig erwähnten axoTTiai eine analoge lateinische Bezeichnung zu gewinnen. Doch fand diese Uebertragung nicht viel Anklang und kommt specula als landschaftlicher Bestandtheil in der lateinischen Poesie der Kaiserzeit nur selten vor. Die lateinische Bezeichnung war dem- nach keineswegs geeignet, die auf den Wandgemälden auftretende Persouification in das Leben zu rufen. Die griechischen axtai konnten auf Lateiniscii durch ripae oder orae übersetzt werden ; doch ist die geläufigste Bezeichnung für diesen Gegenstand litora, also ein Wort sächlichen Geschlechts. Dasselbe gilt von den A£i[j.a)V£c, wofür denLateineru nur die sächliche Bezeichnung prata zu Gebote stand. Ich begnüge mich vor der Hand mit der Her- vorhebung dieser sprachlichen Gesichtspunkte ; im weiteren Ver- laufe der Untersuchung wird es sich herausstellen, dass die betreffenden Personificationen von der Kunst der Alexander- oder Diadochenperiode erfunden sind. Die Zahl der Wandgemälde , welche Personificationen dieser Art enthalten, namentlich derer, auf denen ^xoTciai vorkommen, ist beträchtlich gross. Ausserdem stehen einzelne derselben in engstem Bezüge zu gauzen Serien von Bildern, welche zwar die Personificationen auslassen, dagegen die Haupthandlung in so ähn- licher Weise behandeln, dass sowohl die Gemälde, welche dieselbe Scene mit, wie die, welche sie ohne Personificationen darstellen, auf dasselbe Original zurückgeführt werden dürfen. Dies gilt z. B. von der bekannten Composition der fischenden Aphrodite, welche zehn Mal in Pompei wiederkehrt ^j. Wenn auf zweien dieser Repliken eine i!xo-ia beigefügt ist, welche, von einem Felsen herabschauend, das Treiben der Göttin betrachtet, so er- 1) Vgl. Rheinisches Museum XXIV 1S69, p. 497 flf. 2) Vgl. Varro 1. 1. VIII 5 : speculum , quod in eo specimus imagi- nem ; specula, de qua prospicimus. 3; Ecl. VIII 59. Aen. X 454. 4) N. 340 ff. 118 Die campanische Wandmalerei. scheint die Personification keineswegs als eine müssige Zntliat, vielmehr fügt sie sich in organischer Weise dem Charakter des Ganzen und trägt sie dazu bei, die idyllische Stimmung, die die Composition verwirklichen soll, gewissermaassen figürlich zum Ausdruck zu bringen. Man kann sich somit unmöglich der Ueber- zeugung verschliessen, dass die Erfindung der Hauptfigur wie die der Personification aus derselben Geistesrichtung hervorgegangen ist, dass also, wenn die letztere griechischen Ursprungs ist, das- selbe auch von der ersteren angenommen werden muss. Was über die Darstellungen der fischenden Aphrodite bemerkt wurde, gilt auch von den auf Endymion und Ganymedes bezüglichen Ge- mälden , von denen , welche die Heimholung der Ariadne durch Dionysos und die Liebesvereinigung der Aphrodite mit Adonis schildern, von den noch nicht hinreichend erklärten Bildern, welche Lichtgottheiten ohne deutlich ausgesprochene Handlung zusammenstellen 1) . Alle diese Compositionen , deren Repliken sich durchweg auf ein gemeinsames Original zurückführen lassen, kehren bald mit, bald ohne Ixo-ia wieder. Immer aber fügt sich die letztere in so harmonischer Weise zu der Haupthandlung, dass man unmöglich einen heterogenen Ursprung der verschie- denen Bestandtheile annehmen kann. Wenn daher meine An- nahme des griechischen Ursprungs der Personificationen richtig ist, so beschränkt sich die Tragweite dieses Ergebnisses nicht nur auf die Zahl der Gemälde, auf welchen Personificationen vor- kommen , sondern umfasst über dieselben hinaus mehrere Bilder- serien, die innerhalb der campanischen Städte durch eine beträcht- liche Menge von Repliken vertreten sind. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass der Einfluss der lateinischen Dichtung auf die Wandmalerei sehr gering anzu- schlagen ist. Jedenfalls ist das umgekehrte Verhältniss , der Einfluss der Wandbilder auf die Darstellungsweise der Dichter, von ungleich grösserem Belang. Nicht nur inHerculaneum, Pompei und Stabiae waren die Wände mit Bildern aus der griechischen Mythologie geschmückt, sondern dieselben Darstellungen werden, mehr oder minder modificirt, auf dem ganzen orbis antiquus wie- dergekehrt sein, soweit die griechisch-römische Civilisation reichte, wie sich denn auch in römischen Wandmalereien Compositionen und Compositionsmotive gefunden haben , welche mit den in den campanischen Städten entdeckten übereinstimmen. Von Jugend auf war das damalige Geschlecht von jenen Darstellungen der Europa, des Argos und der lo, der verlassenen Ariadne u. s. w. umgeben und es konnte nicht ausbleiben , dass diese Gebilde in 1 N. 964 ff. XIV. Ueber das Verhältniss der mythol. Wandgemälde etc. | 19 das Fleisch und Blut des Römers übergingen. Unter solchen Um- ständen mussten sie auch auf die dichterische Darstellung ein- wirken. Vielfach führen die Dichter der augusteischen Epoche zur Charakteristik einer mythologischen Gestalt oder Handlung Motive an , wie sie auf Wandgemälden vorkommen. Ovid ^) be- zeichnet einmal die Europa , ohne sie namhaft zu machen , mit den Worten Quaeque super pontum simulato vecta iuvenco Virginea tenuit cormia vara manu — hebt also ein Motiv hervor, welches ihrer Gestalt auf den Wandbildern eigenthüralich ist. Die Schilderung, welche derselbe Dichter 2] von dem Unter- gange der Helle giebt , ist offenbar durch Reminiscenzen an die in mehreren Repliken erhaltene malerische Composition bestimmt. Auch der Brief der Ariadne an Theseus ■') verräth an meh- reren Stellen den Einfluss von Motiven , welche uns aus Wand- bildern bekannt sind. Die Dichtung hatte hierbei den Vortheil , durch einen flüch- tigen Hinweis plastische Gestalten vor die Phantasie des Lesers zu zaubern. Wenn z. B. der Römer im Lygdamus HI 3, 34 las : et faveas concha , Cypria , vecta tua, so mussten die färben- und gestaltenreichen Darstellungen der das Meer durchziehenden Aphrodite vor seinen Geist treten*). Besonders häufig haben sich die Dichter dieses Vortheils bei Ver- gleichungen bedient, die sie mit Vorliebe von Stoffen entlehnen, welche in der Wandmalerei Gestaltung gefunden hatten. Wenn Propertius I 3, 1 ff. schreibt: Qualis Thesea iacuit cedente carina languida desertis Gnosia litoribusä) nee minus adsiduis Edonis fessa choreis qualis in herboso concidit Apidano^ , oderl 3, 29 ff . .- 1) Amor. I 3, 23. Vgl. auch Metam. II b74. Fast. V 607. 2) Fast. III 23, S71. 3; Heroid. X. Siehe namentlich Vers 49: Aut mare prospicicus in saxo frigida sedi, Quamque lapis sedes, tarn lapis ipsa fui. 4) Vgl. N. 307 ff. 5j Vgl. N. 1217 ff. 6) Vgl. N. 542 ff. 559 ff. 566. Der Vergleich mit der schlafenden Mainade hndet sich, weiter ausgeführt, bei Ovid, amor. 114, 19 : saepe etiam, nondum digestis mane capillis, purpureo iacuit semisupina toro; tum quoque erat neglecta decens, ut Threcia Bacche, cum temere in viridi gramine lassa iacet. 120 Die campanische Wandmalerei. sed sie intentis haeiebam fixus oeellis, Argus ut ignotis cornibus Inachidos i) oder III 26,5: qualem purpureis agitatam fluctibus Hellen "-, .. so erhielt der Vergleich trotz seiner mir flüchtigen Andeutung durch die Erinnerung an allgemein bekannte malerische Compo- sitiouen sofort plastisches Leben. Wer die Dichter des augusteischen Zeitalters , namentlich die Elegiker, unter diesem Gesichtspunkte durchliest, wird finden, dass er von bedeutender Tragweite und auch zur aesthetischeu Beurtheihing derselben von Wichtigkeit ist -^'j . Namentlich häufig finden sich Reminisceuzeu au Kunstwerke bei Ovid. Au zwei Stelleu-*) ist seine Dichtung offenbar durch den Eindruck der bekannten Statue des die Sehne in den Bogen ein- spannenden Eros, au einer anderen 5) durch die knidische Aphro- dite oder durch eineu der davon abgeleiteten Typen bestimmt. Auf seine mit den Wandgemälden übereinstimmende Behandlung der Mythen der Europa, der Ariadue und der Helle wurde bereits oben hingewiesen. Besonders merkwürdig aber ist der Zusam- meuhang , welcher zwischen zwei Schilderungen dieses Dichters und bekannten "Wandbildern obzuwalten scheint. Ovid beschreibt in den Fasten ß) , wie Priapos die entschlafene Lotis beschleicht. Die Ausmalung dieser Handlung stimmt in auffälliger Weise mit der häufig vorkommender Wandgemälde, welche Satyrn oder Pane darstellen , wie sie von schlafenden Bakchantinnen das Ge- wand abheben '^j . In denselben Fasten ^) schildert Ovid , wie Ariadue wegen einer gefangenen indischen Königstochter eifer- süchtig auf Bacchus wird. Sie flieht an das Meeresufer und ergeht sich hier in verzweifelten Klagen , als plötzlich der Gott liinter ihr steht uud sich anschickt, sie zu trösten. Die wesentlichen Züge dieser Schilderung — Ariadue trauernd am Strande, hinter ihr Bacchus , dessen Gegenwart sie nicht ahnt — sind dieselben, denen wir auf einem Wandgemälde begegnen, welches darstellt -'j . wie Ariadue auf Naxos um den treulosen Theseus trauert, uud 1) N. 131 ff. 2) N. 12öl ff 3) Vgl. Diltliey, Rheinisches Museum XXV (187U) p. 15;i, 0. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1854 p. 179 ff., BlUmner, archäologi- sche Studien zu Lucian p. 09 ff. Auch die Composition aus dem Perseusmythos, welche Lucian Tr^pl toü oiy.o'j 22 und Achilles Tatiu.s III () beschreiben und welche den ersteren in der Schilderung dei' dialog. marin. XIV 3 (BlUmner a.a.O. p. 57; inspirirte, ist gegenwärtig in der campanischen Wandmalerei nachweisbar: N. 1183. 4) Amor. I 1, 21 ff. remed. amor. 435. 5j Ars am. II Ü13. 6) I 415 ff. :, N. 542 ff. 559 ff. 8) III 4(31 ff. 9) N. 12M4. XIV. lieber das Verhältnis3 der mythol. Wandgemälde etc. 1 21 Dionysos sich ihr uaht, um sie als Gattin heimzuholen. Obwohl sich die poetische Schilderung in beiden Fällen auf eine andere Situation bezieht , als die in den Wandbildern behandelte , stimmt die plastische Gestaltung, welche sie den Stoffen giebt, doch in so deutlicher Weise mit den malerischen Darstellungen überein, dass die Annahme berechtigt ist , der Dichter habe die ihm durch die letzteren geläufige Form , absichtlich oder unwillkürlich , auf verwandte Scenen übertragen. Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. XV. Die Decorationsweise. Nachdem wir im Vorhergehenden gezeigt , dass die campani- schen Wandbilder, abgesehen von einigen bestimmten Gattungen, die wir namhaft gemacht , im Grossen und Ganzen nicht in der Kaiserzeit erfunden sein können , gilt es nunmehr die Epoche zu bestimmen, in der wir ihren Ursprung ansetzen dürfen. Um hier gleich das Endresultat der in den folgenden Abschnitten nieder- gelegten Untersuchungen an die Spitze zu stellen, so ist es die an die Zeit Alexanders des Grossen anknüpfende Entwickelung , die wir als die »hellenistische« zu bezeichnen pflegen, welche die grösste Masse dieser Motive in das Leben rief. Ehe wir jedoch zur Betrachtung der Gemälde selbst übergehen , sei es verstattet, einige Bemerkungen über die Decorationsweise vorauszuschicken, als deren Bestandtheile sie auftreten. Es ist bezeichnend , dass bereits hier der Einfluss der hellenistischen Civilisation nach- weisbar ist. Die in den campanischen Städten übliche Decorationsweise theilt die Wände in Felder und macht Bilder , welche durch ge- malte Rahmen abgegrenzt sind, zu Mittelpunkten derselben. Diese Bilder beruhen auf dem Princip des Tafelbildes. Mehrere, deren Verzeichniss Donner »über die antiken Wandmalereien in tech- nischer Beziehung« p . CXXVIII giebt , sind auf besondere Stuck- tafeln gemalt, um fertig in die Wand eingelassen zu werden, und können somit als Tafelbilder im eigentlichsten Sinne des Worts betrachtet werden. Die meisten Gemälde sind allerdings auf der- selben Stuckfläche ausgeführt, wie die anderweitige Wanddecora- tion , tragen aber durch den sie umgebenden Rand deutlich die Erscheinungsweise des Tafelbildes zur Schau. Es ist unzweifel- XV. Die Decorationsweise. 1 23 haft, dass diese Decorations weise an eine ältere anknüpft, welche wirkliche Tafelbilder, deren Material in der Regel Holz gewesen sein wird ^) , in den Bewurf einliess oder sonstwie an der Wand befestigte. Auch verdrängte die Nachahmung in Fresco nie voll- ständig den älteren Gebrauch; vielmehr können wir denselben bis in die späte Kaiserzeit hineiu verfolgen 2) . Uebrigens ergiebt sich die Thatsache , dass die Frescomalerei Motive , wie sie das Tafelbild darbot, aufgriff, nicht nur aus der Anordnung der Mittel- bilder, sondern auch aus anderen Erscheinungen. So begegnen wir häufig auf pompeianischen Wänden Bildern, welche als auf Simsen oder Consolen der Architekturmalerei stehend oder an Epistylien oder Säulen derselben angeheftet charakterisirt sind 3) . Sie haben gewöhnlich Rahmen, welche an den Ecken vorspringen, und , ähnlich wie die Altarblätter des Mittelalters und der Früh- renaissance, bewegliche, zum Theil zweitheilige Seitenflügel, mit denen das Bild nöthigenfalls bedeckt werden konnte. In besonders charakteristischer Weise sind zwei solche Gemälde in der Wand- malerei eines Privathauses behandelt, welches auf dem Palatin neben der Kryptoporticus des Palastes des Tiber entdeckt wurde^) . Offenbar giebt die Frescomalerei in allen diesen Fällen Tafel- bilder wieder , welche unter Umständen in der Wirklichkeit eine entsprechende Aufstellung fanden. Fragen wir nach der Entstehungszeit der Decorationsweise, welche die Wände in Felder eintheilt und Tafelbilder zu deren Mittelpunkten macht , so lässt es sich mit Sicherheit nachweisen, dass das ältere Stadium derselben, in welchem wirkliche Tafel- bilder zu Mittelpunkten der Wandfelder gemacht wurden , in der Diadochenperiode fertig ausgebildet vorlag und dass das zweite Stadium, die Uebertragung dieser Decorationsweise in die Fresco- malerei, geradezu als eine Erfindung dieser Epoche betrachtet werden darf. Kallixenos von Rhodos ^1 beschreibt ausführlich einen von 1) Nach Theophrast h. pl. III 9, 7 war das beliebteste Material der antiken Tafelmaler Lindenholz. 2) S. die Stelleu bei Raoul Rochette, peint. ant. p. 162, Letronne lettre d'un ant. ä un artiste p. 87. 3) Z. B. Zahn, die schönst. Orn. II 24, 53. III 68. Niccolini, Gase di Pomp. : Terme stabiane Tav. VIII. Ornati delle pareti di Pomp. I 4, 5, 8. — Niccolini, Gase di Pomp. : Gasa di Castore e Polluce Tav. VI. Ornati delle par. die Pomp. I 5. 4j Die Gemälde sind , jedoch ohne die umgebende Architektur- malerei , publicirt von Perrot in der Revue archeologique XXI (1870—71) pl. XXI. 5) Athen. V p. 196 E = Fragra. bist, graec. ed. Müller III p. 59 § 26 : SiexeiTo hk. im [aev tüjv -zf^z 07.r|Vfj; -otpaOTaoojv C",'^ [i.apuiaptva Töiv 124 Der Heflenismus und die campanische Wandmalerei. Ptolemaios Piiiladelplios veranstalteten Festzug und das Pracht- zelt, welches zur Aufnahme der Festgeuossen bestimmt war. In diesem Zelte begegnen wir das erste Mal der Decorationsweise, welche uns in diesem Abschnitte beschäftigt. Die Wände waren durch Pilaster (-apaaTaSsc) in Felder getheilt ; vor den Pilastern standen Statuen ; in der Mitte der einzelnen Wandfelder waren Tafelgemälde aus sikyonischer Schule und mit ihnen abwechselnd reich gestickte Gewänder und Teppiche angebracht. Diese De- coratiousweise beruht auf demselben Principe, wie die, welche in den campanischen Städten üblich ist. Nur ist hier, was dort wirklich structives Element war, gemalt. An die Stelle wirklicher Pilaster, welche die Waudfelder begrenzen, treten gemalte Pilaster oder Arabeskenstreifen, an die Stelle wirklicher Tafelbilder Nach- ahmungen derselben auf dem Stuckgrunde. Wann die Decoratiousweise , welcher wir in dem Zelte des Ptolemaios Philadelphos begegnen , erfunden wurde , darüber lassen sich bei der Dürftigkeit der Ueberlieferung nur Ver- muthungeu wagen. Das Tafelbild tritt bekanntlich während der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts in den Vordergrund der Kunst- entwickelung. Ueber die Weise, in welcher dasselbe während der Zeit vor Alexander dem Grossen angebracht und mit der um- gebenden Architektur in Einklang gesetzt wurde, fehlt es uns an jeglicher Nachricht. Immerhin scheint eine Thatsache hinlänglich sicher, dass nämlich in der älteren Zeit keineswegs die Beding- ungen vorhanden waren, um eine Decorationsweise, nach welcher Tafelgemälde die Mittelpunkte der Wandfelder bildeten . in das P r i V a t h a u s einzuführen . Die Tafelbilder waren damals seltene und kostbare a'(dk\xaza., die durch private Mittel gewiss nur ganz ausnahmsweise erworben werden konnten. Auch bezeugt uns die Ueberlieferung, dass die Tafelbilder in jener Epoche, weit ent- fernt, dem Privatluxus zu dienen, in öffentlichen Gebäuden, namentlich Tempeln, ilire Aufstellung fanden. Vollständig riclitig bezeichnet Plinius den Sachverhalt, indem er von den Malern der Blüthezeit schreibt ^) : omnium eorum ars urbibus excubabat pic- torque res communis terrarum erat. Bedenken wir, dass die in Kede stehende Decorationsweise zur Ausschmückung eines ganz kleinen Zimmers, wo jede Wand nur ein Feld bildet und die Eingangswand ohne Mittelbild gelassen ist, mindestens drei ein- ander entsprechende Tafelbilder erforderte , dann sind wir ent- schieden berechtigt, die Existenz derselben in dem griechischen rpwToiv TeyviTtüv ey.aT'Jv. i-i hk xai; ävd (As'ov yojoai; ttin y.(üv ^tuYpa'yOJv, dva)>Xd; os IrAXfATOi eixastai -avToi'/'. . . . Ti^ay.E; töjv air.'Jiuvt- )Az 02 ir'.ÄexToi eixastai -avToi'/'. . i)Xx'xv 118. XV. Die Decorationsweise. 1 25 Bürgerhause zu läugnen. Mit dieser Annahme stimmen die aller- dings sehr dürftigen Andeutungen , welche die Schriftsteller vor Alexander dem .Grossen über die Ausstattung des Privathauses geben. Ein Zeugniss aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts ist uns in einem Gedichte des Bakchylides erhalten. Indem er die Wirkung des Weins und der Liebe auf die Einbildungskraft des Menschen schildert, schreibt er ^) : /f>uj(ü S' eXscpavTi ts jjiapfxaipoiaiv oixoi. Offenbar haben wir es hier mit der uralten asiatischen Decorations- weise zu thun , vermöge deren die Wände mit Metall und Elfen- bein incrustirt wurden. Uebrigens liegt der Gedanke nahe, dass der Dichter solche Eindrücke nicht so sehr im eigentlichen Grie- chenlande, wie in Syrakus an dem prachtreichen Hofe des Hieron empfing , an dem er sich mit seinem Oheime Simonides eine Zeit lang aufhielt. Wenn die Ueberlieferung"-^) berichtet, dass Agath- archos das Haus desAlkibiades ausmalte, so kann nach der ganzen Richtung dieses Künstlers nicht an Tafelbilder, sondern nur an Wandmalereien gedacht werden. Die Erzählung, dass Zeuxis das Haus des Königs Archelaos ausschmückte'*), ist zu allgemein gehalten und in zu verdächtiger Weise überliefert, als dass Schlüsse daraus gezogen werden könnten. Will man dieses Zeug- niss nichts desto weniger gelten lassen, so weist die Fassung des- selben ebenfalls auf Wand-, nicht auf Tafelmalerei hin^). Uebri- gens beweisen die Unternehmungen eines makedonischen Königs und einer Persönlichkeit wieAlkibiades, die in jeder Hinsicht eine besondere Stellung einnahm, nichts für den Schmuck, der in dem gewöhnlichen griechischen Bürgerhause üblich war. Bezeichnen- der hierfür ist die Stelle in den Wespen des Aristophanes ^) , wo Bdelykleon Anweisungen giebt, wie sich der feine Mann, wenn er zu Gast geladen ist, zu benehmen habe. Er schlägt unter Anderm vor opocpTjV bioLzai, zpözaoi ' a\)Xr^c. i>au|jiaaov. Der Eingeladene soll seinem Wirthe schmeichelhafte Bemer- kungen über die geschmackvolle Verzierung der Decke und über die zwischen den Säulen des Hofes aufgezogenen Vorhänge machen. 1) Fragm. 27 ed. Bergk. 2) Andocid. contra Alcibiad. § 17. Demosth. in Mid. § 147 p. .562 und Schol. Flut. Alcibiad. 16. 3) Aelian. var. bist. XIV 17. Vgl. Welcker, Allg. Litt.-Zeit. 1836 Oct. p. 216. Brunn, Gesch. d. gr. K. H p. 81. 4) Vgl. Letronne, lettre d'un ant. ä un artiste p. 284 ff. 5) 1215. Vgl. Diphilos bei Meineke, fragm. comicor. gr. IV p.404 fragm. 2. 126 Der Hellenismus und die campaniselie Wandmalerei. Von einem malerischen Schmucke der Wände, dessen Erwähnung hier so nahe lag, verlautet kein Wort. Die Stellen des Piaton und Xenophou i) , welche angeführt werden, um die Decoration des Wohnhauses, wie sie in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts üblich war, zu veranschaulichen, sind sehr allgemein gehalten. Doch weist keine derselben mit Be- stimmtheit auf Gemälde im eigentlichen Sinne des Wortes hin; vielmehr lassen die Ausdrücke Tcor/tXiai und irouiXtxa-a eher auf Ornamentmalerei schliessen. Die Aufzählung der rhetorischen Ergüsse, welche die Schlichtheit des Wohnhauses der älteren Zeit und die luxuriöse Pracht der späteren Epoche gegenüber- stellen, kann ich mir füglich ersparen -] . Unter allen Umständen brachten es die Verhältnisse mit sich, und weisen die Spuren der Ueberlieferung darauf hin, dass das kostbare Tafelbild bis zur Diadochenperiode zum Wenigsten kein ständiges Element in der Decoration des Privathauses ausmachte. Anders als im Privathause lagen die Verhältnisse in den öffent- lichen Gebäuden, vor allen in den Tempeln. Hier mochte sich mit der Zeit eine grössere Anzahl von Tafelbildern ansammeln, die bei verschiedenen Gelegenheiten in dem betreffenden Räume geweiht wurden. Waren die Wände mit Frescomalereien geschmückt, dann musste die Unterbringung der Tafelbilder grosse Schwierigkeiten verursachen. Es ergiebt sich dies deutlich aus der Betrachtung der sogenannten Pinakothek in Athen, wo die drei Wände, welche allein hinreichendes Licht hatten, mit Frescobildern bemalt waren . Wir sind ausser Stande, uns eine Vorstellung davon zu machen, wie die Menge von Tafelbildern, die sich mit der Zeit in diesem Räume ansammelte , in geeigneter W^eise Platz fand ^j . Wo die Wände ohne figürliche Darstellung gelassen waren, wurden die Tafelbilder vermuthlich wie andere Anathemata an der Wand an- gebracht *) . Somit liegt allerdings die Möglichkeit vor, dass ihre Anordnung an der Tempelwand bereits in der Zeit von Alexander dem Grossen Motive darbot , welche die Decoration , die uns in diesem Abschnitte beschäftigt, vorbereiteten. Dagegen fragt es sich, ob nicht die Menge anderweitiger Weihgeschenke, Waffen, Cultus- und Hausgeräthe, Kleidungsstücke u. s. w., welche an denselben Wänden anzubringen waren, das Hervortreten derTafel- 1) Plato, res publ. VII 10 p. 529 B. Xenophon, memorab. III 8, 9. oecon. Villi 2. Plato, Hippias maior p. 298 A. Vgl. Rochette, Journ. des sav. 1833 p. 489 ff. peint. ant. iued. p. 131 ff. 2) Vgl. Becker, Charikles II -' p. 94. 3) Vgl. Michaelis, Rhein. Mus. XVI (1861; p. 219. Bursian, Geogr. v. Grieehenl. I p. 308. 4j Rangabe, ant. hell. II n. 861 , 15: xatorTpov rpo; t<ü Toty(<). Kirchhoff, Philo). XV p. 4U8, 36: is-tos; . . . -p6; t«) toi/o). XV. Die Decorationsweiae. 127 bilder als Mittelpunkte des Wandschmuckes beeinträchtigte und somit der vollendeten Ausbildung dieser Decorationsweise Schwie- rigkeiten bereitete ^i . Jedoch bewegen wir uns in dieser Hinsicht lediglich auf dem Gebiete der Vermuthung. Unter allen Umständen war keine Epoche so geeignet, das auf dem Tafelbilde beruhende Decorations- princip systematisch auszubilden und in das Privathaus einzu- führen, wie die Diadochenperiode. Eine Bedingung, welche hier- bei von der grössten Tragweite war, gedieh damals zu voll- ständiger Erfüllung : eine beträchtliche Anzahl von Tafelbildern sammelte sich in dem Besitze Einzelner an. Die Begierde, Kunst- werke zu besitzen , war bei den Mächtigen der Diadochenperiode gleich gross und gleich verbreitet, wie später bei den Römern. Kunstraub und Sammelwuth waren in dieser, wie in jener Periode im Schwünge 2] . Nach der Eroberung von Theben entführte Alexander der Grosse einen kostbaren Kronleuchter, den er später in dem Apollo- tempel der aeolischen Stadt Kyme weihte und der sich zur Zeit des Plinius^ in dem palatinischen Tempel des Apoll befand. Vermuthlich bei derselben Gelegenheit Hess der König auch das berühmte Bild des Aristeides , welches eine sterbende Mutter mit ihrem Kinde darstellte, nachPella bringen ^] . Während des persi- schen Feldzugs wurden die in Asien aufgehäuften Schätze geplün- dert. Von der Menge kostbarer, mit Edelsteinen besetzter Gefässe, welche damals von den Makedoniern erbeutet wurden , geben erhaltene Fragmente eines von Parmenion über die Beute geführten Registers einen anschaulichen Begriff') . Prusias I. von Bithyuien beraubte bei seinem Einfall in das pergamenische Gebiet den dortigen Asklepiostempel und scheute sich nicht, selbst das Götter- bild, ein Werk des Phyromachos, zu entführen 'J; . Ptolemaios III. Euergetes schickte bei seinem siegreichen Zuge durch Asien nicht nur die von den Persern aus Aegypten entführten Götterbilder dorthin zurück, sondern nahm, was er von Kunstschätzen in den 1) Auch wissen wir , dass die Tempelbehörden bisweilen gegen die UeberfüUe der Anathemata einschritten und, was des heiligen Raumes unwürdig schien, ausschieden: Rangabe, ant. hell. II n. 777 ; Benndorf, griech. und sicil. Vasenb. p. 14. Ueber ähnliche Maass- regeln in Rom vgl. Liv. XL 51. Sueton, Caligula 34. 2) Vgl. Semper, der Stil I p. 299 ff. 3) Plin. XXXIV 14. 4) Plin. XXXV 9S. 5) Athen. XI p. 781 F. Auch die kostbaren Gefässe, welche in einem Briefe Alexanders an die asiatischen Satrapen aufgeführt wer- den (Athen. XI p. 784 B.;, sind vermuthlich Beutestücke. 6) Polyb. XXXII 25. Diodor. Exe. XXXI fragm. 46. Bekker. 1 28 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. occupirten Gebieten vorfand , mit sich *j . Bekannt ist die Plün- derung des Tempels von Jerusalem durch Antiochos Epiphanes '^] . Das kostbare Material, mit welchem dieser Seleukide das von ihm in Daphne gefeierte Fest ausstattete, raubte er grösstentheils bei seinem aegyptischen Feldzuge 3) . Ein Gespräch , welches aus einer Komödie des Philippides, eines Zeitgenossen des Lysimachos, erhalten ist , zeigt deutlich , wie wenig die Anathemata in den Tempeln vor Raub oder Diebstahl sicher waren ^). Doch auch auf friedlichem Wege suchten die Diadochen ihren Kunstbesitz zu erweitern. Sie beschäftigten nicht nur eine Menge von Künstlern ständig an ihren Höfen, sondern machten auch den auswärts lebenden Meistern die glänzendsten Anerbietungen, da- mit dieselben für sie arbeiteten , eine Erscheinung , die ausführ- licher in dem siebzehnten Abschnitt erörtert werden wird. Be- sonderen Eifer aber zeigten sie, wenn sich die Gelegenheit darbot, berühmte Kunstwerke der älteren Entwickelung zu erwerben. Diese Neigung der Ptolemaier wurde sogar für politische Zwecke ausgebeutet. Um die Unterstützung des dritten Ptolemaiers für seine Interessen zu gewinnen, schickte Aratos Gemälde aus sikyonischer Schule , namentlich Werke des Pamphilos und Me- lanthios, nach Alexandreia ^j . Bereits Ptolemaios II. Philadel- phos besass eine Anzahl solcher Gemälde; denn er schmückte damit die Wände des von Kallixenos beschriebenen Prachtzeltes *') . Auch die Könige von Pergamos scheinen sich bemüht zu haben, alte Kunstwerke zu erwerben. König Attalos soll für ein Ge- mälde des Aristeides 100 Talente (= 157175 Thlr.)^) gezahlt haben. Doch ist die Vermuthung Brunns sehr wahrscheinlich, dass Attalos bei der Versteigerung der korinthischen Beute diese Summe für den Dionysos des Aristeides bot. Mummius , durch die Höhe des Angebots betroffen, lieferte ihm jedoch das Gemälde nicht aus , sondern weihte es zu Rom in dem Tempel der Ceres. König Nikomedes von Bithynien bot den Knidiern an, gegen Abtretung der Aphrodite des Praxiteles ihre ganze Staatsschuld zu tilgen^). 1; S. die Inschrift von Adulis C. J. Gr. III p. 508 ff. n. 5127 V. 21 ff. Hieronymus zu Daniel XI. 2) Maccab. 1 1, 23. Diodor. XXXIV 1 . Joseph, contra Apion. II 7. Vgl. Polyb. XXXI 11. 3) Polyb. XXXI 4, 9, 10. 4) Athen. VI p. 230 B = Meineke, frgm. com. gr. IV p. 469. 5) Plutarch, Ärat. 12. «1 Bei Athen. V p. 196 E. 7,! Plin. VII 126, XXXV 100, XXXV 24. Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. K. II p. 17:;. S) Plin. VII 39, XXXVI 5. XV. Die Decorationsweise. 1 29 Unter solchen Umständen musste sich in den Residenzen der Diadochen allmählig eine unsägliche Menge von Kunstschätzen aufspeichern. Die Beute an Sculpturen , Gemälden , kostbaren Gefässen, welche die Römer nach siegreichen Kriegen mit den betreffenden Staaten nach Rom entführten, war unermesslich . Die Berichte über den Triumph des Aemilius PauUus bezeugen die Fülle von Statuen und Gemälden, die sich im Besitze des makedonischen Hofes befand i) . Ambrakia , einst die Residenz des Pyi'rhos, war voll von Kunstschätzen bis zum Jahre 189 V. Chr., in welchem der Consul M. Fulvius dieselben nach Rom bringen liess^). Die Privaten suchten, wie es stets zu geschehen pflegt^ nach Kräften das Beispiel der Machthaber nachzuahmen. Ein bekanntes Fragment des Aristoteles -^j zeigt deutlich, dass zu seinerzeit, wie später in Rom, der Besitz von Statuen und Gemälden zu den nothwendigen Anforderungen eines reichen Haushaltes gehörte. Diese Sachlage musste nothwendiger Weise die Entwickelung der Decoration fördern, mit der wir uns gegenwärtig beschäftigen. Die Sääle und Zimmer in den Palästen der hellenistischen Grossen verlangten bildlichen Schmuck. Das grosse Wandbild entsprach nicht mehr dem Geiste der Zeit. Einerseits konnte die einfache Behandlung der Frescotechnik dem überfeinerten Geschmacke der Diadochenperiode kaum mehr zusagen. Andererseits verlor die Kunst mehr und mehr die Fähigkeit der monumentalen Darstel- lung, wie sie dem Wandbilde angemessen war. Endlich spielte in den hellenistischen Prachtbauten , soweit unsere Kenntniss reicht, auch der statuarische Schmuck eine zu bedeutende Rolle, als dass sich das Wandbild in seiner ganzen Fläche ungestört vor dem Auge des Betrachters hätte entfalten können. So waren in jenem Prachtzelte des Ptolemaios Philadelphos vor den Pilastern, welche die Wandfelder schieden, nicht weniger als hundert Bild- säulen aufgestellt ■*) . Unter solchen Umständen lag , da eine bedeutende Menge von Tafelbildern zur Verfügung stand , nichts näher, als das Decorationsprincip auf dem Tafelbilde zu basiren. Das reihenweise Aufspeichern von Kunstwerken , wie es in den Salons moderner Amateurs üblich ist, widersprach dem Geiste des Alterthums. Der classische Schönheitsinn musste nothwendig 1) Liv. XLV 39 ff. Plutarch, Aemil. Paul. 32 ff. 2 Polyb. XXII 13, y. Liv. XXXVIII 9, 43. 3) Bei Cicero de nat. deor. II 37 : si essent . . . qui sub terra semper habitauissent bonis et illustribus domiciliis, quae essent ornata signis atque picturis instructaque rebus iis omnibus, quibus abundant ii, qui beati putantur 4) Athen. V p. 196 E. Heibig, TJntersnchungen ö.d. camp. Wandmalerei. 9 130 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. darauf ausgehen , die verschiedenen Stücke in einer Weise anzu- ordnen, welche den Zusammenhang derselben unter einander und mit der umgebenden Architektur vermittelte. So kam ganz naturgemäss die Decoration zur Ausbildung , welche die Wände in Felder theilt und Tafelbilder zu deren Mittelpunkten macht. Mögen , wie gesagt , ähnliche Motive bereits früher bei der Aus- schmückung der Tempelwand vorgekommen sein, so spricht doch alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass die systematische Ausbildung dieses Princips erst in der Alexander- oder Diadochenperiode stattfand. Mit dieser Annahme stimmen verschiedene Erscheinungen, welche in der damaligen Malerei hervortreten. Es ist eigenthüm- lich, dass wir innerhalb der üeberlieferung, welche über die ältere Geschichte der Tafelmalerei vorliegt , nirgends grösseren Cyklen entsprechender Gemälde begegnen. Selbst die Herstellung zweier zusammengehöriger Tafelbilder scheint bis zur Zeit Alexanders des Grossen etwas Seltenes gewesen zu sein ; denn wir besitzen eine Nachricht , die sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne deuten lässt, nur über zwei Bilder des Parrhasios, von denen das eine einen anstürmenden Hop Uten, das andere einen Hopliten darstellte , welcher die Waffen ablegt ^] . Anders lautet die Üeberlieferung seit der Zeit Alexanders. Theon , ein Zeitgenosse des Demetrios Poliorketes, malte »den Kampf vor Ilion auf mehreren Tafelbildern«', die sich zur Zeit des Plinius zu Rom in der Porticus des Philippus befanden 2). In dem Athenetempel zu Syrakus waren die Wände mit einer Reihe von Tafelbildern bekleidet, welche verschiedene Reitergefechte aus der Zeit des Agathokles oder, wollen wir die Worte des Cicero im strengsten Sinne fasäen, verschiedene Episoden aus einer von diesem Könige gewonnenen Reiterschlacht schilder- ten. Verres Hess diese Tafeln herausnehmen und verunstaltete hierdurch den Tempel ^j. Brunn*) schreibt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Protogenes einen Cyklus von Bildern rhodischer Stammesheroen zu. Ein zusammenhängender Cyklus wird vermuthlich auch in den 27 Bildern syrakusaner Könige zu 1) Plin. XXXV 71. 2) Plin. XXXV 144. Ueber die Identität des Theoros und Theon siehe Brunn, Gesch. d. gr. Künetl. II p. 255 und Ann. dell' Inst. 1865 p. 239 flf. 3) Cicero in Verr. IV 55, 122 : pugna erat equestris Agathocli regis in tabulis picta praeclare : his autem tabulis interiores templi parietes vestiebantur .... iste omnes eas tabulas abstulit : parietes .... nudos ac deformatos reliquit. 4) Gesch. d. gr. Künstl. II, p. 238. XV. Die Decorationsweise. 131 erkennen sein, welche Verres aus dem bereits erwähnten Athene- tempel entführte ^] . Die Jo und die Andromeda des Nikias waren, wie im folgenden Abschnitte gezeigt werden wird, Gegenstücke. Dasselbe gilt von der Medeia und dem Aias des Timomachos. Bi'unn^] vermuthet, dass der von Aetion gemalten Hochzeit der Rhoxäne ein anderes Bild desselben Malers entsprochen habe, welches die Hochzeit des Ninos und der Semiramis darstellte 3) . Wenn somit die Künstler seit der Zeit Alexanders anfingen, Cyklen von Tafelbildern herzustellen, wenn sie sich häufiger dazu herbei- liessen, Gegenstücke zu malen , so lässt dieses Verfahren darauf schliessen, dass die gleichzeitige Wanddecoratiou ihnen Gelegen- heit bot, die Entsprechung und die Zusammengehörigkeit der Bilder auch durch die äussere Anordnung derselben deutlich zu machen. Dies war aber der Fall, wenn das Princip, nach dem die Wände in Felder getheilt und Tafelbilder zu Mittelpunkten derselben gemacht wurden, ausgebildet vorlag. Was ferner die Einführung des Tafelbildes als Schmuck des Privathauses betrifft, so ist es bedeutsam, dass wir Malern von kleinen Cabinetsbildern zum ersten Male in der an die Alexander- epoche anknüpfenden Entwickelung begegnen. Plinius macht als solche namhaft den Pausias, Autiphilus, Peiräikos, Kalates und Kallikles <] . Von diesen Künstlern blühte Pausias zur Zeit Alex- anders, Antiphilos während der Regierung des Ptolemaios Soter. Peiräikos, welcher »Barbier- und Schusterbuden, Eselein, Esswerk und Aehnliches« ^] malte , that sich auf dem Gebiete des Genres und des Stilllebens hervor , Gattungen , welche , wie wir später sehen werden, in der Diadochenperiode zur Ausbildung kamen. Da Properz f") denselben mit bahnbrechenden Künstlern wie Ka- iamis, Pheidias, Praxiteles, Lysippos und Apelles zusammenstellt, so liegt die Vermuthung nahe , dass er zu den Begründern dieser Gattungen gehörte und seine Thätigkeit somit ebenfalls in der Diadochenperiode anzusetzen ist. Darstellungen von Komödien- scenen , wie sie Kalates malte ", , finden sich bereits auf Vasen, 1) Cicero in Verr. IV 55, 123. 2) Gesch. d. gr. Künstl. II p. 245 ff. 3) Gemälde, bei denen es zweifelhaft ist, ob sie Wand- oder Tafel- bilder waren, wie die Gemälde desEuphranor im Kerameikos und des Omphalion in Messene (Brunn, Gesch. d. gr. Künstler II p. 182 p. 201), lassen wir bei dieser Untersuchung selbstverständlich ausser Betracht. •1) Plin. XXXV 124: (Pausias paruas pingebat tabellas maxi- meque pueros. XXXV 114: parua et Callicles fecit , item Calates co- micis tabellis, utraque Antiphilus. 5) Plin. XXXV 112. 6) im 9, 12. 7) Plin. XXXV 114. 9* 1 32 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. welche der Entwickelung nach Alexander angehören. Demnach spricht zum Mindesten nichts gegen die Annahme , dass auch Kalates zu den Cabinetsmalern der Diadochenperiode gehörte. Endlich haben wir noch eine Neuerung des Pausias zu be- rücksichtigen , welche in engstem Zusammenhange mit dem Gegenstand steht , der uns in diesem Abschnitte beschäftigt. Plinius ') schreibt von diesem Künstler : idem et lacunaria primus pingere instituit , nee camaras ante eum taliter adornari mos tuit. Ich übersetze dies folgendermaassen ; Pausias fing auch zuerst an , Decken zu bemalen ; auch war es vor ihm nicht Sitte, dass Gewölbe in dieser Weise geschmückt wurden. Brunn ■■^) legt das Hauptgewicht auf den zweiten Satz und nimmt an, die Neuerung habe darin bestanden, dass Pausias durch Ver- wei'thuug optischer Kenntnisse im Stande gewesen sei, eine male- rische Darstellung in naturentsprechender Weise und ohne Be- einträchtigung der Verhältnisse der einzelnen Theile auf einer gewölbten Fläche zu entwickeln. Doch sprechen gegen diese Auffassung gewichtige Bedenken. Zunächst weist die l^assung der Nachricht bei Plinius darauf hin, dass zur Beurtheilung des Pausias vorwiegend der erste Satz in Betracht zu ziehen ist. Er sagt ausdrücklich nur, dass Pausias zuerst Decken gemalt habe. Die weitere Angabe , dass vor diesem Künstler Gewölbe nicht bemalt worden seien, scheint absichtlich vorsichtig gehalten. Lassen wir aber auch dieses Bedenken fallen und vergleichen wir die Neuerung, welche Brunn dem Pausias zuschreibt, mit dem, was wir sonst von antiker Gewölbemalerei wissen, so findet dieselbe weder in der üeberlieferung der Schriftsteller noch in den erhaltenen Denkmälern irgendwelche Analogie. Die grössten und das Princip des Gewölbes am Vollständigsten realisi- l)Plin. XXXV 124. 2) Gesch. d. gr. Künstl. II p. 146 ff. — Falsch ist die Ausführung von Letronne, lettre dun ant. p. 321 ff., welcher die Angabe des Pli- nius , Pausias habe zuerst Decken gemalt , für irrthümlich hält und behauptet , diese Art der Decoration sei schon zur Zeit des Aischylos üblich gewesen. Er stützt diese Ansicht auf zwei Glossen des He- sychios: ^Yy-o'jpäoe;" xa dv töj 7:pooc()7Tu) (Ttf-ovcurtio coni. Schmidt) otiy- fAaxa 7.al oi iv Tai; öpocpaT; 'j^j'-ji^.i-ArA ztvay.e;, und xo'jpa;' 'q Ä xoi; 6[jo- 9tt)(i.aoi 7poicf.fl, 6po(fVA'K -iva;; an beiden Stellen wird beigefügt, dass das Wort bereits in den Mynnidouen tles Aischylos vorkomme. Doch sind die von Hesychios gegebenen Erklärungen des Wortes so all- gemein gehalten , dass sie einen lediglich ornamentalen Schmuck der Decke bezeichnen können, der natürlich der Epoche vor Alexander dem Grossen nicht abgesprochen werden darf vgl. z. B. Plutarch, Lycurg. 13). Somit stehen sie keineswegs in Widerspruch mit der Angabe des Plinius, die sich selbstverständlich auf figürliche Aus- malung der Decke bezieht. XV. Die Pecoratious weise. 133 renden Anlagen, die Kuppelbauten, wurden, soweit unser Wissen reicht, in der Regel nicht durch malerischen Schmuck, sondern durch Metallincrustation verziert. Die erhalteneu Gewölbemalereien sind von dem von Brunn aufgestellten Princip weit verschieden. Hier ist für die figürlichen Darstellungen ein so beschränkter Raum ausgespart, dass die Spannung des Gewölbes dem Auge kaum bemerkbar ist und der Maler somit beinah wie auf einer ebenen Fläche arbeiten konnte. Wollten wir aber auch zugeben, dass wir bei der Dürftigkeit unserer Monumentalkenntniss nicht berechtigt sind, die von Brunn angenommene Gewölbemalerei dem Alterthume abzusprechen, so steht dieselbe jedenfalls in entschiedenem Widerspruch zu dem Kunstcharakter des Pausias. Diese Malerei konnte selbstverständlich nur in Fresco ausge- führt werden. Wir wissen aber, dass Pausias in dieser Gattung nichts Hervorragende^ leistete und dass Wandmalereien, die er in Thespiae ausführte , durch den Vergleich mit den in derselben Stadt befindliclien des Polygnot in hohem Grade benachtheiligt wurden'). Es ist dies bei der ganzen Richtung des Künstlers vollständig begreiflich. Er malte mit Vorliebe kleine Bilder und seine Lieblingsgegenstände, Kinderfiguren und Blumen flechtende Mädchen, liefen der monumentalen Würde, wie sie die Frescomalerei erfordert, entschieden zuwider. Auch konnten die ihm eigenthümlichen Vorzüge, vor allen seine virtuose Behandlung des Colorits, mit der er, wie im Stieropfer, schwierige Verkürzungen oder , wie in der Methe , das durch das Glas durchschimmernde Gesicht der Trinkenden zu schildern wusste, in der Frescotechuik nicht vollständig zur Geltung kommen ; vielmehr fand er vorwiegend in der Enkaustik ein seinen Anlagen entsprechendes Mittel des Ausdrucks. Alle diese Gesichtspunkte zusammengenommen, kann ich der Ansicht Brunns nicht beistimmen. Ziehen wir dagegen , wie es die Fassung der Worte des Plinius verlangt, vor der Hand die Angabe in Betracht, dass Pausias zuerst Decken malte, und erklären wir dieselbe in der nächstliegenden und einfachsten Weise, dann ergiebt sich eine Art der Malerei, welche dem Kuustcharakter des Pausias entspricht und in erhaltenen Denkmälern Analogien findet. Während bisher die Decken nur ornamentirt wurden , schmückte Pausias dieselben mit bildlichen Darstellungen, indem er die durch die Balken der Decke gebildeten Felder (cpaTva)[xaTa, lacu- naria) mit kleinen Tafelbildern ausfüllte. Fassen wir die Neuerung des Künstlers in dieser Weise auf, dann lässt sie sich vortrefflich durch die in Stabiae gefundenen Fragmente einer grossen Stuck- 1) Plin. XXXV, 123. 1 34 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. platte 1) veranschaulichen, die offenbar nicht, wie die Akademiker von Ercolano angeben, zu der Wand, sondern zu der Decke eines Zimmers gehörte. Die Malerei dieser Stuckplatte giebt zierlich geschnitzte Balken wieder, welche sich kreuzen und so viereckige Felder bilden. Diese Felder sind abwechselnd mit schwebenden Figuren , kleinen Rundbildern , Vögeln und Rosetten verziert. Offenbar ist auch hier ein architektonisches Motiv mit allen seinen structiven Bestandtheilen von der Frescomalerei aufgegriffen. Dass diese structiven Bestandtheile an einer Wand unmöglich und nur an einer Decke zulässig sind, bedarf keiner weiteren Ausein- andersetzung. Die irrthümliche Angabe der Akademiker, es handle sich um eine Wanddecoration, erkrärt sich leicht daraus, dass die Decke , wie es gewöhnlich der Fall ist , herabgestürzt und somit der Platz, den die Fragmente ursprünglich einnahmen, zweifelhaft war. Die Malerei gewölbter Decken, welche Plinius an zweiter Stelle erwähnt, wird auf einem ganz ähnlichen Princip beruht haben, wie die der flachen. Auch hier werden innerhalb der Ge- wölbedecoration bestimmte felder- oder casettenartige Räume aus- gespart und mit figürlichen Darstellungen bemalt worden sein. In diesem Sinne gefasst , stimmt das von Plinius erwähnte Ver- fahren vollständig mit den erhaltenen Denkmälern und lässt es sich z. B. durch die Verzierung der Gräber der Via Latina-) ver- anschaulichen , wo der ornamentale Schmuck der Decke in sym- metrischer Weise durch abgegrenzte Stuckreliefs und Gemälde unterbrochen wird. Die Verwandtschaft des von Pausias eingeführten Verfahrens, wie wir dasselbe aufgefasst, mit der in diesem Abschnitte behan- delten Wanddecoration liegt auf der Hand. Wie hier das Tafel- bild als ständiger Mittelpunkt der in Felder getheilten Wand auf- tritt, so fügt es sich dort zu einem neuen Systeme der Decoration der Decke. Beide Neuerungen stehen in so engem Bezüge zu einander, erscheinen derartig als das Product derselben geistigen Ptichtung, dass sie nothwendig derselben Epoche zugeschrieben werden müssen. Wenn daher das neue Princip des Deckeu- schmucks um die Zeit Alexanders des Grossen eingeführt wurde, so dürfen wir bei der organischen Entwickelung der griechischen Kunst annehmen , dass auch die entsprechende Wanddecoration um dieselbe Zeit ihre systematische Ausbildung erhielt. Nehmen wir , um gewissermaassen die Probe zu machen , an , die Sache 1) Pitt. d'Erc. IV p. 54 ff. Stücke auch bei Zahn, die schönst. Orn. I, 79. 2) Mon. deir Inst. VI 43 ff. 49 ff. XV. Die Decorationsweise. 135 habe sich anders verhalten, denken wir uns einen Saal, an dessen Mauern sich grosse monumentale Wandgemälde ausbreiten, wäh- rend die Decke mit kleinen tafelbildartigen Malereien verziert ist, dann stellt sich ein vollständig unorganisches Ganzes heraus, wie wir es keinesfalls der classischen Kunst zutrauen dürfen. Wir haben die Wanddecoration bisher in ihrem älteren Sta- dium kennen gelernt , während dessen Verlauf wirkliche Tafel- bilder z.i Mittelpunkten der Felder gemacht wurden. Gegenwärtig gehen wir zur Betrachtung des zweiten Stadiums über , in wel- chem die wirklichen Tafelbilder durch auf den Stuckgruud nach- geahmte ersetzt und die ganze Decoration lediglich durch die Frescomalerei hergestellt wurde. Die Ursachen dieser Neuerung liegen auf der Hand. Nur reiche Leute waren im Stande , eine hinreichende Anzahl von Tafelbildern zu erwerben, wie sie für die ursprüngliche Art der Wandverzierung erforderlich war. Es war daher ganz uaturgemäss , dass man im Interesse der weniger Be- güterten bedacht war, dieselbe billiger herzustellen, und dies wurde erreicht, indem die ganze Decoration von der Fresco- malerei aufgegriflfen wurde. Nachdem dieses Verfahren einmal in Gebrauch gekommen war, wird dasselbe aus begreiflichen Gründen baldigst auch in reiche Häuser Eingang gefunden haben. Die kostbaren Tafelbilder waren leichter Beschädigungen ausgesetzt als die sie nachahmenden Stuckgemälde und ihr Verlust schwerer zu verschmerzen. Dess- halb fing man an , die Tafelbilder zu ihrer besseren Sicherung in einem besonders für sie eingerichteten Raum unterzubringen, der Pinakothek , welche von Vitruv \) als nothwendiger Bestandtheil des hellenistischen Wohnhauses angeführt wird, und wurde in den dem täglichen Gebrauche dienenden Räumen die Decoration in der Regel lediglich durch die Frescomalerei hergestellt. Wenn sich auch vereinzelte Beispiele, dass Tafelbilder in die Wände von Wohnzimmern eingelassen wurden , bis in die späte Kaiser- zeit verfolgen lassen, so scheinen diese Fälle doch als Ausnahmen von der Regel betrachtet werden zu müssen. Wenigstens haben weder die Ausgrabungen in den campanischen Städten noch die auf römischem Boden einen sicheren Beleg dieses Verfahrens ge- liefert 2; . Jedenfalls ist das zweite Stadium , in welchem das wirkliche Tafelbild durch das auf dem Stuckgrunde nachgeahmte ersetzt wurde , eine Erfindung der hellenistischen Civilisation. Wiewohl Ij VI cap. 7. Vgl. Letronne lettre dun ant. p. 2ü5 ff. 2 Vgl. Donner, über die ant. Wandmalereien in techn. Bez. p. CXXVI. 136 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. keine bestimmten Angaben hierüber vorliegen, so glaube ich nichts desto weniger , dass eine vielfach besprochene Stelle des Petronius *) , wenn sie in den Kreis unserer Untersuchung gezogen und richtig erklärt wird , über diesen Gegenstand hinreichendes Licht verbreitet. Petronius , nachdem er über den zu seiner Zeit herrschenden Verfall der Beredsamkeit und Geschichtschreibung gesprochen, fährt fort: pictura quoque non alium exitum fecit, postquam Aegyptiorum audacia tarn magnae artis compendiariam inuenit. Hermann 2) erhebt Bedenken gegen die richtige Ueber- lieferung der Stelle und schlägt vor zu lesen : postquam topia- riorum audacia . . . inuenit. Er stützt diese Aenderung durch den Vergleich einer bekannten Stelle des Vitruv 3) , wo derselbe den Verfall der gleichzeitigen Ornamentmalerei beklagt und na- mentlich gegen die unstylistische Verwendung vegetabilev Bestand- theile, wodurch in dieser Kunst gesündigt wurde, zu Felde zieht. Demnach würden, wenn ich Hermanns Gedankengang richtig ver- stehe , die von ihm vorgeschlagenen topiarii Arabeskenmaler be- deuten. Doch ist bisher dieses Wort nur in der Bedeutung »Kunstgärtner« bekannt. Wollen wir aber auch zugeben, dass Petronius mit einer gewiss sehr kühnen Uebertragung hierdurch die Arabeskenmaler bezeichnen konnte, so erscheint der Vor- schlag Hermanns nichts desto weniger unhaltbar. Die Angabe des Nebensatzes, dass die Arabeskenmaler für die Malerei ein verkürztes Verfahren erfanden , ist mir eben so unverständlich, wie der Inhalt des Hauptsatzes, dass hierdurch der Verfall der Malerei herbeigeführt worden sei. Vermuthlich nahm der Göt- tinger Gelehrte an, die Arabeskenmalerei habe die ganze De- coration überwuchert und für figürliche Darstellungen keinen Platz mehr gelassen. Doch sprechen gegen diese Voraussetzung sämmtliche erhaltenen antiken Wanddecorationen , welche bis in die spätesten Zeiten herab innerhalb der Ornamentmalerei stets der figürlichen Darstellung Raum gönnen. Ausserdem zeigen die Worte des Petron deutlich , dass es sich nicht um eine innerhalb der decorativen Wandmalerei vollzogene Neuerung handeln kann : denn kein Alter würde die dieser Gattung eigenthümlichen Figurenbilder als Leistungen der kunstmässigen Malerei — tam magnae artis — auffassen. Dagegen giebt die handschriftliche Lesart, wenn sie mit den bisherigen Ergebnissen unserer Unter- suchung zusammengebracht wird, einen vollständig richtigen Sinn. Petronius sagt, dass die Aegyptier der Malerei geschadet hätten, 1) Cap. 2. 2) Ueoer den Kunstsinn d. Römer p. 35. 3) VII 5. XV. Die Decorationsweise. 137 indem sie für diese so bedeutende Kunst ein verkürztes Ver- fahren erfanden. Worin dieses Verfahren bestand , giebt er nicht an. Doch glaube ich, dass damit nichts Anderes gemeint sein kann , als die Neuerung , welche die wirklichen an der Wand angebrachten Tafelbilder durch Nachahmungen auf dem Frescogrunde ersetzte. Jedenfalls musste dieselbe die Folge haben, welche Petronius jener Erfindung derAegyptier zuschreibt. An die Stelle des sorgMtig durchgeführten Staffeleibildes trat die Nachahmung im Fresco , die , ihrer Technik entsprechend , nicht umhin konnte , auf eine genaue Durchführung zu verzichten. Da das Frescoverfahren billig und praktisch war , wurde es , wie die erhaltenen Denkmäler bezeugen, mit Beifall aufgenommen und mit der Zeit das allgemein übliche. Das Tafelbild, auf welchem die Entwickelung der kunstmässigeu Malerei beruhte, wurde hier- durch in den Hintergrund gedräugt ; da das Bedttrfniss nach sol- chen Bildern geringer wurde , fanden die Vertreter dieser Kunst- gattung nicht mehr dasselbe reiche Feld der Thätigkeit wie früher ; die Kunstindustrie griff beschränkend in das Gebiet der Kunst ein. Dieser sich mit Nothwendigkeit ergebende Sachverhalt stimmt so deutlich mit der Angabe des Petron überein, dass ich kein Be- denken trage, in der von ihm beklagten Erfindung der Aegyptier die Ersetzung der Tafelbilder durch das Frescoverfahren zu' er- kennen. Die Folgen dieser Neuerung entsprachen vielfach denen, welche sich in unserer Zeit nach der Erfindung der Photographie herausstellten. Diese hat in gewissen Hinsichten die Thätigkeit der Porträt- und Landschaftsmalerei beeinträchtigt , und , wenn man heut zu Tage Maler , die dadurch benachtheiligt zu sein glauben , über diesen Gegenstand sprechen hört , wird man viel- fach an jene Stelle des Petron erinnert. Somit spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür , dass die durch die römische Weltherrschaft über den ganzen orbis antiquus ver- breitete Decorationsweise von dem hellenisirten Aegypten , man darf wohl bestimmter sagen von Alexandreia ausging. Alexan- dreia, »die Lehrerin aller Hellenen und Barbaren« i), der Mittel- punkt, von welchem aus das kosmopolitisch gewordene Griechen- thum , welches man Hellenismus nennt , den mächtigsten Einfluss ausübte , wird auch diese für die Gestaltung des antiken Lebens immerhin bedeutsame Erfindung in das Leben gerufen haben ; sie entspricht vollständig dem versatilen Geiste , welcher in so vielen Hinsichten das alexandrinische Treiben bezeichnet '^] . 1) Athen. IV p. 184 B. 2) Plinius VIiri96 berichtet, dass die Alexandriner in der Weberei ein vereinfachtes Verfahren einführten , welches sich der Herstellung der Wanddecoration durch die Frescomalerei vergleichen lässt. Sie 138 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Uebrigens steht das Ergebniss , dass die griechisch-römische Decoration durch den aegyptischen Hellenismus bedingt ist, keineswegs vereinzelt da; vielmehr weist eine ganze Reihe anderer Erscheinungen, denen wir in der campanischen Wand- malerei begegnen , deutlich auf dieselbe Quelle zurück. Aegyp- tische Ornamentmotive, hellenistisch umgebildet oder mit griechi- schen Motiven zusammengestellt, wie sie in der Ptolemaierepoche nachweisbar sind i) , finden sich unendlich oft in den campa- nischen Städten ~] . Ich erinnere an die leichten Kohrcolonnaden und Baldachine mit den im Stichbogen gewölbten, von Sphinxen oder Greifen gekrönten Frontispicien, die beinah in keinem pom- peianischen Hause fehlen. Betrachten wir die als Tafelbilder be- handelten Gemälde, so ist die Ankunft der lo^) ganz in dem Geiste des ägyptischen Hellenismus aufgefasst; die Gestalten sind nach dem Formenprincipe der griechischen Kunst gebildet, wogegen Scenerie , Tracht , Attribute das örtliche Colorit zur Schau tragen ; es liegt nahe , diese Compositiou mit der ' lou? acpi^i?, einem Gedichte des Kallimachos ^) , in Zusammenhang zu bringen. Die beliebten Pygmaienbilder und eine ganze Reihe landschaftlicher Schilderungen^) sind auf dem Boden des helle- nisirten Aegyptens erwachsen. Das Interesse, welches der Römer an dem alten Wunderlande nahm, und der Isisdienst, der sich allmählig in Italien verbreitete und im letzten Jahrhundert der Republik auch in Rom Eingang faud^), trugen dazu bei, dass Italien solchen Einflüssen leicht zugänglich wurde. Bezeichnend ist es, dass wir bereits gegen Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. einen alexandrinischen Landschaftsmaler , Demetrios , in Rom ansässig finden ") . Jedenfalls fand die Ersetzung des Tafelbildes durch das Frescoverfahren in einer verhältnissmässig frühen Epoche des machten die Erfindung , färben- und figurenreiche Gewebe lediglich mit Hülfe des Webstuhls herzustellen. Vgl. Büchsenschütz, die Haupt- stätten des Gewerbfleisses p. 63. 1) In der Thalamegos des Ptolemaios Philopator befand sich neben Baulichkeiten griechischen Styls ein ägyptischer Speisesaal: Kal- lixenos bei Athen. V p. 200 A = Müller, fragm. bist. gr. III p. 57. 2 Um von der Decoration des pompeianischen Isistempels zu schweigen , welche selbstverständlich in diesem Style behandelt ist, vergleiche man Pitt. dErc. I 50 p. 263, IV 69 flf. p. 345 ff. ; Mus. Borb. VIII 47 ff. ; Heibig N. 1094 ff. ; Semper, der Stil 1 Taf. XIV. 3 Mus. Borb. X2. Zahn, die schönst. Orn. III S. HelbigN. 138. 139. 4) Suid s. V. 5) Heibig N. 1530 ff. 1566 ff. 6) Vgl. Friedlaender , Darstell, aus der Sitteng. Roms II p. 79 ff. 7j Overbeck, Schriftquellen p. 411 n. 2141 ff. Vgl. über diesen Maler unseren XXHI. Abschnitt. XV. Die Decorationsweise. 1 39 Hellenismus statt ; denn diese Neuerung war schon in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr. in Italien eingebürgert. Plautus nämlich lässt in den Menaechmen I 2, 34 flf. den Me- naechmus fragen : Die mihi, nunquam tu vidisti tabulam pictam in pariete, Ubi aquila Catamitum raperet, aut ubi Venus Adoneum ? Peniculus antwortet: Saepe ; sed quid istae picturae ad me attinent ? Offenbar haben wir es hier mit auf dem Stuckgrunde nach- geahmten Tafelbildern zu thun. An grosse Wandbilder im streng- sten Sinne des Wortes ist nicht zu denken ; denn einerseits waren Darstellungen , wie der Raub des Ganymed und die Entführung des Adonis , keineswegs geeignet , ganze Wandflächen zu füllen ; andererseits kann tabula gewiss nur ganz ausnahmsweise vom Wandbilde gebraucht werden. Ebenso ist es unzulässig , wirk-^^ liehe an der Wand angebrachte Tafelbilder anzunehmen. Man darf nicht etwa übersetzen : »hast Du niemals ein gemaltes Bild an der Wand gesehen?« Dies verbietet die Wortstellung und die metrische Synaloiphe, welche pictam und in pariete verbindet. Vielmehr hat man zu übersetzen : »hast Du niemals ein auf die Wand gemaltes Bild gesehen?« Die Sache ist an und für sich so klar , dass es kaum noch nöthig ist , auf eine Stelle des Mercator II 2, 42 hinzuweisen, wo es heisst: Si unquam vidisti pictum amatorem, hem, illic est. Nam meo quidem animo uetulus, decrepitus senex Tantidem est, quasi sit Signum pictum in pariete'). Also war bereits zur Zeit des Plautus die Nachahmung des Tafel- bildes in der Frescomalerei aus Aegypten nach Italien verpflanzt. Von der weiteren Verbreitung dieser Decorationsweise zeugt die Antwort des Peniculus , der die in der Frage angegebenen Bilder als allgemein bekannte bezeichnet. Auch die Stelle im Mercator scheint unter dem Eindrucke solcher in der Frescomalerei nach- geahmten Tafelbilder geschrieben; denn die erhaltenen Denk- mäler bezeugen, dass in dieser Gattung die picti amatores eine hervorragende Rolle spielten , während sie in die monumentale Malerei des eigentlichen Wandbildes nur ausnahmsweise Eingang finden konnten. 1) Vgl. Letronne, lettre d'un ant. p. 83. 140 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. XVI. Chronologisch bestimmte Compositionen. Wenden wir uns nnnmehr zu der Untersuchung der Gemälde selbst, so erhebt sich zunächst die Frage, ob sich einige derselben auf bestimmte Meister zurückführen lassen. Mit hinlänglicher Sicherheit glaube ich in der Wandmalerei Wiederholungen zweier Compositionen des Nikias nachweisen zu können. Die hierbei in Betracht kommenden Gemälde sind die, welche darstellen, wie Perseus die gerettete Andromeda von dem Felsen heruntergeleitet ^) und wie Argos diclo bewacht'-^) . Jeder un- befangene Betrachter wird zugeben, dass die vortreffliche Anord- nung und die klare und schöne Stellung der Figuren berechtigen, die Erfindung dieser Compositionen auf einen bedeutenden Künstler zurückzuführen. Auch waren sie im Alterthume allgemein be- kannt und geschätzt. Die au erster Stelle erwähnte Composition findet sich nicht nur in der Wandmalerei, sondern kehrt, mehr oder minder abgewandelt , auch in einer Statuengruppe , auf Re- liefs, Münzen und geschnittenen Steinen wieder-'). Sie schwebte dem Lucian vor , als er die Rettung der Andromeda schilderte *) , und ist in einem Epigramme des Antiphilos behandelt^) . Die auf den lomythos bezügliche Composition ist nicht nur in vier pom- peiauischen Wandgemälden , sondern auch in einem römischen *') erhalten. Properz^) wurde durch dieselbe an einer bereits oben angeführten Stelle inspirirt. Weiterhin scheint der Umstand be- achtenswerth, dass die römische Replik dieser Composition, eben- so wie zwei pompeiauische Perseusbilder von ungewöhnlich grossen Dimensionen sind , was zu dem Schlüsse berechtigt , dass wir es mit Reproductiouen von Megalographien im eigentlichsten Sinne des Wortes zu tlmn haben. Vergleichen wir endlich die beiden Compositionen unter einander , so verrathen sie nach Inhalt , wie 1) N. 118(5—1189. Diese Composition ist, jedoch ohne weitere Begründung, bereits von Heyne, comment. gottingens. X p. 3, C. F. Hermann, Perseus und Andromeda p. 14 ff. und Benndorf , de anthol. graec. epigrammatis quae ad artes spectant p. 02, 71 mit Nikias in Verbindung gebracht worden. 2) N. 131—134. Die Verrauthung, dass diese Composition auf die lo des Nikias zurückgehe, ist in vorsichtiger Fassung bereits von Engelmann , Arch. Zeit. 1870 p. 39 ausgesprochen \yorden. 3) S. Fedde de Perseo et Andromeda p. 77. 4) Dial. marin. XIV 3. Vgl. BlUmner, arch. Studien zu Lucian p. 77 ff. 5) Anth. plan. 147. Ü) Revue archeologique XXI (1870) pl. XV. 7) 13, 20. Vgl. oben Seite 112. XVI. Chronologisch bestimifite Compositionen. 141 nach Anordnung eine so deutliche Verwandtschaft , dass man sie mit grosser Wahrscheinlichkeit als Schöpfungen desselben Geistes oder, um mich bestimmter auszudrücken, geradezu als Gegenstücke betrachten darf. Mit einer Antithese , die ganz dem Geiste der antiken Kunst entspricht, schildert die eine die Befreiung der Andromeda, die andere eine Situation, welche der Erlösung einer anderen Gefangenen , der lo , unmittelbar vorhergeht. Hier wie dort verräth die Anordnung der Bestandtheile ein verwandtes Princip ; die Figuren des Perseus und des Argos scheinen auch hinsichtlich der Stellung auf gegenseitige Entsprechung angelegt. Wenn nun Plinius ^j angiebt, dass Nikias eine lo und eine Andro- meda malte , so führen alle die soeben auseinandergesetzten Ge- sichtspunkte in übereinstimmender Weise zu der Vermuthung, dass die Wandbilder auf diese Schöpfungen des athenischen Meisters zurückgehen. Auch verrathen sie einen Geist, welcher vollständig mit dem Kunstcharakter des Nikias, soweit wir denselben nach der Ueberlieferung zu beurtheilen im Stande sind , übereinstimmt. Nikias war besonders beflissen , Frauen- gestalten zu malen , eine Angabe des Plinius 2) , welche durch die Titel mehrerer Gemälde desselben bestätigt wird : zwei Heroinen bilden auf unseren Wandgemälden den Mittelpunkt der Handlung. Wenn ferner Pausanias-^) dem Künstler vorwirft, er habe den Hyakinthos allzu jugendlich zart gemalt, um hierdurch auf die Liebe des Apoll zu dem Jünglinge hinzudeuten, so bietet die Cha- rakteristik des Argos, welcher auf den Wandgemälden nicht, der Ueberlieferung entsprechend , als gewaltiger Riese , sondern als schlanker Ephebe auftritt, eine verwandte Erscheinung dar. Ist die Zurückführung der Wandbilder auf Nikias anerkannt, so fragt es sich, in wie weit dieselben die Originale getreu wieder- geben. Bei dem Vergleiche der einzelnen Repliken nämlich bemerken wir nicht nur eine verschiedenartige Charakteristik, nicht nur Abweichungen in den Einzelheiten, kurz nicht nur Er- scheinungen , welche sich aus der verschiedenen Individualität der ausführenden Wandmaler ableiten lassen. Vielmehr ist auch der wesentliche Bestand der Composition nicht überall derselbe. Die pompeianischen lobilder geben nur die Figuren der lo und des Argos wieder. Dagegen fügt die römische Replik , welche diese beiden Gestalten in im Ganzen übereinstimmender Weise behandelt , links Hermes bei ; der Gott tritt heran , indem er, scheinbar gleichgültig, denCaduceus zwischen den Fingern spielen 1) XXXV 132. 2. XXXV 130. 3) III 19, 4, 142 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. lässt, dabei jedoch, wie aus der Richtung und dem Ausdruck seines Blickes zu schliessen, aufmerksam die Situation prüft. Durch die Gegenwart des Hermes gewinnt die Composition inner- lich, wie äusserlich. Der Betrachter wird dadurch über den dargestellten Moment hinaus auf das Fortschreiten der Handlung, auf die bevorstehende Erlösung der lo, hingewiesen. Andererseits bildet die Gestalt des Gottes in der äusseren Anordnung der Glieder ein beinah unbedingt erforderliches Gegenstück zu der des Argos. Man wird daher voraussetzen müssen, dass das römische Gemälde den Bestand des Originals vollständiger wiedergiebt, als die pom- peianischen. Von den auf die Rettung der Andromeda bezüglichen Gemäl- den enthält eines nur die Gruppe des Perseus und der von dem Felsen herabsteigenden Jungfrau ; die anderen drei fügen links von dieser Gruppe zwei auf dem Felsen sitzende Mädchenfiguren bei , in denen ich 'Axtai erkannt habe i) . Auch hier glaube ich, dass die ausführlichere Darstellung dem Originale näher steht, als die verkürzte. Da es offenbar für die Wandmaler leichter war, die Compositionen, welche sie reproducirten, zu verkürzen, als durch Beifügung eines neuen Motivs zu erweitern, so ist diese Annahme , wo eine derartige Alternative an uns herantritt , stets als die nächstliegende zu betrachten. Wenn ferner meine Ver- muthung richtig war , dass die lo und die Andromeda von Nikias als Gegenstücke gemalt wurden und ersteres Bild, wie es auf der römischen Replik der Fall ist, von Haus aus die Gestalt des Hermes enthielt, so musste auch die entsprechende Composition eine dreifache Gliederung der Motive darbieten, wie sie durch die Gegenwart der 'Axtai erzielt wird. Da diese Personificationen von Naturgegenständen ein Product der mit der Alexanderepoche beginnenden Entwickelung sind 2] , so liegt kein Grund vor, sie dem Nikias abzusprechen ; vielmehr stimmt die Schilderung der anmuthigen Mädchengruppe vollständig mit der Richtung dieses Künstlers überein. Angesichts der Publicationen der gegenwärtig zerstörten Ge- mälde mit Scenen aus der Ilias , die sich in der Porticus des so- genannten Venustempels befanden'^), drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob diese Compositionen nicht zu einem entsprechen- den Cyklus des Theon in Beziehung stehen. Dieser Künstler malte bellum iliacum piuribus tabulis, die nachmals in Rom die 1) Vgl. Rhein. Mus. XXIV (1S69) p. 499. 2) Vgl. Rhein. Mus. XXIV (1869) p. 513 flf. und weiter unten den neunzehnten Abschnitt. 3) Steinbllchel, grosser antiquarischer Atlas Taf. VIII B— VIII D. XVI. Chronologiach bestimmte Compositionen. 143 Porticus des Philippus schmückten i) . Es ist von Haus aus wahr- scheinlich , dass sich ein Wandmaler , wenn es galt , eine Reihe von Bildern aus der Ilias herzustellen, diesen Cyklus zu Nutze machte. Auch stimmen drei der Wandgemälde deutlich mit dem aus der Ueberlieferung bekannten Kunstcharakter des Theon über ein. Wenn unter den Leistungen dieses Meisters namentlich der eflFectvolle Ausdruck energisch bewegter Handlungen gerühmt wurde 2) , so verräth das Wandgemälde , welches den Streit des Achill und Agamemnon ^) , ein anderes, welches einen Zweikampf, vermuthlich den zwischen Achill und Hektor, darstellt *] , endlich das Fragment, auf welchem ein Hoplit ersichtlich ist, der von einer vorwärts sprengenden Biga herabstürzt &) , deutlich dieselben Vorzüge. Die Figur des zürnenden Achill , der, die Rechte an dem Griffe des Schwertes, heftig auf Agamemnon zuschreitet, und die des muthmaasslichen Achill auf dem an zweiter Stelle erwähn- ten Bilde, der mit erhobenem Schilde und gezücktem Speere aus- fällt , erscheinen nach Auffassung und Bewegung dem berühmten vorwärts stürmenden Hopliten des Theon ^j nahe verwandt. Mag die Figur des Achill in der Zeichnung bei Steinbüchel, die offen- bar erst , nachdem das Original beträchtlich verblasst war , und dann auch nur in flüchtiger Weise ausgeführt ist, weniger be- deutend erscheinen, so treten die Vorzüge, welche der Erfindung dieser Gestalt eigenthümlich sind , die grossartige Auffassung des Zorns und die Gewalt der Bewegung , auf das Glänzendste in der wundervoll ausgeführten , aber leider ebenfalls sehr beschädigten Replik hervor, die in der Casa dei Dioscuri") entdeckt wurde. Ausserdem stimmt mit der Zuinickführung dieser Composition auf einen berühmten Meister wie Theon die Thatsache, dass die wesentlichen Motive derselben öfters und auch auf einem Denkmal wiederkehren , das ausserhalb der campanischen Städte gefunden 1) Plin. XXXV 144. lieber die Identität des Theon und Theoros s! Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. II p. 255 und Ann. dell' Inst. 1865 p. 239 ff. 2) Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. II p. 252 ff. 3) Steinbüchel, Atlas Taf. VIIIB 1. Heibig N. 1306. 4) Steinbüchel a. a. 0. Taf. VIIIB 2. N. 266. 5) Steinbüchel a. a. 0. Taf. VIIID 1. Heibig N. 1324, vgl. Nach- träge p. 462. 6) Aelian. var. bist. II 44 : b~\[rrfi iarh i-/ßoif]&(»v . . . ivapYwi oe xal zav'j d%9'j[i(u; 6 veavia? ä'oixcv öpixtüvti cl; rrjv (Ji.ay7]v. xat ei7:e; ov auTov Iv&o'joiäv warsp i^ "Ap^o; [xavEv-a. ^op^öv jaev aüxüi ßXeroustv ol 6cp&aX[A0i, xa hk orXa äpTtdEaa; sotxsv in roSwv eyst iizi to'j; roXsfjito'j; arretv. TrpoßaXXsxai 5s i^xeü&ev f^ht] xyjv aoTTiSa, •xai y'^H-'^^v dnosisi xo |icpo; ff 3) Vgl. oben Seite 54. 4) Pausan. Villi 31, 2. Auf eine plastische Gruppe scheint auch die den Telephosknaben säugende Hindin auf Münzen von Capua zu- rückzugehen : Friedlaen 1er , osk. Münzen Taf III n. 19, 20 p. 13- Carelli, num. Ital. vet. LXVIIII 14. j 56 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. der Technik und selbst der Qualität des Marmors genau den per- gamenischen Barbarenstatuen '; . Die campanischen Wandgemälde, welche diis Marsyasurtheil darstellen , weichen zwar in der Be- handlung der einzelnen Motive von den aus der Gruppe erhaltenen Statuen ab ; dagegen verräth die Auffassung und die Charak- teristik der Barbarentypen hier wie dort einen merkwürdig ent- sprechenden Geist. Diese Erscheinung führt zu der Yermuthung, dass irgendwelche Beziehung zwischen dem Statuencyklus und deij Wandgemälden obwaltet, dass die Erfindung der Malereien auf derselben Grundlage stattfand, wie die der Statuen. Mehrere Wandbilder, welche darstellen, wie Cheiron den Achill im Kitharspiel unterrichtet 2] , reproduciren offenbar eine Marmorgruppc , tlie sich zur Zeit des Plinius in Rom in den Septa befand 3) . Piinius sagt , dass der Meister derselben un- bekannt war. Doch ergiebt sich aus dem Zusammenhange , in welchem er die Gruppe aufführt , dass sie als ein Product acht griechischer Kunst galt. Untersuchen wir, um die Entstehungs- zeit derselben zu bestimmen, die beste Replik dieser Composition, das vortrefflich durchgeführte herculaner Gemälde, so weist der Typus des Cheiron , welclier ein verwandtes Formenprincip wie ein beim Mausoleum gefundener Kopf und wie der Herakles Stein- häuser verräth 4), deutlich auf Einflüsse der zweiten attischen Schule hin. Ausserdem haben wir zu berücksichtigen, dass Plinius zugleich mit der Gruppe des Cheiron und Achill eine andere, welche Pan und Olympos darstellte , als in »den Septa befindlich anführt. Man hat vermuthet, dass diese beiden Kunstwerke als Gegenstücke geai-beitet waren, und das letztere mit der in mehre- ren Repliken erhaltenen Gruppe identificirt, welche Pan darstellt, wie er einen zarten Jüngling im Syrinxspiel unterrichtet '^] . In der That erscheinen die beiden Gruppen nach Inhalt, wie nach Anordnung als Gegenstücke und ist der Contrast zwischen dem ernsten Cheiron und dem trotzigen Heroenknaben einerseits und dem lüsterneu Pan und dem zärtlichen, schelmisch blickenden Jüngling andererseits ganz in dem Geiste der griechischen Kunst der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Erkennen wir aber diese Vermuthung als richtig an , so ergiebt sich aus dem Cha- rakter der letzteren Gruppe, dass die beiden Gegenstücke schwer- lich vor der Zeit Alexanders des Grossen erfunden sein können; 1) Vgl. Bursian, Allg. Eneyclopädie Sect. I B. S2 p 482. Over- beck, Gesch. d. Plastik 11^ p. 202. 2) N. 1291 flf. 3; Plin. XXXVI 29. 4) Vfrl. Bull, dell' Inst. 1872 p. 67 ff. 5) Vgl. Friedericlis. Bausteine n. 654 p. 379. XVI. Chronologisch bestimmte Corapositionen. 157 deun ein Kunstwerk, welches eine schlüpfrige Richtung verräth, wie die Gruppe des Pan und Olympos, ist in der älteren Epoche nicht nachweisbar. Eine der in der campanischen Wandmalerei am Häufigsten wie- derkehrenden Corapositionen ist die, welche darstellt, wieAriadne, nachdem sie von Theseus auf Naxos zurückgelassen worden ist, dem enteilenden Schiffe desselben nachsieht^). In dem 64. Ge- dichte des Catuli wird der Teppich, der das Hochzeitsbett des Peleus und der Thetis bedeckt, und als Muster desselben eine ganz entsprechende Composition beschrieben. Mag auch die Ver- muthung Rieses ^j, dass dieses Gedicht aus Kallimachos überse:zt sei, nicht hinlänglich begründet sein, so ist die Annahme, dass CatuU ein alexandrinisches Product im Ganzen genau wiedergiebt, über jeden Zweifel erhaben. Der alexandrinische Dichter also, den Catuil übersetzt oder nachahmt, kannte bereits die in der Wandmalerei reproducirte Composition. Vor der Zeit Alexanders des Grossen kann die Entstehung derselben wegen der sentimen- talen Richtung, die darin den Grundton bildet, kaum angesetzt werden. Somit haben wir die Erfindung dieser Composition ent- weder der Alexander- oder der daran anknüpfenden Diadochen- periode zuzuschreiben. Schliesslich haben wir noch einiger Motive der Wandbilder zu gedenken , deren ürsprnngszeit sich nicht genau bestimmen, von denen es sich aber nachweisen lässt, dass ihre Erfindung eine beträchtliche Spanne Zeit vor die Ausführung der campanischen Wandmalereien fällt. Das bekannte Motiv des schlafenden En- dymion'), dessen Reminiscenz auch eine Schilderung des Lucian^) bestimmte, war sicher bereits im letzten Jahrhundert der Republik ausgebildet ; denn es findet sich auf dem Denar eines Münz- meisters dieser Epoche , des L . Buca ^) . Ferner war das Motiv *r 1) N. 1222 flf. 2) Rhein. Mus. XXI (1^66) p. 498 ff. 3) N. 951 ff. 4) Dial. deor. XI 2. Vgl. Blümner, arch. Stud. zu Lucian p. 72. 5) Ueber die Zeit des L. Buca s.Borghesi oeuvres I p.-i 25, Mommsen, Gesch d. röm. Münzw. p. 647 und die Uebersetzung des Duo de Blacas II p. 523. Die Abbildung des Denar ßei Cohen, descr. des monn. de la re- publique pl. I n. 11 (vgl. p. 10 n. 12 und p.l4) und in den Denkm. d. a. K. II 16, 1781» ist ungenau-, auch fassen meines Erachtens Borghesi und Cavedoni Ann. dell' Inst. 1^54 p. 62) die auf dem Reverse dargestellte Handlung falsch auf. Ich beschreibe dieselbe nach einem vortrefflich erhaltenen Exemplare, welches sich im Besitze Herrn Martinet is be- findet: Am Boden schläft auf einer zottigen Unterlage ein Jürgling, von den Hüften abwärts mit einem Gewände bedeckt, den linken Arm über das Haupt legend. Dem Jüngling gegenüber befindet sich , an- scheinend auf einem Felsen sitzend , eine weibliche Gestalt , mit der 158 D<^i' Hellenismus und die canipanische Wandmalerei des Odysseus , welches auf einem Wandgemälde vorkommt, das die Begegnung des Helden mit Penelope darstellt '; , bereits den Steinmetzen etruskischer Urnen bekannt 2] . Dasselbe gilt von der Composition der Alexanderschlaclit ; ein Auszug aus derselben findet sich, wie bereits im dritten Abschnitte bemerkt wurde, auf einer Reihe peruginer Urnen •*) . Wenn , wie in der Regel ange- nommen wird, die Fabrik der etruskischen Urnen im Wesent- lichen gegen Ende der Republik aufhörte , so ergiebt sich, dass diese Motive bereits ungefähr drei Meuschenalter vor der Aus- führung der campanischeu Wandmalereien geläufig waren. Zwar hat man noch verschiedene andere Wandgemälde mit berühmten Gemälden, von denen PHnius berichtet, in Verbindung zu bringen versucht. Bei den Bildern , welche darstellen , wie Satyrn oder Pane schlafenden Bakchantinnen nachstellen , ist an die »nobilis Bacchas obreptantibus Satyris« des Nikomachos ge- dacht worden ') . Hinsichtlich der beiden Compositionen, welche Achill auf Skyros darstellen, könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht eine derselben auf ein Gemälde des Athenion zurückgeht, welches denselben Gegenstand behandelte ^) . Angesichts des grossen Wandbildes, welches die Befreiung der Hesione dar- stellt , wird einer oder der andere Archäolog sich erinnern , dass Antiphilos eine berühmte Hesione malte , die sich nachmals zu Mondsichel über der Stirn, offenbar Selene. Sie hält mit der Rechten ein Gewand , welches in bogenartigen Schwingungen über ihrem Haupte flattert. Ihr zugewendet, zu Häupten des Schlafenden, steht eine geflügelte , mit langem Chiton bekleidete Figur , welche mit der Rechten einen kurzen Stab , wie drohend , gegen Selene erhebt und mit der Linken eine offenbar abwehrende Geberde macht Ohne Zweifel bezieht sich diese Darstellung auf den Mythos von Endymion und Selene. Die an letzter Stelle beschriebene Figur ist vermuthiich Hypnos (vgl. Heibig N. 956), welcher die Göttin, die den Schlaf des Jünglings zu stören geneigt ist, mit erhobenem Stabe zurückschencht. Die etwas unklare Anordnung der Gestalt der Selene , welche auf an- !(£y.,.3/.^ deren Denkmälern zu Endymion herabschwebt oder auf ihn zu- W,,,v ^/ . rschreitet, ist vermuthiich nur aus dem Streben des Stempelschneiders, I //" ' den runden Raum auszufüllen , abzuleiten. 1) N. 1332. 2) Brunn, ril. delle urne etrusche I Taf. XCIX 1. Vgl. Conze, Zeitschr. für östr. Gymnas. 1870 p. 87(5, 1871 p. 822. 3) Siehe oben Seite 44. Auch die Figur des reitenden Troilos auf einem Wandgemälde (Arch. Zeit 1870 Taf. 36 n. I) erinnert an die Darstellung dieses Jünglings, wie sie auf Urnen vorkommt (s. nament- lich Brunn , ril. delle urne I Täf. L 5) ; doch ist die Uebereinstimmung nicht bezeichnend genug, um mit Nothwendigkeit auf ein gemeinsames Original schiiessen zu lassen. 4) N. 542 ff 559 ff. : Plin. XXXV 109. 5) N. 1296 ff. : Plin. XXXV 134. XYI. Chronologisch bestimmte Compositionen. 159 Rom in der Porticus der Octavia befand ' . Das pompeianische Gemälde, welches ein Stieropfer darstellt, steht vielleicht zu einer berühmten Composition des Pausias oder dessen Schüler Aristolaos in Bezug 2) . Doch sind alle diese Vermuthungen zu vager Natur, als dass sie gegenwärtig , wo es darauf ankommt , eine feste Grundlage für die Untersuchung zu gewinnen, berücksichtigt werden dürften. Ziehen wir aus den vorhergehenden Untersuchungen die chro- nologischen Resultate, so war Nikias zur Zeit Alexanders des Grossen und noch nach dessen Tode thätig. Theon kennen wir als Zeitgenossen des Demetrios Poliorketes und des Epikur. Auf ungefähr dieselbe Epoche weisen die Alexanderschlacht, die Gruppe des Cheiron und Achill, die trauernde Ariadne aufNaxos hin. Von Artemon wissen wir, dass er eine Königin Stratonike malte ^) . Wie- wohl es nicht sicher ist , dass dieselbe die berühmteste Fürstin dieses Namens war, die Tochter des Demetrios Poliorketes, welche Seleukos Nikator geheirathet hatte und später seinem Sohne Anti- ochos Seta als Gemahlin abtrat, so deutet doch der Name ent- schieden auf die Seleukidendynastie und ist demnach Artemon als ein Maler der Diadocheuperiode zu betrachten. Dass auch Timo- machos dieser Epoche angehört , ist durch Welcker ^) , Brunn '^'j und Dilthey ^) hinreichend festgestellt. Ohne die Frage nach der Chronologie dieses Künstlers einer erneuten Revision zu unter- ziehen , begnüge ich mich , gegenwärtig nur einen bisher über- sehenen Gesichtspunkt hervorzuheben , der die Untersuchungen jener Gelehrten ergänzt. Cicero^) giebt an, dass die Kyzikener zu seiner Zeit zwei Gemälde, welche Aias und Medeia darstellten, als den Stolz ihrer Stadt betrachteten. Welcker und Brunn haben dieselben mit vollem Rechte mit den Bildern des Timomachos identificirt, welche, wie Plinius ^) berichtet, von Caesar erworben und im Tempel der Venus Genetrix aufgestellt wurden. Wenn derselbe Plinius'^) au einer anderen Stelle schreibt, Aprippa habe von den Kyzikenern zwei Gemälde, eines des Aias und ein anderes der Venus, gekauft, so hat bereits Welcker 'oj den Verdacht aus- 1) N. 11S2: Plin. XXXV 114. 2) N. 1411 : Plin. XXXV 126, 137. 3) Plin. XXXV 1 39. 4) Kl. Schriften III p. 457 ff. 5) Gesch. d. gr. Künstl. II p. 276 ff. 6) Ann. dell' Inst 1869 p. 57 ff. 7) In Verr. IV 60, 135. 8) XXXV 136. 9) XXXV 26. 10) Kl. Schriften III p. 458. 160 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. gesprochen, es möchte dem Schriftsteller aus dem Vorhergehenden in templo Veneris eine Venus statt einer Medeia in die Feder geflossen sein. Diese an und für sich nahe liegende Vermuthung wird durch den genaueren Vergleich der beiden Stellen des Plinius bestätigt. Doch ergiebt sich hierbei zugleich die Wahrscheinlich- keit, dass Plinius irrte, wenn er die Erwerbungen des Caesar und des Agrippa als zwei verschiedene Thatsachen betrachtete, und es somit nicht nöthig ist , mit Welcker bei einem der beiden An- käufe an Ateliercopien zu denken. Plinius giebt nämlich an, dass Caesar für den Aias und die Medeia des Timomachos SO Talente, dass Agrippa für die kyzikener Gemälde, den Aias und die an- gebliche Venus, 1200000 Sestertien zahlte. 80 Talente sind aber gleich 1200000 Sestertien. Also hätte sowohl Caesar wie Agrippa denselben Kaufpreis erlegt. Der Zufall, dass zwei derselben Epoche angehörige Personen für zwei Gemälde genau denselben Preis zahlen , ist gewiss sehr auffällig. Noch bedenk- licher aber erscheint dieses Zusammentreffen, wenn wir in Betracht ziehen, dass der Ankauf, falls die Vermuthung über die Identität der von Cicero erwähnten kyzikenischen Gemälde und der von Caesar gekauften Bilder des Timomachos richtig ist, beide Male in Kyzikos erfulgte , dass ausserdem gegründeter Verdacht vor- liegt , dass es sich bei beiden Ankäufen um zwei Gemälde des- selben Gegenstandes handelte. Unter solchen Umständen ist es gewiss nicht zu gewagt, an der Genauigkeit der Angaben des Plinius zu zweifeln und anzunehmen , dass er zwei verschiedene Berichte über die Aquisition der kyzikenischen Gemälde las und desshalb zwei Ankäufe voraussetzte , während in der That lUir einer stattfand. Man kann sich diesen Irrthum ganz gut so er- klären, dass der kunstsinnige Agrippa, der dem jungen Octavian nahe stand, mit demselben in ApoUonia studirte und somit gewiss auch Beziehungen zu Caesar hatte , die Gemälde für Caesar an- kaufte, dass demnach in einem Berichte Caesar, in einem anderen Agrippa als Käufer angegeben war. Der eine dieser Berichte scheint, nach der Bezeichnung des Preises in Talenten zu schliessen, ein griechischer, der andere, der die Summe auf Sestertien redu- cirt, ein lateinischer gewesen zu sein. Jedenfalls werden durch diese Vermuthung die Angabe des Cicero und die beiden Stellen des Plinius in vollkommensten Einklang gebracht. Die künstlerische Thätigkeit in Pergamos , deren wir bei Be- trachtung der Telephoscomposition gedachten', ist so eng mit der Dynastie des Philetairos verknüpft, dass sie keineswegs vor die Erhebung dieser Dynastie und schwerlich nach dem Ende derselben XVI. Chronologisch bestimmte Compositionen. 161 (133 V. Chr.) angesetzt werden darf). Wenn die Gruppe der den Telephos sängenden Hirschkuh , die sich auf capuanischen Münzen findet 2), auf ein pergamenisches Original zurückgeht, dann würde sich ergeben , dass der Telephosmythos in Pergamos bereits vor dem Jahre 211 v. Chr. künstlerisch behandelt wurde; denn in diesem Jahre hörte mit der Zerstörung der Stadt die capuanische Prägung auf. , Wo sich also überhaupt Etwas feststellen oder vermuthen lässt über die Erfindungsepoche der von den Wandmalern repro- ducirten mythologischen Compositionen, werden wir auf die Zeit Alexanders des Grossen und der Diadochen hingewiesen. Doch müssen wir, nachdem wir uns in dieser Weise ausge- sprochen, sogleich zweier Compositionen gedenken, über die bei flüchtiger Betrachtung anders geurtheilt werden könnte. Es ist dies die Composition , welche Eroten schildert, wie sie die Vesta- lia feiern 3) , und die , welche den Tod der Sophoniba darstellt 4) . Da die erstere ein ausschliesslich latinisches Fest, die letztere ein Ereigniss aus der römischen Kriegsgeschichte behandelt , so versteht es sich , dass sie beide in römischer Epoche und auf italischem Boden erfunden sind. Für das Sophonibabild ergiebt sich als bestimmter Terminus a quo das Jahr 203 v. Chr . , in welchem der Tod der Gattin des Syphax erfolgte. Jedoch nöthigt nichts zu der Annahme, dass die beiden Compositionen erst in der Kaiserzeit erfunden worden seien. Vielmehr ist es bekannt, dass die griechische Kunst bereits mindestens zwei Jahrhunderte früher im Dienste der Römer römische Stofl'e behandelte ^) . Angesichts der die Vestalia feiernden Eroten sind wir im Besonderen berech- tigt, an das bereits erwähnte Gemälde des Simos za erinnern, welches die Feier des Quinquatrus in einer Walkerwerkstätte darstellte ^) . Wenn die Angabe des Plinius über den Inhalt dieses Bildes genau und eine Vermuthung Brunns richtig ist , der den Maler Simos mit einem gleichnamigen Bildhauer identificirt, wel- cher spätestens im 3 . Jahrhundert v. Chr. auf Rhodos thätig war, dann würden wir bereits mindestens zwei Jahrhunderte vor der Kaiserzeit einem Gemälde begegnen , welches , wie es auf den 11 Ueber die Chronologie der Meister der Gallierschlachten vgl. Urlichs, Jahns Jahrb. 69 p. 383 ff. Brunn, Ann. dell' Inst. 1870 p. 322 ff. 2) Friedlaender, osk. Münzen Taf. III n. 19, 20 p. 13 Carelli, mim. Ital. vet. LXVIIII 14. 3) Heibig N. 777. 4) N. 1385. 5) Vgl. oben S. 5. 6) Plin. XXXV 143. Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. I p. 467 ff. Arch. Zeit. 1854 p. 191. Heibig, Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. U 162 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. pompeiauischen Wandgemälden der Fall ist, ein italisches Fest behandelte. Hinsichtlich des Sophonibabildes führt der unbefangene Ver- gleich desselben mit den sonstigen aus der antiken Eunst er- haltenen historischen Darstellungen mit hinreichender Sicherheit zu der Annahme, dass seine Erfindung in eine von der Kaiserzeit beträchtlich fern liegende Epoche fällt. Vermöge seiner acht dramatischen Auffassung und der künstlerischen Anordnung der Composition unterscheidet sich dieses Bild wesentlich von der chronikenartigen Vortragsweise , welche den historischen Reliefs der Kaiserzeit eigeuthümlich ist. Vielmehr verräth dasselbe unter den erhaltenen Denkmälern, wie bereits 0. Jahn^) nach- drücklich hervorgehoben hat, die grösste Verwandtschaft mit dem Mosaik der Alexanderschlacht. Wenn nun die letztere Compo- sition als eine Schöpfung der an die Alexanderepoche anknüpfen- den Entwickelung betrachtet werden darf^^, so ergiebt sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Ei-findung des Sophonibabildes auch chronologisch der Epoche , welche die Alexanderschlacht in das Leben rief , näher steht, als der Kaiserzeit. Da es ferner be- kannt ist , dass die griechische Kunst bereits im 2 . Jahrhundert V. Chr. den Bilderschmuck römischer Triumphe herstellte 3) , so liegt die Vermuthung nahe, dass das Original des Sophonibabildes unter dem unmittelbaren Eindruck des afrikanischen Feldzugs des Scipio entstand und etwa bei dem Triumphe dieses Feldherrn vor- übergetragen oder zu bleibender Erinnerung in einem Tempel geweiht wurde 4) . Wenn aber dieses Bild , wofür alle Wahl- schein lichkeit spricht, eine verhältnissmässig frühe Leistung der nach Italien übertragenen historischen Kunst des Hellenismus ist, dann gehört es einer Entwickelung an, welche geistig und zeitlich in engem Zusammenhang steht mit der, auf welche wir durch die bisherige Untersuchung hingewiesen wurden. Die Annahme , dass die Wandbilder auf Originale der an die Alexanderepoche anknüpfenden Malerei zurückgehen, wird durch eine Erscheinung bestätigt , auf die wir bereits hingedeutet. Die Thatsache, dass die Dichtung der Kaiserzeit, in so weit sie 1) Der Tod der Sophoniba p. 14. 2) Y'^l. oben Seite 44. 3) Vgl. oben Seite 5. 4) Die Malereien, mit welchen die Triumphe ausgestattet wurden, schilderten nicht nur Schlachten. Ein Gemäkle , dessen Darstellung der des Sophonibabildes verwandt war , wurde bei dem Triumphe des Porapeius über Mithradates einhergetragen. Es stellte den be- siegten König dar, wie er sich in Mitten seines Harems den Tod giebt. S. Appian, Mithridat. § 117. XVI. Chronologisch bestimmte Compositionen. 163 mythologische Stoflfe behandelt, in der Gestaltung derselben mehr oder minder durch die alexandriuische bedingt wurde , ist allgemein anerkannt. Wir werden in den folgenden Abschnitten eine beträchtliche Menge von Motiven der alexandrinischen Poesie kennen lernen , die , mit grösseren oder geringeren Modifica- tionen, bald erweitert und bald verkürzt, bis in die späteste Kaiserzeit hinein wiederholt wurden. Wie immer der mytho- logische Stoff von den Dichtern der Kaiserzeit gestaltet sein mag, stets ist die Frage berechtigt, die wir diesem Buche als Motto gegeben hatten. Wenn aber auf diesem Gebiete die Dauer der Ueberlieferung und die Abhängigkeit der späteren Leistungen von den älteren bestimmt nachweisbar sind, dann ist es unmethodisch bei der Malerei , weil hier die Ueberlieferung weniger vollständig ist, weil sich vor allen Dingen keine Originale aus der Diadochen- periode erhalten haben, einen verschiedenen Gang der Entwicke- lung vorauszusetzen. Ja, wenn wir den Stolz, mit dem die Kaiser- zeit auf ihre poetischen Leistungen blickt, und die Bescheiden- heit oder gar Geringschätzung vergleichen, mit der sie sich über die gleichzeitige bildende Kunst und im Besonderen die Malerei äussert, dann sind wir berechtigt einen Schritt weiter zu gehen und zu behaupten , dass diese Abhängigkeit auf dem Gebiete der Malerei in noch weiterem Umfange maassgebend war, als auf dem der Dichtung. Ehe wir unsere Untersuchung weiterführen , haben wir noch einige Einwände zu beseitigen , die voreilig gegen das bisherige Resultat erhoben werden könnten. Wenn, wie wir annehmen, die Wandgemälde idealer Richtung vorwiegend auf Originale aus der Diadochenperiode zurückgehen , so könnte Jemand die Frage aufwerfen , warum die Zahl der Compositionen , die sich auf be- stimmte Meister aus jener Epoche zurückführen lassen, verhält- nissmässig so beschränkt ist. Als Erwiderung auf diese Frage gebe ich zu bedenken , wie wenig die uns zugekommene Ueber- lieferung über die hellenistische Malerei überhaupt und im Be- sonderen über die damaligen Cabinetsbilder berichtet, welche aus begreiflichen Gründen bei dieser Untersuchung an erster Stelle zu berücksichtigen sind. Die kunstgeschichtliche Grundlage , auf welcher die späteren Schriftsteller bis auf Plinius weiterbauten, wurde im W^esentlichen in der Zeit nach Alexander dem Grossen ausgebildet. Damals entstand die Litteratur, welche sich mit der Geschichte der Künstler beschäftigte , und die , welche darauf ausging , Kunst- werke zu beschreiben und zu erläutern. Duris von Samos, Xeno- krates, Antigonos, Polemon, Heliodoros, die die Geschichte der Maler oder der Malerei schrieben oder Gemälde , welche an be- ll* ] 64 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. stimmten Orten angesammelt waren , registrirten , gehören der Diadochenperiode an ') . Da die gleichzeitige Production , mit dem Maasse der Schöpfungen der Blüthezeit gemessen , weniger bedeutend erschien , so lag es in der Natur der Sache , dass sich das Interesse dieser Schriftsteller vorzugsweise der abgelaufenen Kunstentwickelung zuwendete und dass sie aus der Malerei ihrer Periode höchstens die hervorragendsten und gewissermaassen monumentalen Leistungen hervorhoben. Hieraus ist offenbar die spärliche Kenntniss , welche der Nachwelt über die Malerei der Diadochenperiode übermittelt wurde, zu erklären. Nur einige Maler, welche im Anfange dieser Periode blühten und zum Theil noch Zeitgenossen Alexanders gewesen waren, treten in der Ueber- lieferung als individuelle Gestalten hervor. Weiterhin begegnen wir kaum mehr als Namen von Malern und Titeln einzelner Ge- mälde. Wenn uns ausnahmsweise über Timomachos etwas reich- lichere Kunde zugekommen ist, so verdanken wir dies offenbar dem zufälligen Umstände , dass seine Medeia und sein Aias um theueren Preis von Caesar oder Agrippa erworben und zu Rom an einem öffentlichen Orte ausgestellt waren. Dass es mit der schriftlichen Ueberlieferung auch über diesen Künstler schwach bestellt war , ergiebt sich deutlich aus dem Irrthume des Plinius über die Epoche desselben. Uebrigens tritt dieselbe Erscheinung auch in der Geschichte der Plastik hervor. Plinius 2] überrascht uns sogar mit der merk- würdigen Angabe, diese Kunst habe nach der 121. Olympiade (296— 293 V. Chr.) aufgehört und sei erst um Ol. 156 (156—153 V. Chr.) zu neuem Leben erstanden. Offenbar lagen dem Plinius über die an erstere Olympiade anknüpfende Entwickelung der Sculptur keine zusammenhängenden kunsthistorischen Arbeiten zum Excerpiren vor. Wenn er ein Wiederaufleben dieser Kunst um Ol. 156 annimmt, so weist Brunn'') richtig darauf hin, dass um diese Zeit Metellus Macedonicus seine Bauten in Angriff nahm. Der vielseitigen Thätigkeit, welche bei deren Ausschmückung verschiedene Bildhauer der neuattischen Schule entfalteten, konnte sich das Auge der Römer unmöglich verschliessen, Floss aber die Ueberlieferung selbst über die bedeutenderen Leistungen der hellenistischen Malerei nur spärlich, so werden wir dies in noch höherem Grade hinsichtlich der Cabinetsbilder vorauszusetzen haben. Schon der Umstand , dass sich dieselben 1) Vgl. hierüber Brieger, de fontibus llbr. Plin. quatenus ad artem pertinent p. 9 fF. 2 XXXIV 52. 3) Gesch. d. gr. Künstl. I p. 539. XVI. Chronologisch bestimmte Compositionen. 165 meist im Privatbesitze befanden, musste einer eingehenderen Würdigung dieser Gattung Schwierigkeiten bereiten. Die Kunstschriftstellerei der Diadochenperiode konnte daher kaum mehr thun , als die wesentlichen Richtungen der gleichzeitigen Cabinetsmalerei und ihre namhaftesten Vertreter notiren. Die grosse Masse dieser Maler wird , wie es zu allen Zeiten der Fall gewesen ist , baldigst vergessen worden sein. Dass die Kunst- forscher der römischen Epoche , wie Pasiteles und Varro, welche die hauptsächlichsten Gewährsmänner des Plinius waren, der Cabinetsmalerei der vorhergegangenen Generationen besondere Aufmerksamkeit schenkten, ist wenig glaublich. Bei dem Mangel an gleichzeitigen Quellen konnte der Versuch, in die auf diesem Gebiete herrschende Anonymität Licht zu bringen, kaum der Mühe verlohnen. Unter solchen Umständen ist es gewiss begreif- lich , dass Plinius über die hellenistische Cabinetsmalerei nur wenige und sehr oberflächliche Notizen mittheilt , die nicht aus- reichen, um die Entwickelung dieser Gattung in den Hauptzügen, geschweige denn den Zusammenhang derselben mit den einzelnen erhaltenen Wandgemälden zu beurtheilen. Ein weiterer Emwand gegen unsere Auffassung könnte aus dem Gebiete der Vasenmalerei erhoben werden. Die späteren Stadien dieser Kunstindustrie fallen in die Diadochenperiode, also gerade in die Zeit, in welcher wir den Ursprung der Originale der Wandbilder annehmen. Vergleichen wir die hierbei in Betracht kommenden Vasendarstellungen mit den Wandgemälden, so stimmt, wie in den späteren Abschnitten nachgewiesen werden wird, der in den beiden Gattungen herrschende Geist auf das Deutlichste überein. Die Richtungen, welche wir innerhalb der letzteren unterschieden haben, treten auch in den jüngeren Stadien der Vasenmalerei — von dem sogenannten neuattischen St^^le ab- wärts — hervor. Auch in der Wahl des Moments, welcher aus dem Mythos herausgegriffen und zur Darstellung gebracht wird, gewahren wir Berührungspunkte. Dagegen sind, wenn der- selbe Stoff in den beiden Gattungen zur Behandlung kommt, die Anordnung der Bestandtheile und die Gestaltung der Mo- tive stets beträchtlich verschieden und lässt sich nirgends mit Bestimmtheit nachweisen, dass ein Vasengemälde und ein Wand- bild auf dasselbe Original zurückgehen. Doch spricht diese Er- scheinung keineswegs gegen die Zurückführung der Wandbilder auf die hellenistische Tafelmalerei. Vielmehr erklärt sie sich hin- länglich aus dem Verhältnisse , wie es sich naturgemässer Weise zwischen der Vasenzeichnung und dem entwickelten Tafelbilde gestalten musste. Lediglich die monumentale Wandmalerei der polygnotischen Schule scheint unmittelbar auf die Vasenmaler 1 66 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. gewirkt und dieselben in weiterem Umfange zur Reproduction an- geregt zu haben. Da diese Malerei nur mit Umrissen undLocaltönen operirte , so konnten die Gefässzeichner mit ihren beschränkten Mitteln ohne erhebliche Schwierigkeit einen Auszug aus derselben geben. Daher begegnen wir auf Gefässen mit rothen Figuren strengen Styls öfters Darstellungen, welche dieselben Gegenstände behandeln, wie die polygnotischen Fresken, und die mit dem Be- griffe übereinstimmen, den wir uns von dem Kunstcharakter dieser Schule zu bilden berechtigt sind i) . Ganz anders dagegen musste sich das Verhältniss der Vasenmalerei zu dem Tafelbilde gestalten , welches nach Abblühen der polygnotischen Schule in den Vordergrund der Kunstentwickelung tritt. Seitdem dasselbe durch die Abstufungen von Licht und Schatten , durch die Aus- bildung der perspectivischen Wirkungen , durch eine auf Illusion ausgehende Charakteristik ein neues Princip der Darstellung aus- gebildet hatte, waren die kunstmässige Malerei und die Vasenzeich- nung durch eine unübersteigliche Kluft geschieden, die auch dadurch, dass die letztere in den späteren Stadien durch die Anwendung der Vergoldung und die Ausbildung verschiedener polychromer Manieren die Darstellungsmittel zu erweitern trach- tete, nicht ausgeglichen werden konnte. Wollte ein Vasenmaler ein Tafelbild in einer den Bedingungen seiner Technik ent- sprechenden und klaren Weise reproduciren , so musste er die Composition desselben vollständig umgestalten, sie einem ver- schiedenen Räume anpassen , Motive , welche dort perspectivisch angeordnet waren , entweder neben einander stellen oder auf die Schilderung der ferner liegenden verzichten , und konnte er im günstigsten Falle nur einen sehr dürftigen und vielfach modificirten Auszug seiner Vorlage geben. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, dass, wenn ein Vaseumaler unter dem Eindrucke eines Tafelbildes der fortgeschrittenen Entwickelung arbeitete, der Bestand der Composition auf dem Gefässe ein wesentlich ver- schiedener wurde. Vor der Hand beschränke ich mich auf diesen flüchtigen Hinweis. Wir werden auf das Verhältniss der Wand- 1) Vgl. Klügmann, Ann. dell' Inst. 1S67 p. 221 ff. Von besonderer Wichtigkeit ist in dieser Hinsicht eine von den Gebrüdern Bocca nera in einem caeretaner Grube gefundene Schale des Euphronios. Das Innenbild derselben stellt in grossartiger Zeichnung den von Polygnot oder Mikon im Theseion zu Athen geraalten Mythos dar, wie Theseus zur Amphitrite in das Meer hinabtaucht (Pausan. 117 3. Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. KUnstl. I p. 2.i;. Hoffentlich gelingt es mir noch die Schwierigkeiten zu überwinden, die der Veröffentlichung dieses wichtigen Denkmals im Wege stehen. Eine kurze Beschreibung der Schale hat tmterdess de Witte im Bull, dell' Inst. .1872 p. 190 ff. ge- geben. XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. J67 bilder zu der späteren Vasenmalerei noch öfters und namentlich im zwanzigsten Abschnitte zurückkommen. Die Erscheinungen innerhalb der Wandbilder idealer Richtung, welche sich vermöge äusserer Merkmale, Zeugnisse der Ueber- lieferung oder Combinationen aus derselben, auf Originale der Alexander- oder Diadochenperiode zurückführen lassen, haben wir in diesem Abschnitte erschöpft. Es bleibt uns nun noch übrig nachzuweisen , wie die Gesammtmasse dieser Bilder hinsichtlich der Stoffe, der Art der Auffassung, der verschiedenen Richtungen, die darin hervortreten , allenthalben den Stempel jener Periode trägt, wie sie sich in organischer Weise in die Kunstentwickelung derselben einreihen lässt. Gelingt es, diesen Nachweis zu führen, dann sind wir berechtigt anzunehmen, dass diese Compositionen damals und nicht erst in römischer Epoche erfunden sind. Aller- dings bedingen die Culturfactoren , welche wir als in der Dia- dochenperiode maassgebend nachweisen werden, grösstentheils auch die spätere römische Civilisation , welche im Grunde nichts weiter ist als eine Fortsetzung der hellenistischen. Doch hat man angesichts der Alternative, ob die Compositionen der Wand- bilder durch die ältere oder durch die jüngere Entwickelung in das Leben gerufen sind, die Thatsache festzuhalten, dass das Erfindungsvermögen auf dem Gebiete der Malerei seit dem letzten Jahrhundert der Republik ausserordentlich schwach war. Die Erfindung der Wandbilder idealer Richtung dagegen zeugt von einem bedeutenden künstlerischen Talente. Lässt es sich daher nachweisen, dass ein Gedanke, welcher auf Wandbildern eine künstlerisch vollendete Form gefunden hat, in der Diadochen- periode lebendig war, dann spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Form bereits damals , als die Malerei noch original zu schaffen im Stande war, erfunden wurde. XVII. Die äusseren Bedingungen der helleuistischeu Knnst. Das Ideal des Hellenenthums in der Blüthezeit war die Gestalt des Menschen in der vollsten , allseitigsten und zugleich harmo- nischsten Entwickelung seiner moralischen , intellectuellen und physischen Kräfte. Der Unterricht in Musik , Grammatik und Gymnastik , wie er dem freien Griechen in der Jugend zu Theil wurde, die vielseitige Thätigkeit, welche dem Manne die Pflichten gegenüber dem Staate , in der Versammlung und im Felde , auf- 168 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. erlegten, wirkten in diesem Sinne. Der maassvolle Geist, wie er jener Epoche eigenthümlich war, wehrte jeder einseitigen Ent- wickelung und hielt alle Kräfte im Gleichgewichte. So bewegte sich der Hellene in dem ihm vorgezeichneten Kreise vergleichbar einem Werke der Sculptur oder Malerei, welches sich einer archi- tektonischen Räumlichkeit zu fügen hat , jedoch innerhalb und in Folge der durch dieselbe gesetzten Schranken seine vollendetste Entfaltung findet. Schon während der Blüthezeit selbst zeigen sich die ersten Regungen , welche die Zersetzung dieses harmo- nischen Bildungsprincips vorbereiten. Die Auflösung wird mächtig gefördert durch den peloponnesischen Krieg und kommt zum Ab- schluss in der Entwickelung , welche an die Epoche Alexanders des Grossen anknüpft. Damals löste sich das Griechenthum end- gültig von dem heimathlich Beschränkten und durch locale Ver- hältnisse Bedingten. Hierdurch wurde es ermöglicht , dass sein geistiger Inhalt auf den verschiedensten Gebieten der alten Welt Wurzel fasste und eine Menge individueller Culturformen hervor- rief. Dieses kosmopolitisch gewordene Griechenthum nennen wir Hellenismus. So scharf sich übrigens der Hellenismus als Gesammterschei- nung von der älteren Cultur abhebt, so schliesst dies nicht aus, dass eine Menge von Fäden der abgelaufenen Entwickelung in die neue herübergreifen und dass verschiedene Eigenthümlich- keiten der hellenistischen Civilisation bereits früher innerhalb einzelner griechischer Stämme und Staaten vorgebildet sind. Diese Thatsache tritt mit besonderer Deutlichkeit in der Ge- schichte der sicilischen Griechen hervor. Wie die dortigen poli- tischen Verhältnisse in vielen Hinsichten den später in den Dia- dochenreichen vorhandenen verwandt waren, wie vor allen Dingen die Monarchie zu Syrakus mit verhältnissmässig geringen Unter- brechungen Bestand hatte , so zeigt Sicilien auf dem Gebiete der Gesellschaft und der Kunst bereits während des 5. und der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts ähnliche Erscheinungen, wie wir ihnen zur Zeit der Diadochen in Alexandreia und Antiocheia am Orontes begegnen. Auch die Civilisation der griechischen Kolo- nien iu Kleinasien wird bei den engen Beziehungen, in welchen diese Städte zu dem Orient standen, bereits in der Zeit vor Alexan- der gewisse später der hellenistischen Cultur eigenthümliche Elemente vorgebildet haben ; doch lässt sich dieser Sachverhalt bei den dürftigen Spuren der Ueberlieferung mehr ahnen, als in weiterem Umfange beweisen. Jedenfalls aber hatten solche Eigenthümlichkeiten, so lange sie nur innerhalb einzelner Stämme oder Staaten maassgebend blieben , eine beschränkte locale Be- deutung. Culturfactoreu von allgemeinerer Wirksamkeit wurden XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. 169 sie -erst , nachdem sie in den breiten Strom der hellenistischen Entwickelung Eingang gefunden hatten. Betrachten wir zunächst die äusseren Bedingungen , welchen die griechische Kunst seit der Zeit Alexanders des Grossen unter- lag, so treten die alten berühmten Pflegestätten derselben jetzt in den Hintergrund. Die Freistaaten des eigentlichen Griechen- lands waren zu tief gedemüthigt und ihr materieller Wohlstand zu sehr gesunken i) , als dass sie der Kunst ein geeignetes Feld der Thätigkeit bieten konnten. Die bedeutendsten Kräfte wurden somit zunächst von dem makedonischen, später von den Diadocheu- höfen angezogen ; ausserdem entwickelte sich ein reges Kunst- treibe u in dem damals aufblühenden Freistaate Rhodos , welcher durch die Bedeutung seines Handels und durch seine vorsichtige auswärtige Politik in dem gleichzeitigen Staatensystem eine her- vorragende Stellung einnahm. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, dass der Prahler bei Theophrast^) behauptet, die Künstler , welche in Asien arbeiteten , seien bedeutender , als die in Europa. Auch begegnen wir nunmehr verschiedenen Künstlern, welche in den Städten der Diadochenreiche entweder geboren sind oder wenigstens dort Bürgerrecht besitzen. Antiphilos war in Aegypten geboren 3) , Der Landschaftsmaler Demetrios 4) und Polemon werden als Alexandriner, Aristobulos als Syrer be- zeichnet ^i . Die Berührung , in w^elche die griechische Kunst auf asia- tischem Boden mit dem Orient gerieth , war für die Architektur, das Ornament , die Glyptik und gewisse Gattungen der Kunst- industrie von bedeutender Tragweite. Auf diesen Gebieten nahmen die Griechen gegenwärtig eine ganze Reihe asiatischer Motive an — eine Erscheinung , deren Würdigung ich , da sie dem bestimmten Gegenstand unserer Untersuchung ferne liegt, auf eine andere Gelegenheit verschiebe. Dagegen hatten sich die griechische Plastik und Malerei in so eigenthümlich hellenischem Sinne entwickelt und waren zu einem von dem der asiatischen Kunst so verschiedenen Principe gediehen, dass der orientalische Einfluss an ihrem inneren Organismus spurlos vorüberging. Die Berührung mit dem Morgeulande wirkte nur ganz äusserlich auf die Wahl der Stoff'e , die seit der Alexanderepoche öfters aus orientalischem Bereiche entnommen werden. 1) Vgl. Büchsenschütz, Besitz und Erwerb p. 610 flf. 2) Theophr. char. 23. 3) Plin. XXXV 114. 4) Valer. Maxim. VI, 1. Vgl. über diesen Künstler unseren drei- undzwanzigsten Abschnitt. 5) Plin. XXXV 146. 1 70 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Allerdings hatten die Griechen schon früher ein lebhaftes In- teresse für die fremdartige Welt des Orients. Wir besitzen be- stimmte Belege, welche bezeugen, wie sie während der Blüthe- zeit ihrer Kunst , im fünften Jahrhundert , die ornamentalen Fabrikate der Asiaten , eine Gattung , worin das Morgenland zu allen Zeiten dem Abendland überlegen war, zu schätzen wussten. Diese Erscheinung ist um so erklärlicher, da ja noch bis vor Kurzem die griechische Kunstindustrie im Wesentlichen unter asiatischem Einflüsse gestanden hatte und einzelne Fäden dieser älteren Entwickelung vermuthlich bis in die Periode der höch- sten Blüthe herabreichten. Euripides *) beschreibt einen im delphischen Apollotempel befindlichen Vorhang asiatischer Arbeit, in welchem Scenen von Seeschlachten und Reiterjagden eingewebt waren. Aristophanes ^j gedenkt der iTiTraXsxtpuovs? und rpaye- Xacpoi als bekannter Muster modischer Teppiche. Fabrikate dieser Art aus Sardes , welche von dem komischen Dichter Plato ^) er- wähnt werden, und die karthagischen Teppiche und Kopfkissen, welche Hermippos^) rühmt, haben wir uns vermuthlich mit orientalischen Mustern verziert zu denken. Auch wurden bereits damals einzelne morgenländische Kleidungsstücke in Athen Mode. Kratinos ^) lässt den Eteobutaden Lykurgos in einer aegyptischen Kalasiris auftreten. In den Wespen des Aristophanes bekleidet Bdelykleon seinen Vater mit einer in Ekbatana gewebten Kau- nake^). Aristophanes') erwähnt mehrere Male die Ilspaixat, eine Art weiblicher Fussbekleidung. Eine eigenthümliche mit Seitenlaschen und einem den Nacken bedeckenden xa-aßXrjjxa versehene Kopfbedeckung , welcher wir bei einigen Heitern des Parthenonfrieses begegnen , scheint nach dem Vorbilde der per- sischen Kidaris gestaltet ^) . Die Kunst beschäftigte sich mit der Verherrlichung der Siege der Hellenen über die Perser und unter- liess hierbei nicht, die phantastische Pracht des Morgenlandes dem Auge zu vergegenwärtigen. Dieses Streben, welches vermuthlich 1) Jon. 1159 flf. 2, Frösche 937 ff. 3' Athen. II p. 48 B = Meineke frgm. com. II 2 p. 683, 8. 4) Athen. I p. 2S A = Meineke frgm. II 1 p. 408, 23. 5] Schol. Aristoph. Av. 1294 (Meineke fragm. com. gr. II 1 p. 31, 1). Ueber die Beziehungen der Eteobutaden zu Aegypten vgl. Hermes V p. 352. 6j Aristoph. Wespen 1137 ff. 7' Wolken 151, Thesmoph. 734, Ekklesiaz. 319. 8) Michaelis, Parthenon Tafel 9, Platte IV n. 8, Platte VIII n. 15. Tafel 10, Platte I n. 2—4. Tafel 13, Platte XXXV n. 108, Platte XXXVIII n. 117, Platte XXXVIIII n. 120. — In Kroton war der Herold des Prytanen persisch gekleidet : Timaios bei Athen. XII p. 522 C. XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. 171 schon bei der scenischen Ausstattung der Phoinissen des Phry- nichos maassgebeud war, tritt deutlich in den Persern desAischylos und in mehreren Tragödien des Euripides zu Tage ') . Polygnot in dem die Schlacht bei Marathon darstellenden Gemälde 2] und der Künstler des Frieses der Nike apteros 3) charakterisirten die Perser durch die denselben eigenthümliche Tracht. Nichts desto weniger zeigt sich aber, wenn wir diese Entwickelung mit der an die Alexanderepoche anknüpfenden vergleichen , ein bedeutsamer Unterschied. Die ältere Kunst schildert die Orientalen in be- wusstem Gegensatze zu den Hellenen und mit der bestimmten Ab- sicht, die üeberlegenheit der letzteren zu verherrlichen. Davon, dass sie orientalische Stoffe um ihrer selbst willen und ohne Bezug auf Griechenland behandelt hätte , findet sich nicht die geringste Spur. Dies war vielmehr , soweit unsere Kenntniss reicht, erst der Alexanderepoche vorbehalten. Nachdem die Makedonier das Perserreich unterworfen , fielen die Schranken , welche bisher das Abendland und das Morgen- land getrennt hatten. Ein lebendiger Verkehr fand zwischen den beiden Ländern statt. Griechen aus allen Stämmen verbreiteten sich über die neu erschlossenen Gebiete, sei es um sich in daselbst gegründeten Städten niederzulassen, sei es zu vorübergehendem Aufenthalte, um Handelsverbindungen anzuknüpfen, wissenschaft- lichen Untersuchungen obzuliegen, der Abenteuerlust oder dem Wandertriebe zu genügen. Andererseits bereisten auch vornehme Asiaten Griechenland und gaben der dortigen Bevölkerung Ge- legenheit, die eigenthümlichen Erscheinungen orientalischer Civi- lisation durch eigene Anschauung kennen zu lernen ^ i . An den Höfen Alexanders des Grossen, des Demetrios Poliorketes und ver- muthlich noch anderer Diadochen war die Etikette in eigenthüm- licher Weise aus makedonischen und orientalischen Gebräuchen zusammengesetzt^). Wie Alexander der Grosse sich bisweilen persisch kleidete ö) , fand gegenwärtig eine Menge orientalischer Moden in Griechenland Eingang'). Producte ornamentalen 1^ Vgl. unter anderen den Kyklops 183 ff., Orest. 1369 ff. 2i Persius sat. III 53. 3) Denkm. d. a. K. I 29, 124. 4j Machon bei Athen. XIII p. 581 A. AIciphron epl. I 38. 5) Plutarch. Alex. 74. Chares bei Athen. XII p. 538 D ff. Duris bei Athen. XII p. 535 F. Vgl. Droysen, Alexander p. 346 ff. 6 Duris bei Athen. XII p. 535 F. Ephippos bei Athen. XII p. 537 E. Tertullian de Fall. IV p. 94 Salm. 7) Menander bei Athen. XI p. 484D = Meineke frgm. IV p. 74 : Trep- atxal OToXat. Vgl. auch Pollux X 137 über den xavo'jxctXt; : zh yp-rjoiv 5' ajTÖ rjaYovMa-iteoovE;. Siegreiche Athleten erscheinen auf Gefässen mit rothen Figuren bisweilen mit einer barocken , der Kidaris ähnlichen 172 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. asiatischen Kuustbetriebs , Teppiche , Arbeiten aus Metall und Edelstein, wurden jetzt in ganz Griechenland allgemein verbrei- tete und beliebte Luxusartikel. Sie wurden theils als Beutestücke von den Soldaten Alexanders des Grossen oder der Diadochen zurückgebracht, theils durch den Handel eingeführt, dessen Be- ziehungen in Asien unter makedonischer Herrschaft sicherer und weitreichender geworden waren. Die gleichzeitige Litteratur ist voll von Zeugnissen, welche diesen Sachverhalt in das hellste Licht stellen ^), und der Inhalt der Gräber, welche im Bereiche der griechischen Colouien am schwarzen Meere aufgedeckt worden sind , liefert dazu einige interessante monumentale Belege. Auf der Halbinsel Taman fand sich in dem Grabe einer griechischen Dame neben einer Menge von Goldschmuck, Broncegeräthen und Terracotten, welche von griechischer Hand etwa in den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts v. Chr. gearbeitet sind 2], ein orientalisches Kunstproduct : ein um einen goldenen Bügel dreh- barer Chalcedon, auf welchem die bekannte Darstellung des den Löwen würgenden Ormuz oder Königs eingravirt ist 3). Zwei Mütze bekleidet: Duc de Luynes descr. de quelques vases pl. 45 = Arch. Zeit. 1853 Taf. 5. Bull, dell Inst. 1S71 p. 122. Vgl. Micali storia Tav. XXXV 13. Der Bericht, welchen Demokritos von Ephesos bei Athen. XII p. 525 D über den in seiner Vaterstadt herrschenden orientalischen Kleiderluxus giebt , bezieht sich aller Wahrscheinlich- keit nach auf die Diadochenperiode. Die engen Beziehungen, in welchen die Griechen in zwei Epochen ihrer Entwickelung zum Orient standen, äussert sich auch in einer eigenthümlichen Erscheinung, welche die Behandlung der Tracht innerhalb der verschiedenen Vasen- gattungen darbietet. Gewänder mit reichen figürlichen oder ornamen- talen Mustern , ein Kunstbetrieb , der namentlich im Orient gepflegt wurde, finden sich nur auf Gefässen, welche sehr alten Styls sind oder einen solchen nachahmen , und später wiederum auf solchen , die der Zeit nach Alexander angehören. Offenbar haben wir diese Erschei- nung beide Male dem orientalischen Einfluss zuzuschreiben , wie er in jenen frühen Stadien der griechischen Entwickelung und dann wieder seit der Alexanderepoche maassgebeud war. Ij Hipparchos bei Athen. XI p. 477 F = Meineke frgm. IV p. 431 . Menander bei Athen. XI p. 484 C = Meineke frgm. IV p. 74. Klearchos bei Athen. VI p. 255 E. Theophr. char. 23. Vgl. Kallixenos bei Athen. V p. 197 B. Pausan. V 12, 2. Eine ganze Reihe von Ge- fässen , welche persische Namen führen , kommt in der neueren Ko- mödie vor (Athen. XI p. 477 F, p. 478 A, p. 784 A). Es ist in den ein- zelnen F'ällen schwer zu beurtheilen, ob es sich um originale asiatische Producte oder um griechische Nachahmungen solcher handelt ; denn, als die orientalischen Gefässe in Griechenland beliebt wurden , fingen griechische Fabrikanten an, dieselben nachzuahmen, eine Erscheinung, welche ich demnächst an einer anderen Stelle behandeln werde. 2) Die in dem Grabe gefundenen Gegenstände sind verzeichnet von Stephani Compte-rendu 18G0 p. 6 if., abgebildet Tafel I — III. 3) Compte-rendu 1869 Taf. I n. 18. XVII. Die äusseren Bedingungen der liellenistischen Kunst. 173 Steine von orientalischem Schnitte , der Karneol , welcher zwei mit Menschenköpfen versehene Löwen gegenüberstellt, und dessen Inschrift bisher aller Erklärungsversuche gespottet hat i) , und der uralte Cylinder mit dem sogenannten assyrischen Herakles 2) , wurden in demselben Grabe entdeckt mit griechischen Goldsachen, welche ganz den Stempel der Kunst der Alexanderepoche tragen-^) . Da ausserdem die Hellenen seit der Unterwerfung des Perser- reichs die Asiaten nicht mehr zu fürchten brauchten , sondern denselben ganz objectiv gegenüberstanden, so waren alle Be- dingungen erfüllt, um die griechische Kunst zu der Behandlung ausschliesslich orientalischer Stoffe zu veranlassen *j . So malte denn auch Apelles die Procession des Megabyzos, des Ober- priesters der ephesischen Artemis ^) , Aetion ein Ereigniss aus der Geschichte der Semiramis, vermuthlich die Hochzeit derselben mit Ninos^) , Nealkes einen Schiffskampf zwischen Persern und Aegyp- tiern auf dem NiP). Offenbar beruhte ein wesentlicher Reiz dieser Gemälde auf der Schilderung der bunten Pracht orien- talischer Kleidung und Sitte. Wir dürfen dies mit hinlänglicher Sicherheit aus der Vasenfabrik schliessen, welche dieser Ent- wickelung der kunstmässigen Malerei parallel läuft. Sie schil- dert mit Vorliebe Scenen, bei welchen Asiaten oder asiatisch gekleidete Barbaren auftreten , und trägt , insoweit es die Kenntniss der einzelnen Maler und die Mittel der Technik gestatten, der realen Erscheinung des Morgenlands Rechnung. Diese Richtung zeigt sich zuerst auf den feinen Gefässen mit rothen Figuren vollständig freier Zeichnung und den dieser Gattung hinsichtlich des Styls nahe verwandten Vasen, auf welchen gewisse Motive durch Vergoldung hervorgehoben sind, 1) Ant. du Bosph. cimm. pl. XVI n. 10. 2) Ant. du Bosph. cimm. pl. XVI n. 5. 6. 3; Ant. du Bosph. cimm. pl. VIII. XVIII 9. 4) Auf die Frage über die richtige Lesart des Verzeichnisses,, wel- ches Plinius XXXV 99 von den Bildern des Aristeides giebt , und die daran anknüpfende Polemik zwischen Dilthey und Urlichs, kann hier nicht näher eingegangen werden. S. hierüber Rhein. Mus. XXV fl87ü) p. 151 ff. p. 508 ff. XXVI :1871) p. 283 ff. p. 590 ff. Wiewohl ich Urlichs zugebe, dass Aristeides nach der Zeit, in welcher er thätig war, mög- licher Weise orientalische Stoffe behandeln konnte , so scheinen doch die , welche sich durch die Vermuthungen von Urlichs ergeben , zu abgelegen, um sich zur Darstellung von Seiten der griechischen Kunst zu eignen. Die Schwierigkeiten der Stelle scheinen mir durch den Vorschlag Diltheys, Rhein. Mus. XXV p. 153, artomenen propter fratris amorem zu lesen , glücklich beseitigt. 5) Plin. XXXV 93. 6) Plin. XXXV 78. Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. II p. 245 ff. 7) Plin. XXXV 142. 174 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. und lässt sich weiterhin durch die ganze spätere Entwicke- lung der Vasenmalerei , durch die uuteritalischen und die localen etruskischen Gattungen hindurch, verfolgen. Die Zahl der ein- schlagenden Bilder ist so bedeutend , dass ich mich begnüge, an die hervorragendsten unter denselben und an Serien zu erinnern, welche durch eine grössere Anzahl von Exemplaren vertreten sind. Wir begegnen Kämpfen zwischen Hellenen und orientalisch gekleideten und bewaffneten Barbaren , welche vermuthlich Perser darstellen sollen ^] . Aehnliche Barbaren finden wir sehr oft auf der Jagd begriffen 2, , eine Gattung, welche glänzend vertreten ist durch die berühmte zugleich mit gemalten und mit Relieffiguren verzierte Vase des Athener Xenophantos ^) . Offenbar wollte dieser Künstler Perser darstellen ; denn er be- zeichnete die einzelnen Jäger, soweit seine Kenntniss reichte, mit beigeschriebenen persischen Namen. Ein zierliches Gefäss so- genannten ueuattischen Styls giebt uns in naiv-genrehafter Weise ein Bild von dem Verkehr des Grosskönigs mit seiner Gemahlin ^) . Hieran schliesst sich die bekannte Dareiosvase^) , wo die Darstellung 1) Tischbein, Vases Hamilton H 2. Vgl. 0. Jahn, Abh. d. sächs. Ges. d. Wiss. VIII p. 702, Anm. 11. Gerhard, auserl. Vas. III 166. 2) Vgl. Stephani, Compte-rendu 186-4 p. 73 ff. 1867 p. 93 ff. 3) Arch. Zeit. 1856 Taf. S6. Stephani, Compte-rendu 1866 Taf. 4. Der Ansicht Stephanis, Compte-rendu 1^64 p. 75, dass dieses Gefäss im Anfange des 4. Jahrhunderts v. Chr. ge- arbeitet sei, kann ich nicht beipflichten. Für diese Epoche scheint mir der Styl viel zu üppig. Offenbar hängt die Gattung der mit bemalten und vergoldeten Reliefs geschmückten Thongefässe von der Richtung der Toreutik ab , welche Gefässe aus Edelmetall mit Reliefbildern herstellte. Diese Production aber wurde erst seit der Alexanderepoche in weiterem Umfange geübt (Philippides bei Athen. VI p. 230 A = Meineke frgna. com. IV p. 469. Juba bei Athen. VI p. 229 C Athen. VI p. 231 D. Vgl. Büchseuschütz, Besitz und Erwerb p. 235 ft'.). Eine Gattung, welche den polychromen, mit Reliefs geschmückten Vasen nahe verwandt und wie diese durch entsprechende Leistungen der Toreutik bedingt ist, kam in Aegypten zur Zeit der Ptolemaier zur Ausbildung. Es sind dies die glasirten, mit Reliefs verzierten Thongefässe, von denen zwei mit den Namen zweier Königinnen, der Berenike xmd der Kleopatra, be- zeichnet sind (Beul6, Journ. d. sav. 1862 Mars p. 162 ff. Fr. Lenor- mant, Rev. arch. VII (1863) p. 259 ff. Vgl. auch Klügmann, Ann. deir Inst. 1871 p. 5 ff. p. 199 ff.). Ein Exemplar der Gattung, welche durch die Vase des Xenophantos vertreten ist , die mit Reliefs aus dem Marsyasmythos verzierte Vase von Armento (Arch. Zeit. 1869 Taf. 18) wurde, wie mir Herr Raffaelo Gargiulo mittheilte, zugleich mit »stoviglie di Stile pugliese« gefunden. In Anbetracht aller dieser Gesichtspunkte glaube ich annehmen zu müssen, dass diese Gattung der Entwickelung seit Alexander angehört. 4; Mus. Gregor II 4, 2. 2». Ann. dell' Inst. 1S47 pl. V. 5) Arch. Zeit. 1857 Taf. 103. XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. 175 der Berathung des Königs mit seineu Vertrauten und der Empfang- nahme der Tribute deutlich das Streben des Malers nach historisch getreuer Schilderung verräth. Ein feines durch aufgelegte Ver- goldung ausgezeichnetes Gefäss stellt einen asiatischen König dar auf einem Dromedar reitend, umgeben von einem Schwärme orgiastisch bewegter Orientalen i) . Ein unteritalisches Gefäss zeigt uns einen morgenländischen Hofstaat und als Mittelpunkt des- selben eine offenbar weibliche Gestalt, welche mit Helm und Scepter ausgestattet ist 2) . Auf Gefässen mit rothen Figuren sehr flüssigen Styls begegnen wir zum ersten Male Darstellungen aus dem Mythos des Phrygiers Midas 3) . Tantalos ^] , Pelops ^) , Aietes '') und andere Könige asiatischen Ursprungs treten auf unteritali- schen Vasen entweder immer oder doch gewöhnlich in reicher orientalischer Tracht auf. Unendlich oft finden sich Darstellungen asiatisch gekleideter Jünglinge, welche einen heftig bewegten Tanz , vielleicht das persische oxAaafjta , aufführen "', , und von 1) Denkm. d. a. K. II 38, 447. Vgl. 0. Jahn über bem. Vasen mit Goldschmuck p. 9 n. 13. Stephani, Comte-rendu 1S65 p. 58. Ausserdem erinnere ich noch an folgende Vasenbilder : Ein asiatisch gekleideter Barbar ist beschäftigt , das Hörn seines Bogens zu krüm- men: Mus. Gregor. II 74, 2^^. (Vgl. auch den Ring des Athenades : Compte-rendu 1861 Taf. VI n. 11 p. 153.) — Eine ähnliche Gestalt, den Bogen in der Linken, schreitet, den Kopf umwendend, vorwärts ; Ann. deir Inst. 1847 pl. W. — Ein Löwe ist auf den Rücken eines Pferdes gesprungen ; der Reiter in asiatischer Tracht entweicht mit dem deutlichen Ausdrucke des Schreckens : Mon. delf Inst. IV 46. Auf diesen Vasenbildern stimmt die Tracht derartig mit der Ueber- lieferung über die den Persern eigenthümliche überein (vgl. Ann. delf Inst. 1847 p. 348 ff. 370 ff.), dass wir die betreffenden Figuren be- stimmt als Perser benamen dürfen. — Ein Asiat auf einem Kameele reitend: Mon. dell" Inst. I 50 B. — Ein orientalisch gekleideter Jüng- ling zu Pferd im bakchischen Thiasos: Stephani, Compte-rendu 186S Taf. IV 1 p. 72 ff. — Ein ähnlicher Barbar verfolgt ein Mädchen : Compte-rendu 1868 p. 72. 75. 2) Mon. deir Inst. IV 43. Welcker, alt. Denkm. III p. 360. Stephani, Compte-rendu 1S65 p. 59. Stellt die Hauptfigur vielleicht die reisige Königin Semiramis dar? Da Aetion ein Ereig'niss aus dem Leben derselben behandelte (s. oben Seite 173), so ist es nicht unmög- lich , dass auch die spätere Vasenmalerei diese Gestalt in ihr Bereich zog. 3) Mon. deir Inst. IV 10. Ann. 1844 tav. d'agg. H D 3 p. 200 ff. (= Arch. Zeit. 1844 Taf 24, 3 = Mus. Gregor. II 72, 2 b). 4) Denkm. d. a. K. 165, 275 a. 5) Overbeck, Gal.1 1. Ann. dell' Inst. 1840 Tav. dagg.N f= Arch. Zeit. 1853 Taf 54). Ann. dell' Inst. 1851 Tav. dagg. Q R. Arch. Zeit. 1853 Taf 55. Vielleicht auch Arch. Zeit. 1853 Taf 53. 6) Miliin, Tombes de Canose Taf. 7. Arch. Zeit. 1847 Taf 3. 7) Stephani, Compte-rendu 1859 p. 120. 1865 p. 65. 1868 p. 81. 169. Mem. de l'Ac. de St. Petersbourg Band XVI n. 13 p. 24. 176 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Barbaren in ähnlicher Tracht, welche auf Greifen reiten oder in freundschaftlichem oder feindlichem Verkehre mit solchen Wunder- thieren begriffen sind •) . Nach einem Fragmente des Hipparchos ^i und der Analogie der Vase des Xenophantos könnte man die letzteren recht wohl für Perser erklären. Doch ist es auch mög- lich , dass die Maler Bewohner des nordöstlichen Skythien , Ari- maspen oder Hyperboreer , darstellen wollten , welche von der üeberlieferung vorzugsweise mit den Greifen in Bezug gesetzt wurden '^) . Denn bei der Vorliebe , welche die spätere Vasen- malerei für die asiatische Tracht hegt, überträgt sie dieselbe auch auf Heroen und Völkerschaften , welche ausserhalb Asiens zu Hause sind. Wir begegnen dieser Tracht oder wenigstens ein- zelnen Bestandtheilen derselben bei Orpheus und den seinem Spiel lauschenden Thrakiern*), bei Thamyras^], bei Phineus^), bei Boreas '^) , bei Rhesos und seinem Gefolge ^) , bei dem thrakischen Lykurg'*) , bei den Tauriern lo) . Gestalten in dieser Tracht werden überhaupt beigefügt , wo es gilt anzudeuten , dass eine Handlung ausserhalb Griechenland vor sich geht ^'). Während die Amazonen auf den rothfigurigen Vasen strengen Styls wie griechische Ho- pliten gerüstet sind, treten sie innerhalb der späteren Gattungen in der Regel asiatisch gekleidet und gewaffnet auf. Die ältere Vasenmalerei drückt bei Priamos , Paris , Memnon , Medeia ^2) und anderen Heroen oder Heroinen asiatischen Ursprungs den orientalischen Charakter gar nicht aus oder deutet denselben 1) Vgl. Stephani, Compte-rendu 1S64 p. 85 flf. Barbaren mit Greifen kämpfend, auch am Kalathos der Demeterpriesterin vonTaman: Compte-rendu 1865 Taf. I p. 21 ff. 2) Hipparchos bei Athen. XI p. 477 F = Meiueke frgm. com. IV p. 431 : oaTtSiov Sv a^iT.rfw not-xi^^ov n^poct? i'fov -AoX YpÜTta? d^cuXei; tiva; Tü)V riepaf/Ciüv. '6) Vgl. Stephani, Compte-rendu 1864 p. 52 flf. 4) Vgl. Ann. dell' Inst. 1867 p. 167 ff. Orpheus in asiatischer Tracht auch auf den Ann. dell' Inst. 1864 p. 283 ff. behandelten Unterwelts- vasen. 5) Mon deir Inst. II 23 = Mus. Gregor. II 13, 2». Michaelis, Thamyris und Sappho, Leipz. 1865. 4. 6) Mon. deir Inst. III 49. 7) Vgl. Stephani, Boreas und die Boreaden (Mem. de l'Ac. de St. P6tersbourg XVI n. 13; p. 12. 8, Overbeck, Gal. XVII 5. 9) Miliin, Vases de Canose pl. 13. 10) Mon. dell Inst. VI. VII 66. 11) So bei der Aussetzung der Andromeda : Archaeologia XXXVI p. 70. Mon. deir Inst. Villi 38. Vgl. Ann. 1S72 p. 121 ff. Bei dem rasenden Lykurgos: Miliin, Vases de Canose pl. 13. Bei einem Widderopfer: Rochette, mon. in. pl. 34. 35. 12) Vgl. 0. Jahn, Arch. Zeit. 1847 p. 37, Anm. 24. XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. 1 77 höchstens an. Die jüngere hebt ihn gewöhnlieh in der nach- drücklichsten Weise hervor. BisAveilen überträgt sie eine der- artige Charakteristik selbst auf Gestalten , die der Mythos als acht hellenische bezeichnete. " So erscheint Atalante^auf einer mit Goldschmnck versehenen Vase ans Bengazi und auf einer unter- italischen Amphora mit einer kidarisartigen Mütze bekleidet ') . Vermuthlicli war es einerseits der Charakter der Jungfrau als Bogenscliützin — eine Wafte , welche als typisch für die Asiaten betrachtet wurde — , andererseits ihre Verwandtschaft mit den Amazonen, welche zu dieser Darstellungsweise Veranlassung gab. Aus ähnlichen Motiven wird es zu erklären sein , dass eine asia- tische Tracht bisweilen auch auf Artemis übertragen wurde, die ausserdem als Inhaberin des ephesischen Heiligthums zu den mythischen Gründerinen desselben, den Amazonen, in enger Be- ziehung stand. Eine solche Tracht ist dieser Göttin nicht nur auf Vasenbildern aus der taurischen Sage eigenthümlich , wo sie sich hinreichend aus dem diesem Mythos zu Grunde liegenden barbarischen Cultus erklären Avürde, sondern auch auf Gefässen, welcie die kalydonische Jagd, die Hochzeit des Herakles und der Hebe , die Verurtheilung des Marsyas und Ereignisse aus anderen Sagenkreisen darstellen ^j . Während der argeiische Heros Perseus auf den älteren Gefässen in der griechischen Reise- tracht auftritt , statten ihn die jüngeren Vasenmaler gewöhnlich mit einer orientalischen Kopfbedeckung aus. Es steht dies offen- bar in Zusammenhang damit, dass die schon von Herodot-') be- richtete Ueberlieferung, wonach dieser Heros als Stammvater der Perser betrachtet Avurde , in der späteren Zeit allgemeinere Ver- breitung fand. Da dieGriechen fernei;den Begriff des Gewalthabers und des patriarchalischen Familienhaupts vorwiegend in Asien kennen lernten , so übertrugen sie eine entsprechende Kleidung bisweilen rückhaltslos auf Charaktere dieser Art, mochte der My- thos dieselben auch ausserhalb Asiens localisiren. Um hier nur einige sichere Belege dieser Erscheinung aufzuführen, so begegnen wir der asiatischen Tracht oder einzelnen Bestandtheilen derselben bei Busiris ^), bei den Todtenrichtern ■"•: , bei dem korinthischen 1; Ann. dell' Inst. 1S6S Tav. d'agg. L M. Gerhard, apul. Vasenb. Taf. A 4. 2 Vgl. Stephani, Nimbus und Stralilenkranz p. 138 (Nachtrag zu p. 60). Compte rendu 1*>62 p. l;j5. Kekule , Hebe p. 36 n. 22. Ann. deir Inst. 1868 p. 320. Bull, dell' Inst. 1867 p. 143. Vielleicht auch auf Denkm. d. a. K. II 13, 142. 3 VII 61, 150. 4) Millingen, peint. de vases I 28, Mus. Borb. XII 38. — Over- beck, Gal. Taf. XXVIII 4, Vgl. Ann. dell' Inst. 186.5 p. 303. 5; Denkm. d. a. K. I .56, 275 ^ Mon. dell' Inst. VIII 9. Hei big, Uritersiiclmngen ü. d. campan. Wandmalerei. 12 178 Der Hellenismus und die campanisclie Wandmalerei. Kreou^y , bei dem thebanisclieu Kreou, vor den die gefangene An- tigene geführt wird^j , bei dem nemeischen Lykurgos'*) u. s. w. Auf einer Vase , welche darstellt , wie Herakles ein Mädchen gegen die Angriffe eines lüsternen Kentauren schützt , tritt ein bärtiger Mann , vermuthlich der Vater dieses Mädchens , in orientalischer Kleidung auf**) . Mag die bestimmte Benennung des Mannes, wie die seiner Tochter zweifelhaft, sein , so dürfen wir nach Allem, was die Ueberlieferung über den Aufenthaltsort der Kentauren berichtet , mit Sicherheit annehmen , dass wir es mit einem Er- eigniss zu thun haben, welches den Mythos nicht in Asien, sondern in Europa vorgehen Hess. Die schwierige Frage , in wie weit diese Charakteristik zuerst auf der Bühne ausgebildet wurde"*) und von hier aus auf die Malerei wirkte , lasse ich , da sie dem be- stimmten Zwecke unserer Untersuchung ferner liegt , ausser Be- tracht. Eben so verzichte ich darauf, diese orientalisirende Nei- gung über die Vasenmalerei hinaus auf anderen Denkmälern der späteren griechischen und italischen Kunst zu verfolgen und be- merke nur, dass die häufige Verwendung der phrygischen Mütze, wie sie der jüngeren etruskischen Kunst eigenthümlich ist^ die dieses Attribut, namentlich auf Spiegeln und Urnen, ohne Unter- schied Heroen aus allen Sagenkreisen zuertheilt, gewiss damit zusammenhängt ^] . Innerhalb der campanischen Wandmalerei ist eine entspre- chende Richtung durch ein bisher noch nicht genügend erklärtes Gemälde vertreten, welches einen hellenischen Jüngling als Schutz- flehenden vor einem Barbarenkönig darstellt und den eigenthüm- lichen Schnitt und die bunte Pracht asiatischer Kleidung in sehr bezeichnender Weise hervorhebt ") . Auf einem anderen Gemälde, welches Herakles bei Omphale schildert, zeigt Priapos in Gesichts- typus, wie in Tracht ein "acht orientalisches Gepräge, eben so der lydische Jüngling , auf dessen Knie sich Omphale stützt , der mit 1) Miliin, Tombes de Canose pl. 7, Arch. Zeit. 1S47 Taf. 3. 2) Millingen, peint. de vases I 54, Panofka , Mus. Blacas pl. 31. Vgl. Arch. Zeit. 1863 p. 70, Heydemann, über eine nacheuripideische Antigene, Berlin 186S. 8, Arch. Zeit. 1870 Taf. 4ü. 3j Gerhard, apul. Vasenb. E 10, Overbeck, Gal. Taf. IV 4. 4) Stephani, Compte rendu 1865 Taf. IV 1 p. 110 If. 5) Vgl. Weicker, alte Denkm. III p. 402 flf. Wieseler, Satvrspiel p. 114. 0. Jahn , Vasensamml. K. Ludwigs Einleitung p. CCXXVII. 6) Da die spätere Kunst mit der phrygischen Mütze so freigebig ist, so kann ich der Vermuthung Diltheys im Bull, dell' Inst. 18()() p. 150. dass ein mit diesem Attribute ausgestatteter Jüngling, der auf zwei Wandbildern (N. 220. 221) mit Apoll zusammengestellt ist, Branchos zu benennen sei,- nicht unbedingt beipflichten. 7] N. 1401. XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. 179 scharf geschnittenem Gesichte und brauner Hautfarbe auftritt ' . Ausserdem gehören hierher die orientalisch gekleidete Looalgöttin, welche bei dem Tode des Adonis gegenwärtig ist '^j , der Berggott des Ida auf einem Gemälde mit dem Parisurtheil ^j , und die bär- tige Figur mit weichlichen Zügen und in weibischer Tracht , die bei der Schmückung der Hermaphroditen Beistand leistet und offenbar für eines jener Zwitterwesen zu erklären ist, wie sie häufig in den asiatischen Religionen vorkommen' . Dass diese Erscheinungen vollständig der Entwickelung der Diadochen- periode gemäss sind , bedarf nach den im Obigen gegebenen An- deutungen keiner weiteren Auseinandersetzung. Die Behandlung der Tracht der bei dem Marsyasurtheil gegenwärtigen' Barbaren ist in einer pompeianischen Architekturmalerei ■') im Wesentlichen dieselbe , wie auf der denselben Gegenstand darstellenden Relief- vase von Armento ^] . Eben so treten Priamos ^ ) , Paris ^) und die Trabanten des Thoas-') mit einer Charakteristik auf, welche im Ganzen der entspricht, die die spätere Vasenmalerei diesen Figuren zu geben pflegt. Allerdings behandelt die Wandmalerei den Reichthum des orientalischen Costüms niemals in so prolixer Weise , wie es auf einigen Vasen und namentlich solchen , die •durch aufgelegte Vergoldung verziert sind, der Fall ist i*') . Doch erscheint dieser Unterschied der beiden Denkmälergattuugen Dur als ein partieller und gradueller und wird dadurch der Zu- sammenhang, den wir zwischen den Wandbildern und der kunst- mässigen Malerei der Diadochenperiode annehmen , keineswegs in Frage gestellt. Einerseits haben wir zu gewärtigen , dass die kunstmässige Malerei bei Schilderung des orientalischen Kleider- prunkes nach aesthetischen Gesichtspunkten verfuhr und demnach gewisse Grenzen einhielt, während die volksthüraliche Industrie der Vasen eher auf eine drastische Wirkung ausgehen durfte. Mag aber auch auf einzelnen Tafelbildern der Reichthum dieses Kostüms sehr detaillirt behandelt worden sein , dann ist es be- greiflich , dass der spitze Griffel der Vasenzeichner einer solchen Charakteristik leichter nahe kommen konnte , als der breite und Lästig arbeitende Pinsel der decorativen Frescomalerei. Noch eine Erscheinung, welche auf den Wandbildern vor- 1) N. 1140. 2) N. 340. 3) N. 1285. 4) N. 136!). 5) N. 232. 6) Arch. Zeit. 18ß9 Taf. 18. 7) N. 1147. Vgl. N. 1388. 1391. I39S. 8) N. 1267— 88. 1310—1313. Ohne Andeutung phrygischer Tracht findet sich Paris nur auf N. 1289. Vgl. auch den muthmaasslichen Troilos Heibig, Wandgemälde p. 460. Arch. Zeit. 1869 Taf. 10. 9) N. 1333 tr. 10] Vgl. z. B. Stephani, Compte rendu 1S61 Taf. V 1-4. 12* 180 l)er Hellenismus und die campanisclie Wandmalerei. kommt, steht in engem Zusammenhange mit den Beziehungen zwischen Oecident und Orient, die wir soeben erörtert. Die Tracht der dargestellten Figuren besteht sehr oft aus Zeugen, die in mehrfachen Farben schillern. Diese Behandlung lässt i-ich kaum anders erklären als durch die Annahme , dass die Wand- maler seidene Stoffe darstellen wollten , denen allein dieses Far- benspiel eigenthünilich ist. Wiewohl solche Stoffe , unter denen namentlich die auf Kos gefertigten berühmt waren, am häufigsten von römischen Schrift stellern aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. erwähnt werden ') , so lässt sich der Gebrauch derselben doch schon in der Alexanderepoche nachweisen. Aristoteles nämlich berichtet , dass die Cocons der Seidenraupe zuerst in Kos ein- geführt und die davon abgehaspelte Seide von den dortigen Frauen zu Stoßen verarbeitet worden wäre 2), Zur Zeit des Aristoteles waren also seidene Zeuge bei den Griechen bereits in Gebrauch. War dies aber einmal der Fall, dann lag es ganz in dem Geiste der gleichzeitigen Malerei •*) , den eigenthümlichen coloristischen Reiz solcher Gewänder künstlerisch zu verAverthen. Jedenfalls beruht die in den Wandgemälden vorkommende Behandlung der Ge- wänder auf einer Erscheinung, die nicht ausschliesslich der römischen Kaiserzeit eigenthümlich war, sondern die bereits in der Alexanderepoche existirte. Die Liebe zur Kunst, welche von jeher eine nothwendige Er- gänzung des griechischen Daseins gewesen war, dauerte auch über die Alexanderepoche hinaus und begleitete die Hellenen in die neu erschlossenen Gebiete Asiens und Afrikas. Sie bildet einen schönen Zug in dem Charakter des grossen Alexander , der be- kanntlich mit den bedeutendsten Künstlern seiner Zeit, mit Ly- sippos und Apelles, in vertrautem Verhältnisse stand., und an 1; Vgl. Marquardt, röni. Privatalterth. II p. 1U4 ff. Allerdings heben diese Schriftsteller in der Regel die Durchsichtigkeit der köl- schen Gewänder hervor ; doch muss ihnen als Seidenzeugen auch ein gewisser Glanz' eigenthümlich gewesen sein. Hiermit stimmt der Vers des Propertius II i , 5 : Sive illara cois fulgentem incedere coccis. 2 Aristot. hist.an. V 19 p. 551i'Bekker. Plinius XI 76 berichtet da- gegen, dass die koischen Frauen importirte orientalische Seidenzeuge aufgetrennt und die Fäden zu neuen Stoffen verwebt hätten. Ob er die Stelle des Aristoteles missverstand oder aus einer anderen Quelle schupfte, lässt sich nicht entscheiden. Die reiche Litteratur über diesen Gegenstand s. bei Biichsenschütz, die Hauptstätten des Gewerb- fleisses p. 08 Anm. 1 und bei Blümner, die gcwerbi. Thätigkeit der Völker des Alterthums p. 4s ff". •i) Vgl. hierüber den 19. Abschnitt. XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. 181 ihren Leistungen den lebhaftesten Autheil nahm ^ . Allerdings tragen die Berichte, wie Deraetrios Poliorketes während der Be- lagerung von Rhodos mit Protogenes verkehrte , wie er bei den Operationen bemüht war, den Jalyso? des.selbeu zu schonen-, ein entschieden auecdotenhaftes Gepräge ; doch lassen sie immer- hin auf die Kunstliebe schliessen, welche den Genialsten unter den Diadochen zierte. Betrachten wir den Eifer, mit welchem die Herrscher und die reichen Privatleute damals Kunstwerke sammelten •'; , im Zusammenhange mit dem ganzen Geiste der Zeit, so dürfen wir annehmen, dass hierbei in ungleich höherem Grade, als später bei den Römern , eine lebendige Empfänglichkeit für das Schöne raaassgebend war. Auch in materieller Hinsicht Hessen es die damaligen Machthaber au Unterstützung der Kunst nicht fehlen , wie es in schlagender Weise die hohen Preise bezeugen, mit denen die Werke berühmter Meister bezahlt wurden. Mnason von Elatea zahlte dem Aristeides für seine Perserschlacht 1000*,,, dem Asklepiodoro3 für das Bild mit den zwölf Göttern 360 ^), dem Theomnestos , welcher in seinem Auftrage eine Reihe von Heroen malte, für jede Figur 20 Minen''). Dem Apelles sollen für das im ephesischen Artemision aufgestellte Gemälde , welches Alexander den Grossen mit dem Blitze in der Hand darstellte. 2u Talente Goldes zugemessen worden sein '; . Derselbe Künstler gab vor , um die Rhodier zu einer richtigen Würdigung der Lei- stungen des Protogenes zu vermögen , die gerade fertigen Bilder desselben für 50 Talente erwerben zu wollen*). Ptolemaios Soter bot dem Nikias für die Nekyia vergeblich 60 Talente"'). Wie einträglich die Malerei damals war, ergiebt sich auch ans den hohen Lehrgeldern , welche sich berühmte Meister von ihren Schülern zahlen Hessen i**) . Von Nikias ist es bestimmt überHefert, 1; Siehe die Stellen bei Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. I p. 36.'5. lip. 211. p. 213. p. 215. 2) Plin. XXXV 104. Overbeck , Schriftquellen N. 1914 ff. 3) Vgl. oben Seite 1 28 ff. 4^ = 26000 Tlih-. : Plin. XXXV 99. 5J = 9360 Thlr. : Plin. XXXV 107. 6] = 520 Thlr. : Plin. XXXV JOT. .7) Plin. XXXV 92. 8) = TSö^T Thlr. : Plin. XXXV Sb. 9) =94305 Thlr. : Plutarch. non posse suav. vivi sec. Epicurura XI 2 p. 1093 E. (Tlücklicher war der alexandrinische Hof mit dem Hyakinthos des Nikias. Wenigstens befand sich dieses Gemälde , als Caesar Alexandreia einnahm, in dieser Stadt und wurde es damals von dort nacli Rom gebracht. Plin. XXXV 131. 10; Pamphilos Hess sich seinen Unterricht jährlich mit einem Ta- lente bezahlen. Plin. XXXV "6. Phitarch. Arat. 13. 182 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. dass er sehr reich wurde') . Auch kam es damals häufig vor, dass die hochgestelltesten Persönlichkeiten in Plastik und Malerei dilettir- ten- . Altalos III., der letzte König von Pergamos, modellirte in Wachs, goss und ciselirte in Erz ^*) . Antiochos Epiphanes suchte mit Vorliebe seine Erholung in den Ateliers der Toreuten ^) . Das Treiben der Machthaber lässt mit Sicherheit auf ähnliche Rich- tungen innerhalb der privaten Gesellschaft schliessen. Da sich die Griechen unter der Monarchie nicht mehr mit den öffentlichen Angelegenheiten beschäftigen durften , so lag es nahe , dass ein- zelne Individuen nunmehr in dem Studium oder in dem Genüsse der Kunst oder in der dilettirenden Ausübung derselben Befrie- digung suchten. Besonders gefördert wurde eine solche Richtung durch eine Neuerung , welche gegen die Zeit Alexanders in den» Unterrichte der griechischen Jugend stattfand. Damals wurde in. Folge der Leistungen der sikyouischen Malerschule, in deren strenger Zucht die Hellenen ein paidagogisches Element erkann- ten , das Zeichnen unter die bei der Bildung des freien Knaben üblichen Lehrgegenstände aufgenommen •'') . Aristoteles empfiehlt diesen Unterricht besonders aus dem Grunde, weil er die Fähig- keit befördert , richtig über Kunstwerke zu urtheilen *') . Wenn wir unter solchen Umständen annehmen dürfen, dass die Kenner- schaft, im Vergleich mit der früheren Epoche, an Breite und bei einzelnen Individuen an Verfeinerung gewann, so hatten die neuen Verhältnisse doch auch ihre bedenkliche Seite. Für die Ent- wickelung der monumentalen Kunst waren sie keineswegs förder- lich. So lange die Künstler vorwiegend für die griechischen Freistaaten arbeiteten, waren sie, wenn sie nur bedeutsamen, in dem Volksleben maas?gebenden Ideen einen vollendeten Ausdruck verliehen, der Anerkennung gewiss. Seitdem sie dagegen an den Höfen Beschäftigung fanden, lag es in der Natur der Sache, dass die Rücksicht auf die Herrscher die Freiheit ihres Schaffens mehr oder minder beeinträchtigte. Allerdings machte sich dieser Uebel- stand erst während der späteren Geschichte des Hellenismus in weiterem Umfange geltend. Alexander war der Träger einer grossen civilisatorischen Idee. Auch unter seinen unmittelbaren Nachfolgern finden sich bedeutende Persönlichkeiten, welche die Ktinstler begeistern oder wenigstens erwärmen konnten. Seitdem 1 Plin. XXXVi;i2. ^) Plutarch. Demetr. 20. 3 Justin. XXXVI 4. 4j Poiyb. XXVI 10. 5; Plin. XXXV 77. 6; Aristot. pol. VIII 3 p. 1338» Bekker : oov.£i oe vm Ypa^fix-?] yp-rj- otjAo; elvott rpo; t6 '/fiCvetv xa tü)v te/vitwv ip^oi -/.dXXiov. XVII. Die äusseren Bedingungen der hellenistischen Kunst. 18'^ dagegen der Verfall der hellenistischen Dynastien begann, seitdem dieselben mit wenigen Ausnahmen nur ruchlose oder erbärmliche Charaktere hervorbrachten, war die Aufgabe der monumentalen Kunst, insoweit sie mit der Persönlichkeit des Herrschers zu rechnen hatte, gewiss keine beneidenswerthe. Unsere Ueber- lieferung ist zu dürftig , um den Verfall in den einzelnen Stadien zu verfolgen. Doch stimmt mit unserer Auffassung das einzige Zeugniss, welches über die Entwickelung dieser Kunst in der späteren Geschichte des Hellenismus vorliegt. Eine zu Antiocheia am Orontes befindliche Bronzegruppe stellte zur Erinnerung daran, dass Antiochos Epiphanes den Berg Tauros von Räubern gesäubert hatte, den König dar im Begriff, einen Stier zu bändigen i) . Also beruhte dieses Kunstwerk, falls die Deutung, die Libanius davon giebt, richtig und nicht etwa aus dem erfindungsreichen Kopfe eines antiocheuer Periegeten entsprungen ist, auf einem höchst frostigen Wortbpiele. Bekannt ist , dass die Kunst seit der Alexanderepoche in be- trächtlich höherem Grade , als es früher der Fall gewesen war, dem Privatluxus zu dienen anfing. Wie bereits oben bemerkt 2] , sind die ältesten Cabinetsmaler , von denen wir wissen , Pausias und Antiphilos , an welche sich Peiräikos , Kalates und Kallikles anschliessen. Die Entwickelung der Cabinetsmalerei bietet, entsprechend der Aufgabe, der dieselbe zu genügen hat, zu allen Zeiten gewisse verwandte Erscheinungen dar. Sie geht nicht so sehr darauf aus, einen bedeutenden, den Betrachter ergreifen- den Inhalt zu verwirklichen, wie das Auge angenehm anzuregen, sei es durch die Anmuth der dargestellten Motive , sei es durch die Feinheit der Durchführung. Einzelne Künstler bilden gewisse Richtungen, die diesen Gesichtspunkten entsprechen, in raffinirter Weise aus und werden somit gesuchte Modemaler. Dieser Sach- verhalt, den wir a priori auch hinsichtlich der Cabinetsmalerei der Diadochenperiode voraussetzen dürfen, wird durch die Nachrichten über Peiräikos bestätigt , den einzigen Vertreter die- ser Gattung, über den wir einigermaassen unterrichtet sind. Der Inhalt seiner Bilder, »Barbier- und Schusterbuden, Eselein, Ess- werk und Aehnliches«, war unbedeutend ; »dagegen stand er in der Durchführung nur Wenigen nach« ■*) . Desshalb wurden seine Bildchen , wie Plinius beifügt , theuerer bezahlt , als grosse Ge- mälde anderer Meister. Immerhin bot jedoch die Diadochenpe- riode die geeigneten Bedingungen dar, um die Cabinetsmalerei 1) Liban. 'AvTtoytxo; I p. tili Reiske. 2) Siehe oben Seite i;u ff. 3^ Plin. XXXV 112. 184 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. . innerhalb der ihr gesteckten Grenzen in gedeihlicher Weise zu entwickeln. Wenn es im Allgemeinen bedenklich erscheint, dass dieser Kuustzweig unmittelbar von dem Geschmacke des Publi- kums bestimmt wird, so konnte dieses Verhältniss in der Dia- dochenperiode nur günstig wirken. Einerseits dürfen wir nach dem im Obigen Bemerkten den damaligen Griechen ein hohes Maass von Schöuheitsinn und Kennerschaft zutrauen. Anderer- seits giebt uns der Bericht des Plinius \! über Peiräikos ein be- stimmtes Zeugniss von dem strengen Maassstabe, mit dem damals auch die Leistungen der ('abinetsmalerei beurtheilt wurden. Während die Malerei von Bildern unbedeutenden Inhalts in der Regel Rhopographie hiess , wurde Peiräikos spottweise Rhyparo- graph d. i. Schmutzmaler genannt. Es zeigt dies deutlich, wie sich gegenüber dem Beifalle, der diesem Künstler zu Theil wurde, Stimmen erhoben , welche die von ihm eingeschlagene Richtung missbilligten. Gegen die Annahme , dass weitaus die grösste Menge der campauischen Wandgemälde, die', welche die mythologischen Ge- stalten der menschlichen Sphäre nähern^], und die. welche Sceuen aus dem Alltagsleben mit idealer Auflassung behandeln'',, von dieser Entwickelung des Cabiuetsbildes abhängen , wird sich schwerlich ein stichhaltiger Einwurf geltend macheu lassen. Ein Vorzug, welcher den Originalen in hervorragendem Grad^ eigen- thümlich gewesen sein wird, die Feinheit der Durchführung, ging bei der Frescoreproduction selbstverständlich verloren. Dagegen entsprechen diese Wandbilder hinsichtlicli des Inhalts, der sich innerhalb des Bereiches des Allgemeinmenschlichen hält und so- mit für das Verständniss des Betrachters leicht zu erfassen ist, und hinsichtlich der schönen , anmuthigen oder charaktervollen Formen , in welchen sie diesen Inhalt zum Ausdruck bringen, vollständig den Anforderungen , welche eine an feinem Kunstge- fühle reiche Epoche an das Cabinetsbild stellen durfte. Im Wei- teren wird gezeigt werden , wie die geistigen Regungen . welche sich in diesen Compositiouen aussprechen, und die Lebensformen, die darin geschildert sind , durchweg den Stempel der hellenisti- schen Entwickelung tragen. 1) Plin. XXXV 112. Vgl. Brunn. Gesch. d. gr. KUnstl. II p. 25'.» ff. 2) Siehe oben Seite S2 ff. .ii Siehe oben Seite "(> ff. XVIII. Die Gesellschaft. 1 85 XVm. Die Gesellschaft. Von der weitreichendsteu Bedeutung war es, dass die Cultur- entwickelung seit der Alexanderepoche vorwiegend auf monar- chischen Staaten beruhte. Jene allseitige und harmonische Durch- bildung des Mannes , die bisher als das Ideal des Hellenenthums gegolten hatte, war namentlich bedingt durch die selbstthätige Theilnahme am Staatswesen. Da dieselbe in der Monarchie , wo der Herrscher die politische Leitung in seiner Person coucentrirte, selbstverständlich wegfiel , so wurde der hellenischen Bildung die wesentliche Grundlage entzogen und fingen die einzelnen Indivi- duen nunmehr au, bestimmt durch innere Neigung oder äussere Interessen, einzelne Kräfte in einseitiger und conceutrirter Weise •auszubilden. Die Berufszweige sonderten sich mit einer Ent- •schiedenheit, wie sie dem älteren Griechenthume vollständig fremd geblieben war. Innerhalb der Staaten der Diadochen , nament- lich d.'GS der Ptolemaier, unterscheiden wir deutlich einen Solda- ten- und einen Beamtenstand. Sehen wir von den Sophisten, die in vielen Hinsichten die hellenistische Entwickelung vorbe- reiten , und von anderen vereinzelten Erscheinungen der früheren Periode ab, so waren Kunst und Wissenschaft bisher in der Regel von Männern gepflegt worden, die als Bürger eines Gemeinwesens an den Schicksalen desselben mehr oder minder thätigen Antheil nahmen. Jetzt dagegen erscheinen Künstler und Gelehrte fast durchweg als exclusive Faclimänner und ausser Zusammenhange mit einem bestimmten Staate. Die Hingabe an ihre privaten Be- strebungen macht sie bisweilen vollständig gleichgültig gegen das Gemeinwesen, dem sie angehören. Protogenes fährt ruhig fort, an seinem ausruhenden Satyr zu malen, während Demetrios Poli- orketes Rhodos bestürmt i) . Früher waren es vorwiegend poli- tische Interessen, welche die Individuen zusammenführten oder trennten. Jetzt tritt vielfach der private Beruf an deren Stelle. Dichter und Gelehrte fangen an , sich in besonderen Zirkeln zu vereinigen, ein Gebrauch, welcher zu Alexandreia in dem Museion feste Form erhielt. Die Schauspieler treten unter bestimmten Statuten in den Synodoi zusammen. Alle solche Vereinigungen hatten einen vollständig kosmopolitisclien Charakter und zogen ohne Rücksicht des Stammes die geeigneten Kräfte an sich . Waren doch selbst die damaligen Condottieri in der Regel voll- ständig vaterlandslos und dienten sie , wie es ihren Interessen entsprach, bald diesem, bald jenem Staate. Bezeichnend ist es 11 Plin. XXXV J05. 1 86 Der Hellenisirius und die campanische Wandmalerei. aber , dass auch sie sich als Stand fühlten und in ihrem feind- lichen und friedlichen Verkehr eine Art von Gewohnheitsrecht ausbildeten. Die neuen Anschauungen finden auch in der Philo- sophie der Diadochenperiode einen entsprechenden Ausdruck. Während noch Plato und Aristoteles behaupten, die vollkommene Sittlichkeit sei nur in einem Gemeinwesen erreichbar, wird von der nacharistotelischen Philosophie die Unabhängigkeit von Welt, Vaterland , Familie und anderen bindenden Verhältnissen als das höchste Ziel aufgestellt. Mochte unter solchen Umständen die Mehrzahl des Volkes an sittlichem Charakter Einbusse leiden, so mussten innerhalb der allgemeinen politischen Macht- losigkeit und nach Wegfall der Bildungselemente, die bisher einen gewissermaassen ausgleichenden Einfluss ausgeübt hatten, die ver- schiedenen Richtungen und Bestrebungen der einzelnen Individuen um so vielseitiger gedeihen und kann sich demnach die Ausbil- dung dessen , was man individuellen Charakter nennt , nur vervielfältigt haben. Die Neugestaltung der Verhältnisse machte ihren Einfluss in der umfassendsten Weise geltend. Sie bedingt sogar den phy- siognomischen Charakter des damaligen Geschlechtes. Während die Portraits der vorhergehenden Epoche eine gewisse Ueberein- stimmung des Ausdrucks verrathen , welche zum Theil dem die Epoche beherrschenden Style , zum Theil aber auch gewiss der gleichmässigen Ausbildung zugeschrieben werden darf, deren die Griechen damals genossen, bieten die Portraits seit der Zeit Alexanders des Grossen eine Fülle der individuellsten Erschei- nungsweisen dar. Zeitgenössische Typen von solcher Verschie- denheit , wie sie der schwungvolle Kopf Alexanders des Grossen mit seinem Ausdrucke stürmischer Thatkraft , die dui'chgearbei- tcte Gelehrtenphysiognomie des Aristoteles und das Gesicht des Menander mit dem ihm eigenthümlichen Zuge ironischer Beob- achtung darbieten, sucht man in der vorhergehenden Epoche vergeblich. Mit Vorliebe wendet sich die Kunst zur Ausprägung von Charaktertypen der einzelnen Gesellschafts- und Berufsclassen. Die neuere Komödie griff die bezeichnenden Erscheinungen des städtischen Lebens auf und brachte die Typen des Condottiere, des wohlhabenden Bourgeois, der Künstler, Handwerker, des Parasiten, derHetaire, der Kupplerin zur vollendetsten Entwicke- lung. In entsprechendem Sinne war das Idyll hinsichtlich der ländlichen Bevölkerung , der Hirten , Jäger und Fischer thätig. Das Epigramm endlich griff in alle denkbare^ Schichten der Ge- sellschaft ein , allenthalben das besonders Charakteristische in knapper Form zuspitzend. XVIII. Die Gesellschaft. 187 Dieselbe Richtung zeigt sich auch in der Plastik und Malerei. Die genreliaften Standestypen , welche uns aus Sculpturen der römischen Epoche bekannt sind, wurden vermuthlich in der Diadochenperiode erfunden. Mit Sicherheit lässt sich dies nach- weisen hinsichtlich des Typus des kruramnasigen , durchwetterten Fischers , welche uns in pompeianischen Bronzefiguren i] und in einem vortrefflichen Marmorkopfe erhalten ist, der sich im Besitze des römischen Kunsthändlers Milani befindet 2) . Die Charakteris- tik , welche die alexandrinische Dichtung den Fischern zu geben jiflegt, stimmt mit der diesen Sculpturen eigenthümlichen tiber- ein >*). Ausserdem kommt bei Theokrit^) unter den bildlichen Darstellungen des Kissybion des Aipolos ein die Netze auswerfen- der Fischer vor, dessen Bezeichnung als Yf'^"^'^? iwid aÄi'-puTo? -;£p(ov auf die Existenz eines Typus hinweist , wie er durch die soeben erwähnten Sculpturen vertreten ist. Innerhalb der Malerei begegnen wir einem Gemälde desAntiphilos, welches Weiber dar- stellte, welche Wolle bereiten •'>) , demMalerateher des Philiskos ") , den Bai hier- und Schusterbuden des Peiräikos '^j , der Walker- werkstätte des Simos ^) . Ungefähr in dieselbe Epoche wird das nachmals auf dem römischen Forum befindliche Gemälde gehören, welches einen alten Hirten mit dem Stabe in der Hand darstellte'') . Ein Gesandter der Teutonen erwiderte auf die Frage , wie hoch er dasselbe schätze , dass er einen solchen Mann auch lebendig nicht einmal als Geschenk annehmen w^ürde. Da die Gesandt- schaft der Teutonen in die letzten Jahre des 2. Jahrhunderts v. Ohr. fällt, so ergiebt sich, dass dieses Gemälde bereits damals existirte. Dass es nicht vor der Alexanderepoche ausgeführt werden konnte, bedarf keines weiteren Beweises. Mochten auch früher bisweilen Portraits berühmter Dichter hergestellt worden sein , so geschieht dies in weiterem Umfange doch erst seit der Alexanderepoche'f'). In der älteren Entwickelung findet sich keine Spur , dass die bildende Kunst Schauspieler in ihr Bereich zog. Jetzt begegnen wir dem Tragoeden Gorgosthenes des Apelles ^ ^) 1) Mus. Borb. IV 55. 2) Bull, deir Inst. lS69p. 136. 3) Theokr. Idyll. III 25. Mosch III 0. Inc. Idyll. III (Theokr. XXI). Leonidas, Anth. pal. VI 4. Vgl. Antipater von Sidon Anth. pal. VI 93. 4j Idyll. I 38 ff. 5) Plin. XXXV 138. 6) Plin. XXXV 143. 7) Plin. XXXV 112. S) Plin. XXXV 143. Vgl. oben Seite 5. 9) Plin. XXXV 25. 10) Vgl. 0. Jahn, Abhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss. VIII p. 754. 11; Plin. XXXV 93. 1 88 i*^^' Hellenismus und die campanische Wandmalerei. und einem Gemälde des Aristeides, welches tragoedum et p leriim darstellte ^) ; Kratinos malte , wenn eine Avohl begründete \'er- mitlmng Kaoul Rochettes richtig ist, comoedos'-i und Chalkos- thenes stellte Statuen derselben in Erz her ■' . In der Diadochen- periode kam auch , wie bereits bemerkt, die Malerei der coniicae tabellae zur Ausbildung, welche darauf ausging, Handlungen aus der Komödie dem Theater nachzucopiren * , . Auch die weib- lichen Vertreter der musischen Künste fanden Berücksichtigung, wie denn Lysippos die Statue einer temulenta tibicen bildete'' , Leontiskos eine Psaltria malte *>] . Der Reflex dieser Richtung der Kunst tritt deutlich hervor in der ihr parallel laufenden Entwickehing der Vasenmalerei. Wie wir unter den Gemälden des Peiräikos Schustevstuben begegneten, zeigt uns eine chiusiner Schale mit rothen Figuren sehr flüssigen Styls einen Schuster mit seiner Arbeit beschäftigt ') . Indem der Vasenmaler das Profil des Handwerkers sehr individuell gestaltete. den Eifer, mit welchem derselbe seiner Arbeit obliegt, in bezeich- nender Weise hervorhob und durch die im Hintergrunde darge- stellten Schuhe und Schusterwerkzeuge das Interieur anzudeuten bemüht war , ist es ihm gelungen , innerhalb der Grenzen seiner Technik ein höchst charaktervolles Lebensbild zu geben. Dem Maleratelier des Philiskos lassen sich ZAvei rotlifigurige Schalen vergleichen , von denen die eine einen mit der Bearbeitung einer Herme beschäftigten Bildhauer ^) , die andere die Werkstätte eines Bronzegiessers darstellt ", . Mag die Charakteristik auf ersterem Gefässe sehr allgemein gehalten sein , so verräth die Darstellung der Bronzegiesserei in der Weise, wie der verschiedene Rang und die verschiedene Bildungsstufe der Arbeiter individualisirt , wie der Raum , worin die Handlung vorgeht , durch die im Hinter- 1) Plin. XXXV 100. 2) Plin. XXXV 140. Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. II p. 290. Dass Kratinos in die Diadochenperiode gehört, ist nach den Künstlern, mit welchen er von Plinius zusammengestellt wird, sehrwalirscheinlich. 3; Plin. XXXIV 87. Overbeck, Schriftquellen p. •2()2 n. i;iSO liest" Caecosthenes und identificirt den Bildhauer mit einem dieses Namens, der aus attischen Inschriften bekannt ist. 4) Vgl. oben Seite 131 ff. 5) Plin. XXXIV 63. 6) Plin. XXXV 141. 7) 0. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1S07 Taf. IV ö. Dass diese Schale nicht , wie gewöhnlich angegeben wird, aus Capua , son- dern aus Cliiusi stammt , wird mir von Herrn Ale.xander Castellani mitgetheilt. 8j Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. ISO" Taf. V 1. 9) Gerhard, Trinkschalen Taf. 12. 13. Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1S()7 Taf. V4. XVIII. Die Gesellschaft. 189 gründe angegebeuen Werkzeuge und Votivgegenstände angedeutet ist, deutlich das Streben des Vasenraalers nach einer dem Leben entsprechenden Bebandhing. Noch weiter vorgeschritten und bereits an das Hässliche streifend, erscheint diese Richtung auf einem in Lipari gefundenen Krater unteritalischen Styls, welcher einen Fischhändler darstellt ') . Auch das Interesse für die Vertreter der musischen Künste findet in der Vasenmalerei Ausdruck. Von den Gefässen, auf denen Scenen aus dem Leben berühmter Dichter oder Dich- terinnen dargestellt sind-^), fällt meines Erachtens keines vor die Mitte des vierten Jahrhunderts. Auf einer vulcenter Schale, deren Bilder ein Gastmahl darstellen , sind , was vielleicht nicht zufällig ist, zwei der Zecher mit Namen komischer Dichter, des Philippos und des Diphilos, bezeichnet 3) . Darstellungen aus dem Leben der Schauspieler finden sich auf einer bekannten Vase, welche die Vorbereitung zu einem Satyrspiel schildert^), und auf einem apulischen Krater, in dessen Malerei ich einen siegreichen Schauspieler erkenne, der von Nike bekränzt wird ^) . Scenen aus den auXr^Tpi'oojv oiSaay.aAsTa bilden oft auf Gefässen vollständig freien Styles den Gegenstand der Darstellung ^) . Ein weiterer für die hellenistische Gesellschaft bezeichnender Zug ist die Lockerung der Schranken , die bisher den Individuen durch ihre Herkunft gesteckt waren. Da in den griechischen Freistaaten, um eine eiuflussreiche Stellung zu erringen, zum Min- desten eine zu dem vollen Bürgerthume berechtigende Geburt er- forderlich war, so boten dieselben, so lange sie von fremden Ein- flüssen unabhängig waren , für Emporkömmlinge keinen geeig- neten Spielraum. Seitdem dagegen ihre Selbstständigkeit durch die Uebermacht des makedonischen und später der Diadochen- staaten verkümmert wurde, konnte dieses exclusive Princip kaum unter allen Umständen aufrecht erhalten werden. Die Nivelli- rung der Stammes- und Standesunterschiede vollzog sich zunächst innerhalb der durch die Unterwerfung des Perserreichs neu er- schlossenen Gebiete. Dorthin strömten Griechen aller Stämme und Stände zusammen. Bei der Menge der neuen Ankömmlinge 1) Bull, deir Inst. 1^64 p. .55. 2) Vgl. 0. Jahn, Abhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss. VIII p. 706 ff. 3) 0. Jahn a. a. 0. Taf. VII p. 744 ff. 4) Mon. deir Inst. III 31. Wieseler, Dcnkm. d. Bühnenwesens Taf. V 2. Vgl. 0. Jahn, Abhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss. VIII p. 743. Der Annahme Wieselers , Satyrspiel p. 8 , dass dieses Gefäss , dessen Malerei sich beträchtlich dem ausgebildeten imteritalischen Styl nähert, in voralexandrinische Epoche falle, kann ich nicht beipflichten. 5) Newton, Cat. of the vases in the Brit. Mus. II p. 32 N. 1293. 6i Vgl. Stephani, Conipte rendu 1S6S p. 92 ff. 190 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. und bei der Eutfernuug ihrer Heimath war es gewiss scliwierig, den Stammbaum der einzelnen Individuen einer genauen Controle zu unterziehen. Auch waren die Monarchen in dieser Beziehung durch keine Rücksicht gebunden, sondern durften aus Berechnung oder Laune, wen sie wollten, auszeichnen und erhöhen. Diese Neugestaltung der Gesellschaft , wie sie zunächst in den asiati- sclien Monarchien Statt fand , konnte nicht umhin auch auf die griechischen Freistaaten einzuwirken. Ihrer Schwäche bewusst, mussten sie nunmehr gegenüber Personen , die bei den mächtigen Monarchen in Gunst standen , welcher Herkunft dieselben auch sein mochten, Rücksichten nehmen und ihnen allerlei Concessionen gewähren. Unter solchen Umständen ist es begreiflich , dass seit der Alexanderepoche Aventuriers und Parvenüs eine hervor- ragende Rolle zu siiielen anfangen. Bereits Alexis'] klagt darüber, dass der Reichthum alle Mängel der Geburt tilge. Verbannte, verhungertes Volk und entlaufene Sklaven drängten sich , wie Diphilos"^) sagt, an die Höfe, um daselbst Glück zu machen. In einer Komödie des Philippides ^) ist davon die Rede, wie, während die freien Bürger darben , Sklaven auf silbernem Tafelgeschirre die kostbarsten Mahlzeiten einnehmen. Der Phalereer Demetrios. welcher in makedonischem Auftrage zehn Jahre lang Athen re- gierte, war unedler Herkunft^). Der stoische Philosoph Persaios von Kition, der später als Günstling des Antigonos Gonatas mit wichtigen politischen und militärischen Missionen betraut wurde, soll von Haus aus ein Abschreiber gewesen sein-^^. Hierax, der als Jüngling bei unzüchtigen Pantomimen die Flöte geblasen, hatte unter Ptolemaios VI., Philometor und Ptolemaios VII., Euergetes IL die einflussreichste Stellung in der ägyptischen Re- gierung '•; . Der berühmte Mechaniker Ktesibios war der Sohn eines Barbiers '^) . Der Kreter Rhianos war als Sklave geboren s) . Wie es sich von selbst begreift und ausserdem durch erhaltene Aussprüche der Komiker bezeugt wird"y, gehörten solche Empor- kömmlinge nicht immer zu den erfreulichsten Elementen der Ge- sellschaft. Auch hinsichtlich der Stellung des weiblichen Geschlechts tritt 1) Athen. IV p. 159 D, Meineke, fragm. com. gr. III p. 411). 2) Athen. V p. 189 E, Meineke a. a. 0. IV p. 420. 3) Athen. VI p. 230 A, Meineke, fragm. com. gr. IV p. 409. 4) Diog. Laert. V 5, 75. 5) Diog. Laert. VII 36. Vgl. Müller, fragm. bist. gr. II p. G23. 6) Poseidonios bei Athen. VI p. 252 E, Müller, fragm. bist. gr. III 254, 7. 7) Vitruv. IX 6. 8) Meineke, anal. alex. p. 171.. 9) Meineke, fragm. com. gr. IV p. 014, 41, 42. XVIII. Die Gesellschaft. 191 seit der Alexauderepoche eine Umwandlung" ein. Die Frauen er- scheinen in den Grossstädten der Diadochenreiche freier gestellt und individueller entwickelt , als in den griechischen Republiken oder, um mich ganz vorsichtig auszudrücken, in den Republiken demokratischer Verfassung. Auch diese Thatsache steht offenbar in engem Zusammenhange mit der monarchischen Regierungsform. Wir dürfen es als einen Erfahrungssatz aussprechen , dass , wo immer in der griechischen Geschichte das weibliche Geschlecht bedeutsamer aus dem häuslichen Kreise heraustritt, dies in mon- archisch oder oligarchisch regierten Staaten der Fall ist. Auf solchem Boden gedeihen auch in der Zeit vor Alexander dem Grossen einige , wenn auch vereinzelte individuelle Frauen- charaktere. Wenn Erscheinungen dieser Art besonders häufig in Syrakus vorkommen ^ i , so steht dies , da dort die Monarchie mit geringen Unterbrechungen Bestand hatte , in bestem Ein- klänge mit der von uns aufgestellten Regel. Dagegen war inner- halb des grössten Culturmittelpunktes der voralexandrinischen Epoche , in dem demokratischen Athen , die Stellung des weib- lichen Geschlechtes eine streng begrenzte. Wie es die berühmten Worte des Perikles^] in so bezeichnender Weise ausdrücken, war die Frau lediglich auf das Haus und die Beschäftigung mit den häuslichen Angelegenheiten angewiesen und blieb ihr Alles , was ausserhalb dieses Kreises lag, verschlossen. Die Diadochenstaaten , welche mit Ende des 4. Jahrhunderts in den Vordergrund der Culturentwickeluug treten , waren Mon- archien. An den Höfen zu Alexandreia, Antiocheia am Orontes und Pergamos entwickelte sich ein an feiner Bildung und Genuss reiches Leben , an dem auch die Königinnen und die dieselben umgebenden Damen Theil nahmen. Mit der Zeit konnte es nicht ausbleiben, dass diese Verhältnisse auch auf weitere Kreise wirk- ten. Da der Mann nicht mehr in der selbstthätigen Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten eine seine Existenz aus- 1) Ich erinnere an Demarete, die Gattin Gelons I., an die beiden Frauen des älteren Dionysios , deren verschiedene Abstammung von politischer Tragweite war, und namentlich an Aristomache und Arete, die beiden Gemahlinnen des Dion (Plutarch, Dion. 51). Bezeichnend für die Bildung der vornehmen Syrakusanerinnen ist die vonPlutaich, Dion 19 berichtete Thatsache, dass die Frauen am Hofe des jüngeren Dionysios sich lebhaft für Plato interessirten. In merkwürdigem Gegensatze zu diesen Erscheinungen stehen die strengen Anstand- gesetze, denen nach Phylarchos (bei Athen. XII p. 521 Bj die Frauen in Syrakus unterworfen waren. Vielleicht haben wir hierin eine de- mokratische Reaction gegen die durch die Tyrannis geförderte Ent- wickelung der Frauen zu erkennen. Doch berichtet leider Phylarchos nicht, wann diese Gesetze erlassen wurden. 2) Thukyd. II 45. 192 Der Hellenismus und die campanische Wand malei ei. füllende Thätigkeit fand , so konnte dies , wenn er nicht seine Zerstreuung im Umgänge mit Hetairen suchte, vielfach der Stel- lung der Hausfrau zu Gute kommen. Jedenfalls bezeugen uns bestimmte Nachrichten, dass die Frauen in dem Bereiche der hel- lenistischen Monarchien grösserer Freiheit genossen und von den Männern in höherem Grade berücksichtigt wurden , als in Athen. Theokrit kennt in Milet nicht nur den Nikias , den Schüler des Alexandriners Erasistratos, sondern auch dessen Gattin ; er schickt derselben eine Spindel und begleitet dieses Geschenk mit einem verbindlichen Gedichte i). In den Adoniazusen^, begeben sich Gorgo und Praxinoa , ehrbare in Alexandreia ansässige Bürgers- frauen , um den Adoniszug anzusehen , in das dichteste Gedräng und unterhalten sich in ungezwungener Weise mit einem Fremden, der ihnen einen Platz verschafft, von dem aus sie den Festzug übersehen können. Abgesehen von diesen vereinzelten Zeugnissen ergiebt sich die veränderte Stellung des weiblichen Geschlechts aus der Fülle individueller Frauengestalten , wie sie in der Dia- dochenperiode auf den verschiedensten Gebieten hervortreten. Die Frauen der hellenistischen Dynastien zeigen , wo die Ueberliefe- rung uns einigermaassen über dieselben unterrichtet , eine scharf ausgeprägte Physiognomie ; sie mischen sich , bisweilen in sehr verhängnissvoller Weise , in die politischen Verhältnisse ; einige nehmen auch an den litterarischen Interessen der Zeit Antheil. Die Mutter Alexanders Olympias und ihre Feindin Eurydike, welche gegen einander die Truppen in das Feld führten, jene in bakchischer Tracht, diese in makedonischer Rüstung, sind noch halbbarbarische makedonische Erscheinungen^). Dagegen zeigt sich Berenike , die Gattin des Ptolemaios Soter , bereits als fein gebildete und intrigante hellenistische Weltdame. Sie übte einen bedeutenden Einfluss auf ihren Gemahl aus und setzte es durch, dass derselbe mit Uebergehung seines Sohnes aus erster Ehe ihren Sohn , den nachmaligen Ptolemaios Philadelphos , zum Nachfolger ernannte^). Bei den Schmeicheleien, die ihr die alexandrinischen Dichter spenden ^) , dürfen wir annehmen, dass sie dem in Alexandreia herrschenden litterarischen Treiben nicht fern stand. Phila , die Gattin des Demetrios Poliorketes, finden wir mit der diplomatischen Mission beschäftigt , zwischen ihrem Manne und ihrem Bruder, Kassandros, Frieden zu stiften"). 1) Idyll. 22. - 2 Idyll. 15. 3) Vgl. Droysen, Gesch. d. Hellenismus I p. 244 ff. 4; Patisan. I 6. b] Asklepiades oder Poseidippos Anth. plan. IV 68. Theokrit. id. XVn 34 ff. Kallimachos, Anth. pal. V 140 51 Meineke, 52 Schneider; . 0 Plutarch. Demetr. 32. ^ XVIIi. Die Gesellschaft. 193 Nikaia , die Frau des Alexander , Sohnes des jüngeren Krateros, behauptete sich nach dem Tode ihres Mannes, der sich in Euboia zum Tyrannen aufgeworfen hatte, eine Zeit lang in Korinth und unterhielt ein kostspieliges Liebesverhältniss mit dem Dichter Euphorion'). Namentlich reich an gewaltthätigen und zum Theil ruchlosen Frauencharakteren ist die spätere Geschichte der Seleu- kiden. Ich erinnere an Laodike, welche ihren Gatten Antiochos II. Theos, von dem sie Verstössen worden war , nebst dessen zweiter Gemahlin Berenike und dem ans dieser Ehe entsprossenen Kinde ermorden Hess 2), an Kleopatra , die ihren Mann Demetrios IL, Nikator und ihren Sohn Seleukos ans der Welt schaffte'^), an die beiden Schwestern Kleopatra und Tryphaina , deren Zwietracht die vollständige Zerrüttung des ohnehin schon geschwächten Sc- leukidenreiches herbeiführte^). Doch nicht nur innerhalb der Familien der Herrscher, sondern auch in anderen Schichten der Gesellschaft tritt die Frau aus dem häuslichen Kreise heraus. Wir begegnen der Alexandrinerin Histiaia, welche topographi- sche Untersuchungen über die Ilias veröffentlichte •'»), mehreren Dichterinnen , der Hedyle '•) , der Nossis aus der italischen Stadt Lokroi, der Anyte aus Tegea, der Byzantierin Myro oder Moiro. Die Malerin Anaxandra , die Tochter des Nealkes , welche in Sikyon oder Aegypten thätig war, gehört sicher, ihre Colleginueu Eirene und Aristarete wahrscheinlich in diese Periode''^. Die Thatsache, dass einige dieser auf dem Gebiete der Kunst thätigen Frauen ausserhalb der Diadochenreiche zu Hause sind, weist darauf hin , wie die daselbst vollzogene Emancipation des weib- lichen Geschlechtes von den neuen Culturmittelp unkten aus auch auf weitere Gebiete wirkte. Wenn diese Wirkung über die Grenzen der Monarchien hinaus eine beschränkte blieb, so er- klärt sich dies daraus , dass wie bereits bemerkt , die Natur des griechischen Freistaats einem bedeutender euHervortreten des weib- lichen Geschlechts widerstrebte. Was Athen betrifft, so bezeugt die neuere Komödie durch bestimmte Ansprüche"') und durch die wenig individuelle Charakteristik, die sie Bttrgerfrauen und Bürger- mädchen zu geben pflegt , dass die attische Sitte dem weiblichen 1) Vgl. Meineke, anal. alex. p. 8 ff. 2] Vgl. Droysen, Gesch. d. Hellenismus II p. 339 ff". 3) Liv. epitome LX. Arrian. Syr. OS ff. 4) Vgl. 0. Müller, ant. Antioch. I p. t)6. 5) Meineke, anal. alex. p. 23. 6) Athen. VII p. 297 B. 7) Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. II p. 291. 299. 30U. 8) Menander bei Stob. flor. 7-J, 11, Meineke fragm. com. gr. l\ 141,2. H e 1 b I g , Uutersucliungeu ü. d. caiu|iau. WanJiiialeroi. 1 -i 194 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Geschlechte noch immer strenge Schranken zog. Auch die Ge- schichte der bedeutendsten politisclien Macht im damaligen Griechenland , des achäischen Bundes , weist keinen scharf aus- geprägten Frauencharakter auf, während doch das gleichzeitige Makedonien, Syrien und Aegypten eine Fülle derselben darbieten. Allerdings tritt Anaxandra, indem sie sich der Pflege der Malerei befleissigt, aus dem Kreise der griechischen Bürgerfamilie heraus. Doch lässt sie sich keineswegs den individuellen Frauengestalten vergleichen, welche in der Geschichte der Diadochen vorkommen, und ist es ausserdem nicht einmal sicher , ob ihre Thätigkeit in ihrer Vaterstadt Sikyon oder in Aegypten Statt hatte. Die veränderte Stellung der Frau wirkte auch modificirend auf die Verkehrsweise der beiden Geschlechter. Wir begegnen jetzt zum ersten Male Zügen, die an Frauencultus und Galanterie erinnern. Offenbar gaben auch in dieser Hinsicht die Höfe , wo der Verkehr der Officiere, Beamten und Litteraten mit den Damen des königlichen Hauses beinah nothwendig etwas Derartiges aus- bilden musste , den Ton an. Zwei erhaltene Epigramme , von denen sich das eine auf ein Portrait der Berenike , Gattin des Ptolemaios Soter, das andere vermuthlich auf ein Portrait der jüngeren Königin dieses Namens, der Gemahlin des Ptolemaios HI. Euergetes , bezieht ') , und die Schmeichelei des Astronomen Konon, der zu Ehren der schönen Haare der jüngeren Berenike ein Sternbild »Haar der Berenike« benannte 2), sind bezeichnende Denkmäler der höfischen Galanterie der Diadochenperiode. Von den Höfen aus wird sich eine entsprechende Verkehrsweise bal- digst auf weitere Gesellschaftskreise erstreckt haben. Während der Handkuss von Alters her unter Männern als Zeichen der Unter- werfung gebräuchlich war, wurde es jetzt Sitte, dass der Lieb- haber ihn der Geliebten darbrachte. Wenn Polyphem bei Tlieo- krit •') der Galateia die Hand küssen will, wenn in einem anderen Idyll ^) Achill die Hand der Deidameia mit Küssen bedeckt , so versteilt es sich , dass diese Liebesbezeugung in dem damaligen Leben allgemein üblich war. 1) Asklepiades oder Poseidippos, Anth. plan. IV 68 : Kurptoo; ao' Elxodv «psp' toti[j.£i>a [ayj Bepsvi-za;. ota-a^to -rj-ifjrj. cpit^ xt; öjAoiot^pav. Kallimachos , Anth. pal. V 146 (51 Meineke, 52 Schneider) : Tioaotpe; a'i XapiTe;' rotl yj.^ (xia Tat; rpial -/.eivat; apti TTöTezXaoSY) , v-Yj-i aüpoiot vOTst, EÜatojv dv -äatv äpiC'^iXo; Bepevtxct, a; (XTep oOö' aÜTat Tai XaptTe; Xapixe;. 2) Hygin. poet. astr. II 24. Vgl. Eratostn. catast. 12. 3) Id. XI 53. 4) Inc. id. VI 2:{ XVIII. Die Gesellschaft. 105 Was andererseits die Frau betrifft , so konnte sie , freier ge- stellt und in unbeschränkterem geselligen Verkehre mit den Männern , dem Triebe zu gefallen in höherem Grade nachgeben, als es früher der Fall gewesen war. Dies musste nothwendig der Verbreitung jenes reflectirten Strebens, zu reizen und zu fesseln, welches wir Koketterie nennen, Vorschub leisten. In diesem Sinne benimmt sich bei Theokrit ' ! Oalateia gegenüber Polyphera ; so tritt in einem andern Idyll 2) eine prätentiöse Städterin einem verliebten Rinderhirten gegenüber. Innerhalb des Bilder- schmuckes des Kissybion des Aipolos begegnen wir einer Kokette, welche ipit zwei sie umwerbenden Männern liebäugelt-']. Wie nahe es der damaligen Epoche lag, das Gebahren des weiblichen Geschlechts in dieser Weise aufzufassen , bezeugen die Bemer- kungen, mit denen Dikaiarchos ^) die Verse der Odyssee 21, 63 ff. begleitet. Hier schildert der Dichter, wie Penelope, den Schleier vor die Wangen haltend, den Freiern gegenüber tritt. Während das Auftreten der Königin ganz dem Gebrauche des heroischen Zeitalters gemäss und nach den Anschauungen desselben voll- ständig sittsam erscheint, erklärt es der Gelehrte der Diadochen- periode für die raffinirteste Koketterie. Systematisch ausgebildet erscheint diese Fähigkeit , zu reizen und zu fesseln , bei den damaligen Hetairen >'») , die ein zu bedeu- tendes Element in der hellenistischen Gesellschaft darstellen , als dass sie an dieser Stelle übergangen werden dürften. Mögen die Hetairen bereits in der älteren Entwickelung eine Rolle spielen, so werden sie doch erst gegen die Alexanderepoche ein Cultur- factor von allgemeinerer Tragweite. Von da an erscheinen sie als der regelmässige Mittelpunkt der geselligen Vergnügungen der Jugend. Viele unter ihnen zeichnen sich durch feine Bildung und schlagfertigen Witz aus, wissen die ausgezeichnetsten Persönlich- keiten der damaligen Zeit, Feldherrn, Staatsmänner, Litteraten, Künstler, dauernd an sich zu fesseln und veranschaulichen in der bezeichnendsten Weise die aus feinen geistigen und sinnlichen Genüssen gemischte Existenz, welcher die Mehrzahl der damaligen Griechen huldigte. Fast bei jeder bedeutenderen Persönlichkeit, welche in der Geschichte des Hellenismus hervortritt , sind Be- ziehungen mit bekannten Hetairen nachweisbar. Die Mehrzahl 1) Theokr. id. VI 6 ff. 2) Inc. id. II 12 ff. 3) Theokr. id. I :!0 ff. 4) Gramer, aneed. parisin. III p. 422. Müller, fragm. hist. gr. II p. 246, 33 a. 5) Vgl. Alexis bei Athen. XIII p. 5(»S A ff. Becker, Charikles 11=^ p. ()4. 13 + 196 Der Hellenismus und die campanische Wandmaleroi. der Zeitgenossen fand darin nichts Anstö.ssiges. Ptolemaios VII., EuergetesIU) nnterliess nicht, in seinen Hypomnemata dieHetai- ren anzuführen , mit denen seine königlichen Vorgänger Umgang gepflogen. Zur Zeit des Polybios^) waren die schönsten Häuser in Alexandreia mit den Namen berühmter Flötenspielerinnen und Hetairen bezeichnet. Portraitstatuen solcher Frauen wurden in Tempeln und anderen öffentlichen Gebäuden neben denen ver- dienter Feldherrn und Staatsmänner aufgestellt^). Ja das ge- sunkene Ehrgefühl der griechischen Freistaaten Hess sich sogar herbei, Hetairen, die mächtigen Persönlichkeiten nahe standen, durch Kränze und bisweilen selbst durch Altäre und Tempel zu ehren *) . Für unseren Zweck genügt dieser flüchtige Hinweis auf hinlänglich festgestellte Thatsachen ; denn es giebt kaum einen Gegenstand aus der antiken Culturgeschichte , welcher in so ein- gehender Weise untersucht und von so verschiedenen Stand- punkten aus beleuchtet worden ist , wie dieser '^) . Die Neugestaltung der Verhältnisse findet in dem litterari- schen und künstlerischen Treiben einen bezeichnenden Ausdruck. Seit der Alexanderepoche tritt in der Litteratur die Beziehung der beiden Geschlechter ungleich mehr in den Vordergrund , als es früher der Fall zu sein pflegte. In den drei Dichtungsgattungen, welche die Diadochenperiode mit besonderem Eifer pflegte ,' in der Elegie, dem Idyll und der neuern Komödie, ist sie ein Haupt- gegenstand der Behandlung. Die milesischen Mährchen , deren Ausbildung zu einer selbstständigen Litteraturgattung mit hin- reichender Sicherheit in derselben Periode angenommen werden darf, beschäftigen sich damit ausschliesslich. Die alexaudrini- schen Litteraten spüren nach Legenden und Sagen erotischen Inhalts, welche bisher nur mündlich überliefert waren, und machen dieselben zu Gegenständen ihrer Dichtung'') . Sie statten Mythen, in deren Gestaltung bisher die Liebe keinen Eingang gefunden hatte, mit erotischen Zügen aus. Die erste Spur der Version, der zufolge Achill ein Liebesverhältniss mit Iphigeneia hatte, findet sich bei Duris von Samos") . Wir begegnen sogar der Erscheinung, dass mythische Gestalten, die nach der ursprünglichen Ueberlieferung der Liebe abgeneigt waren , in vollständig entgegengesetzter Weise 1) Athen. XIII p. 57« E. Müller, fragm. bist. gr. III p. 18«, 4. 2) Polyb. XIV 11, 2. 3) Vgl. Köhler , gesammelte Schriften VI p. 323 ff. 4) Demochares und Polemon bei Athen. VI p. 253 A B. 5) Jacobs, vermischte Schriften IV p. 343 ff., Becker, Charikles 11- 50 ff., wo auch die ältere Litteratur verzeichnet ist. «) Vgl. Dilthey, de Callimachi Cydippa p. HD ff'. l Schol. II. XIX 327. Müller, fragm. bist. gr. II p. 470, :{. XVIII. Die Gesellschaft. 197 aufgefasst werden . Während in der Tragödie des Euripides Atalante als keusche Jungfrau auftritt , welche ihren Abscheu gegen die Ehe in der entschiedensten Weise äussert ^) , finden wir sie später als die Geliebte des Meleagros. Da diese Version einem unter- italischen Vasenbilde '-) zu Grunde liegt, so dürfen wir mif Sicher- heit annehmen, dass dieselbe bereits in der alexandrinischen Epoche ausgebildet war , und , da wir wissen, dass der aitolische Mythos damals von mehreren Dichtern , wie Sosiphanes , Nikan- dros und Euphorion •*) , behandelt wurde, so liegt die Vermuthung nahe , dass die erotische Umbildung desselben durch die alexan- drinische Poesie erfolgte. Aehnlich ist es der Galateia ergangen. Während dieselbe nach der ursprünglichen Ueberlieferung den Po- lyphemos verschmäht, erscheint sie in der spätem Litteratur bis- weilen als die Geliebte des Kyklopen , eine Version , welche auch in der campauischen Wandmalerei nachweisbar ist ^] . Die alexan- drinische Dichtung bietet in diesem Falle zum Mindesten eine Situation, an welche die Umbildung anknüpfen konnte. In dem sechsten Idyll desTheokrit nämlich sucht Galateia, alsPolyphemo? mit seinen vergeblichen Liebesbewerbungen aufgehört hat. aufd Neue die Aufmerksamkeit desselben auf sich zu ziehen, indem sie sich dem Gestade nähert und Aepfel nach der Heerde des Ky- klopen schleudert. Dieser aber stellt sich , als bemerke er gar nicht ^ihr Gebahren , und spricht die Hoffnung aus , dass diese scheinbare Gleichgültigkeit die Nereide schliesslich veranlassen werde , sich ihm hinzugeben. Dass die veränderte Stellung der Frau auch in der damaligen Malerei Ausdruck fand, dürfen wir aus den gleichzeitigen Vasen- bildern schliessen. Mit Vorliebe schildern dieselben das Treiben von Frauen oder Mädchen, wie sie sich baden ^), mit ihrer Toilette Ij S. Nauck, fragiu. trag. gr. p. 41ö figm. -329. 2) Bull. nap. 1857 Taf. I. Dieselbe Version findet sich auch auf römischen Sarkophagreliefs. Vgl. Matz, Ann dell' Inst. tSfiO p. 8(> ff. ■i) Vgl. Meineke, anal. alex. p. 144 fragm. 131. 4) Auf dem Bilde N. 1052 (= Atlas Taf. XIII) sind Polyphem und Galateia einander umarmend dargestellt. Wenn, wie es auf N. 104S und 104<» der Fall ist, Eros dem Kyklopen einen Brief der Galateia überbringt, so lässt auch diese Handlung auf eine Version schliessen, nach welcher die Nereide die Anträge ihres Liebhabers nicht unbe- dingt zurückwiess Auf N. 1()50 und 1053, wenn ich dieselben richtig erklärt, hat Galateia das Meer verlassen und gewährt sie dem Kyklopen eine Unterredung auf dem Festlande. Vgl. Symbola philologorum Bonnensiura p. 362 ff. Arch. Zeit. 1864 p. 188. 5) Z. B. Miliin. peint de vases 11 9. Stackeiberg, Gräber der Hel- lenen Taf. 36. El. cer. IV 10 ff. Gerhard, aus. Vasenb. IV 296. 19S Dfi" Hellenismus und die canipanische Waudmalerei. boseliäftigen ') . musiciren '^] , Ball spielen 'j , sich schaukeln und andere Kurzweil treiben ^] . Auch lassen die Darstellungen der unteritalischen Gefässe deutlich die Umgangsweise der beiden Geschlechter erkennen, die wir als ein Product der hellenistischen Civilisation vorausgesetzt. Wir sehen, wie die Frau ungezwungen mit Männern und Jünglingen verkehrt '') , wie sie von ihnen Hul- digungen oder Geschenke entgegennimmt"), wie sie mit ihnen musicirt^), Morra spielt '^K kurz, wie sie ein dem Manne eben- bürtiges Element der Gesellschaft geworden ist. Allerdings lassen es einzelne Bilder zweifelhaft , ob die dargestellten Frauen der ehrbaren Gesellschaft oder der Classe der Hetairen angehören. Doch herrscht in denen, auf die ich diese Beobachtung gegründet, ein so decenter Geist und err^cheint das Entgegenkommen der Männer so rücksichtsvoll, bisweilen selbst so schüchtern-'), dass die Annahme, der Vasenmaler habe eine Scene aus dem Hetairen- verkehr schildern wollen, geringe Wahrscheinlichkeit für sich hat. Mochte auch bisweilen in den Kreisen vornehmer Hetairen ein sehr feiner und gehaltener Ton herrschen , wie wir dies bei dem Verkehre voraussetzen dürfen , den Epikur und sein Anhang mit Leontion pflogen , so ist es doch wenig glaublich , dass solche immerhin exceptionelle Erscheinungen auf das Kunsthandwerk wirkten. Was endlich die Hetairen betrifft , so ist ihr Einfluss auf die damalige litterarische und künstlerische Production unverkennbar. Mehrere Schriftsteller beschäftigten sich damit, Anecdoten aus dem Leben berühmter Hetairen zu sammeln , eine Litteratur- gattung, die namentlich von den späteren Peripatetikern gepflegt wurde i") . In der Oikonomie der neuen Komödie spielen sie eine hervorragende Kolle. Mögen die Angaben, nach welchen sie den bedeutendsten Bildhauern und Malern nahe standen und denselben als Modelle dienten, vielfach anecdotenhaft ausgeschmückt sein, so läuft die Erscheinung als solche dem Geiste der damaligen 1) El. cer. IV 12, 15, li). Stcphani , Ant. du Bosph. cimm. Taf. 57, 2. 61, 2. Compte-rendu 1861 Taf. I. 2) Vgl. 0. Jahn, Abb. d. sächs. Ges. d. Wiss. VIII p. "16 Anm. 64. 3; Vgl. 0. Jahn, Europa Denkschriften der hist.-pnil. Cl. der Ak. zu Wien, Band XIX) p. 2 Anm. 5. 4 Vgl. 0. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1854 p. 244 "ff. , 5) Mon. deir Inst. IV 23, 47. Miliin , peint. de vases II 70. Ei. cer. II 23. IV 64, 69, 73. Vgl. IV,80. 6) Mon. deir Inst. IV 24. El. cer. IV 70, 71. 7) Mon. deir Inst. IV 77. 8) Arch. Zeit. 1871/raf. 56, 1. 9) Siehe namentl. El. c6r. IV 61, 6!». to) Vgl Luzac, lect. att. II p. I3U. Jacobs, vorm. Schrift. IVp. 343. XYJtll. Die Gesellschaft. 199 Epoche keineswegs zuwider. Wir wissen bestimmt, dass die aus- gezeichnetsten Künstler sich herbeiliessen , berühmte Hetairen zu portraitiren. Eine Statue der Phryne wurde von Praxiteles gearbeitet ') ; ausser dieser sind auch die Portraitstatuen einer Reihe anderer Hetairen sicher bezeugt'^) . Pankaspe wurde von Apelles^j , Leontion vielleicht von Aristeides ^j , gewiss von Theon"») gemalt. Dass endlich die damalige Malerei das Treiben derselben auch in genrehaften Darstellungen behandelte, dürfen wir aus dem häufigen Vorkommen solcher Sceneu auf den späteren Vasen schliessen. Da es, um diese Erscheinung zu beobachten, nur eines flüchtigen Blicks auf jede beliebige Vasensammlung bedarf, so ist es überflüssig , sie durch Anführung einzelner Exemplare zu veranschaulichen. Die campanischen Wandbilder, in so weit sie bei dieser Unter- suchung in Betracht kommen , stimmen vollständig mit den Um- rissen , welche wir von der hellenistischen Gesellschaft und dem Einfluss derselben auf die gleichzeitige Kunst gegeben. Da sie nur eine Auswahl hellenistischer Compositionen reproduciren, eine Auswahl , welche durch die decorative Bestimmung der Bil- der und durch technische Rücksichten bedingt war , so haben wir allerdings nicht zu gewärtigen, dass darin alle Erscheinungen der Gesellschaft der Diadochenperiode , die in der gleichzeitigen Malerei Ausdruck fanden, vertreten sind. Dagegen ergiebt sich, dass die Summe der Erscheinungen dieser Art, welche die Wand- malerei schildert, durchweg den Stempel der hellenistischen Ent- wickelung trägt. Die von uns an erster Stelle hervorgehobene Richtung, welche darauf ausging, Charakterbilder aus dem Leben der einzelnen Berufsclassen zu geben , ist durch eine Reihe von Wandbildern vertreten, welche das Treiben der Theater- und Tonkünstler schildern '') . Wir sahen im Obigen , wie die griechische Kunst seit der Alexanderepoche mit Vorliebe Schilderungen aus solchem Kreise in ihren Bereich zog") Eines dieser Bilder, welches die Aufstellung einer Maske als Anathem für einen Schauspielersieg darstellt**) , findet die sprechendste Analogie in zwei Denkmälern 1) Overbeck, Schriftquellen n. 1246, 1251, 1269 ff. • 2| Vgl. Köhler, gesammelte Schriften VI p. 323 ff. 3) Plin. XXXV 86. Aelian, var. hist. XII 34. Lucian. imagg. 7. 4) Plin. XXXV 99. Vgl. Rhein. Mus. XXV (1S70) p. 512. 5) Plin. XXXV 144. Ueber die Identität des Theoros und Theon Bnmn, Gesch. d. gr. KUnstl. II p. 255, Ann. dell' Inst. 1865 p. 239 ff. 6) N. 1455 ff. Vgl. oben Seite 77. 7) Vgl. oben Seite 186 ff. 8) N. 1460. 200 Der Hellenismus und die campanisclie Wandmalerei. aus der Diadochenperiode, in einem Epigramme des Kallimaclios, welches besagt , dass der Schauspieler Agoranax die Maske des Pamphilos weiht , in dessen Rolle er den Sieg "davon getragen i) , und in einem apulischen Vasenbilde , welches einen siegreichen Schauspieler darstellt, welcher in der Linken eine tragische Maske hält und von Nike bekränzt wird 2) . Einer entsprechenden Hand- lung, wie sie auf dem pompeianischen Mosaik geschildert ist, welches Schauspieler darstellt im Begriffe , sich für die bevor- stehende Aufführung anzukleiden"^), begegneten wir auf einer bekannten ruveser Vase ^j . Wenn auf zwei Wandgemälden ein Barbar einer griechischen Hetaire beigesellt erscheint s), so entspricht diese Situation voll- ständig den realen Verhältnissen der hellenistischen Epoche. Bei der damals stattfindenden Nivellirung der Geburts- und Stammes- unterschiede waren Leute niederer Herkunft und auch Barbaren in den Stand gesetzt , sich griechische Schönheiten willig zu machen. Pythionike, die Hetaire des Harpalos, gab sich den Söhnen eines Fischhändlers hin '') . Gnathaina wurde von einem freigelassenen Sklaven ausgehalten und warf ihre Angeln nach einem alten Satrapen aus, der sich zeitweise in Athen auf- hielt^;. In einem der Briefe des Alkiphron**) macht Menekleides der Bakchis ein besonderes Verdienst daraus , dass sie den An- erbietungen eines vornehmen Meders widerstand. Auch dürfte die hellenische Abstammung der syrischen Fremdlinge , welche öfters als Freunde der Hetairen vorkommen''), berechtigtem Zweifel unterworfen sein. Jedenfalls lag es ganz im Geiste der hellenistischen Kunst, den pikanten Gegensatz aufzugreifen, den die Vereinigung des Barbaren mit der griechischen Schönheit dar- bot. Andere Wandbilder, welche Zechgelage von jungen Leuten und Hetairen, theils unter vier Augen, theils in grösserer Gesell- schaft schildern '*') , stimmen vortrefflich mit dem bei solchen Ge- legenheiten herrschenden Treiben , wie es sich aus der neueren Komödie, aus den Chrien des Machon, den an hellenistische Vor- 1) Anth. pal. VI :<11 fiy Meinekc, 50 Schneider). ,2) Newton, Catal. of the gr. and etr. Vases H n. \TM). :i) Mus. Borb. II 50, Gell, Pomp. 1 45 p. 174, Wieseler, Thcatcrg. Taf. VII. 4) Siehe oben Seite 189. 9) N. 1448. 14481». Vgl. oben Seite 77. 6) Timokles bei Athen. VIII p. XV,t D. 7) Aristodemos bei Athen. XIII p. 585 A, Machon bei Athen. XIII p. 581 A. 8) Epl. I ;J8. 9) Machon bei Atlien. XIII p. 579 F. 10) N. 1445 flf. XVIII. Die Gesellsclmrt. - 201 bilder anknüpfenden Briefen des Alkiphron und aus den Schil- derungen der späteren Vasenmalerei ergiebt. Ebenso ist der In- halt der Compositionen , welche Frauen und Mädchen , bei denen kein Grund vorliegt an Hetairen zu denken , in genrehaften Situationen vor Augen führen ') , ganz den Verhältnissen der helle- nistischen Cultur gemäss. Wenn auf zwei Wandgemälden '^) eine Malerin in ihrem Atelier geschildert wird , so gedenken wir unwillkürlich der Thatsache, dass in hellenistischer Epoche Anaxandra und verrauthlich auch Eirene und Aristarete als Male- rinnen auftraten. Die um die Alexanderepoche eintretende Ver- änderung in dem Entgegenkommen des Mannes gegenüber der Frau klingt deutlich durch in der vermuthlich auf ^ikias zurück- zuführenden Composition, welche darstellt, wie Perseus mit zarter Rücksicht die befreite Andromeda von dem Felsen heruntergelei- tet ='). Die Weise, in welcher Aphrodite bei dem Parisurtheil ^) mit dem troianischen Jüngling kokettirt, steht im besten Einklänge mit hellenistischer Sitte. In besonders vollendeter Weise ist aber die Erscheinung der koketten Weltdame, wie wir sie an den Höfen der Seleukiden und Ptolemaier vorauszusetzen haben , auf einem Wandgemälde wiedergegeben, welches Phaidra darstellt, während sie von Hippolytos die Zurückweisung ihres Liebesantrages ver- nimmt ">] . Wir begegnen hier nicht der grenzenlos verzweifelnden Phaidra des Euripides. Vielmehr mischen sich in ihrem Gesichte und in ihren Bewegungen deutlich die Scham, ihr Geständniss abgelegt, und die Bestürzung, dies ohne den gewünschten Erfolg gethan zu haben ; doch ist sie von diesen Empfindungen keines- wegs übermannt , sondern bewahrt äusserlich eine bis zu einem gewissen Grade gefasste Haltung. Betrachten wir ferner die Wandbilder, welche Erscheinungen aus dem Alltagsleben schildern , die nicht ausschliesslich der Diadochenperiode, sondern der ganzen griechischen Entwickelung cigenthümlich sind , so werden wir auch hier an Leistungen der an die Alexanderepoche anknüpfenden Malerei erinnert. Wie Pausias und dessen Schüler Aristolaos ein Stieropfer malten '') , wie dieser Gegenstand auf Vasen mit rothen Figuren vollständig entwickelten Styls behandelt isf^), so begegnen wir einer ent- 1) N. 1429 ff. 2) N. 1443. 144 J. 3; N. 1186—89. 4) N. 1284—86. 5^ N. 1244. 6) Plin. XXXV 126. 137. T) Z.B. Millingen, peint. de vases pl 51 , Arch. Zeit. 1 845 Taf. 35, 1 , Dcnkm. d. a. K. I 2, 10; De Witte, Cab. Durand n. 322; Jnghirami, vas. fitt. IV 361 , Panofka, Bilder ant. Leb. Taf. 4, 10, Denkm. d. a. K. II 50, 625: Inghirami, vas. fitt. IV 359 ; Gerhard, aiiserl. Vasenb. IV 243. 202 Dt^i' Ht'lk'uisuiiis uud die cauipanische Waudmalerei sprechenden Handlung auch auf einem pompeianisclien Wand- bilde 1) . Scenen aus dem Cultus, bei denen Frauen als Träge- rinnen der Handlung auftreten , finden sich in Pompei '- , wie auf Vasen späterer und namentlich unteritalischer Fabrik •') . Bei den Darstellungen des Treibens der Kinder *) gedenken wir unwill- kürlich der Thatsache, dass Pausias solche Gegenstände mit Vor- liebe behandelte '"] und dass die Vasenmalerei seit der vollständig freien Entwickelung eine ganze Reihe von Schilderungen aus diesem Bereiche aufweist '•) . Es sei fern von mir , die durchaus unberechtigte Vermuthung zu wagen , dass jene Wandbilder auf Originale des Pausias oder Aristolaos zurückgehen. Immerhin aber ergiebt sich aus diesem Vergleiche soviel, dass die auf den Wandbildern behandelten Stoffe bereits der an die Alexander- epoche anknüpfenden Malerei geläufig waren, dass also von dieser Seite aus nichts gegen die Annahme ihres hellenistischen Ur- sprungs eingewendet werden kann. Endlich haben wir noch die Wandgemälde zu betrachten, welche Scenen aus dem städtischen Alltagsleben nach dem Vor- gange der komischen Bühne schildern. Fragen wir, ob diese Compositionen durch die griechische oder durch die lateinische Komödie bedingt sind, so spricht alle Wahrscheinlichkeit für die erstere Annahme. Obwohl wir die lateinische Komödie durch eine beträchtliche Anzahl erhaltener Stücke kennen, so ist es doch nicht gelungen , auf den Wandbildern eine bestimmte Scene aus derselben nachzuweisen. Vielmehr hat Wieseler") die Unhalt- barkeit aller der Verrauthungen, welche in diesem Sinne versucht worden sind, in schlagender Weise dargethan. Allerdings sind wir andererseits auch ausser Stande , eines dieser Bilder auf eine bestimmte Scene aus der attischen Komödie zurückzuführen. Doch erklärt sich dies hinlänglich aus der dürftigen Ueberlieferung, auf welcher unsere Kenntniss der neueren attischen Komödie — denn diese kommt allein in Betracht — beruht, und wird hier- durch die Annahme eines Zusammenhanges der beiden Kunst- gattungen keineswegs widerlegt. Den einzigen festen Anhalts- punkt in dieser Untersuchung bietet ein Gemälde in der Casa 1) N. 1411. 2: N. 1410. 1412. ■V; Stephan!, Comptc-rendu 18(50 Taf. I; Gerhard, akad. Abhandl. II Taf. 6«), 2; Miliingen, peint. de vases pl. 41 . de Witte, Gab. Durand n. 472, Cat. Pourtalcs p. 6S n. 207. 4) N. 1117 ff. 5) Plin. XXXV 124. 6) Vgl. 0. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1854 p. 248 ff. 7, Theatergebäude p. 82 ff. XVIII. Die Gesellschaft. 203 della grande fbntana '^ . Hier ist zu jeder Seite der Komödien- scene , welche vermuthlich einen Parasiten darstellt , der einem , prahlerischen Krieger schmeichelt, ein bärtiger Alter gemalt, welcher, nackten Oberkörpers, einen Mantel über den Schenkeln, auf einem Lehnsessel sitzt und einen Stab in den Händen hält. Die Typen beider Alten sind von acht griechischer Auffassung und ihre Gegenwart bei einer scenischen Aufführung erklärt sich in der naturgemässesten Weise aus den attischen Theateralter- thtimern. Offenbar sind diese beiden Alten, wie Wieseler 2) richtig nachgewiesen hat , die Rhabduchen , welche in Athen bei sceni- schen Aufführungen von der Thymele aus die Theaterpolizei handhabten. Dieses Motiv ist also sicher in Griechenland und unter dem Eindrucke der griechischen Bühne erfunden. Wir werden demnach auch bei den Compositionen der scenae comicae, wo sich überhaupt über den Ursprung derselben etwas feststellen lässt, auf eine rein griechische Kunstthätigkeit hingewiesen. Dass diese Gattung der Malerei bereits in der Diadochenperiode aus- gebildet war , haben wir im fünfzehnten Abschnitte wahrschein- lich gemacht '•^) . Uebrigens steht die Erscheinung, dass im ersten Jahrhunderte n. Chr. Scenen aus der griechischen und nicht aus der lateinischen Komödie als Wanddecoration verwendet wurden , im besten Ein- klänge mit dem gleichzeitigen litterarischen Geschmacke. Indem die gebildeten Römer seit dem Ende der Republik bis zur Zeit Hadrians mit wenigen Ausnahmen Feinheit der Form als die wesentliche Bedingung jeder poetischen Leistung betrachteten, war das Interesse für die lateinische Komödie , die dieser Anfor- derung nur unvollkommen genügte, ein sehr beschränktes^) . Da- gegen wurden die Dichter der neueren attischen Komödie als Muster der Eleganz gepriesen und viel gelesen-^). Menander war neben Homer die hauptsächlichste Leetüre nicht nur in Knaben-, sondern sogar in Mädchenschulen '') . Unter solchen Umständen musste die Kenntniss der in der neueren attischen Komödie vorkommenden Situationen in den weitesten Kreisen verbreitet sein und ist es ganz begreiflich , dass bildliche Dar- stellungen derselben auch in die Decoration der Wohnhäuser Ein- gang fanden. 1) N. 1468. 2) Ueber die Thymele p. 47 if. 3) Siehe oben Seite 131. ■J) Vgl. namentlich Bernhardy, Grundr. d. röm. Litt. I Anm. 189. 5) Hör. sat. II, 3, 11. Quintil. I 8, 7. X 1, 69 ff. 6) Ovid. trist. II 369. Stat. silv. II 1, HL Germanicus hinterliess griechische Komödien: Sueton. Calig. 3. 204 Der Hellenismus und die campanischc Wanduialeici. XVmi. Das Interesse für die Wirklichkeit. Die geistige Entwickelung der Griechen verräth seit der Alexanderepoche in dem weitesten Umfange das Streben, die Dinge in ihrer Realität zu erfassen. Aristoteles, welcher auf dem Gebiete der Forschung die hellenistische Entwickelung einleitet, wie Alexander der Grosse auf politischem, fand die Objecte der philosophischen Erkenntniss in der Erfahrungswelt, erkannte den Begriff in dem, was den Dingen bestimmte Form und damit Wirk- lichkeit giebt , und schloss aus dem Einzelnen , in der Erfahrung Gegebenen auf das darin enthaltene Allgemeine. Es entsprach dieser empirischen Richtung , wenn er den Erfahrungswissen- schaften , namentlich der Geschichte und Naturgeschichte , das eingehendste Studium widmete und einen unvergleichlichen Schatz positiver Kenntnisse ansammelte. Die nächsten Generationen arbeiteten auf den verschiedensten Gebieten in seinem Geiste weiter. Auch die bildende Kunst unterlag dem Einflüsse der neuen Richtung. Sie fängt gegenwärtig an , eine Menge von Erschei- nungen , welche bisher unberücksichtigt geblieben waren , in ihr Bereich zu ziehen. Mit Vorliebe prägt sie Typen der verschie- denen Standes- und Berufsclassen aus und giebt sie Charakter- bilder von dem Treiben derselben i) . Die Malerei der Landschaft und die des Stilllebens werden zu selbstständigen Gattungen aus- gebildet 2). Der Kreis der pathologischen Erscheinungen, welche zur Darstellung gebracht werden , erfährt im Vergleich mit der früheren Epoche eine beträchtliche Erweiterung. Allerdings war das pathetische Element schon von der zweiten attischen Schule und namentlich von Skopas gepflegt worden. Doch wurde das- selbe bisher , soweit unser Wissen reicht , stets von einer be- stimmten poetischen Handlung getragen und dadurch innerlich begründet. Jetzt dagegen begegnen wir Kunstwerken, welche die Schilderung des Leidens zum hauptsächlichen oder alleinigen Zweck machen und darauf verzichten , den Zusammenhang zu verdeutlichen, durch welchen dasselbe hervorgerufen wird. Wäh- rend wir angesichts der Niobegruppe erkennen, warum Niobe leidet, kann in der Einzelstatue des Silanion, welche die sterbende Jokaste darstellte-^), das Interesse nur auf der Schilderung eines 1) Vgl. oben Seite 18(i ff. 2) Vgl. hierüber den dreiundzwanzigsten und fünfundzwanzigsten Abschnitt. ;<) Plutarch. de aud. poct. UI 'M. quaest. conviv. V 1, 2. XVIIII. Das Interesse für die Wirklichkeit. 205 imtev furchtbaren moralischen Qualen erfolgenden Sterbens be- rulit haben. Andere bezeichnende Producte dieser Richtung sind die sterbende Mutter mit dem Kinide, ein Gemälde des Aristeides ^j , der Kranke desselben Meisters 2) , die Sterbenden des Apelles ■*) . Unter den erhaltenen Denkmälern wird sie am Besten durch den sterbenden Alexander des florentiner Museums^), durch den Laokoon und durch die Medusa Ludovisi veranscliatilicht^) . In dem weitesten Umfange macht sich der veränderte Zeitgeist in der Weise der Charakteristik geltend. Allerdings hatte bereits die zweite attische Schule einen beträchtlichen Schritt in natura- listischem Sinne gethan. Deutlicher als die melir oder minder abgeflachten Copien aus griechisch-römischer Epoche zeigen dies die vom Mausoleum stammenden Originalsculpturen , die leider bisher für die Kunstgeschichte nur in geringem Grade ausge- beutet worden sind. Doch ergiebt selbst eine oberflächliche Be- trachtung derselben, dass verschiedene eine individuelle Darstel- lung bezweckende Mittel des Ausdrucks , die bisher in der Kegel als Neuerungen des Lysippos betrachtet werden , bereits den am Mausoleum beschäftigten Künstlern geläufig waren. Dies gilt von dem hervorspringenden Stirnknochen und der die Stirnhaut durchziehenden Falte , Motive , durch welche eine eigenthümliche Bewegung in die Ruhe des griechischen Typus gebracht wurde. Auch in der Behandlung der Gewänder zeigt sich deutlich das Streben, die verschiedenen Stoffe zu charakterisiren und durch Ausdruck naturalistischer Züge , wie der Brüche , welche die Zusammenlegung des Gewandes, bevor es angezogen wurde, her- vorrieft], den Schein der Wirklichkeit zu vermehren. Immerhin aber tritt, wenn wir die Sculpturen des Mausoleums mit den besseren Copien vergleichen, welche uns von Werken des Lysippos oder seiner Schüler erhalten sind, ein beträchtlicher Abstand hervor. Die Behandlung des Nackten verräth hier einen auf die Einzelheiten eingehenden Naturalismus , wie er den Werken der zweiten attischen Schule, soweit wir dieselben kenneu, entschieden fremd ist. Der Charakter der Haut, wie sie an dem menschlichen Körper bald schärfer gespannt ist, bald lockerer aufliegt, wie sie an gewissen Stellen und namenthch am Halse Falten bildet , das Getriebe der Muskeln und Adern — alles dies ist in der natur- 1) Plin. XXXV 98. Anth. pal. VII 623. 2) Plin. XXXV lOU. 3) Plin. XXXV 90 4) Denkm. d. a. K. I 39, 160. 5) Mon. deir Inst. Villi 35. Vgl. Dilthey , Ann dell Inst. 1871 212 ff. li) Vgl. oben Seite 35. 206 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. entsprechendsten Weise wiedergegeben. Angesichts der besten Copien , wie der vaticanischen des Apoxyomenos , fühlt das Auge des Betrachters gewisserraaassen die verschiedenen unter der Haut liegenden Substanzen, festes Fleisch, Knorpel, Fetttheile, heraus. Noch weiter als Lysippos ging dessen Bruder Lysistratos, über dessen extremen Realismus bereits im dritten Abschnitte die Rede war ^) . Betrachten wir die aus der Diadochenperiode erhaltenen Sculpturen , so geben die Barbarentypen pergamenischer Kunst nicht nur die eigenthümliche Gesichtsbildung und Gestalt, sondern selbst die Structur und Spannung der Haut wieder, wie sie diesen Stämmen im Gegensatze zu dem graeco - italischen eigenthümlich war. Der hängende Marsyas , der vermuthlich auf dieselbe Schule zurückzuführen ist 2), veri'äth eine wunderbare Kenntniss von dem Getriebe des menschlichen Muskelsystems. Das Gleiche gilt von dem Laokoon aus rhodischer Schule, in welchem die Convulsionen eines von tödtlichen Schmerzen ge- peinigten Mannes im Ganzen richtig bis in jede einzelne Muskel und Fiber verfolgt sind 3) und , was die Schwierigkeit der Auf- gabe nicht wenig vermehrte, der Leidende in einer Stellung auf- gefasst erscheint , in der es unmöglich ist , ein Modell auch nur einige Secunden festzuhalten. Vermuthlich ist es nicht als Zu- fall zu betrachten , dass solchen Kunstwerken die Studien des Herophilos , Erasistratos und Eudemos vorhergingen , durch welche die Anatomie zu einer selbstständigen Wissenschaft er- hoben wurde *) . In sehr bezeichnender Weise tritt die neue Richtung in der Portraitdarstellung hervor. Mag auch der rückhaltslose Realismus des Lysistratos vor der Hand eine vereinzelte Erscheinung ge- blieben sein, immerhin zeigen die Portraits, welche der Entwicke- lung nach Alexander dem Grossen angehören, verglichen mit denen der unmittelbar vorhergehenden Kunst, eine beträchtliche Steigerung des Strebens, die Erscheinung der Wirklichkeit getreu wiederzugeben. Um die Alexanderepoche vollzieht sich auf diesem Gebiete ein ganz ähnlicher Umschwung , wie er ungefähr 1) Vgl. oben Seite 37. 2j Vgl. oben Seite 155. 3) Allerdings zeigt der Laokoon einen anatomischen Fehler, dessen Nachweis ich Herrn Dr. Valentiner verdanke. An dem linken Oberschenkel ist nämlich der Verlauf der Vena saphena etwas zu tief localisirt. Bandinelli hat in der im Pahizzo Pitti befindlichen Copie des Laokoon diesen Fehler verbessert. 4) Vgl. Le Clerc, histoire de la medicine (Amsterdam 1702) II p. 28 flF. ; Sprengel, Versuch einer Geschichte der Arzueikundo P p. r,2.^ iV. XVIIII. Das Interesse für die Wirklichkeit. 2(l7 gleichzeitig in der Geschiclitschreibung stattfindet. Schriftsteller der der Alexanderepoche vorhergehenden Entwickelung heben, wenn sie Persönlichkeiten schildern , die wesentlichen Eigen- schaften hervor, auf denen ihr historischer Charakter beruht, und führen als Belege für diese Eigenschaften Handlungen an, in denen dieselben mit besonderer Schärfe zu Tage traten ^) . Da- gegen wird Allee , was nicht zu dem historischen Charakter der betreffenden Persönlichkeit gehört, unberücksichtigt gelassen. In solchem Geiste sind die Schilderungen gehalten, welche Xenoplion von Kyros"^), von Klearchos, Proxenos , Menon-*) und von Age- silaos 4) entwirft. Anders die Schriftsteller seit der Zeit Alexan- ders. Sie fassen die zu schildernden Persönlichkeiten nicht lediglich als historische Charaktere , sondern suchen ein in alle Einzelheiten eingehendes Bild derselben zu geben , schildern ihr Aeusseres , berichten Eigenthümlichkeiten aus ihrem Privatleben, wie sich die betreffenden Personen in diätetischer Hinsicht ver- hielten, wie sie sich kleideten. Je nach der Individualität des Beschreibers treten in grösserem oder geringerem Grade anec- dotenhafte Züge in den Vordergrund. Als Beleg dieser Art der Charakteristik sei hier die Schilderung angeführt, welche der Samier Duris ^) von Phokion entwirft. »Kein Athener« , so schreibt er , »sah ihn jemals lachen oder weinen , noch öffentlich baden , noch die Hand aus dem Mantel herausstecken ; im Felde marsch irte er stets ohne Sandalen und nur mit dem Cliiton be- kleidet; nur wenn das Wetter sehr rauh war, zog er den Mantel an, sodass die Soldaten es als ein Zeichen grosser Kälte be- trachteten, wenn der Feldherr nach dem Mantel griff.« Einen ganz entsprechenden Gegensatz bietet die Behandlung des Portraits in den beiden Epochen dar. Allerdings verräth die Portraitdarstellung bereits in der ersten Hälfte den 4. Jahrhun- derts, wenn wir sie mit der im 5. Jahrhunderte raaassgebenden vergleichen, eine beträchtliche Weiterentwickelung in naturalisti- schem Sinne. Sie hat die erhabene Ruhe aufgegeben, welche die 1) Xenophon. Agesil. I 6: d~b f^P "öiv Ip-^tuv '/.rn to-j; TpoTtO'j; Tj-vj -/aXXtGTa voixiCoj v.aTaoT,Xo'j; l'aeoftat. Vgl. Petersen, Einleitung zu Theoprasti characteres p. 102. 2] Anab. I 9. :i) Anab. II 6. 4) Agesil. I 36 ff. 5; Plutarch. Phok. -1. Fragm. bist, graec. ed. Muller II p. 474, 22. Vgl. ausserdem Theopompos über Philipp II von Makedonien bei Polyb. VIII 11 (Fragm. hist. graec. ed. Müller I p. 282, 27), Duris von Samos über den Phalereer Demetrios bei Athen. XII p. 542 C (Fragm. hist. gr. ed. Müller II p. 47.S, 27: imd die Charakteristiken bei Polybios , namentlich die des jüngeren Scipio XXXII 9 ff. 208 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. vorhergehende Kunst wie über alle ihre Schöpfungen so auch über ihre Bildnisse verbreitete, und fängt an, die Einflüsse des Alters anzudeuten, während das 5. Jahrhundert die darzustellenden Per- sönlichkeiten als ideale von solchen Mängeln unberührte Existenzen auffasste. Doch tritt der naturalistische Zug zunächst sehr maass- voll auf. Die Portraits des 4. Jahrhunderts, insoweit sie vor die Alexanderepoche fallen, wie der sogenannte Mausolos, der Sopho- kles im Lateran , der angebliche Phokion i) . geben mit gross- artigeinfacher Behandlung die Formen wieder, auf denen der Charakter der darzustellenden Individualität beruht, und über- gehen die Züge, welche für diesen Zweck nicht in Betracht kom- men. Während diese Auffassungsweise der entspricht, mit wel- cher gleichzeitige Schriftsteller , wie Xenophon , historische Per- sönlichkeiten schildern , tritt in der an die Alexandei-epoche an- knüpfenden Portraitkunst eine Richtung hervor , welclie sich der Charakteristik des Theopompos, des Duris von Samos und anderer späterer Schriftsteller vergleichen lässt. Jetzt werden auch Züge, die für das Ethos der darzustellenden Person unwesentlich sind, in dem Portrait verwirklicht. So ist in dem Aristoteles Spada-^j und in dem vaticanischen Menandros ') die ungleiche Bildung der Augen offenbar der Wirklichkeit nachcopirt. In den Por- traits Alexanders des Grossen ist öfters der schiefe Hals, welcher den Wuchs des Königs entstellte, zum Ausdruck gebraciit. Aller- dings wurde hierbei nicht schlechthin die Wirklichkeit copirt, sondern in acht griechischem Geiste der organische Fehler zu einer dem Charakter des Welteroberors entsprechenden Eigen- thümlichkcit idealisirt; denn die schräge Stellung des Halses stimmt vortrefflich zu der stürmischen Bewegimg, wie sie in dem Ausdrucke der Bildnisse Alexanders zu herrschen pflegt. Wiewohl somit die Kunst ein Verfahren einschlug, welches sich gewissermaassen als ein Compromiss zwischen der Wiedergabe der realen Erscheinung und dem lauteren Ausdruck der Idee be- zeichnen lässt , so ist es immerhin bedeutsam , dass ein solcher Fehler überhaupt berücksichtigt wurde. Während die vorher- gehende Epoche den durch das Alter verursachten Verfall des Organismus in sehr gemässigter Weise andeutet , wird derselbe gegenwärtig mit grosser Ausführlichkeit geschildert^). Früher 1) Visconti, Mus. Pio-Cl. II VA. 2) Visconti, iconogr. gr. I 20»'». 3) Visconti, Mus. Pio-Cl. III 15, Iconogr. gr. I 0, i. •.;. 4; Vgl. oben Seite 37. 38. Vermuthiich ist auch das Portrait des greisen Sophokles (Pistolesi il Vaticano descr. V 84, 1. Braun, Ruinen und Museen p. 3<(2 n. 120. Mon. dell Inst. III 32. Vgl. Jiull. deir Inst. 1807 1.15) in der Diadochenperiode erfunden. XVIIII. Das Interesse für die Wirklichkeit. 209 wurde die Tracht nach ästhetischen Rücksichten vereinfacht : Sophokles und der sogenannte Pliokion treten nur mit dem Mantel bekleidet auf. Jetzt wird öfters auch der Chiton beigefügt, wie es z. B. bei den vaticauischen Statuen des Menandros und Posei- dippos 1) der Fall ist. Wie die Kunst im Grossen und Ganzen dem Zeitgeiste Aus- druck verleiht, so iot es wohl möglich, dass auch gewisse Wissen- schaften, die damals zur Ausbildung kamen , einen unmittelbaren Einfluss auf dieselbe ausübten. Von der Anatomie wurde dies bereits oben bemerkt. Vielleicht haben wir dasselbe hin^os als Bote der Galateia dem Kyklopen einen Brief überbringt') . Die Situation , in welcher derselbe Dichter ^) die um den todten Adonis beschäftigte Aphrodite auffasst ist auch von einem Wandmaler'*) zur Darstellung gebracht worden. Die Schilderung, welche Bion lO) von der ärztlichen Pflege ent- wirft, die Eroten dem verwundeten Adonis widmen, stimmt in dem ganzen Geiste und in bezeichnenden Zügen , wie einige Eroten Wasger herbeitragen, wie ein anderer den Schenkel des Jünglings verbindet, mit einem Wandbildei') überein. Besonders eigenthüm- lich aber ist die Verwandtschaft, welche sich herausstellt, wenn wir die Verse, durch welche Moschos''^) den Raub der Europa schildert, mit den malerischen Darstellungen desselben Gegen- standes vergleichen. Die Worte des Dicliters lauten: 1) N. 128. 2) Dionys. I 80 ff. .3) Lavacr. Pallad. 21 ff. 4) N. :«)5. .5) Ars. HI 45 ff. 0) Idyll. VI 31 ff. 7) N. 1048 ff. s) Theokr. id. III 47. 1>) N. :yM\. 10} Id. I 80 ff. 11) N. 340. 12) Id. 1 125 ff. XX. Die Aiiffasswng der Mythen. 225 Yj 5' ap' IcpeCojA^vY] Zr^vo; ßo^ot; im vo'jxot; Tfi fi.ev l'yev xaupo'j ooXtyöv "/cpa? , £v yspt S' exXXrj £tp'J£ TTOpCp'jp^TjV GToXlJ.O'J ~TU/a , OCfpoE X£ [J.T] |AtV Se'jöi lcf.£X7.o(X£vov roXi-^; dXo; äaTrerov uoiup. ■xoXTTtuft-^ S' dvl[jioioi ttIttXo? ßaft'i; EOpcorreirj;, tOTlOV Old TS ^r/)^, dXaCpplC£tJ-jC£ 0£ /CO'jpT|V. Alle einzelnen Motive dieser Schilderung:, wie sich Europa mit der einen Hand an dem Hörne des Stieres festhält ') , wie sie mit der andern ihr Gewand fasst , wie dasselbe über ihr vom Winde segeiförmig aufgebläht wird '^) , sind auch auf Wandbildern nach- weisbar. Fragen wir , ob in diesem Falle die Dichtung die Ma- lerei bestimmte oder ob die Phantasie des Dichters durch Remi- niscenzen an Gemälde angeregt wurde , so spricht der Charakter der Schilderung , die recht eigentlich in das malerische Gebiet übergreift, entschieden für die letztere Annahme. Es ergiebt sich somit, dass Motive, wie sie auf den campanischen Europa- bildern wiederholt sind , bereits zur Zeit des Moschos , also in der Diadochenperiode , existirten. Mit diesem Resultate stimmt der Vergleich polychromer Gussgefässe , welche in Athen und in der Krim gefunden sind und mit hinlänglicher Sicherheit als Arbeiten aus dem Ende des vierten oder dem Anfange des dritten Jahrhunderts v. Chr. betrachtet werden dürfen •') . Die Stellung der an den Stier angelehnten Europa , welche als Hoch- relief an dem Bauche dieser Gefässe angebracht ist , verräth eine merkwürdige Uebereinstimmung mit der Behandlung der- s'elbcu Figur auf einem pompeianischen Wandgemälde^) . Aehnlich verhalten sich zu einander die Darstellung einer unteritalischen Schale'') und ein anderes pompeianisches ^ Europabild ^') . Nun wissen wir, dass Antiphilos , ein Zeitgenosse des Ptolemaios Soter und im Dienste desselben thätig , eine Europa malte ^j . Da sich dieses Bild aller Wahrscheinlichkeit zufolge in der Residenz der Ptolemaier befand, so konnte Moschos bei seinem alexandnnischen Aufenthalte recht wohl davon Kenntniss nehmen. Wir sind dem- nach berechtigt , die Frage aufzuwerfen , ob nicht die Schilderung des Moschos durch Reminiscenzen an dieses Gemälde bestimmt wurde , ob nicht die Schöpfung des Antiphilos die Grundlage bil- dete für die zahlreichen Europadarstellungen der späteren Kunst, welche in grösserem oder geringerem Grade mit der Schilderung 1) N. 128. 2) N. 124— 12(i. ;i) Stackelberg, Gräber der Hellenen Taf. L 1 ; 0. Jahn, Em-opa (Denkschriften der hist. phil. Classe der Wiener Akademie, Band XIX) Taf IX b p. 17 ; Stephani, Compte rendu 1866 Taf. II 33. 4) N. 127. 5i 0. Jahn, Europa Taf. Villa p. 46. 6) N. 129. T) PHn. XXXV 1'4. He l big, Untersuchungen ü. d. campan. W^andmalerei. 15 226 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. des Bukolikers übereinstimmen ^) . Wer sich eingehender mit diesen Darstellungen beschäftigt hat, wird die FassuDg, in welcher ich meine Frage vortrage , nicht befremdend finden. Wiewohl näm- lich die Behandlung der Europa innerhalb dieser Denkmäler durch die Uebereinstimmung des wesentlichen Inhalts und bezeichnender Motive auf denselben Ausgangspunkt zurückweist, so begegnen wir doch einer Menge von Nuancen der Auffassung und des Aus- drucks , die zu der Annahme nöthigt , dass , wie es öfters in der griechischen Kunst der Fall war , so auch hier eine bedeutende Schöpfung weiter entwickelt und in verschiedenartigem Sinne durchgebildet worden ist. Die Europa des Antiphilos schmückte später in Rom diePorticus des Pompeius^) und gehörte zu den popu- lärsten Kunstwerken der Stadt, wie denn Martial die Localität, wo sie sich befand , kurz durch den Hinweis auf das Bild bezeich- net 3). Unter solchen Umständen war es ganz naturgemäss, dass die von Antiphilos erfundenen Motive auch auf italischem Boden eine weite Verbreitung und unter andern in die Wandmalerei Eingang fanden. Betrachten wir aber die erlialtenen Denk- mäler aus griechisch-römischer Epoche, welche die Entfüh- rung der Europa darstellen , so begegnen wir auf ihnen gerade den Motiven, welche Moschos bei Schilderung derselben Scene hervorhebt. Ja wir dürfen behaupten , dass es wenige Gedanken der classischen Kunst giebt, deren Wirkung in der Production der römischen Kaiserzeit so nachhaltige Spuren zurückgelassen hat , wie diese. Dieselben kommen nicht nur auf vielen erlial- tenen Denkmälern und auf einem Landscliaftsgemälde vor , wel- ches Achilles Tatius'')', als im Astartetempel zu Sidon befindlich beschreibt , sondern bestimmten auch Schilderungen , die Sclirift- steller der Kaiserzeit von dem liaube der Eluropa geben , wie die des Ovid '*) , eines lateinischen Epigrammes "') , des Lucian ^) und 1) Vgl. 0. Jahn , Europa p. 4r. ff. 2) Plin. XXXV 111. 3) Martial. II 14, 3 : currit ad Europen. Vgl. III -H), 12. XI 1, 1 1 . 4) I 1 : ■/) TiapOevoi (xlaot; iTrexaftvjTo toi? vcotoi; toü ^oo? , oii Ttepi- ßaoYjv, dXXd -Aaia TrXe'jpav , iv:t os^ta o'jpßäaa rib ttoSe , -^ Aatä xo-i -/spt«; iyoni•^^fl , «GaTTsp -^vioyoc /ctXivoü .... AI yetpe; aixcßo) ^jtex^TavTo , i] (A£V in\ -/.ifoii, '^ 0£ ^tt' o'jpav YjpTTjTO ße «(ACpoiv ixaT£p(wff£v UTTSp TYjv Y.e^"y.X-i]\ xoX'jTTTpa x6xXtu TÜ)V vä()T«)v d(ji7t£Tr£To(0{xivrj. 0 Ö& xoXtto; toö ir^TrXou TTotv- Toft£V dT£TaTO X'jpTo6[i£VO;. 5) Metara. II 874: Respicit , et dextra cornum tenet, altera dorso Imposita est. tremulae sinuantur tluuiin(^ vestes. Fast. V 607 : Ilia iubam dextra , laeva retinebat aniictns. Et timor ipse novi causa decoris erat. Aura sinus implet. Am. I 3, 23 : Quaeque super pontuui simulato vecta iuvenco virginea tenuit cornua vara manu. XX. Die Auffassung der Mythen. 227 des Nonnos ^) . Jedenfalls stimmt diese Erscheinung vortrefflich mit der Annahme , dass es die Composition des Antiphilos war. welche einerseits die Schilderung des Moschos inspirirte, und ande- rerseits der Behandlung, welche die spätere Kunst der Entführung der Europa angedeihen liess, als Ausgangspunkt diente. Der schwierigen Aufgabe , auf den erhaltenen Denkmälern die Motive ausfindig zu macheu, die dem Originale des Antiphilos am Nächsten stehen dürften , wage ich mich bei der geringen Kenntniss , die wir von dem Kunstcharakter dieses Meisters besitzen , nicht zu unterziehen. Aus begreiflichen Gründen wiegt in diesen Dar- stellungen gewöhnlich ein sinnlicher oder tändelnder Zug vor, von dem es fraglich ist, ob er in diesem Grade der Megalographie des Antiphilos eigenthümlich war. Da es demnach möglich ist, dass die Wandgemälde aus dem Europamythos ein Entwickelungs- stadium vertreten, welches von dem Ausgangspunkte, der Schöp- fung des Antiphilos , beträchtlich fern liegt , so habe ich diese Betrachtung nicht in dem Abschnitte , wo ich über die in der Wandmalerei reproducirten Compositionen bekannter Meister ge- handelt , sondern au dieser Stelle eingeschaltet. Dass die Beschreibung , welche Moschos von dem Treiben der bei dem Raube der Europa gegenwärtigen Meerwesen entwirft, allenthalben Keminiscenzen an Werke der bildenden Kunst ver- räth, ist bereits von 0. Jahn 2) ausführlich nachgewiesen worden. Verschiedene dieser Motive , die emporhüpfenden Delphine -*) , die auf Meerwundern reitenden Nereiden *) , die in Muschelhörner stossenden Tritonen "'>) , kommen, einzeln oder zu mehreren ver- einigt, auch in der Wandmalerei vor. Es ist unzweifelhaft , dass die genrehafte Behandlung mytho- logischer Stoff"e, die der alexandrinischen Poesie eigenthümlich ist, in weitestem Umfange auch von der gleichzeitigen Malerei gepflegt wurde. Mögen, wie bereits bemerkt, die antiken Schriftsteller hier- 6) Anth. lat. I 14, 29: Tunc laeva tauruiu cornu tenet inscia culpae Obliquatque sinus in ventum auramque patentem. ") Dial. marin. XV 2 : -^ 5s uavj i-ATzla^iiia tw r.pd'^it.aTt r-r Kaiä [a£v eiyexo xoü -iclparo?, ai; fJiTj äTroXto&otTj , tt] ixdpa hk Tjv£[xtt)ii.£vov xov ^tsrXov ouveTyev. 1') Dionys. I 68 : Tiqhakio-^ Y.iprxi laye, vm Ifxepoc luXero votürrj;. y.ai SoXoeic BopcYj; Y'XfAtTj 0£Oovtj}a£-vov ayptj cpäpo; oXov xöXiTtuse. 2) Berichte der sächs. Ges. d. Wiss. 1S54 p. 185 ff. .3) Diese begleiten in der Wandmalerei fast jede Handlung, die im Meere vorgeht, und finden sich auch bei dem Raube der Europa: N. 124—126. 128. 4) N. 1027 ff. 5) N. 1042. 1065. 1071. ' 15* 228 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. über so gut wie nichts berichten, so wird diese Lücke durch Vasen- bilder ausgefüllt, die der Entwickelung seit Alexander dem Grossen angehören. Bereits 0. Jahn ^) hat die Darstellung eines unter- italischen Gefässes mit den oben angeführten genrehaften Zügen der alexandrinischen Dichtung verglichen : Apluodite scherzt mit Eros , indem sie ihm einen Vogel zeigt ; der Knabe , welclier mit der Linken sein Spielzeug, einen kleinen Wagen, nacli sich zielit, streckt die Rechte begierig nach dem Vogel aus, den ihm die Göt- tin aus Neckerei vorenthält ; daneben ist ein Mädchen , das viel- leicht Charis zu benennen ist, mit Ballspiel beschäftigt. Eine beinahe bis in die geringfügigsten Einzelheiten entsprechende Darstellung kehrt auf einem in der Krim gefundenen Krater wieder ^ : . Es veisteht sich von selbst , dass die Vasenindustrie eine derartige Dichtung nicht selbstständig ausbildete. Vielmehr folgte sie in dieser , wie in anderen Hinsichten dem Vorgange der kunstmässigen Malerei. Wenn demnach die späteren Gefässbilder , sei es aucli in vielfach abgeblasster und getrübter Weise , die Entwickelung der helleni- stischen Malerei abspiegeln , so tritt nunmehr die Aufgabe au uns heran , zu untersuchen , wie sich der Inhalt dieser Denkmälergat- tnng zu den in Rede stehenden Wandgemälden und zu unserer Ansicht über die Erfindungsepoche derselben verhalte. Doch muss ich, um für diesen Vergleich den richtigen Maassstab zu gewinnen, einige Bemerkungen vorausschicken, die ich bei allen Stellen die- ses Buches, wo über das Verhältniss der Wandgemälde zu den Gefässbildern die Rede ist , beherzigt wissen möchte. Die Wandgemälde — so lautet unsere Tliese — sind im Gros- sen und Ganzen Wiederholungen von kunstmässigen Tafelbildern, im Besonderen Cabinetsbildern der Diadochenperiode. Mag die decorative Frescotechnik ausser Stande gewesen sein, die Originale mit allen ihren Feinheiten wiederzugeben , so reichte sie immerhin aus, um den wesentlichen Inhalt derselben zum Ausdruck zu brin- gen. Die räumliclien Bedingungen waren bei dem Tafelbilde und bei der Frescoreproduction dieselben ; liier . wie dort verfügte die Malerei über ein der Natur entsprechendes Colorit und über die Ab- stufung von Licht und Schatten. Demnach hatten die Wandmaler keinen Grund, das Princip der Bilder, welche sie wiedergaben, umzugestalten. Anders verliält es sich mit den bemalten S^asen. Diese sind Producte eines Handwerkes, welches seiner Natur nach eine von der der Tafelmalercii beträchtlicli verschiedene Bahn ein- schlagen musste und dabei genügende künstlerische Productions- fiihigkeit besass , um dies in zweckentsprechender Weise zu thuu . 1) Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. lSf.4 Taf. 13 p. 247. 2; Antiquit^s du Bosph. eimm. pl. 61, 6. XX. Die Auffassung der Mythen. 229 Geben wir uns von diesem Sachverhalte deutliche Rechenschaft, dann hält unsere Ansicht, dass die Compositionen der Wandbilder auf die den späteren Vasengattungen gleichzeitige Malerei zurück- gehen , bei dem Vergleiche der beiden Denkmälergattungen vollstän- dig Stich. Wir sahen bereits im sechszehnten Abschnitte, wie die Väsenzeichnung von der kunstmässigen Malerei , seitdem dieselbe die Mittel zu einer Illusion erzielenden üarstellungsweise erwor- ben hatte , durch eine beträchtliche Kluft getrennt war , wie ein Gefässzeichner , falls er ein Tai'elbild der vollendeten Entwicke- iung in seiner Technik reproduciren wollte, genöthigt war, die Composition desselben vollständig umzuarbeiten. Andere Kigen- thümlichkeiten , welche an dem Handweike zu haften pflegen, waren ganz geeignet, diese Kluft z'i erweitern. Zu allen Zeiten hängt dasselbe , mag aucli die Kunst bereits andere Bahnen ein- geschlagen haben , mehr oder minder ;in dein Althergebrachten. Besonders nahe lag dies aber bei der Fabrik der Vasen , die zum Theil für den Export in da« Ausland gearbeitet wurden, wo die Entwickelung der griechischen Kunst gar nicht oder nur in gerin- gem Grade verfolgt werden konnte. Dass die Vasenmalerei ge- wisse Style , während die gleichzeitige Kunst bereits weiter vor- geschritten war, noch conventioneli festhielt, ist gegenwärtig all- gemein anerkannt. Dasselbe gilt aber auch von einer Reihe von Motiven . welche während der älteren Entwickelung erfunden und vorwiegend durch die Bedingungen derselben berechtigt waren. Ich erinnere , um diesen Sachverhalt durch ein bezeichnendes Beispiel zu veraii schaulichen, an jene heftig bewegten Frauen- gestalten, welche auf Vasen, deren Bilder schreckliche oder wun- derbare Ereignisse schildern , der Handlung beigefügt zu werden pflegen ') . Ihre Gegenwärt ist nicht immer durch die mythische Ueberlieierung begründet. Oefters sind sie, ohne dass der Mythos dazu Veranlassung gäbe , lediglich in der Absicht beigefügt, um den Eindruck, welchen die Handlung hervorrufen soll , figür- lich in dem Bilde zum Ausdrucke zu bringen und somit dem Betrachter ein Hülfsmittel zum V'crständniss der Darstellung zu gewähren. Oft'enbar wurde dieses Motiv in einer Entwicke- lung erfunden , in welcher die Kunst noch nicht fähig waf , den Inhalt einer Handlung durch die Individualisirung der Träger der- selben zu veranschaulichen. Nichts desto weniger aber kommen einzelne solcher 'Frauengestalten auch auf Gefässen vollständig freier Zeichnung vor-) . Ebenso lässt sich der Ausdruck einer Liebes- I) Vgl. -Stephaui , Melangcs greco-roniaiiis l p. 5(iH ff. "ij Siehe z..B. Newton, catal. of the vases in the Brit. Mus. II 268 n. ;js. 230 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. bewerbung durch eine Verfolgungsscene , wie er in der älteren Kunst üblich war ' : , beinahe in allen Gattungen der Vasenmalerei nachweisen . Diese Darstellung findet selbst auf Mythen Anwen- dung , von denen zur Zeit , als die betreffende Vase gearbeitet wurde , eine ganz verschiedene Version ausgebildet war. Die be- rühmte Gruppe des Leochares'^) war ganz geeignet, die Version, nach welcher Ganymedes von dem Adler entführt wurde, in den weitesten Kreisen geläufig zu machen. Nichts desto we- niger aber übte sie keinen Einfluss auf die Vasenmalerei aus. Vielmehr schilderte dieselbe stets Ganymed, wie er von Zeus ver-. folgt wird''). Diese Krscheiuungen zeigen deutlich, wie die Vasen- malerei geneigt war , Motive festzuhalten , welche einmal typisch festgestellt und durch lange Ueberlieferung allgemein verständlich geworden waren. Ebenso spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür , dass sich das Vasenhandwerk hinsichtlich der Wahl der darzustellenden Stoffe conservativ verhielt und nicht jede Neuerung , die in dieser Hinsicht auf dem Gebiete der kunstmässigen Malerei Statt fand, sofort annahm. Viele Mythen, welche in der Wand- malerei behandelt sind , fehlen auf den Vasen. Es sind dies namentlich solche , welche erst in der Diadocheriperiode eine Be- handlung erfuhren , die geeignet war , die Kenntniss derselben in weiteren Kreisen zu verbreiten , wie wir dies von den Mythen des Kyparissos , der Daphne, des Narkissos u. a. annehmen dürfen*). Wenn wir diese auf den Wandbildern häufig behan- 1) Vgl. 0. Jahn, arch. Beiträge p. 27 ff. 2) Pliii. XXXIV 7?t. Vgl. 0. Jahn a. a. 0. p. 20 ff. li) Vgl. 0. Jahn, arch. Beitr. p. 26 ff". Overbeck, Kunstraytho- logie II p. •'>lt>. 4) Der älteste uns erhaltene Schriftsteller, welcher von Kypa- rissos und Narkissos erzählt, ist bekanntlich üvid. Doch versteht es sich von selbst, dass er nicht der Erste war, der diese Mythen aus der mündlichen Ueberlieferung der Messenier , Phokier und Boiotier in die Litteratiu' einführte. Vielmehr bearbeitete er sie gewiss nach dem Vorgange alexandrinischcr Dichter. Wir wissen , dass dieselben allenthalben nach den iocalen , bisher noch nicht von der Litteratur ansgentitzten Traditionen spürten und zu diesem Zwecke selbst Reisen unternahmen. Da;^egen verlautet nichts von einer derartigen auf grie- chische Mythen gerichteten Thätigkeit der Dichter der augusteischen Epoche. Der Kyparissosmythos wird schon zur Zeit der Seleukiden über die Grenzen von Messenien und Phokis hinaus bekannt gewesen sein; denn er war auch in der Gegend von Antiochoia am Orontes loca- lisirt (Serv. zu Aen. III <»'^0. Philostrat. vit. Apoll. I l(»), offenbar im Zusammenhange mit dem beriilimten Kypressenliaiu in Daphne, dem bereits von den Seleukiden die aufmerksamste PHege gewidmet wurde. Vgl. O.Müller, antiqu. Antioch. I p. lü ff. Die Deutung eines Vasen- bildes (Millingen, peint. de vases pl. !!<, Inghirami , vasi fittili II XX. Die Auffassung der Mythen. 231 delten Stoffe auf den Vasen der Diadocheiiperiode vermissen , so wird hierdurch unsere Ansicht über den hellenistischen Ursprung der Wandbilder keineswegs widerlegt. Wir dürfen unmöglich voratissetzen , dass die Vasenfabrikanten , wenn ein alexandrini- scher Dichter einen Mythos in die Litteratur eingeführt hatte, wenn die knnstraässige Malerei dieser Anregung gefolgt war, ihren Ar- beitern sofort Befehl gaben , den neuen Gegenstand auf den Ge- fässen darzustellen. Diese Annahme würde dem Geiste , wie er zu allen Zeiten dem Handwerke eigenthümlich ist , entschieden widersprechen. Ausserdem können hierbei noch allerlei andere Verhältnisse wirksam gewesen sein , die i-ich bei dem gegenwär- tigen Stande der Wissenschaft unserer Keinitniss entziehen. - Die Epoche , in welcher die Vasenmalerei aufhörte , ist noch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt. Ebenso sind wir ausser Stande, die Zeit, wann jeder der hierbei in Hetracht kommenden Mythen in die Litteratur Eingang fand, selbst nach Genera- tionen zu berechnen. Es bleibt daher immerhin die Möglichkeit oflfen, dass einzelne dieser Mythen erst nach Aufhören der Vasen- malerei-populär wurden. Ferner hat man dasLocal und die eigen- thümlichen Verhältnisse in Betracht zu ziehen, auf denen die Lite- ratur fusste , die diese Mythen zuerst behandelte. Dieselbe ent- wickelte sich vorwiegend in den Hauptstädten der griechischen Monarchien und vor allen in Alexandreia. Ob in diesen Städten Vasenfabriken existirten , können wir , bevor nicht ausgedehntere Ausgrabungen in den Nekropolen derselben angestellt worden sind, weder bejahen noch verneinen'). Jedenfalls treten, soweit gegen- 171) auf Kyparissos ist entschieden falsch. Dasselbe stellt sicher Paris und Oinone auf dem Ida dar. Die Versuche , Vasenbilder auf den Narkissosmythos zu beziehen, sind von Brunn, Berliner Jahrb. für Wissenschaft!. Kritik, is 15 Februar, p. 182 ff., und Wieseler, Narkissos p. II Anra. 2(1 zurückgewiesen worden. Ueber Daphne vgl. Rhein. Mus. XXIV I86U) p. 2.51 ff. \] Die einzige Nachricht von einem Vasenfunde in Alexandreia ist meines Wissens die bei Minutoii , verm. Abhandlungen Cyclus I p. 148, wo ganz kurz »des vases grecs peints provcnant dune catacombe de la necropole d'Alexandrie" erwähnt werden. Doch beweist dies keineswegs die Existenz einer alexandrinischen Vasenfabrik ; es können vielmehr die betreffenden Gefässe anderswo fabricirt und nach Alexan- dreia importirt worden sein. Unter den in der benachbarten Cyrenaica gefundenen Vasen befindet sich bekanntlich eine beträchtliche An- zahl aus nachweislich oder wahrscheinlich attischen Werkstätten. Vgl. 0. Jahn, Beschr. d. Vasens. König Ludwigs Einleitung p. XXIX; Newton , catalogue of tlic vases in the British Museum II p. 2'^1 ft". ; Ann. d<'ir Inst. I8()S Tav. d'agg. L M: FriihncM-. catalogue dune col- lection d'antiquites Paris Isiss^ p. ;;7 n. ()7. Vielleicht gehört einer hellenistischen Localfjtbrik die von Fröhner a. a. 0. p. !• n. IH ver- zeichnete Lekythos an. Sie ist in Beyrut gefunden und stellt mit 232 Dei" Hellenisimis und die campanische Wandmalerei. wärtig unsere Vasenkunde reicht, noch während des dritten Jahr- hunderts athenische und nebenbei unteritalische Fabriken in den Vordergrund . Gewiss lagen aber Gestalten . wie Daphne und Narkissos , welche durch keinen Faden mit dem bisher geläufigen Mythenschatz verknüpft waren und ausserdem durch eine gelehrte Kunstdichtung zur Kenntnis« gebracht wurden, von Haus aus dem athenischen Vasenmaler ungleich ferner , als die volksthümlichen hellenischen Heroen , oder iin Besonderen die attischen , wie Triptolemos , Theseus , Erechtheus , welche von Alters her im Bewusstsein des Volkes lebendig waren und von denen die Monu- mente der athenischen Blüthezeit erzählten. Mag auch der ge- bildete Athener •die Dichtungen des Kallimachos , Philetas und anderer Alexandriner baldigst nach ihrem Erscheinen gelesen und daran Geschmack gefunden haben, so war immerhin eine beträcht- liche Zeit erforderlich, um diese Litteratur in weiteren Kreisen zu verbreiten und auf das Handwerk wirksam zu machen. Andererseits haben wir zu gewärtigen , da«s , wenn eine von der kunstmässigen Malerei ausgebildete Richtung in die Vasen- industrie Eingang fand, dieselbe bei dem verschiedenen Standpunkt, den das Handwerk einnimmt , eigenthümliche Abwandlungen er- fuhr. Die kunstmässige Malerei wird im Ganzen maassvoller und reflectirender zu Werke' gegangen sein , während es dem volksthümlichen Handwerke eher verstattet war, derbe Wirkungen zu erzielen. Dieser Gesichtspunkt ist bei Beurtheilung des be- stimmten Gegenstandes , mit dem wir uns gegenwärtig beschäf- tigen . besonders in das Auge zu fassen. Vergleichen wir näm- lich die Weise , wie sich die genrehaftc Richtung auf den Wandy bildern und auf den späteren Vasen geltend macht , so ergiebt sich, dass dieselbe innerhalb der letzteren Denkmälergattung ungleich drastischer auftritt , als in der ersteren. Um mich auch hier auf die Hervorhebung weniger bezeichnender Belege zu beschränken , so erinnere ich an einige Vasenbilder, welche das melitäische Spitzhündchen, den Lieblingsgespielen der griechischen Jugend ') , in mythologisclie Darstellungen einführen. Wir sehen dasselbe , während Hellerophon Abschied nimmt , auf Sthenoboia zulaufen"^ . Während das Urtheil über Marsyas gefällt wird, springt es an einer die Harfe spielenden Muse in die Höhe ') . Ein- dunkhü- Farbe auf weissem (Irundo eine achtseitige Lyra, eine Syrinx imd drei Kränze dar. Fröhner bezeichnet sie als »iniitation arcliaique«. I : Vgl 0. Jahn, arch. Bcitr. }). "«».l ff. Abliandl. d. sächs. Ges. d. Wi88. VIII p. T.M ff. 2) Mon. dcir Inst. IV 21. .}) Michaelis, Verurtheilung des Marsyas Taf. 2. Arch. Zeit. IS(»',l Taf. 17. XX. Die Auffassung der Mythen. 233 mal ist ein solches Hündchen offenbar, um einen komischen Eifect zu erzielen, sogar der reisigen Amazonenkönigin beigesellt ') . Wir kenneu kein Wandbild, auf dem ein aus dem Alltagsleben ent- nommenes Motiv zu dem mythologischen Inhalte in so drastischem Gegensatze stünde, wie in diesen Fällen. Auch das bisweilen von unteritalischen Vasenmalern bei der Darstellung des Parisurtheils eingeschlagene Verfahren , wodurch die Handlung in eine Reihe genrehafter Toiletten scenen aufgelöst wird') , ist auf dem Gebiete der Wandmalerei ohne jegliche Analogie. Diese Divergenz darf uns jedoch an der von uns vertretenen Ansicht nicht irre machen. Wenn die Wandgemälde von der kunstmässigen Malerei der Diailochenperiode abhängen , so haben wir gar. nicht zu gewär- tigen , dass die in ihnen sich darstellende Entwickelung mit der der hellenistischen Vasenmalerei vollständig identisch erscheine. Einerseits konnte es kaum ausbleiben, dass der volksthümliche Geist, welcher das Handwerk bestimmte, die aus der Kunst über- kommenen Richtungen eigenthümlich modificirte. Ausserdem haben wir an dieser Stelle einen bereits öfters hervorgehobenen Gesichts- punkt zu berücksichtigen. Die Wandmalerei reproducirt nämlich nur eine beschränkte xVnzahl von hellenistischen Compositioneu, im Wesentlichen solche, welche die geeigneten Bedingungen darboten, um als ständiger Zimmerschmuck in Privathäusern zu figuriren. Da wir es demnach nur mit einer durch bestimmte Gesichtspunkte bedingten Auswahl zu thun haben, so dürfen wir nicht er- warten, dass darin alle P^rscheinungen der Kunst nachweisbar seien , deren Reflex wir in der späteren Vasenmalerei wahr- nehmen. Die richtige Würdigung dieses Sachverhalts lässt es uns vollständig begreiflich erscheinen , warum eine grosse Menge hellenistischer Gefässbilder sich gar nicht oder niy in ganz ge- ringem Grade mit der Wandmalerei berührt. Es sind dies die unteritalischen , deren Darstellung die sepulcrale Bestimmung der Vasen hervorhebt , sei es , dass sie Handlungen des Todtencul- tus , sei es , dass sie mythologische Scenen schildert , welche in symbolischer Weise Gedanken über die Vergeltung in dieser Welt oder im Jenseits zum Ausdruck bringen. Dass eine derartige Rich- tung den Anforderungen , welche man naturgemäss an den male- rischen Schmuck von Privathäusern stellen musste , vollständig zuwiderlief, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Ausser- dem sind die bedeutendsten dieser unteritalisclien Gefässe , mögen 1) Bull. nap. (n. s.; I (>. Arch. Zeit. 1S56 Taf. S8. 2) Overbeck, Gal. X 2. Der Vermuthung Heydemanns iu der Arch. Zeit. 1872 p. Ib7 , wonach ein neuerdings gefundenes hereulaner Wandgemälde (Giornale dogli scavi, uiiova Serie, U Tav. 5) eints genre- hafte Scene aus dem Parisurtheil darstellt, kann ich nicht beipflichten. 234 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. sie auch mythologische Scenen ohne ausgesprochene sepulcraie Beziehung schildern , von gewaltigen Dimensionen und erforderte ihre Ausschmückung figurenreiche Darstellungen, während bei der Auswahl von Bildern , welche an den Wänden der Privat- häuser reproducirt werden sollten, namentlich kleinere, auf wenige Figuren beschränkte Compositioncn in Betracht kamen. Diese Beobachtungen geben uns zugleich einen Fingerzeig, auf was für Vasen wir am ehesten eine der Wandmalerei verwandte Darstellung zu gewärtigen haben. Wir haben namentlich solche Gefässbildcr in das Auge zu fassen, welche eine künstlerische Idee ohne tendentiösen Nebengedanken in anmuthiger Form verwirk- lichen , welche durch die Beschränkung auf wenige Figuren den räumlichen Bedingungen der Wandbilder entsprechen, endlich wohl auch solche , welche durch die Anwendung reichlicherer Darstel- lungsmittel der kunstmässigen Malerei näher stehen, als die geläu- fige Masse des Handwerks. Innerhalb der Vasen, welche diesen Bedingungen vollständig oder theilweise genügen , werden wir in der That einige bezeichnende Berührungspunkte mit der Wand- malerei wahrnehmen, mag auch hier der verschiedene Stand- punkt , den die Kunstindustrie gegenüber der Kunst einnahm, allerlei Abwandlungen im Gedanken oder im Ausdrucke veran- lasst haben. Zunächst sind wir im Stande nachzuweisen , dass der Geist, welcher die Wandbilder bedingt , mit denen wir uns gegenwärtig beschäftigen, bereits in der späten Vasenmalerei hervortritt. Eine der idyllischen Poesie entsprechende Richtung , wie sie in einer beträchtlichen Anzahl dieser Wandgemälde maassgebend ist, zeigt sich , wenn auch durch die Beschränktheit der Darstellungsniittel etwas gebunden , mit hinreichender Deutlichkeit auf Gefässen so- genannten neuattischen Styls , welche darstellen , wie Apoll mit einer Hindin tändelt ') , oder wie er in Gegenwart desselben Thieres die Kithar spielt'-^), und auf unteritalischen Vasen, welche das Zusammensein des Dionysos und der Scmele ') und die Liebe des Parisund der Oinone schildern'). Auch der bukolische Zug, welcher in einer Reihe von Wandbildern hervortritt, fehlt keines- wegs in der Vasenmalerei. Ich erinnere an eine späte Amphora aus Lokroi, welche einen Hirten darstellt, mag er Daphnis oder 1) Elite c6ram. II 6». 2) Panofka, Gab. Paiirtales pl. 29 = El. c6r. II 3. .'{) Miliin, peint. de vascs H "•!). I) Millingen, peint. de vascs pl.4.'J; Inghirami, vasl fittili II 171. Die vollständige Litteratur s. bei Stcphani, M(^laiiges greco-roinains I p. 544 n. 12. XX. Die Auffassung der Mythen. 235 Olympus zu benennen sein , wie er umgeben von seinen Schafen einem Satyr auf der Doppelflöte vorspielt ') . Doch auch hinsichtlich des Moments j welcher aus dem Mythos zur Darstellung erwählt , und hinsichtlich der Weise , in welcher derselbe aufgefasst wird , zeigen die beiden Denkmälergattungen bisweilen eine auffällige Verwandtschaft. Danae, während sie von dem goldenen Regen heimgesucht wird, verräth auf einem Wandgemälde 2] und auf einer polychromen Lekythos unterita- lischen Styls •') eine entsprechende Auffassung. Selbst das Motiv, wie das Mädchen das Gewand ausbreitet, als wolle sie damit den Regen auffangen, stimmt in beiden Darstellungen merkwürdig übercin. Allerdings ist das Wandgemälde lediglich auf die Ge- stalt der Danae beschränkt , während der Vaseumaler die Scene durch zwei Nebenfiguren erweitert. Wenn er einen Eros beifügt, der seine Freude über das vor ihm stattfindende Ereigniss zu er- kennen giebt , so entspricht dieses Motiv vollständig dem Geiste der Wandmalerei , welche den geflügelten Knaben öfters in ganz ähnlicher Weise gegenwärtig sein lässt •) . Ausserdem ist auf der Vase noch eine weibliche Figur dargestellt , die, erschreckt oder erstaunt über das der Danae begegnende Wunder, eiligen Schritts von dannen eilt. Wir sahen bereits''), wie die Vasenmaler sich häufig solcher Nebenfiguren bedienten, um dadurch den Betrachter nachdrücklich auf die Bedeutung der von ihnen dargestellten Scene hinzuweisen. Die entwickelte Kunst, auf welche die Wand- bilder zurückgehen, die den furchtbaren oder wunderbaren Inhalt einer Handlung durch die Individualisirung der unmittelbar daran betheiligten Personen auszudrücken wusste , wird nur selten das Bedürfniss empfunden haben , von diesem Motive Gebrauch zu machen. Nichts desto weniger aber zeigt uns auch die Wand- malerei eine Erscheinung dieser Art und zwar innerhalb der Staf- fage eines Landschaftsbildes *') . Während Perseus , um Andro- raeda zu retten , mit erhobener Wafte auf das Meerwunder zu- schreitet, entflieht eine weibliche Gestalt mit dem deutlichen Ausdrucke des Entsetzens. Einerseits gewann durch Beifügung der links fliehenden Figur, da sie in der Anordnung der Bestand- theile dem rechts heranschreitenden Perseus entspricht, die Com- position an Abrundung. Anderereits wurde aber auch dadurch, da 1) Ann. deir Inst. 1845 Tav. d'agg. C p. 60. 2) N. 115. 3) Newton, catal. of the vases in the Brit. Mus. II p. 268 n. 38, Vgl. Overbeck, Kunstmythologie II p. 407 n. 3. 4) Vgl. z. B. N. 149. ' 5) Vgl. oben Seite 229 ff. 6) N. 1184. 236 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. die Kleinheit der Staffagetiguren eine eingehende Individualisirung derselben erschwerte, der Inhalt der dargestellten Handlung deut- lich bezeichnet , also demselben Bedürfnisse genügt , welches von Haus aus zur Einführung dieser Nebenfiguren Anlass gegeben. Da über die entsprechende Behandlung , welche die beiden Denkmälergattungen der Entführung der Europa angedeihen las- sen, bereits oben die Rede war'i, so wenden wir uns sofort zur Vergleichung der Darstellungen aus dem lomythos. Auf einem vulcenter Gefässe von sehr lockerer Zeichnung '-^) ist die Situation, wie Argos die lo bewacht und Hermes , um die Jungfrau zu be- freien, herantritt, in ganz ähnlicher Weise behandelt, wie auf dem römischen Wandgemälde , dessen Composition wir auf Nikias zu- rückführten ■') . Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich nur darin, dass auf der Vase Argos in der Mitte und sitzend dargestellt ist. Angesichts der beiden Figuren der lo scheint sogar die Frage berechtigt, ob nicht der Vasenzeichner durch Reminiscenzen an die nachmals in der Wandmalerei reproducirte Composition bestimmt wurde. Die Charakteristik des Argos, der nicht nach alter Ueberlieferung als ungeschlachter Riese, sondern als schlanker Ephebe auftritt , ist hier wie dort dieselbe. Aehnlich verhält es sich mit der Behandlung des Argos auf einem Vasenbilde späten Styls aus Katana, welches eine entsprechende Scene , jedoch mit Auslassung der Figur des Hermes, wiedergiebt^) — eine Verkür- zung , welcher wir auch auf den pompeianischen Gemälden dieses Gegenstandes begegneten '>) . Nur ist dem Argos auf diesem Ge- fässe die gewundene Muschel in die Hand gegeben , deren sich barbarische Völker als Signaltrompete zu bedienen pflegten'^), ein Attribut, durch welches der Vasenmaler vermuthlich die Eigen-' schaff des Argos als Wächter hervorheben wollte. Vergleichen wir die Darstellungen der Liebe der Aphrodite und des Ares, so nähert sich ein unteritalisches Vasenbild 'j durch seine genreartige Auffassung beträchtlich den Compositionen der Wandgemälde^). Die Göttin, den Speer des xVres in der Linken, spiegelt sich in dem Helme desselben, den sie in der Rechten hält. Ares steht dabei , den Schild am linken Arme , und hält den Toi- 1) Vgl. oben Seite 225. 2) Mon. doli' Inst. II 5<), I. :i) Revue archeolog. XXI [IsH), pl. XV. Vgl. oben Seite IKt ff. 4) Arch. Zeit. 1870 Tat". :m) p. :$7 ff. 5; Vgl. oben Seite 141 ff. lä) Vgl. Ann. (leir Inst. IS72 p. 122 ff. Theognis bei Athen. X 457 B (= r22<»Bergkj. 7) Elite ceramogr. IV 1(5. Vgl. auch IV !)4. 8) N. 314 ff. XX. Die Auffassung der Mythen. 237 lettenspiegel der Geliebten, lieber dem Paare schwebt ein Eros. Mag der Vasenmaler die Liebenden nicht, wie es auf den Wandge- mälden der Fall ist , zn einer Gruppe vereinigt haben — was er vielleicht wegen der Beschränktheit seiner Technik absichtlich ver- mied — , so ist jedenfalls der Geist, welcher seiner Zeichnung zu Grunde liegt , dem in den Wandgemälden herrschenden nahe ver- wandt. Dass das Treiben des Eros in den beiden Denkmälergattungen eine entsprechende Auffassung verräth , ist allgemein anerkannt. Hier wie dort ist er gegenwärtig, während Aphrodite ihre Toilette macht ^) , treibt er, während Götter oder Heroen ihren erotischen Neigungen nachgehen, allerlei Muthwillen, ist er auch in das Ge- mach sterblicher Frauen eingeführt'^). Ebenso kommt die in der Wandmalerei und überhaupt in der griechisch-römischen Kunst häufige Darstellungsweise, wonach Eroten in Beschäftigungen des täglichen Lebens eingeführt werden , bereits in den jüngeren Sta- dien der Vasenmalerei vor. Wir sehen sie Morra spielen auf dem Halse einer bekannten münchner Vase ^) . Angelnde Eroten , wie sie auf mehreren Wandgemälden vorkommen'') , finden sich auf einer polychromen, mit Vergoldung verzierten Oinochoe aus der Cyrenaica •'') . Wie die Wandmalerei Eroten schildert, die um die Wette reiten oder fahren '') , zeigt eine polychrome Schale aus Or- vieto die geflügelten Knaben als Lenker von wettfahrenden Qua- drigen 7). Wenn die Eroten dort vollständig ideal behandelt, auf der Schale dagegen in realistischer Weise mit der den Aurigae des Circus eigenthümlichen Kopfbedeckung ausgestattet sind , so erklärt sich der letztere Zug hinreichend aus der grösseren Derb- heit , die d^m Handwerke im Vergleiche mit der kunstmässigen Malerei eigenthümlich war. Zwei Wandgemälde schildern , wie Liebesgötter , die in einem Vogelbauer eingeschlossen sind, zum Verkauf ausgeboten wer- den^) . Ein Eroten verkauf ist auch auf einem Gefässe unteritalischen Styls dargestellt-') : eine weibliche Figur hält eine Wage; in jeder 1) Ant. du Bosph. ciuim. 52 = El. ceram. IV 33 B; Ant. du Bosph. 49 = El. ceram. IV 33 A. Vgl. Heibig N. 303. 305. 2) Z. B. Ann. dell' Inst. iSüH Tav. d'agg. U ;= Arch. Zeit. 1871 Taf. 5(), 3). Arch. Zeit. 1871 Taf. 5(i, 1. Stephani , Compte reudu ISüoTaf. I. 1801 Taf. I. 3) Arch. Zeit. 1800 Taf. 139, 140. 1871 Taf. 50, 2. Denkm. d. a. K. II 52, 000. Vgl. Ann. dell' Inst. ISOO p. 320. 4) Holbig N. 820. 311. 348-353. Bull, dell' Inst. 1S72 p. 171. 5) 0. Jahn, über bemalte Vasen mit Goldschmuck p. 10 n. 32. 0) Heibig N. 779. 787. 789. 7) Ann. dell' Inst. 1871 Tav. d'agg. A. 8) N. 824. 825. • 9) 0. Jahn, arch. Beitr. Taf. VII 1 p. 220. 238 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. der Schalen derselben sitzt ein Eros ; ein dabei stehender Jüngling verfolgt aufmerksam die vor ihm stattfindende Handlung , gleich als wolle er sieh überzeugen, welcher der beiden geflügelten Kna- ben schwerer wiegt. Der Grundgedanke ist hier wie dort derselbe und der Unterschied beruht im Wesentlichen nur auf der Aus- drucksweise. Der Vasenmaler giebt den Gedanken in derber und den alltäglichen Verhältnissen entsprechender Weise wieder. Die Künstler dagegen , welche die in der Waudmalerei reprodufcirten Compositionen erfanden, spitzen ihn in reflectirter Weisezu, indem sie die geflügelten Knaben Vögeln gleichsetzen , ein Scherz , wel- cher, wie wir bereits gesehen , öfters von der alexandrinischen Poesie verwerthet wurde i) . Aehnlich verhält es sich mit den Darstellungen von Satyrn, welche Bakchantinnen beschleichen. Am Nächsten dürften den Wandgemälden 2) zwei leider unpublicirte vulcenter Vasenbilder stehen, auf welchen der Satyr, wie es dort der Fall ist, das Gewand von dem schlafenden Mädchen abliebt-^) . Auf den übrigen bis jetzt bekannten Gefässbiidern dieses Gegenstandes schleichen sich die Satyrn voll Begehrlichkeit heran , ohne jedoch das Gewand der Schläferin zu berühren 4). Wenn ihre Bewegungen drastischer sind , als auf den Wandgemälden, und bisweilen geradezu einen scurrilen Charakter haben ^) , wenn statt eines Satyrs bisweilen 1) Siehe oben Seite 223 ff. 2) N. 542 ff. 3) Museum etrusque de Luc. Bonap. Prince de Caniuo (Viterbe 1829) p. 65 n. 543 und De Witte, Cabiuet Durand n. 139. Auf dem letzteren Gefässe ist jedoch noch ein zweiter Satyr beigefügt, welcher in knieender Stellung die Bakchantin betrachtet. 4) a. Amphora sog. nolanischen Styls früher in der Sammlung Betti, später bei Alessandro Castellani : Arch. Zeit. 184S p. 248 n. 5. h. Zwei entsprechende Krüge mit rothen P^iguren freien Stjis aus Cervetri: Bull, dell' Inst. ISOO p. 18»). 1869 p. 29 n. 5. c. Miliin, mon. ant. ined. II 20 p. 145. d. Capuaner Krater imteritalischer Fabrik bei Barone in Neapel. Derselbe wird nächstens in den Monumenten des Instituts veröffentlicht werden, liier ist die Gruppe des der Bak- chantin nachstellenden Satyrs in eine ausführliche Darstel- lung des Thiasos eingeschaltet. «.Bauchige Kanne aus Ruvo, Sammlung Santangelo : Auf einem Felsen, neben dem ein gansartiger Vogel steht, schläft die Bakchantin, einen Thyrsos in der Rechten, die Linke über das Haupt haltend; neben ihr liegt eine Nebris. Von jeder Seite schreitet ein bärtiger Satyr auf sie zu , der eine, mit Thyrsos , die Rechte vorstreckend , der andere mit der Linken die Geberde des dTcooxoTteueiv machend. Arch. Zeit. 1848 p. 22(1 n. 12. 5) So namentlich auf dem Gefässe d der vorigen Anmerkung. XX. Die Auffassung der Mythen. 239 zwei auftreten ^) , so sind dies Abwandlungen , welche sich leicht aus dem Geiste und den räumlichen Bedingungen der Vasen- malerei erklären , und ich halte es in diesem Falle gar nicht für unmöglich, dass sich die Gefässzeichner durch Keminisceuzen an dieselben Motive bestimmen Hessen , welche nachmals von den Wandmalern reproducirt wurden. Ein pompeianisches Wandbild-^) stellt Dionysos als Ver- treter skenischer Aufführungen dar. Er ist umgeben von Pan, Silen und mehreren Jünglingen in Bühnentracht und hilft einem der letzteren, eine komische Maske über den Kopf zu ziehen. Mit dieser Darstellung berührt sich nach Inhalt und Auffassung die einer apulischen Vase -') . Der Gott , umgeben von dem Thiasos, in welchem Silen und Pan besonders hervortreten, übergiebt einem Jüngling eine skenische Maske oder nimmt sie aus dessen Händen in Empfang. Auch ein unteritaUscher Krater des neapeler Mu- seums 4) lässt sich zum Vergleich heranziehen. In der Mitte sehen wir eine Gestalt in der Tracht der komischen Bühne. Dionysos, einen Thyrsos in der Hechten , eine Schale auf der Linken , steht davor und scheint den Schauspieler aufmerksam zu betrachten, während ein Madchen beschäftigt ist , an dem Costüm desselben etwas in Ordnung zu bringen. Sehr häufig schildern die Wandgemälde, wiePerseus dieAndro- meda das Spiegelbild der Medusa in einem Gewässer betrachten lässt ^) . Mit diesen Compositionen lässt sich eine Reihe später Vasenbilder **) vergleichen , welche darstellen , wie Pallas in ent- sprechender Weise dieselbe Spiegelung dem Perseus zeigt. Auf den Vasen sind bei der Scene noch andre Figuren gegenwärtig, Hermes, Nike oder ein Satyr, der auf einem Gefässe sein Erstau- nen über die vorgehende Handlung zu erkennen giebt , auf einem andern sich mit einer scurrilen Geberde abwendet , als wolle er mit der unheimlichen Geschichte nichts zu thun haben. Niemand wird läugnen , dass die Compositionen der Wandmalerei und die der Vasenbilder hinsichtlich der Situation und des Gedankens ver- wandt sind. Wenn auf den ersteren die Auffassung noch entschie- dener genrehaft erscheint , und der Handlung ein erotischer In- 1) So auf den Anm. :i der vorigen Seite angeführten vulcenter Vasen und auf den Gefässen b und e in Anm. 4. 2) N. 408. 3) Arch. Zeit. 1855 Taf. 83. 4) Gerhard,NeapelsantikeBildwerkep. 359n.32. Mus. Borb.XSO. 5) N. 1192 ff. (•) Diese Vasenbilder sind zusammengestellt von 0. Jahn , Philo- logus XXVII p. 11 Anm. 3s. Dieselbe Scene findet sich auch auf späteren etruskischen Spiegeln , deren Zeichnungen meines Erachtens ebenfalls in engem Zusammenhange mit der hellenistischen Kunst stehen: Gerhard, etr. Spiegel II 122 — 124. 240 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. halt gegeben ist, die Gefässzeichner dagegen sich in höherem Grade an die Substanz des Mythos halten und durch Beifügung der Sa- tyrn eine komische Wirkung erzielen, so sind dies Erscheinungen, welche sich hinlänglich aus den verschiedenen Bedingungen der kunstmässigen Cabinetsraalerei und der volkstiiümlichen Vasen- fabrikation erklären. Ein stabianer Wandgemälde i) und eine lucanische Vase "^1 schildern den Moment, wie sich Paris mit seiner Liebeserklärung der Helena zu nahen wagt, in merkwürdig übereinstimmender Weise. Die Gestalten sind auf beiden Denkmälern ähnlich grup- pirt, und, wiewohl die psychologische Individualisirung auf dem letzteren aus begreiflichen Gründen unvollkommener ist, so lässt die Charakteristik, welche der Vasenzeichner dem Paris gab, doch dieselbe zurückhaltende Schücliternheit durchklingen, deren Aus- druck dem Wandmaler so vorzüglich gelang. Die Handbewegung des Paris ist beide Male ähnlich behandelt. Die Beine des Jüng- lings und die der Helena sind hier wie dort gleich gestellt. Die Vermuthung , dass die beiden Künstler unter dem Eindrucke des- selben Originals arbeiteten , dürfte somit nicht schlechthin abzu- weisen sein. Wenn der Gefässzeichner der Helena einen Eros auf den Schoss setzt, der derselben im Interesse des Paris zu- zusprechen scheint, so fehlt dieses Motiv allerdings auf dem stabianer Bilde ; dagegen bieten mehrere ändere Wandgemälde, wo die Beziehung der dargestellten Personen figürlich durch die Gegenwart des Liebesgottes augedeutet wird^*; , ganz entsprechende Erscheinungen dar. Einer Kunstthätigkeit von beschränkten Mitteln , wie die Vasenmalerei war , lag es besonders nahe , von diesem Motive Gebrauch zu macheu , indem dadurch auch ohne eingehende psychologische Charakteristik die Bedeutung der Seene in der greifbarsten Weise veranschaulicht wurde. Auch Vasenbilder, welche das ParisnrtheiH oder Thetis schil- dern , wie sie dem Achill die Waffen überbringt ■') , verrathen bis- weilen , wenn sie die Darstellung auf die Hauptfiguren beschrän- ken, eine der Wandmalerei verwandte Auffassung. 1) N. 1288. 2) Millingen, peint. de vases pl. 42. Overbeck, (ial. XII 8. 3) Siehe z. B. N. 25!» ff. 1289. 4) Z. B. Raoul Rochette, mon. ined. pl. 49, 2. 5; Z. B. Stephan!, Compte rendu l^r).*) p. 41. Auch die den Schild haltende , auf eineni Seepfenie reitende Thetis , welche auf Münzen des Pyrriios vorkommt, kann zum Vergleiche herangezogen werden (8. Kaoul Rochette, sur les uiedailles de Pyrrhus in den M6moires de numism et d'ant. pl. I n. 4. '> p. r)Off.;. Wie hier, vollständig be- kleidet und mit Kopfschleier, findet sie sich auch auf dem Wand- gemälde N. 1321. XX. Die Auffassung der Mythen. 241 • Lösen wir endlich innerhalb der figurenreichen unteritalischen Vasenmalereien einzelne in sich abgeschlossene Theile der Darstel- lung aus dem prolixen Ganzen heraus, so fehlt es selbst hier nicht au Bertihrungspunkten . Dies gilt von dem bereits angeführten Gefäss , welches den Verkehr des Paris und der Oinone auf dem Ida schildert ') . Abstrahiren wir von den Nebenfiguren, dem Pan, dem Satyr, der Aphrodite und dem Eros, und fassen wir lediglich die Hauptgruppe , den Paris und die Oinone , in das Auge , dann wird Niemand verkennen , dass der Verkehr derselben in einer ganz ähnlichen Weise aufgefasst ist, wie auf einem pompeianischen Gemälde '^) . Fassen wir schliesslich in der Kürze das Resultat dieses Ver- gleichs zusammen , so erscheint der Inhalt der an die Alexander- epoche anknüpfenden Vasenmalerei von dem durch die Wand- gemälde vertretenen allerdings beträchtlicli verschieden. Doch erklärt sich diese Verschiedenheit hinlänglich aus den Bedin- gungen der beiden Kunstzweige. Hier haben wir es mit Repro- ductionen einer Auswahl von kunstmässigen Tafelbildern , dort mit selbstständigen Producten des Handwerks zu thun. Die Mittel der Darstellung , die Tradition des Handwerks , die räumlichen Gesichtspunkte, welchen die Beraalung der Gefässe unterlag, zum Theil auch mercantilische Rücksichten — alles dieses konnte nicht umhin , die Vasenzeichnung in eine von der kunstmässigen Malerei verschiedene Bahn zu leiten. Dagegen berechtigt nichts zu der Annahme , dass zwischen dem Inhalte der beiden Gat- tungen in geistiger und zeitlicher Hinsicht ein beträchtlicher Ab- stand vorliege. Vielmehr konnten wir eine Reihe von Erschei- nungen nachweisen, in welchen sich die späteren Vasenbilder und die Wandgemälde in sehr bezeichnender Weise berühren und die darauf schliessen lassen, dass die Compositionen beider Denkmälergattungen auf Grundlage derselben Entwickelung ge- staltet wurden. Wir haben bereits früher hervorgehoben •^) , wie wenig die Ueberlieferung von der kunstmässigen Malerei der an die Alexan- derepoche anknüpfenden Entwickelung berichtet, wie wir nament- lich von dem damaligen Cabinetsbilde, welches bei unserer Unter- suchung besonders in Betraclit kommt, so gut wie nichts wissen. Um so bedeutsamer erscheint der Umstand, dass eine der wenigen malerischen Schöpfungen jener Epoche, von deren Inhalt wir uns einen verhältnissmässig deutlichen Begriff macheu können, einige 1) Vgl. oben Seite 234 Anra. 4. 2) N. 1280. 3) Siehe oben Seite 163 fr. H e 1 b i g , Untersuchungen ü. d. cainpau. Wandmalerei. 1 D 242 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. sehr bezeichnende Berührnngspunkte mit den Wandbildern dar- bietet. Es ist dies das Gemälde des Aetion, welches die Hochzeit Alexanders und der Khoxane darstellte^) . Dieser Künstler fügte der Haupthandlnng Liebesgötter bei. welche beschäftigt waren, die Waffen Alexanders fortzuschleppen. In ganz entsprechender Weise sind die geflügelten Knaben auf Wandbildern um das Rüst- zeug des mit der Aphrodite kosenden Ares und des bei der Omphale tändelnden Herakles bemüht'-). Wenn Lucian in seiner Beschrei- bung der Composition des Aetion angiebt : »zwei Eroten tragen den Speer des Alexander , indem sie die Lastträger nachahmen, wenn sie beim Tragen eines Balkens schwer beladen sijid«, so wird dies vortrefflich durch Wandbilder veranschaulicht, welche die geflügelten Knaben darstellen, wie sie die Keule des Herakles zu transportiren versuchen •') , Auf dem Gemälde des Aetion lüf- tete ein Liebesgott den Sclileier der Rhoxane und zeigte dieselbe dem Bräutigam. Die Wandbilder bieten ein verwandtes Motiv dar : Eros zieht von der schlafenden Ariadne das Gewand ab und zeigt dieselbe dem Dionysos ^) . Endlich lässt sich auch das Motiv, wie Alexander von einem Eros zu Rhoxane hingeführt wird, durch Analogien aus den Wandbildern veranschaulichen •''] . Mögen* diese Gedanken auf den letzteren in einen anderen Zusammen- liang übertragen und bisweilen etwas anders zugespitzt sein , als es in der Composition des Aetion der Fall war, immerhin ist die Verwandtschaft unverkennbar, und somit die Vermuthung berech- tigt, dass dieselbe geistige Atmosphäre, in welcher Aetion schuf, auch die Erfindung der entsprechenden Wandbilder bedingte. Bereits im Vorhergehenden gedachten wir der Gemälde, welche wettfahrendc oder wettreitende Eroten darstellen ") . Wenn eines derselben die Liebesgötter auf Böcken reitend vor Augen fuhrt ^;, so sind wir im Stande nachzuweisen, dass diese Dar^lel- lungsweise bereits in der Kunst kurz nach Alexander dem Gro.>sen geläufig war. Ein Epigramm der Anyte*»] bezieht sich nilnilich 1) Lucian, Herodot. s. Aetion 4. Vgl. Brunn,- Gesch. d. gr. K. ü p. 24G if. Blümner, arch. Stud. zu Lucian p. 43 ff. 2) N. 319—320. 324. Bull, dell' Inst. 1872 p. 239. N. 1137—39. 3) N. 1137—39. Vgl. N. -5(). 4) N. 1237. 1239. 5) N. 327. 954. 955. 974. 1235. 129Ü. 1397. 6) Siehe oben Seite 237. 7) N. 779. Vgl. N. 787. 789. 8) Anth. pal. VI 312: '(rria zaiSe'jo-jai öeoü (8eä; coni. Jacobs) zepl voöv de%\a, C^p (xoütp' codI. Jacobs) ajtou; «op^Tj; v/jnia Tepno[A£vou;. XX. Die Auffassung der Mythen. 243 otfenbar auf ein Bildwerk dieses Inhalts, mag es auch unentschie- den bleiben, ob dasselbe ein Friesrelief oder ein Gemälde war. Zwei Wandgemälde schildern Eros, wie er von Aphrodite zur Strafe für irgend welchen rauthwilligcn Streich in Fesseln gelegt ist'). Dass dieser Ideenkreis bereits im Anfange des 2. Jahr- hundert V. Chr. von der griechischen Kunst behandelt wurde, be- zeugt ein Epigramm des Alkaios von Messene^j, der die Schlacht von Kynoskephalai erlebte. Dasselbe bezieht sich auf die Statue eines solchen gefesselten Eros. Künstlerische Darstellungen der Peinigung der Psyche, welche dem Inhalte nach vollständig einem pompeianischen Ge- mälde dieses Gegenstandes =') entsprachen, bedingten ein Epi- gramm^) des Meleagros, dessen Thätigkeit gegen Ende des zweiten und den Anfang des ersten Jahrhunderts v. Chr. anzusetzen ist. Noch von einigen andern in der Wandmalerei vorkommenden Gegenständen lässt es sich nachweisen , dass sie bereits von der bildenden Kunst der Diadochenperiode behandelt wnrden. Wie der aus Menander übersetzte Eunuchus des Terenz^) bezeugt, existirten zur Zeit der neueren Komödie Tafelbilder, welche die Danae darstellten im Begriffe den goldenen Regen zu empfangen. In dem Festzuge des Ptolemaios Philadelphos •') wurde auf einem Wagen ein Kelter voll von Trauben einher- gefahren ; darin standen Satyrn , beschäftigt , die Trauben zu stampfen. Da dieser Festzug allenthalben an Motive der bilden- den Kunst anknüpft und recht eigentlich als eine Reihe von mit grossartigem Luxus ausgestatteten lebenden Bildern betrachtet werden kann, so dürfen wir es als wahrscheinlich annehmen, dass damals bildliche Darstellungen von kelternden Satyrn existirten. Wir begegnen solchen sowohl in der Wandmalerei, wie auf Reliefs der römischen Epoche 7) . Da jedoch die Verse des Terenz nichts Jacobs, Anth. VI p. 424 und Benndorf , de anth. graec. epigr. quae ad artes spectant p. 39 halten es für zulässig, dass sich das Epigramm auf einen zu Ehren einer Gottheit , etwa der tegcatischen Athene (Pausan. VIII 47), ausgeführten Wettritt von Knaben bezieht. Doch fehlt es an jegliclicm Zeugnisse, dass solche Wettritte auf Böcken aus- geführt worden wären. 1) Ilelbig N. 82G. Giornale degli scavi (n. s.) II p. 1«] flf. Bull, deir Inst. 1871 p. ISl. Vgl. Ann. dell' Inst. 18ü6 p. 93 ff. 2) Anth. plan. IV 196. 3) N. 854. 4) Anth. pal. XII 132. 5) Vers 585 ff. (III 5, 3G ff.). In dem Verse 588 ist die Lesart iiominem offenbar verdorben. Man hat an deren Statt ein Wort zu gewärtigen, welches Regen, Wolke oder etwas Aehniiches bedeutet. 0) Kallixenos bei Athen. V p. 199 A. 7) Heibig N. 438. 439. Zoega, bassiril. I 20. In ornamentaler 16* 244 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. über die Auffassung der Danae ergeben , die , wie die Vasen- darstellungen dieses Mythos bezeugen , eine selir verschiedene sein kann , da wir nicht wissen , wie die kelternden Satyrn auf den Kunstwerken , welche die Ausstattung des entsprechenden Tlieiles des Festzuges bedingten , charakterisirt und cooipouirt Avaren , so sind diese Notizen für den bestimmten Zweck unserer Untersuchung von geringem Werthe. XXI. Die Sentimentalität. Mit dem Altern der griechischen Cultur wird in der Empfin- dungsweise der Hellenen ein sentimentaler Zug bemerklich. Wäh- rend die frühere Entwickelung nur schüchterne und vereinzelte Regungen desselben aufweist, ist das absichtliclie Scliwelgen in der Empfindung eine bezeichnende Eigenthümlichkeit der lielle- nistischen Epoche. Producte , wie das Idyll des Bion , welches das Verscheiden des Adonis behandelt, oder das Klagelied auf den Tod des Bion ^) , die sich von Anfiiug bis zu Ende in Variationen über denselben Schmerz ergehen, worin die Thränen eine so hervorragende Kolle spielen , sudit man in der älteren Periode vergebens. Am Bezeichnendsten jedoch tritt diese Rich- tung hervor , wo es sich um Liebe und namentlich um unglück- liche Liebe handelt. Während Theokrit in seinem zweiten Idyll einen Mimos des Sophron zu Grunde legte und denselben jedenfalls bei Schilderung der Zauberscene benutzte, konnte er doch nicht umhin, nach dem Geschmacke seiner Zeit die lange sentimentale Liebesklage der Simaitha beizufügen 2) . Auch, wo die Liebe als pathetische Kialt auftritt und zu furchtbaren Katastrophen führt, pflegt diese Rich- tung mitzusprechen. Der unglückliche Liebhaber , von dem ein Idyll') erzählt, unterlässt nicht, bevor er zum Selbstmord schreitet, ansführliche Reflexionen über seine Leiden anzustellen ; wie mit Behandlung auf einer Terracottaplatte bei Campana, opere in plastica 'I'av. XL. In den Anacrmmtea ;{ (17) Bergk wird Hephaistos, der einen silbernen Trinkbecher iu>rstellen soll, aufgefordert : TTOlEt Oe XtjVOV OIVO'J Xyjvo^dTa; TraToüvra; 1) Incert. idyll. l (Moschos III). 2) Vgl. 0. Jahn, Hermes II p. 239. 3) Inc. idyll. V (Theokrit. XXIII). XXI. Die Sentimentalität. 245 einer Art von Wollust wühlt er in seinem Sciimer/e, maU er sich den Eindruck aus, den bcine Tluit auf" den Geliebten hervorrufen wird, und schliesst er mit dem Wunsche, derselbe möge ihm, wenn er ilin erhängt an seiner Thürc gefunden, eine Thränc und einen letzten Kuss gewähren. In den Gedichten des Phanokles und des Aitolers Alexander, welche Liebesgeschichten tragischen Ausgangs behandeln, ist die ganze Vortragsweise in einem trüben, schwermüthigen Tone gehalten. Selb.it die Aeusserungen der glücklich Liebenden , wie die des Tlieokrit gegenüber seinem Aira?'), sind bisweilen von einer leisen Wehmuth augehaucht. Dieses Schwelgen in dem Schmerze tritt auch in der äusseren Erscheinung und dem Gebahren der unglücklichen Liebhaber zu Tage. Ausführlich malt die alexandrinische Dichtung die krän- kelnde Blässe, das matte Auge, die Seufzer, den schlechten Schlaf, kurz alle die Züge '^] , deren sich die spätere griechische und lateinische Litteratur bei entsprechenden Schilderungen zu be- dienen pflegt. In unmerklichen Uebcrgängeu steigert sidi dieser Zustand bis zur Krankheit aus Liebe. Vielleicht ist es nicht zufällig, dass die älteste pathologische Erscheinung dieser Art, deren Andenken die Geschichte bewahrt hat, in die Diadoclien- periode fällt. Antiochos , der Sohn des Seleukos Nikator , er- krankte in Folge der Leidenschaft, die er für seine Stiefmutter Stratonike gefasst hatte ■') . Ein Epigramm des Diotimos ') , welches sich bereits in der Sammlung des Meleagros befand , giebt die Grabschrift einer Skyllis, die aus Sehnsucht nach ihrem ver- storbenen Gemahl langsam dahin siechte. Die Schilderung solches Leidens ist ein Liebliugsgegenstand der alexandrinischen Poesie. Der von den Bukolikern besungene Daphnis verzehrt sich in thaten- loser Liebespein. Die verliebte Simaitha in dem zweiten Idyll des Theokrit liegt zehn Tage und zehn Nächte krank darnieder. Der Zustand des Akontios , wie ihn Kallimachos in der Kydippe schilderte''), ist von Krankheit nicht viel verschieden. Sogar ein verliebter Ziegenhirt, dessen Qualen Theokrit ♦*) schildert, wird von Kopfschmerz heimgesucht. Gewiss erklärt es sich zum Theil aus dem Bedürfniss, welches 1) Idyll ..XII. 2) Dilthey, de Callimachi Cydippa p. 70 ff. Kallimachos, Anth. pal. XII 71 (epigr. :iO Meineke, 32 Schneider; , Anth. pal. XII 134 (epigr. 43 Meineke, 44 Schneider). Apoll. Rhod., Arg. III 297. In der späteren Litteratur veiglciclie man namentlich Apuleius metam. X 2. 3) Plutarch, Demetr. 38. Lucian , de dea syria 16 ff. de salt. 58. Julian, niisopog. p. 347 B Spanheim. Val. Max. V 7 ex. V 1. 4) Anth. pal. VII 475. 5) Dilthey, de Callimachi Cydippa p. 71 ff. 6) Idyll. III 51. 246 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. die damalige Zeit nach wehmüthiger Anregung empfand , wenn die alexandrinische Dichtung einem Impulse folgend , den bereits die euripideische Tragödie gegeben , mit Vorliebe Leidenschaften behandelt, die den bestehenden Satzungen zuwiderlaufen, wie die von Vätern zu Töchtern , von Brüdern zu Schwestern oder um- gekehrt. Einerseits entsprachen solche Leidenschaften dem schrankenlosen , alles Herkommen verachtenden Individualismus der hellenistischen Epoche , und scheinen sie damals auch in der Wirklichkeit nicht selten gewesen zu sein . Der Liebe des Seleu- kiden Antiochos zu seiner Stiefmutter haben wir bereits gedacht. Die beiden ersten Ptolemaier verliebten sich in ihre Schwestern und scheuten sich nicht dieselben als Gattinnen heimzuführen und durch ihr Beispiel die p]he zwischen Bruder und Schwester in ihrer Dynastie zu sanctioniren , ein Gebrauch , der zwar nicht in Aegypten, wo solche Heirathen von Alters gebräuchlich waren, wohl aber in Griechenland grosses Aergerniss verursachte ') . Zu was für krankhaften Verirrungen sich die griechische Phantasie in der Alexander- oder Diadochenperiode bisweilen verstieg , be- zeugt die Thatsache , dass damals mehrere Individuen in sinn- licher Begierde zu schönen Statuen entbrannteui ^) . Andererseits aber gab die Schilderung von Leidenschaften, deren Befriedigung auf unübersteigliche Hindernisse stiess , die geeignetste Gelegen- heit, den Hörer oder Leser durch schmerzliche Ergüsse zu rühren. Auch in der damaligen Plastik gewaliTen wir Spuren sentimen- taler Empfindungsweisc. Die Portraits der Diadochenperiode, wie das des zweiten Hieron auf dem agrigentiner Relief -5) und die der meisten Seleukiden auf Münzen*), verrathen öfters einen weh- müthigen Zug, der sich namentlich in der Behandlung des Mundes äussert. Mögen sich leise Anklänge einer entspreclienden Cha- rakteristik bereits bei älteren Typen , wie z. B. dem attischen Ephebenkopfe im Museum zu Kassel ■'') , finden , so tritt dieselbe mit vollständiger Klarheit , die über die Gefühlsnüancc , die der Künstler veranschaulichen wollte, keinen Zweifel verstattet, inner- 1) Hegesandros bei Athen. XIV p. ti21 A. Pausan. I 7, 1. 2) Athen. XHI p. 0(i5 F ff. :J) Anc. raarbl. of the Brit. Mus. X :r2. Vgl. Rhein. Mus. XXVll (1872) p. 153 ff. 4) Die Abbildungen reichen, um solche Feinheiten zu erkennen, nur selten aus. Meine Beobachtungen gründen sich auf die Betrach- tung einer Reihe vortrefflich erhaltener .Scleukidcnmünzcn , die sich im Besitze Martincttis befinden. Besonders stark entwickelt erschien mir dieser wehmüthigo Zug auf Münzen des Demetrios I Soter (Dcnkm. d. a. K. I 4!», 220 g), des Antiochos 11 Theos (Denkm. I 49, 22() i. 52, 236) und des Antiochos VU Sidetes (Denkm. I 52, 243], 5) Conzc, Beiträge Taf. II p. 8. XXI. Die Sentimentalität. 247 halb der chronologisch bestiiiimten Denkmäler doch ^rst in diesen hellenistischen Bildnissen hervor. Ein solcher Ausdruck bleibt aber nicht nur auf Portraits beschränkt , sondern findet auch in Ideal- typen Eingang, ohne dass der Inhalt derselben oder die Situation, in welcher sie aufgefasst sind , dazu Veranlassung gäbe. Wir begegnen ihm bei verschiedenen Athletenköpfen, welche den poly- kletischen Typus in eigenthümlich verfeinerter und gemilderter Weise wiedergeben und aller Wahrscheinlichkeit nach für nicht- ikouische Bildnisse siegreicher Athleten zu erklären sind ') . Die Analogie jener der Diadochenperiode angehörigen Portraits be- rechtigt zu der Vermuthung , dass es dieselbe Entwickelung war, welche diesen Zug in den peloponnesischen Typus hineintrug. Selbst Götterideale, deren Ethos einer sentimentalen Stimmung vollständig zuwiderlief, werden von dem Reflexe derselben berührt. Während die älteren Typen der Pallas eine vollendete Klarheit und Ruhe verrathen, zeigen ein Kopf der Göttin, der sich im Be- sitze des Prinzen Karl von Preussen befindet 2), die Statue Rospigliosi •') und ihre Repliken . besonders aber ein Kopf, der vom Grafen Gregor Stroganoff in Rom bei Martiuetti erworben wurde . einen leisen Ausdruck schwermüthigen Sinnens. Die eigenthümlichste Erscheinung dieser Art ist aber der Apollon Giustiniani "*) , dessen Züge geradezu schmerzerfüllt erscheinen. Die Formen dieses Kopfes, vor allem die tiefe Einsenkung zwischen Nase und Augen , entsprechen im Ganzen der Kunst- weise der zweiten attischen Schule und der Typus als solcher wird daher der Erfindung dieser Schule zuzuschreiben sein. Da- gegen ist die Stimmung , welche in dem Antlitze zu Tage tritt, innerhalb der Kunst vor Alexander ohne ii;gendwelclie Analogie und spricht nach dem bisher Bemerkten und bei der Verwandt- schaft, welche hinsichtlich des Ausdruckes zwischen diesem Kopfe und den bewegteren Bildnissen Alexanders des Grossen ersichtlich ist , alle Wahrscheinlichkeit dafür , dass es die Kunst der Alexander- oder Diadochenperiode war, welche den attischen Typus mit einer solchen , demselben ursprünglich fremden Auf- fassung durchdrang. Dass die sentimentale Richtung an der Vasenmalerei fast spurlos vorüberging, ist bei den eigenthümlichen Bedingungen, auf denen diese Kunstindustrie beruhte , leicht begreiflich. Dem volksthümlichen Geiste des Handwerks und den beschränkten 1) Bull, dcir Inst. 1867 p. 35. Benndorf und Schöne, Bildw. des lateran. Mus. p. 170 n. 254. 2) Mondeir Inst. IV 1, 1. 2. 3) Dcnkm. d. a. K. II 21, 233. 4j Denkm. d. a. K. II 11, 123. 248 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Mitteln seinw Technik lag es ungleich näher , dramatische , von einem heftigen Pathos getragene Handlungen , als sentimental gestimmte Situationen zu schildern. Dagegen wird diese Lücke in der geeignetsten Weise durch die campanischen Wandbilder ausgefüllt. Jener Aufgelöstheit in Schmerz , wie sie die alexan- drinischen Dichter mit Vorliebe schildern , begegnen wir bei der von Theseus verlassenen Ariadne '), bei der über die Treulosig- keit des Paris verzweifelten Oinone-), bei Aphrodite, welche dem Verscheiden des Adouis entgegensieht ■') , bei dem über den Tod der Hir.^chkuli trauernden Kyparissos *) , bei einer jugendlichen, mit phrygischer Mütze ausgestatteten Büste , die vcrmuthlich auf Atys zu deuten ist'^). Hinsichtlich einer dieser Figuren, der trau- ernden Ariadne, haben wir beveits den Beweis geführt, dass die- selbe in der Alexander- oder Diadochenperiode erfunden isf*), und somit einen festen Anhaltspunkt gewonnen , der uns berech- tigt, bei den übrigen geistesverwandten Producten das Gleiche vorauszusetzen. Auf einer Reihe noch nicht gehörig erklärter Wandbilder , welche Gestalten , die in das Bereich der Lichtgott- heiten zu gehören scheinen , ohne deutlich bezeichnete Handlung zusammenstellen ") , verrathen die Gesichter durchweg eine eigen- thümlich träumerische oder wehmttthige Stimmung , und unwill- kürlich empfängt der Betrachter den Eindruck , als müsse das Zusammensein dieser Charaktere von einem tragischen Ausgang begleitet sein. Ich wüsstc den Geist, welcher aus diesen Com- positionen spricht , nicht besser zu veranschaulichen , als durch den Vergleich mit dem trüben Tone , in welchem Phanokles und der Aitoler Alexander ihre verhängnissvollen Liebesgeschichten erzählen. Narkissoa endlich , der in sein Spiegelbild verliebt dahinschmaclrtet , ist ein dem bukolischen Daphnis nah ver- wandtc^r Charakter. Es würde in der That wunderbar erscheinen, wenn dieser Mythos, dessen Gehalt das hellenistische Publicum in so hohem (irade ansprechen musste , nachdem er in die alexan- drinisclie Litteratur Eingang gefunden ^) , nicht auch von der bil- denden Kunst behandelt worden wäre. 1) Siehe namentlich N. 1227 und \2'M. 2) N. 12S7. :<) N. -VM) t[. 1) N. 219. 220. 5) N. 558. 6) Siehe oben Seite 157. 71 N. \m ff. Vgl. Bull, dell' Inst. 1869 p. 152. 8j Vgl. oben Seite 2;{ü Anm. 1. XXII. Der Sinnenreiz. 249 XXII. Der Siuueureiz. Neben dem in dem vorigen Abschnitte geschilderten Raffine- ment der Empfindung geht, wie es stets in der Geschichte der Fall zu sein sclicint , ein Kal'fineraent der Sinnlichkeit her. Die Litteratur der Diadochenperiode ist überreich an Producten schlüpfrigen Inhalts. Icli begnüge mich , an die lüsternen Dich- tungen des Pliiletas, an die berüchtigten Bücher der Philainis und Elephantis und an die milesischen Mährchen des Aristeides zu erinnern. Daneben beschäftigt sich die Litteratur eifrig mit der Knabenliebe , zieht bisher unberührt gebliebene Mythen solchen Inhalts in ihr Bereich und überträgt diese Leidenschaft selbst in Sagen, deren ursprüngliche Form nichts davon berichtete. Wäh- rend nach der älteren Ueberlieferung xVpoll dem Admetos dient, um eine Blutschuld abzubüssen , dichten Kallimachos und Rhi- anos'), dass sich der Gott aus Liebe zu dem schönen Jünglinge diesem Dienste unterzog. Uebrigens wurde die Knabenliebe nicht immer mit der melancholischen Stimmung, wie sie in den'Epio- Tcc r] xaXoi des Phanokles durchklingt-), sondern bisweilen mit einer recht behaglicli lüsternen Gourmandise behandelt'). Die gleichzeitige Kunst zeigt ganz entsprechende Erschei- nungen. Allerdings waren unzüchtige Gegenstände auch früher bildlich dargestellt worden. Scenen dieser Art finden sich be- reits auf Gelassen mit braunen oder schwarzen Figuren , doch mit einer Behandlung, die Niemand als sinnlich reizend bezeichnen wird ; vielmehr erscheinen sie schlechthin obscön , und lassen sie sich am Besten den derben Spässen der älteren attischen Komödie vergleichen. Ferner spielt Euripides in dem llippolytos ') auf unzüchtige Gemälde an und berichtet Plinius '') , dass Parrhasios in seinen Mussestnnden , um sich zu erholen , libidiues malte. Eines dieser Bilder des Parrhasios, das einzige, über welches wir näher unterrichtet sind ") , stellte Atalante dar , quae Meleagro ore morigeratur, und verfolgte demnach als Hauptzweck sar- kastischen Spott gegen spröde Jungfräulichkeit. Dagegen ist es unzweifelhaft, dass der Stoff in einer die Sinne erregenden Weise behandelt war ; denn sonst hätte sich Tiberius, dem das Gemälde testamentarisch vermacht wurde , schwerlich gemüssigt gefühlt, t) Callimach. hymn. in Apoll. 48 S. ; Rhianos bei Meineke, anal, alex. p. 180. Vgl. Antipater von Sidon Ant. pal. IX 241. 2) Vgl. Preller, Rhein. Mus. IV (184()) p. 3!)9 ff. 3) Siehe namentlich die Epigramme des Rhianos, Anth. pal. XII 38, 39 (Meineke anal. alex. p. 207, I, 3). 4) Vers 1005. 5) XXXV 72. 6) Sueton. Tiber. 44. 250 Der Hellenismus und die cainpanische Wandmalerei. dasselbe in seinem Schlal'zimnier aufzustellen. Endlich hätten wir noch aus voralexandrinischer Epoche die nobilis Bacchas ob- reptantibus Satyris des Nikomaehos ') zu erwähnen, ein Gemälde, in welchem voraussichtlich die Behandlung dem sinnlichen Inhalte der Scene entsprach. Doch muss ich hierbei gleich bemerken, dass mir Brunn''^) die Thätigkeit dieses Künstlers zu früh anzu- setzen scheint , dass dieselbe nach meiner Ansicht , die ich hier nicht ausführlich begründen kann , statt in der erjften Hälfte, vieiraehr um die Mitte des 1. Jahrhunderts anzunehmen ist. Mag aber auch diese Richtung durch einzelne frühere Leistun- gen vorbereitet sein, sicher ist, dass dieselbe vollständig eman- cipirt und in weiterem Umfange erst seit der Alexanderepoche her- vortritt. In der Plastik ist das älteste Werk schlüpfrigen Inhalts, von dem wir hören , das Sympiegma des Kephisodotos ■^] . Der Bildhauer Heliodoros, der ein anderes berühmtes Sympiegma schuf), gehört vermuthlich in die Zeit nach Alexander und ist, wenn Plinius seine Angabe über diesen Künstler aus des Pasiteles Volumina nobilium operum in toto orbe schöpfte '^j , jedenfalls älter, als Pasiteles. Der Alexander- oder Diadochenperiode darf mit hinlänglicher Sicherheit auch die Erfindung der Gruppe zuge- schrieben werden , welche den lüsternen Pan darstellt im Begriff, den Olympos auf der Syrinx zu unterrichten ") . Drei berühmte Maler der Alexanderepoche,- Aristeides, Pausias und Nikophanes, werden von Polemon ^) ausdrücklich als Pornographen bezeichnet. Diese Richtung äussert sich auch in der späteren Vasenmalerei, die , wie es durch eine Reihe von Gefässen sogenannten neuatti- schen und unteritalischen Styls bezeuget wird , vollständig die 1) Plin. XXXV 100. 2) Gesch. d. gricch. Künstl. II p. 15!) ff. 3) Plin. XXXVI 24. Dem von Stephani, Compte rendu 1867 p. 9, erneuerten Versuche, dieses Sympiegma als eine Ringergruppe aufzu- fassen, kann ich nicht beistimmen. 4) Plin. XXXVI 35. 5) Dies ist bei der Fassung dieser Angabe >>quod est alterum in terris sympiegma nobile« besonders wahrscheinlich , wie Kekule, die Gruppe des Menelaos p. 15 richtig hervorhebt. ii) Vgl. oben Seite 156 ff. Auch die Statue des unter wollüstigen Träumen schlafenden Hermaphroditen fFricderichs, Bausteine p. 356 n. 614) und verschicdcne^Gruppen , welche den lasciven Verkehr von Satyrn mit Nymphen oder Hermaphroditen schildern (Stephani, Compte rendu 1867 p. 10 ff.), sind, nach dem ganzen Geiste zu schliessen, Er- zeugnisse der hellenistischen Kunst. Da jedoch diese Annahme durch k(nn bestimmtes Zeugniss bestätigt wird , so habe ich diese Kunst- werke im Obigen unberücksichtigt gelassen. 7) Bei Athen. XIII p. 567 B. Vgl. Letronne, append. p. 12, Biunn, Gesch. d. gr. Künstl. 11 p. 152. XXII. Der Sinnenreiz. 251 Fähigkeit besitzt , unzüchtige Gegenstände in einer die Sinne rei- zenden Weise zu behandeln'). Wenn Aristoteles"', es für nöthig findet, den Behörden Maassregeln zu empfehlen, damit die Jugend nicht durch den Anblick lasciver Gemälde und Statuen verdorben werde, so dürfen wir annehmen, dass solche Kunstwerke zu seiner Zeit allgemein verbreitet waren. Die campanischen Wandgemälde, welche Satyrn und Paiie in w(dlüstigem Verkehre mit Bakchantinnen oder Hermaphroditen schildern') , erscheinen als organische Erzeugnisse dieser Richtung. Sie verrathen , wenn die Ausführung den Gedanken in einiger- maassen entsprechender Weise wiedergiebt, eine hinreisseude Schönheit der Form und der Bewegung^;, wie sie nur von einer im höchsten Sinne productiven Knnst gestaltet werden konnte, und erscheinen der grossen Maler, welche sich in der Alexander- epoche der Pornographie beflissen, vollständig würdig. Auch stimmen sie hinsichtlich der Wahl der Situation und der Cha- raktere deutlich mit sicher beglaubigten künstlerischen Aeusse- rungen der damaligen Zeit überein. Eines der schönsten dieser Bilder ■''j schildert einen Satyriskeu, welcher neben einer gelagerten Bakchantin kniet und in heftiger sinnlicher Erregung deren Brust erfasst. Unwillkürlich gedenkt man angesichts dieser Composition der entsprechenden Schilde- rung eines Idyll''), wo ein von ihrem Liebhaber bedrängtes Mäd- chen fragt: Ti ps^si? aatupbxs; ti 8' IvooUsv a<|tao |i.aC«i)v ; Der Reiz ruhender jugendlicher Gestalten beschäftigt seit der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. vielfach die Phantasie der dich- tenden und bildenden Künstler. Schon Chairemon") schildert in sehr raffinirter Weise halbnackte Mädchen, vermuthlich Bakchan- tinnen , welche unter dem Scheine des Mondlichtes schlummern. Ein dem Theokrit zugeschriebenes Epigramm^) handelt von 1) Aus begreiflichen Gründen sind nur wenige dieser Vasenbilder publicirt. Besonders reich daran war die Sammlung Pourtales (Cata- logue Pourtales — Gorgier p. 91 n. 387, p. 1)5 n. 391, 393 ff.). Als Beleg dieser Richtung diene das Ann. dell' Inst. 1854 PI. M publicirte Gefässbild , dessen Ausführung jedoch sehr mittelmässig ist. 2) Polit. VII 17, 14 (II p. 1336 Bekker). 3) N. 542 ff. 559 ff. 1370 ff. 4) Siehe namentlich N. 556 und 1370. 5) N. 556. 6) Inc. idyll. VII 49 (Theoer. XXVII). 7) Bei Athen. XIII p. 608 B p. 610, 14 Nauck;. 8) XI (III). Sollte übrigens dieses Epigramm nicht von Theokrit herrühren , so ist es doch jedenfalls ein Product der hellenistischen Dichtung. 252 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Daphnis, der in einer Grotte schläft, während sich Pan und Priapos an ihn heranschleiclien. Die Schilderungen, welche Nonnos ') von dem Schluinincr der Nikaia , der Ariadne und der Anra entwirft , tragen deutlich den Stempel alexandrinischer Vorbilder. Bereits Nikomachos malte Bacchas obreptantibus Satyris^), wobei wir uns die Bakchantinnen aller Wahrscheinlich- keit nach schlafend zu denken haben. Unter den Werken des Aristeides wird eine anapauomene angeführt •') . Schlafende Mai- naden, welchen Satyrn nachstellen, finden sich in der späteren Vasenmalerei^). Das schlüpfrigste Product dieser Art ist endlich die Statue des von wollüstigen Träumen heimgesuchten Herma- phroditen, deren Erfindung zwar nicht mit Sicherlieit, aber doch mit grösster Wahrscheinlichkeit in der hellenistischen Epoche an- zusetzen ist "»i . Die campanische Wandmaleiei bietet eine ganze Reihe entsprechender Erscheinungen dar : schlafende Bakchan- tinnen, von denen Satyrn oder Pane das Gewand abheben''), den Hermaphroditen, wie er, aus der Ruhe aufgestört, dem erschreckt davon springenden Panisken nachblickt") . Ausserhalb des Kreises der eigentlich lasciven Bilder geliören hierher die schlafenden Gestalten der Ariadne^), des Ganymedes ") und des Endymion'"). Häufig ist innerhalb der Wandmalerei die Entblössung weib- licher Gestalten gescliildert. Satyrn oder Pane heben das Gewand von schlafenden Bakchantinnen ab ") . Dionysos, Pan, ein Satyr oder Eros sind in ähnlicher Weise mit dem Gewände der schla- fenden Ariadne beschäftigt''^). Wie bereits bemerkt''), fand sich ein ganz ähnliches Motiv auf einem Gemälde des Aetion, auf dem ein Eros den Schleier von der Gestalt der Rhoxane entfernte. Da wir im Vorhergehenden der Bilder , welche die Heim- suchung der verlassenen Ariadne durch Dionysos darstellen, öfters gedacht haben, so kann ich nicht umhin, an dieser Stelle einige Beobachtungen über dieselben einzuschalten. Obwohl diese Bil- der die Scene in sehr verschiedener Weise beliandeln , zeigen sie doch in einzelnen Motiven eine merkwürdige Uebereinstimmung. Am Nächsten verwandt erscheinen unter einander die Gemälde N. 12:^9 und 1210. liier ist die Figur des mit Chiton und Nebris 1) Dionys. XVI 250 ff. XLVH 275 ff. XLVHI 258 ff., 607 ff. 2) Plin. XXXV m). :i) Plin. XXXV !M». Vgl. Rhein. Mus. XXV (1870) p. 15:i ff. 4) Siehe oben Seite 2.'f8. y>) Vgl. Pricderichs, Bausteine p. '^b^) n. H14. ()) N. 542 ff. 559 ff. 7) N. 1370. 5) N. 1217—1221, 1233, 1235-1240. 9) N. 155—157. 10) N. 051—956. 11) N. 542 ff., 559 ff. 12) N. 1235 ff. 13) Siehe oben Seite 242. XXII. Der Sinnenreiz. 25S bekleideten Dionyso-s , welcher , den Tliyrsos in der Rechten , die Linke zur Seite gestreckt, die schlafende Ariadne , voll Bewun- derung , betrachtet , und die des Mädchens , die , dem Betrachter den Rücken zuwendend, das Haupt auf dem rechten Arm ruhen lässt, offenbar unter dem Eindrucke derselben Originale ent- worfen. Der Eros, welcher auf ersterem Bilde, und der Satyr, der auf dem letzteren das Gewand der Schläferin lüftet, zeigen beide dieselbe Bewegung und einen entsprechenden Ausdruck der \"erwunderung. Doch bieten die beiden Bilder auch wesentliche Verschiedenheiten dar. Um mich bei diesem Vergleiche nur auf die im Vordergrunde befindlichen Figuren zu beschränken , sitzt auf N. 1 239 zu Raupten der schlafenden Ariadne Hypnos, wäh- rend auf N. 1240 an dieser Stelle jene dämonische Gestalt, über die bereits oben die Rede war^), von dannen schreitet. Das Gemälde N. 1236 stimmt hinsichtlich der Behandhing der Ariadne mi-t den beiden soeben besprochenen überein , stellt dagegen den Dionysos anders dar : auf die Schulter des neben ihm befindlichen Pan gestützt, hat der Gott das Gewand von der Schläferin gehoben und betrachtet er, in stumme Bewunderung versenkt, ihre Reize. Auf N. 1235 und 1237 wiederum geht die Figur der Ariadne, welche, ähnlich der vaticanischen Statue 2], von vorn gesehen und mit über das Haupt gelegter Rechten schlummert, auf ein gemein- sames Original zurück. Dagegen ist die Behandlung des Gottes auf diesen beiden Bildern verschieden und hat dieselbe auch mit dem Typus, der auf den Gemälden N. 1239 und 1 240 vorkommt, nichts gemein. Auf N. 1235 stützt Dionysos die Rechte auf den Rücken des neben ihm stehenden Seilen; auf N. 1237 hält er in der Rechten denThyrsos und legt er die Linke auf die Hand einer neben ihm vorwärts schreitenden Bakchantin. Beide Male ist er, abgesehen von den hohen Stiefeln und der über den Rücken fal- lenden Chlamys, nackt gebildet. Endlich sind einige Nebenmotive mehreren Bildern gemeinsam , welche die Hauptfiguren in ver- schiedener Weise behandeln. Die Darstellung des Hypnos auf N. 1237 und N. 1239 weist deutlich auf dasselbe Original zu- rück. Die Gruppe des Satyrs, welcher den S£ov. Also haben wir es liier mit einer entsprechenden Erscheinung zu thun , wie der , welche sich bei der Betrachtung der Medeia und der taurischen Ipliigeneia des Timomachos ergab ^) . Ein bedeu- tendes Gemälde , welches Ariadne schlafend auf Naxos und das 1) Ich gebe zur besseren Uebcrsicht der im Obigen mitgetlieilten Beobachtungen folgende Tabelle , durch welche der Leser mit einem Blicke übersehen kann, welche Motive r.uf den einzelnen Bildern mehrmals wiederholt sind, auf welchen Bildern dies der Fall ist, welche Bilder sich durch Wiederholung desselben Motivs berühren : Dionysos mit Chiton und Ncbris die Linke zur Seite streckend 12:w . liJü Arisidne in der Vorderansicht N. 1235 Vl'.il Ariadne von hinten gesehen 1236 1239 . 1240 Hypnos . 1237 1239 Satyr d. Seilen unterstützend 1237 . 1238 . 1239 Pan durch erhobene Hand sein Erstaunen bekundend t23(> 1239 .... 2) Vgl. Stjirk, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. iSdii p 2« ff. 3) Senior, imag. I 15. 4) Vgl. oben Seite 14(5 ff. XXII. Der Sinnenreiz. 255 Herannahen des Dionysos darstellte, war geschaffen. Die spätere Kunst entwickelte diese Composition in eigenthUmlicher Weise weiter , indem sie einzelne Gedanken derselben verschieden zu- spitzte, die gegebenen Motive mannigfach gruppirte, durch Aus- lassungen verkürzte oder durch Zuthaten erweiterte. Hierbei konnte es im Laufe der Zeit nicht ausbleiben, dass der ursprüng- liche Bestand der Composition melir und mehr verwischt wurde, dass die Gemälde, welche den späteren Stadien dieser Entwicke- lung angehören, beträchtlich divergirten. Fassen wir den Sach- verhalt in solcher Weise auf, dann darf selbst das Oemälde N. 1234 mit dieser Entwickeliing in Bezug gesetzt werden. Während Ariadne auf den bisher besprochenen Gemäldeji schläft, erscheint sie hier erwacht und weint sie , ohne des hinter ihr be- findlichen Dionysos gewahr zu werden, über die Treulosigkeit des Theseus. Vermuthlich entstand dieses Bild unter dem Eindrucke zweier von Haus aus verschiedener Compositionen , einerseits der Composition, welche Ariadne verlassen und um Theseus trauernd darstellte ') , andererseits der Gemälde , welche schilderten , wie sich Dionysos der schlafenden Jungfrau nähert. Indem Elemente aus diesen beiden Compositionen zusammengerückt wurden, ergab sich ein Inhalt, welcher die Figuren der trauernden Jungfrau und des in ihren Anblick versunkenen Gottes in einem höchst wirk- samen Gegensatz neben einander stellte. Unter den erhaltenen dichterischen Schilderungen dieses Mythos verräth die des Nonnos^i die meiste Uebereinstimmung mit den Wandgemälden. Hier wie dort begegnen wir denselben Gestalten mit denselben Affecten. Auch bei Nonnos ist Dionysos angesichts der Reize der schlafenden Ariadne von Verwunderung ergriffen -ä). Wie auf den Gemälden N. 1235, 1237 und 1239 tritt Eros^) . auch dieser staunend über die Schönheit der Jungfrau, in der nächsten Umgebung des Gottes auf. Seilen , Pan , die Bakchantinnen sind nach der Schilderung des Nonnos •'') , wie auf den Wandgemälden, zugegen. In der Rede , welche der Dichter der Ariadne in den Mund legt, weist dieselbe sogar auf den Hypnos hin, der sie bis vor Kurzem umfangen hielt <*). Gewiss hat Nonnos diese Schilderung nicht selbständig, sondern nach einem alexandrinischen Vorbilde , etwa dem Aiovoao; des Eupho- rion, entworfen. Diese an und für sich wahrscheinliche Annahme 1) N. 1222 flf. Vgl. oben Seite 157. 2) Dionys. XLVII 265 ff. 3; Siehe die Rede des Gottes XLVII 275 ff. 4) Vers 267 ff. und 312: \. ranipan. Wandraalprpi . 1 "i 258 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Gattungen des litterarischen und künstlerischen Schaffens über. In engem Zusammenhange hiermit steht die Ausbildung einer neuen Art des männlichen Schönheitsideals. Die Veränderung des griechiöchen Geschmacks in dieser Hinsicht äussert sich deut- lich in der Sitte des täglichen Lebens. Um die Alexanderepoche wird es Mode , das Gesicht zu rasiren , und tritt an die Stelle der vollbärtigen Hellenen ein glattwangiges Geschlecht, welches auf künstlichem Wege ein Scheinbild jugendlicher Zartheit festzuhalten trachtete 1). Die Toilettenkflnste, das Blondfärben des Haares 2), die Herstellung künstlicher Haarputze •') , das Malen der Augen- brauen^), die Zubereitung feiner Schminken^) und Salben'') , werden mit grossem Kaffinement gepflegt. Nicht nur Frauen , sondern auch Männer suchten durch solche Mittel der Natur nachzuhelfen. Der Phalereer Demetrios färbte sein Haar und schminkte sein Gesicht, um, wie Duris von Samos') sich ausdrückt, ein heiteres und zartes Aussehen zu haben. Unter solchen Umständen ist es begreiflich 7 dass die Durchschnittsmasse der damaligen gebil- deten Griechen , im Vergleich mit den früheren Generationen, weichlich und weibisch erschien , eine Thatsache , welche zum Ueberfluss durch das Urtheil eines competenten gleichzeitigen Beobachters, des Klearchos '^) , bestätigt wird. Indem diese Eindrücke auf die schaffende Phantasie reflectirten , bildete die- selbe ein Schönheitsideal aus, welches nicht mehr die vereinten Begriffe des xaXoc xayaUo; , sondern lediglich den ersteren Be- griff verwirklichte. Die Lieblingsfiguren der hellenistischen Dich- tung sind zarte Jünglinge mit milchweisscr Hautfarbe , rosigen Wangen und langen , weichlichen Locken. So werden ApoUon 1) Vgl. Becker, Charikles IIP p. 242 ff. 2) Mcnander bei Meineke, fragra. Menandri ot Philenionis p. 235 und fragm. comicor. gr. IV p. 2()5, 133. Nikias , Antii. pal, XI 398. Vgl. B(!cker, Charikles Ilf^ p. 248 ff. 3) Diphilos bei Meineke, fragm. com. gr. IV p. 40!). Die compli- clrten Haartrachten der ersten Berenike und anderer Krmiginneu der Ptolemaicr- und Seleukidendynastie setzen in weitestem Umfange künstliche Nachhülfe voraus. 4) Alexis bei Athen. XIII p. 5ü8 A. 5) Alexis bei Athen. XIII p. 508 A. Theokrit. id. XV Ki. Duris von Sanios bei Athen. XH p. 542 D. Vgl. das Vasonbild bei Tisch- bein, vases Hamilton II 58; Böttiger, Sabina Taf. IX. (i) Die Königinnen der hellenistischen Dynastion Hessen sich die Fördonnig dieses Luxusartikels besonders jingelcf^^en sein. Siehe na- mentlich Apollonios bei Athen. XV p. r>S9 A. 7) Duris von Samos bei Athen. Xn p. 542 I). s) Bei Athen. XV p. '»87 A : vüv oe tAv ävttpo'jTrojv oüy «i 6'3\tm (ji/ivov, w; cp-r]ai K)v£af//o; iv TpiT7) p. 103. Stepliani, Boreas und die Boreaden (Meraoires de l'Acad. de St. Petersbourg Band XVI n. 13) Taf. I p. 23. 9) Siehe oben Seite 23(5. 10) Milliugen, Vases Coghill pl. 11, vielleicht auch pl. 25. Vgl. Bull, deir Inst. 1865 p. I(j4. 17* 260 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. verständlich besonderen kunstmythologischen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Die Wandbilder bieten eine Reihe verwandter Erscheinungen dar. Adonis, Kyparissos und Narkissos sind stets, Ganymedes^), Endymion^), Phrixos'), Admetos^j und Paris'') bisweilen als weichliche Jünglinge mit hellen Fleischtönen und laugen Locken behandelt. Phrixos zeigt auf einem Wandbilde , welches den Jüngling darstellt, wie er, von dem Widder getragen, soeben das Land erreicht**), einen entsprechenden Typus, wie der muth- maassliche Phrixos auf einer unteritalischen Schale ' i . Angesichts des Adonis in der Casa d'Adonide ferito werden wir an die schnee- weisse Haut erinnert, welche Bion *) dem Geliebten der Aphrodite beilegt. Der Mythos von dem Dienste , dem sich Apoll bei Admetos unterzog , ist auf den Wandbildern nach der alexandrinischen Version behandelt , der zufolge der Gott in den schönen Jüngling verliebt war'-*). Zur Darstellung gewählt ist eine Scene genrehaft- bukolischeu Inhalts : Apoll unterhält den vor ihm sitzenden Admetos mit Kitharspiel , während durch die Figur eines Rindes die Heerden angedeutet sind, die der Gott zu weiden übernommen hatte if) . Auch die Einführung des Kitharspiels ist ganz in dem Geiste der alexandrinischen Dichtung, die es liebt, in der Fabelerzählung die Einwirkung der Musik auf das Gemüth zur Geltung zu bringen ^'j. Die üppig schwellenden Fleischmassen 1) N. 153, 154, 157, 158. 21 Namentlich auf N. 952 und 955. 3) N. 1255, 1257 Von befreundeter Seite wurde mir der Zweifel mitgetheilt, ob die auf N. 1255 dargestellte Figur nicht vielmehr weib- lich und Theophane zu benennen sei. Doch kann ich nach einer ge- nauen Untersuchung des Originals, die ich im Juli 1872 vorgenommen habe, versichern, dass an derselben noch gegenwärtig deutliche Spuren des männlichen Gliedes ersichtlich sind. 4) N. 2->(». 115^. lUUt. 1101. 5) N. 1271. f.) N. 1257. 7) Gerhard, akad. Abhandl. Taf. LXXXL 8) Idyll. I 10. 9) Vgl. oben Seite 249. loj N. 220-222. II) Vgl. Dilthey, Jahrb. des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinl. LII fl872) p. (iü. Dass die Musik auch in der poetischen Be- handlung d(!r Sage von der Liebe des Apoll zu Admetos verwerthet wurde, ergiebt sich aus Lygdamns III 4, G7 : me quondam Adunsti niveas pavisse iuvencas non est in vanum fabida ficta iocum : tunc ego nee cithara poteram gaudere sonora nee similes chordis reddere voce sonos, sed perlucenti cantus meditabar avena ille ego Latonae filius atquo Jovis. Vgl. Tibull. II :«, II ff. XXII. Der Sinnenreiz. 261 und beinah weiblichen Forraen , welclie auf einem dieser Bilder ') dem Admetos eigenthümlich sind , lassen , verglichen mit Versen , durch welche Rhianos die Reize eines von ihm begehrten Jünglings schildert 2), darauf schliessen, dass der Maler von einer ähnlichen Absicht bestimmt war, wie sie Pausanias bei dem Hyakinthos des Nikias hervorhebt. Das Gleiche gilt von der Behandlung, welche auf anderen Wandbildern dem Ganymedes •') , Phrixos^) und Narkissos ^) gegeben ist. Auch , wo aus Vorliebe für anmuthige Erscheinung mythologische Gestalten in einer der ursprünglichen Ueberlieferung widersprechenden Weise umgebildet sind , dürfen wir annehmen , dass die Maler der Kaiserzeit dem Vorgange der Kunst der Alexander- oder Diadochenperiode folgten. Die den Wandgemälden eigenthümliche Darstellung des Argos als eines schlanken Epheben war , wenn wir über den Ursprung der be- treffenden Composition richtig geurtheilt 6) , bereits einem Bilde des Nikias eigenthümlich. Auch findet sich dieselbe schon auf zwei späten Vasenbildern ^l . Ebenso erscheint Polyphemos in der Wandmalerei nicht als ungeheuerlicher Riese, sondern als ein schöner Mann von gewaltigem Wüchse , welcher nur durch das struppige Haupthaar und das Stirnauge, das bisweilen absichtlich nur sehr schwach angedeutet ist, an den ursprünglichen Charakter des Kyklopen erinnert. Auf einem herculanischen^) und einem römischen Wandgemälde '•^j ist er sogar als bartloser Jüngling gebildet. Bezeichnend ist es , dass sich eine entsprechende Auf- fassung bereits bei Theokrit ^"') findet, der den verliebten Kyklopen schildert apTi ■^e^zidarim^ Tiepi xö (JTOfJia toj; xpoxacpojc te. Wie mit dem männlichen Schönheitsideal wird es sich auch mit dem weiblichen verhalten haben. Wir sehen deutlich , wie die späteren Typen der weiblichen Gottheiten , verglichen mit den älteren , in Formen und Ausdruck grössere Weichheit ver- rathen. Da jedoch eine eingehendere Untersuchung hierüber die Grenzen dieses Buches überschreiten würde , so sei nur 1) N. 220. 2) Anth. pal. XII 93, 3 : TT^ (X£v Y] . Von 1) Athen. XIII p. 590 F. 2) Die Stellen bei Becker, Charikles 112 p. 55. 3) Klearchos von Soloi bei Athen. XII p. 548 B. 4) Persaios von Kition bei Athen. XIII p. 607 C. 5) Hippolochos bei Athen. IV p. 120 D. 6) Die wichtigsten dieser Darstellungen siud zusanniiengestellt von Miiiervini , Bull. nap. (a. s.) V p. 04 ff. Zu vergloic-lMni ist auch die nackte Pyrrhichistin bei Stackeiberg, Gräber der HelleueuTaf. 22, eine andere nur mit leichtem Tricot bekleidete Arch. Zeit. 1850 Taf. 21. Vgl. 0. Jahn , arch. Bcitr. p. :iy2. 7) Siehe namentlich Alexis bei Athen. XHI p. 50S. 8) Klearchos bei Athen. XII 522 D. Menamler bei Meinoke, fragm. com. gr. IV p. 287, 241. 9) Vgl. Becker, Charikles II -' p. 56 flF. XXII. Der Sinnenreiz. 203 den Flötonspicloiinncn, wclciie bei der Hochzeit de.s Makeduniiis Karanos auftraten, sagt Hippolochos'), dass sie ihm völlig nackt erschienen seien , bis einige der Gäste ihn belehrten , dass sie Chitonen trügen. Docli scheinen anch die anständigen Frauen den verführerischen Reiz solcher Stoffe niclit verschmäht zu haben. Theokrit'-^) sagt zu der Spindel, welche er der Gattin seines Freun- des Nikias schenkt : (juv T^ TToXXa (j.ev IpY' ixi:e\i<3tic, ävSpstot? TtizXot;, TtoXXo! S' ola ■^ü^air.ec cpopsota' uoc/.xtva ßpt/.y-Tj. Ein Epigramm des Nikias 3) erwähnt unter Weihgeschenken, welche eine Familienmutter nach glücklich vollbrachter Geburt der Eileithyia darbringt, den durchsichtigen Schleier (uSatosaja XaXuTTTpT]) . Mit Vorliebe behandelt die alexandrinische Poesie Situationen, bei welchen die weibliehe Nacktheit in den Vordergrund tritt. Kalliraachos schildert , wie Teiresias die Athene , Aktaion die Artemis im Bade erblickt^). Apollonios von Rhodos''), indem er erzählt, wie die Nereiden die Argo durch die Planktai durch- bugsiren , unterlässt nicht , auf die weisse Carnation ihrer ent- blössten Glieder hinzuweisen. Die Verse des Nonnos, welche beschreiben , wie Zeus die in dem Asopos einherschwimmende Semele"), Dionysos die badende Nikaia betrachtet), verrathen deutlich die Nachahmung alexandrinischer Vorbilder. Die Aus- malung der Licht- und Farbeneffecte, welche die nackte Mädcheu- gestalt in dem feuchten Elemente hervorruft, ist ganz in dem Geiste der alexandrinischen Poesie und verräth Anklänge an Schilderungen, welche uns aus derselben erhalten sind*^). Die Uebertragung der Badescene auf mythologisches Gebiet entsprach zugleich der bekannten Tendenz der damaligen Zeit , die Sagen 1) Bei Athen. IV p. 129 A. 2) Idyll. XXII (XXVIII) 10. Dass das Adjectiv uoaxtvo? «durch- sichtif^« bedeutet, ergiebt sich mit Sicherheit aus Kalliniachos fragra. 295 Blorafiekl : üoäxivov y.aipoj[j.' ü[j.£V£a(Jtv ofAotov, und aus Anth. pal. IX 567 : 'joocTivo'Jc 'f opsoocav ßpocylovac , an welcher letzteren Stelle es offenbar die durchsichtige Carnation der Arme der Antiodemis be- zeiclinet. Dies gegen Becker, Charikles III '-^ p. 203, der an gewäs- serte Zeuge (luoire) denkt. 3) Anth. pal. VI 270. 4) Lavacr. Pallad. 70 ff. 110 ff. Auch Apollonios von Rhodos Argon. II 938 ff. bemerkt bei der Erwähnimg des Parthenios , dass Artemis sich in diesem Flusse nach der Jagd zu baden pflege. Vgl. denselben Dichter III 875 ff. 5) Argon. IV 938 : aüxir.' ävaoyoaevxi Xeuxois sttI vouvaat TreC'?;. (5) Dionys. VII 255 ff. . 7) XVI 5 ff. Vgl. auöh XV 269 ff. XXXVIII P20 ff. 8) Vgl. oben Seite 213. 264 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. mit genrehaften , der Wirklichkeit entsprechenden Zügen auszu- statten. Betrachten wir, wie sich die bildende Kunst zu dieser Rich- tung verhält, so waren allerdings schon während der älteren Ent- wickelung nackte Frauengestalten geschaffen worden , wie die Aphrodite am Westgiebel des Parthenon, die Helena des Zeuxis^) , die knidische Göttin des Praxiteles. Doch ist es unzweifelhaft, dass in diesen Gebilden ein ganz verschiedener Geist herrschte, als in den nackten Frauengestalten der nachalexandrinischen Kunst. Was die Helena des Zeuxis betrifft, so wissen wir nicht einmal, ob nicht der ionische Meister die Nacktheit durch die Situation motivii'te , sei es dass er die Heroine im Bade , sei es dass er sie mit ihrer Toilette beschäftigt darstellte'^). Urtheile man hierüber , wie man wolle , so dürfen wir nach dem ganzen Geiste der Kunst des fünften Jahrhunderts annehmen, dass in der Aphrodite am Parthenon, wie in der Helena des Zeuxis bei aller sinnlichen Schönheit der Formen doch die Würde der Göttin und der Heroine gewahrt wurde. Von Zeuxis zumal ist es ausdrück- lich überliefert, dass er seinen Gestalten gewaltige Formen zu geben pflegte , angeblich nach dem Beispiele des Homer , »dem eine kräftige Erscheinung auch bei Frauen gefällt« ^) . Niemand wird die Behauptung wagen , dass die Knidierin des Praxiteles, deren Inhalt uns hinlänglich durch Copien aus griechisch-römi- scher Epoche veranschaulicht wird , auf den Sinnenkitzel be- rechnet sei. Sie erscheint mit dem höchsten Liebreiz ausgestattet, wie er der Göttin der Liebe und der Schönheit zukommt. Dabei aber ist durch die grossartige Behandlung der Formen der gött- liche Charakter der Gestalt veranschaulicht, verleiht die Charak- teristik des Blickes , der sich keines bestimmten Zieles bewusst ist , dem Antlitz einen gewissermaassen keuschen Ausdruck und ist endlicli die Nacktheit auch äusserlich dadurch motivirt , dass die Göttin das letzte Gewand ablegt , um in das Bad zu steigen. Erst die Entwickelung , welche an die knidische Statue des Praxiteles anknüpft , geht darauf aus , das Sinnlichreizende in der Ersclieinung der Göttin zu betonen , bis dasselbe schliesslich, wie es in der mediceischen Statue der Fall ist, den wesentlichen Inhalt des Kunstwerkes ausmacht. Mag es sich nun auch nicht bestimmt nachweisen lassen, in wie weit diese Weiterentwickelung bereits während der Diadochenperiode im Gange war , so ist sie jedenfalls ganz in dem Geiste derselben. 1) Dionys. Halicarn. de priscis script. cens. I (V p. 417 Reiske). 2) Vgl. Raoul Rochette, monura. ined. pl. XLIX A. 3) Quintilian. XII 10, 5. XXII. Der Sinnenreiz. 265 Den unzweideutigsten Aufscliluss giebt uns in dieser Hinsicht die an die Alexanderepochc anknüpfende Vasenmalerei. Diese ergellt i>ich mit Vorliebe in der sinnenreizenden Schilderung weib- licher Nacktheit. Wie in der alexandrinischen Poesie, gehören Scenen aus dem Fraaenbade zu den Lieblingsgegenständen der späteren Gefässmaler '). Wir begegnen Iletairen, Gauklerinnen, Flötenspielerinnen entweder ganz nackt oder mehr oder minder entblösst. Diese Behandlungsweise kommt sogar zur Anwendung, ohne durch den Charakter der dargestellten Figuren oder durch die Situation motivirt zu sein. Die späteren Vasenbilder stellen Bak- chantinnon öfters ohne jegliche Verhüllung dar'-^). Auf einem sehr feinen , mit reichlicher Vergoldung versehenen Gefässe •') , worauf die Abfahrt des Paris und der Helena abgebildet ist, tritt die Begleiterin der letzteren , die , ein Thymiaterion und eine Schale in den Händen , neben dem Gespanne steht , vollständig nackt auf. Allerdings fällt ein leichter Mantel über den Kücken der Helena; indem er jedoch die Vorderansicht des Körpers ent- blösst lässt, wirkt er vielmehr als Folie, von welcher sich der Reiz der nackten Theile um so nachdrücklicher loshebt. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Darstellung der Europa an den attischen Gussgefässen , die wir bereits erwähnt^). Auch hier wird der Formen- und Farbenreiz der nackten Gestalt durch den Gegen- satz des Mantels , welcher sich über dem Rücken der Heroine aufbauscht, mit besonderer Schärfe hervorgehoben. Am Eman- cipirtesten äussert sich die Neigung , die weibliche Gestalt nackt darzustellen, auf den späteren etruskischen Spiegeln und den pränestiner Cisten. Mag aber auch die italische Luxusindustrie diese Darstellungsweise rückhaltsloser verwendet haben , als es jemals in der griechischen Kunst der Fall war, so ist es nichts desto weniger sicher, dass der Impuls hierzu von Griechenland kam , dass die hellenistische Kunst , an welche diese Entwicke- lung der italischen anknüpfte, zum Mindesten verwandte Erschei- nungen darbot. Wie die hellenistische Malerei durch Schilderung fester Körper, die durch helle Materien durchschimmern , ihre Virtuosität zu zeigen liebte"^), so liess sie sich gewiss den Reiz der durch- 1) Vgl. oben Seite 197 Anm. 5. 2) Stephan!, Compte rendu 1S61 Taf. II, Vasen der Ermitage II p. 404 n. 2007. Miilin, peint. de vases II 64. Inghirami, vasi fittili I 13 (= Panofka, Parodien und Caricaturen Taf. I 1, 2), 6S. II 131, 166, 185, 196. III 271. 3) Stephani, Compte rendu 1861 Taf. V 3, 4, Vasen der Ermitage II p. 389 n. 1929. 4) Vgl. oben Seite 225. 5) Vgl. oben Seite 210 flf. 2ö6 Der Hellenismus und die cftmpanische Wandmalerei. sichtigen Gewäuder nicht entgehen'). Auch verratlien die spä- teren Vasenbilder deutlich den Reflex dieser in der kunstmässigen Malerei üblichen Behandlungsweise , • eine Erscheinung, die zu bekannt ist , uui der Erläuterung durch bestimmte Belege zu be- dürfen. Die Wandbilder vertreten, in so weit sie hierbei zum Ver- gleiche herangezogen werden dürfen, eine vollständig entspre- chende Entwickclung. Wie die alexandriuische Poesie mit Vor- liebe Göttinnen oder Heroinen im Bade schildert, stellt die Wand- malerei die Ueberraschung der badenden Artemis durch Aktaion'-^) und Leda dar, welcher sich, während sie auf ein Badebecken zu- schreitet, der Schwan nähert-'). Aller Wahrscheinlichkeit zufolge wurde jene Version des Aktaionmythos durch die alexandrinisclie Dichtung in die Litteratur eingeführt ; denn wir begegnen der- selben zum ersten Male bei Kallimachos ') , während die ältere Litteratur und die gesammte Vasenmah^rei den Untergang des Jünglings in anderer Weise motivirt. Wenn die Wandmalerei mythologische Liebesgeschichteu scliildert, so thut sie dies fast regelmässig in einer die Sinne reizenden Weise, welche dem Geiste der liellenistischen Kunst entspricht Göttinnen , wie die zu dem Endymion herabsteigende Selene , Jind Heroinen , wie die den Goldregen empfangende Danae, die vom Stier getragene Europa, Leda, Daphne u. a., treten beinah völlig nackt auf. Die leichten Gewänder, welche über die Schultern dieser Gestalten herab- fallen oder sich, vom Winde gebläht, über ihrem Haupte oder Nacken aufbauschen, dienen dazu, den Reiz des Nackten mit be- sonderer Schärfe hervortreten zu lassen , und bedecken keines- wegs die Theile, welche bei einer keuschen Darstellungsweise zu verhüllen wären. Diese Behandlung entspricht vollständig der, welche wir im Obigen in den späteren Stadien der Vasenmalerei nachgewiesen haben, und erscheint ausserdem den Schilderungen geistesverwandt , welche Nonnos von weiblichen Reizen zu ent- werfen pflegt. Wie es auf den Wandgemälden der l^'all ist , be- nutzt dieser Dichter die (ilewandmotive , um durch den Gegensatz derselben den Farben- und Formenreiz der entblössten Theile hervorzuheben'^) , und unterlässt er nicht, die Phantasie des Lesers 1) In der Plastik begegnen wir einem (lurclisiclitigen Gewände bereits bei der jüngsten Tochter der Niobc und bei eint'r der Statuen des Nereideinnouumeiits von Xanthos. Bei V. ßÖTp'JV ÖrtailoTOpOtO 7.6|A7]? eXeXi^EV dTjTTj? ZO'J'^l^OJV £y.dT£pi)£V, d£tpo(A£VO)V Ö£ xo|xdwv, XEtj-AOcpaTj? (iz\ä~n^z iJ.iaoi '('Jit.^oöiiz^oi o.\)yf]S. 1) Dionys. XV 22^. 2) XVII 224. ;^) XLVIII 655. 1) Sieke namentlich Dionys. XV 220 ff. XVII 221 ff. 5) Apollon. Rhod. HI 1017: «[xap-JYd? öcp})o(X[Aö)v. Vgl. III 286 ff". Moschos idj'll. II 7 : cIiJ-iAara o' aÜKo r,ptp.!iXa xoti tfXoYÖEvxot. Inc. id. V (Tlicokr. XXIII) 8 : oaowv Xtirapov geXcic. Rhianos , Anth. pal. XII 93 (Meineke, anal. alex. p. 2ü7 u. 3): xolov asXac ojAjAaoiv a'iftEi. 268 Der Hellenismus und die carapanische Wandmalerei. beweisen, dass diese Behandlung aus hellenistischer Epoche datirt. Dagegen sind wir im Stande, diesen Nachweis zu führen liinsicht- lich einer verwandten Erscheinung , der wir in der Wandmalerei begegnen. Die Jägerin Atalante nämlich tritt auf zwei pom- peianischen Wandbildern ') , abgeselien von einem leichten Ge- wände , welches über ihren Rücken und ihre Beine herabfällt, völlig nackt auf. Ganz ähnlich ist sie auf Cisten 2] , Spiegeln •*) und auf einem archaisirenden etruskischen Scarabäus^) behan- delt '") . Nackt war sie nach der Angabe des Plinius '') auch auf einem alten lanuviner Wandgemälde dargestellt. Dies zeigt deut- lich, dass die Maler der Kaiserzeit nicht die ersten waren, welche die Jungfrau in dieser sinnlich reizenden Weise charakterisirten. Wenn endlich Medusa auf einem herculanischen Wandbilde '^) als ein schönes Mädchen dargestellt ist , welches nur durch das Schlangenhaar auf den ursprünglichen Charakter der Gorgone hindeutet, so beweist ein polychromes Vasenbild aus Capua*^), welches die Gorgonen als zarte jugendliche Gestalten mit langen blonden Locken schildert, dass diese Umbildung des Medusatypus bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. geläufig war. Ueber die Behandlung der durchsichtigen Gewänder brauchen wir uns nach dem oben Bemerkten nicht weiter zu verbreiten. Denken wir uns , was die decorative Technik hierbei nur anzu- deuten im Stande ist , mit allen Mitteln , über welche die kunst- mässige Malerei verfügte , zum Ausdruck gebracht , dann ergiebt sich ein Raffinement der Darstellung, welches vollständig mit dem Geiste der hellenistischen Kunst übereinstimmt und in ent- sprechenden Schilderungen des alexandrinisirenden Nonnos'') die schlagendsten Analogien findet. 1) N. 1164. Bull, deir Inst. 1872 p. 194. 21 Mon. deir Inst. VI 55. Vermuthlich auch auf der Ciste Arch. Zeit. 1862 Taf. 164, 165 p. 292. :{) Gerhard , etr. Spiegel Taf. 274 ff. _ 4) Panofka, zur Erklärung des Plinius Fig. 5. 5) Ob die nackte weibliche Figur auf einer Vase etruskischer Fabrik bei Inghirarai, vasi fittili I 13 und Panofka, Parodien und Cari- caturen I 1 Atalante darstellt, scheint mir zweifelhaft. 6) Plin. XXXV 17. 7) N. 1182. Vgl. oben Seite 152. 8) Mon. deir Inst. VIII 34. Vgl. Dilthey, Ann. dell' Inst. 1871 p. 229 ff. 9) Dionys. XXXIV 278 ff. : xat :fj$ldoo; exToöt (AitpT); Xeuxo; £pe'j&t6(»vT[ yiTÖiiv cpoivlooeTO |i.aCt]>" MoppE'ji 5' e(aopö(uv ^TretepTreTO, xal 5ia rdrXou XezxaXdo'j o ff. 2) Strabo XVII S p. 7!i;5 ; K» p. 795. :<) Strabo XVII K» p. 7<).5 4; Sfrnbo XVII <.) p. 704. XXIII. Das NaturgefUhl. 273 TrepiTiaTo?, wo die Gelehrten lustwandelten'). In Knidos er- richtete Sostratos , der Architekt des berühmten alexandrinischen Leuchtthurms, die erste pensilis ambulatio^). Auch die Privaten fingen damals an, Gärten in der Stadt an- zulegen. Plinius'*) schreibt die Einführung dieses Gebrauches dem Epikur zu. Mag auch die bestimmte Fassung dieser Nach- richt bei der Neigung der Alten, jede Erscheinung an einen be- kannten Namen anzuknüpfen, berechtigtem Zweil'el unterworfen sein , so ist es immerhin bedeutsam , dass sie in chronologischer Hinsicht auf die Diadochenperiode hinweist. Die gleichzeitige Dichtung überträgt mit der ihr eigenthümlichen Neigung, das Göttliche zu vermenschlichen , den Garten sogar in den Olymp. Aphrodite , von Hera überredet , die Medeia in Liebe zu Jason zu entflammen , sucht und findet ihren Sohn Eros in dem blühenden Garten des Zeus *) . Auch bei der Anlage der Wohnhäuser trug die hellenistische Epoche dem Bedürfnisse nach Naturgenuss Kechnung. Wir dürfen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen, dass da- mals die oeci cyziceni oder triclinia cyzicena erfunden wurden. Diese Räume waren nach Norden orientirt und in der Mitte mit einer Thür, zu beiden Seiten mit Thürfensteru versehen und ge- statteten somit von den zwei in ihnen befindlichen triclinia aus nach allen Richtungen die Aussicht in das Freie. Man sieht hier- aus deutlich , wie sie recht eigentlich auf den Naturgenuss in der 1) Strabo XVII 8 p. 793. Vgl. Parthey, das alex. Museum p. 51. 54. 2) Plin. XXXVI 83. p'raglich ist, ob der MO&o; genannte Park in Syrakus, worin Hieron seinen Geschäften obzuliegen pflegte, in unsere Periode gehört ; denn der Bericht des Seilenos (Athen. XII p. 542 A = Müller, fragm. bist. gr. III p. 101, 8) lässt es unentschieden, ob Hieron I. oder IL gemeint ist. 3) XVIIII 51. Ueber die Gärten des Epikur vgl. Athen. XIII p. 588 B. 4) Apollon. Rhod. Argon. III 114: Aio; ftoiXsprj ^v dlwn. Wenn die ältere Dichtung von Gärten der Götter redet , so geschieht dies nirgends in dem genrehaften Sinne, wie bei Apollonios. Xapixojv -/.äTzoc, bei Pindar Ol. IX 27 steht bildlich für Poesie (vgl. die Erklärung von Boeckh , Pindari op. II 2 p. 188). In den Pythien IX 53 bezeichnet Ato; xär.oz Africa wegen des daselbst blühenden Cultus des Zeus Ammon , wie bereits richtig der Scholiast erklärt. Ibykos fragm. I Bergk nennt die schattigen Flusstriften bildlich 'Tiapösvtuv ider Nym- phen; /.fjTto;. In bildlichem Sinne sind vermuthlich auch die Atö? %finoi in einem sehr verstümmelten Fragmente des Sophokles (297 Nauck) zu verstehen. Dagegen dürfte in ähnlicher Weise, wie der Garten des Zeus bei Apollonios, die Wiese der Hera bei Kallimachos, hymn.in Dian. 164, zu erklären sein, auf welcher die amnisischen Nymphen den Klee für die Hirschkühe der Artemis sammeln. Es scheint, dass die Götter- königin nach der Vorstellung des Kallimachos bestimmte Wiesen, gewissermaassen als Domaine , besass. He 1 bi g, Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. 18 274. I>er Hellenlsraus und die cainpanische Wandmalerei. Sommerzeit bereclinet waren. Vitriiv') erwälint diese Räume als ßestandtiieile des grieciiisclien Wolinliauses , giebt aber zu- gleicli au, dass sie bisweilen, wenn auch zu seiner Zeit nur selten, in italischen Häuseranlagen Platz fanden 2). Dass sich aber die von diesem Schriftsteller gegebene Beschreibung des griechischen Hauses nicht auf den Bau bezieht, welcher bei den Griechen bis zur Diadochenperiode allgemein üblich war, ergiebt sich hinläng- lich aus den Schwierigkeiten, welche sich herausstellen, wenn es gilt , die einzelnen Angaben seiner Schilderung mit den Zeug- nissen der voralexandrinischen Litteratur in Einklang zu bringen. Offenbar schildert Vitruv die palastähnUche Wohnung des hel- lenistischen Grossen, eine Annahme, die an und für sich wahr- scheinlich ist und von mir an einer anderen Stelle ausführlicher begründet werden wird. In engem Zusammenhange mit dieser Umwandlung des Natur- geftthls steht ferner die Thatsache, dass die Jagdliebhaberei seit der Zeit Alexanders des Grossen eine eigenthümliche Steigerung erfuhr und sich in den weitesten Kreisen verbreitete. Zwar wurde das Waidwerk von den Hellenen auch früher gepflegt. Doch tritt die Neigung hierfür wenigstens in dem eigentlichen Griechenlande während der älteren Entwickelung niemals so nachdrücklich iu den Vordergrund , als es in der hellenistischen Epoclie der Fall ist. Die älteren griechischen Grab- und Votivrelicfs , welche so vielfache Lebensbezüge veranschaulichen , weisen nirgends auf die Jagd hin •') . Was im Besonderen Attika betrift't, so lassen ein Ausspruch des Demos in den Rittern des Aristophanes ') und die lange Apologie, durch welche Xenophon am Schlüsse seines Kynegetikos •'•) die Berechtigung und den Nutzen der Jagd zu er- weisen sucht, deutlich darauf schliessen , dass die gleichzeitige ölfentliche Meinung in Athen hinsichtlich dieses Sports zum Min- desten getheilt war. Auch ist es ganz begreiflich , dass Attika mit seinem parcellirteu Grnndbesitze und seinem im Ganzeij wohl 1) Vitruv. VI (i, 1. 10, 3. 2) VI 0, 1. Mit dem zunehmenden Steigen des hellenistisclieu Einflusses wurden auch die triclinia cyzicena iu Italien häufiger. Räume dieser Art fanden sich in zwei Villen des jüngeren IMinius: Plin. epl. II IT, 5. V ü, 29. 3) Das von Schöne, griechisclio Reliefs Taf. XXV n. 102 publicirte attisclu! Votivrelief würde , falls es in voralexandrinische Periode ge- hören sollte, dieser Behaujjtung keineswegs widersprechen ; denn der Versucii, zwei darauf dargestellte Jünglinge für Jäger zu erklären, ist durch eine ungleich begründetere Deutung von Schöne (a. a. ü p. 52) beseitigt. 4) l.'{82: [Aot AC, dXX' dva^^aocu ^A.'J■v■rlftTH-^ ifui • TO'jTO'j; aTTOtvTaj, TTOtuoaiJitvo'Ji 'l/Tncctaadicov. 5) XII 10 ft-. XXIII. Das Naturgefühl. 275 angebauten Boden dafür kein geeignetes Terrain darbot, wie denn Plato i) deutlich auf Hindernisse anspielt , welche den des Waidwerks Beflissenen im Wege standen. Die Jagdliebe des Xenophon ist zumal bei einem Athener der voralexandrinischen P^poche eine ganz vereinzelte Erscheinung , und die Vermuthang liegt nahe, dass er dieselbe nicht so sehr in Attika, als bei seinem Aufenthalte im Auslande , in der Peloponnes und vor allem in Asien , ausbildete. Seit der Zeit Alexanders dagegen wird die Liebe zum Waidwerk eine sich auf das gesammte Griechen- thum erstreckende Leidenschaft. Sie ist von einer Menge her- vorragender Persönlichkeiten der damaligen und der folgenden Epoche bestimmt bezeugt. Um hier nur einige namhaft zu machen, so kenneu wir als leidenschaftliche Jäger Alexander den Grossen 2), mehrere Personen aus seiner Umgebung, wie Philotas'*), Leonnatos''), Krateros'^y, Lysimachos **) , Kassan- dros'^), ferner Demetrios Poliorketes ^) , Ptolemaios Philadelphos •') , Ptolemaios IV. Philopator i'*j , Philopoimen^') , den syrischen Prinzen Demetrios , welcher nachmals als König den Beinamen Soter führte^'-). Die makedonischen Könige Hessen, um stets reichliches Wild zu haben , dasselbe an geeigneten Stellen ihres Landes einhegen '■') . Polybios^^) bezeichnet sich als einen Enthu- siasten für diesen Sport, macht während seines Aufenthalts in Rom , wo sich die Gebildeten nicht viel damit abgaben , eifrig dafür Propaganda und freut sich , den jüngeren Scipio als Pro- selyten zu gewinnen. Seine Beziehungen zu dem Seleukiden Demetrios beruhten, wie er ausdrücklich hervorhebt'^), vor- wiegend darauf, dass auch dieser ein eifriger Jäger war. Seine Geschichtsbücher sind voll von Anspielungen und Gleichnissen 1) Leges VIT 23 p. 824 B heisst es, im Gegensatze von der Jagd durch Netze und Fallen , von den Jägern , welche dem Wilde mit der Waffe zu Leibe gehen : tojto'jc ;j.Y)0£t; xouc iepou; ovroj; i^Tjps'jra; ■/.(«- X'jdTuj, oTio'J -Aoi (jTzri irep äv döcXwot '/.'j^rr^'^e'zel-^ . 2) Plutarch. Alex. 40. Curtius, de gest. Alex. magn. VIlI 1, 2. 3) Plutarch. Alex. 40. 4. 5) Athen. XII p. 539 D. 6) Curtius, de gest. Alex. VIII 1, 2. 7) Hegesandros bei Athen. I p. ISA. S) Plutarch. Demetr. 50. 11) Diüdor. III 36. 10) Polyb. XXIII 1, 8. 11) Polyb. X22, 4. 12) Polyb. XXXI 22. 13) Polyb. XXXII 15. 14) Polyb. XXXII 15. 15) Polyb. XXXI 22, 3. 18* 276 ß<^i' Hellenismus und die caiupanische Wandmalerei. aas dem Bereiche des Waidwerks^) . Viele junge Griechen der wohl- habenden Classe werden während der hellenistischen Epoche vor- wiegend in diesem Sport ihre Beschäftigung und Befriedigung gesucht haben , wie die Ueberlieferung über den Tarentiner Phi- lemenos andeutet , dessen beständiges Ausziehen zur Jagd dem Hannibal Gelegenheit gab , die römische Besatzung in Tarent zu überrumpeln'^. Mannigfache Aussprüche und Naclirichten be- zeugen uns , wie die waidraännische Thätigkeit geradezu als die nothweudige Ergänzung einer vollendeten männlichen Existenz betrachtet wurde , und wie ausgezeichnete Leistungen in dieser Richtung die damaligen Griechen mit dem grössten Stolze er- füllten-*). Diese Anschauung äussert sich auch in der bildenden Kunst , die seit der Alexanderepoche die Zeitgenossen mit Vor- liebe als Waidmänner verherrlicht. So bildeten Lysippos und Leochares eine von Krateros nach Delphi geweihte Gruppe, welche Alexander auf der Löwenjagd darstellte''), und schilderte ein Gemälde des Antiphilos eine Jagd des Ptoleniaios Soter-^). Aristeides malte venatores cum captura*'). Akragas cisellirte ähnliche Darstellungen auf Becheru '') . Die Beziehung auf das Waidwerk fand nunmehr auch in den bildlichen Schmuck der Grabmonumente Eingang. An dem dritten Stockwerke des Scheiterhaufens des Hephaistion waren Jagdscenen dargestellt *) . Ein von Nikias ausgemaltes Grabdenkmal bei Triteia in Achaia zeigte den Verstorbenen in Begleitung eines Dieners , welcher die Jagdspiesse hielt und eine Koppel Hunde an der Leine führte ") . Wir kennen eine Gattung griechischer Grabreliefs , die durchweg nach der Zeit Alexanders gearbeitet sind und den Verstorbeneu darstellen , wie er zu Pferd vorwärts sprengt , während ein da- hinterher laufender Diener an einem Stecken das erlegte Wild trägt '0) . Endlich ist der Einfluss der hellenistischen Jagdlieb- 1) Siehe z. B. IV S, 9. 2) Polyb. VIII 27 ff. ;<) Vgl. Polyb. X 22, 4. XXIII I, 9. XXXII 15, 7. 4) Plutarch. Alex. 40. Plin. XXXIV 63, 64. Vgl. Stephani, Compte rendu 1867 p. 90. Euthykrates bildete »equum cuiu fuscinis, canes venantium«. Piin. XXXIV 66. 5) Plin. XXXV 138. 6) Plin. XXXV 99. 7) Plin. XXXIII 155. 8j Diodor XVI 115. 9) Pausan. VII 22, G ff. 10) Das achünste bis jetzt bekannte Exemplar befindet sich in Verona : Orti di Manara, anticlii moniun. che si couserv. nel giardino Giusti a Verona Tav. VI. Richard Schöne, den ich über die Chrono- logie dieser Gattung von Reliefs befragte, versicherte mir, dass er keines kenne , welches über das Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. heraufgerückt werden dürfe. XXIII. Das Natiirgefühl. 277 liaberei auch in den Darotellnngen der gleiclizeitigen bemalten Gefässe deutlich wahrzunehmen'). Beiläufig sei hier bemerkt , wie wir auf diesem Gebiete mit Bestimmtheit die Anfänge des hellenistischen Einflusses auf das römische Leben nachweisen können Polybios^) sagt ausdrück- lich, dass zur Zeit, als er in Rom lebte, die römische Jugend nur . wenig Geschmack an der Jagd fand. Der jüngere Scipio war einer der ersten, welcher sich zu einer anderen Ansicht bekehrte. Als er seinen Vater nach Makedonien begleitete und die dortigen Wildparks kennen lernte , fing er an , das Waidwerk zu lieben, und nach seiner Rückkehr nach Italien wurde er in dieser Nei- gung durch das Beispiel seines achäischen Freundes , des Poly- bios, bestärkt. Unter den Lehrern , welche Aemilius PauUus be- rief, um seinen Söhnen eine hellenistische Bildung zu geben, werden auch griechische Jagdmeister erwähnt 3) . Also wird die Liebe zum AVaidwerk gegen die Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Christus durch griechisches Beispiel in Rom eingeführt. Wie es aber mit allen nach Italien übertragenen hellenistischen Sitten zu geschehen pflegte, so gewann auch diese im Laufe der Zeit an Verbreitung und Bedeutung. Das allmählige Eingehen der Bauern- höfe und die Entwickelung der Latifundienwirthschaft schuf in der unmittelbaren Nähe Roms ein zur Befriedigung der Jagdlust geeignetes Terrain. Bei den Römern der Kaiserzeit finden wir hinsichtlich des Waidwerks ganz dieselben Anschauungen, wie bei den hellenistischen Griechen , eine Thatsache . welche durch Nachrichten der Schriftsteller , Statuen , Münztypen , Reliefs von Triumphbogen und Sarkophagen hinlänglich bezeugt ist*). Fragen wir nach dem Grunde, warum die Jagdlust gerade um die Alexanderepoche eine derartige Steigerung und Verbreitung erfuhr, so werden hierbei «mancherlei Umstände zusammengewirkt haben. Gewiss brachten die Makedonier bei ihrem Uebergange nach Asien die Jagdliebe aus ihrer Heimath mit. Da bei ihnen die politischen , gesellschaftlichen und nationalökonomischen Zu- ^ stände in vielen Hinsichten noch auf einer entsprechenden Stufe standen , wie im heroischen Zeitalter , so dürfen wir annehmen, dass der makedonische Edelmann ähnlich wie die homerischen Helden in derbprimitiver Weise pirschte. Der tüchtige Jäger war bei ihnen hoch geachtet. Hegesandros ^) berichtet sogar, dass die 1) Vgl. Stephani, Comptfe rendu 1867 p. 91 ff. 2) XXXII 15, 8. • 3) Plutarch. Aemil. Paul. 6. 4) Vgl. Stephani, Compte rendu 1867 p. 12ü ff. Ann. dell' Inst. 1863 p. 94 ff. 5) Bei Athen. I p. 18 A. 278 ^^^ Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Plätze beim Mahle nach den waidmännischen Leistungen vertheilt Avui'deii , dass nur die Jünglinge , welche mit dem Speere ein Wildschwein abgefangen , liegen durften , während sich die , die diese Probe nicht bestanden, mit einem Sessel begnügen mussten. Nach der Eroberung Asiens erhielt diese naturwüchsige Jagdlust einen lebhaften Impuls und eine veränderte Kichtung. Die Make- donier lernten die luxuriösen Jagdvorrichtungen der Perser kennen und griffen dieselben begierig auf. -Alexander der Grosse und seine Officiere pirschten nunmehr in den asiatischen Trapaostaoi mit dem Pompe , welcher den Jagden der Könige von Babylon, Niniveh und Persien eigenthümlich gewesen war '). Das Beispiel, welches Alexander und die Diadochen gaben , wird nicht er- mangelt haben, auch in weiteren Kreisen und auf das eigentliche Griechenland zu wirken. Da jedoch die Verhältnisse in dem Mutterlande wesentlich andere waren , als in Asien , da die Jagd unmöglich überall nach dem Maassstabe der persischen und make- donischen Grossen betrieben werden konnte , so genügt dieser Gesichtspunkt keineswegs , um die rasche und allgemeine Ver- breitung der Jagdleidenschaft über die ganze hellenistische Welt zu erklären. Vielmehr war hierbei auch gewiss die damals Statt findende Umwandlung des Naturgefühls wirksam. Indem der ge- bildete Grieche das Bedürfniss empfand, sich in der freien Natur herumzutummeln , so ergriff er die Jagd , die ihm hierzu die ge- eignete Gelegenheit bot , mit Begierde und pflegte er dieselbe mit grösserem Eifer und in reflectirenderer Weise , als es während der vorhergehenden Entwickehmg der Fall zu sein pflegte. Wie wir bei dieser Betrachtung orientalischer Vorrichtungen gedachten, welche sich die Makedonier nach Eroberung Asiens zu eigen machten , so darf auch bei anderen Erscheinungen der hellenistischen Civilisation , die mit dem Gegenstande , der uns gegenwärtig beschäftigt , in engem Zusammenhang stehen , der asiatische Einfluss in Betracht gezogen werden. Da sich in Asien seit uralten Zeiten das Leben in kolossalen Städten concentrirte , so scheint sich daselbst das bewusste Be- dürfniss, die Natur zu suchen , früh entwickelt zu haben. Um hier nur der Perser zu gedenken , deren Erbschaft die Griechen nach der P^roberung Asiens durcli Alexander antraten , so ist es bezeichnend , dass König Dareios , als er auf seinem Zuge gegen Griechenland das Gebiet von Chalkedon berührte, den daselbst gelegenen Berg , auf welchem der Tempel des Zeus Urios lag, bestieg und von hier aus die Aussicht über den Bosporos be- I) Plutarch. Alex. 40. Athen. XII p. 539 D. XXIII. Das Naturgefiihl. 279 trachtete ') . Von eiueiu ürieclien aus der Zeit vor Alexander wird nichts Entsprecliendes berichtet. Erst in dem Jahre ISl V. Chr. begegnen wir einer verwandten Tliatsache, der Besteignng des Haemus nämlicli dnrch König Philipp V. von Makedonien 2) . Auch der ungefähr gleichzeitige ApoUonios von Rhodos ') lässt die Argonauten , um der Kybele ein Opfer darzubringen , das Din- dymon besteigen und schildert in knapper , aber anschaulicher Weise das Panorama , welches die Helden überschauen , deren Blick über Thrakien, den Bosporos, das mysische Hügelland, den Lauf des Aisepos und die Nepeiaebene dahinschweift. An einer anderen Stelle^) vergegenwärtigt er die Aussicht, welche sich dem Auge von dem Gipfel des Olympos aufthut. Diese beiden Beschrei- bungen sind die ältesten landschaftlich aufgefassten Schilderungen von Fernsichten , welche die erhaltene classisclie Litteratur dar- bietet. Auch die Bewunderung, welche Xerxes auf seinem Marsche durch Lydien einer schönen Platane zollte, die er mit Goldschmuck versah und durch einen Soldaten aus der Reihe der Unsterblichen bewachen Hess ^) , zeugt von einer bewussten Hingabe an die Natur , wie sie den älteren Griechen fremd ist. Künstliche An- lagen zum Zwecke des Naturgenusses sind im Orient uralten Datums. Im ägyptischen Theben sollen sich kolossale schwebende Gärten befunden haben ^) . Eingefriedigte Banmgärten , die von allen Seiten einen Palast umgeben, kommen auf ägyptischen Denk- mälern aus der 1 8 . Dynastie vor '^) . Was Asien betrifft , so ge- nügt es an die schwebenden Gärten der Semiramis und an die allenthalben verbreiteten TiapaSsiaoi zu erinnern ^) . Die in Make- donien am Fusse des Bermiongebirges gelegenen Rosengärten knüpften an den Namen des Phrygers Midas an , was deutlich auf den Ziisammenhaug derselben mit Asien hinweist ") . Nach- dem Alexander das Perserreich unterworfen , gingen die daselbst befindlichen Anlagen dieser Art in den Besitz des Königs oder seiner Officiere über. Bereits Alexander fand an denselben Ge- fallen. Oefters lag er in einem irapaSeiao? seinen Geschäften ob ; 1) Herodot. IV 85. 2! Liv. XL 22. :h) Arg. I 1103 ff. 4) III 164 ft\ 5) Herodot. VII 31 . Aelian. var. bist. II 14. Villi 39. H) Plin. XXXVI 94. 7) Lepsius, Denkm. aus Aegypten Band VI Abth. III Bl. 95. 8) Vgl. namentlich Plutarch. Alcibiad. 24. Artax. 25; über die lydischen Trapdoetaoi : Xciioph. oecon. IV 21, Klearchos bei Athen. XII p. 515 E; über die sidonischen : Diodor. XVI 41 ; über die in der syrischen Chersonnes : Plutarch. Demetr. 5<». 9) Herodot. VIII 138. Vgl. Nikandros bei Athen. XV p. 683 B. >*. 280 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. er sass dabei auf goldenem Throne und um ihn seine Gefährten auf silberfüssigen Sesseln ^] . Er beauftragte den' Harpalos im Besonderen mit der Verwaltung der babylonischen Trapa^aiaoi und wies ihn an, darin Gewächse griechischer Herkunft zu accli- matisiren, was u. a., jedoch vergeblich, mit dem Epheu versucht wurde 2). Auf seinem Zuge von Kelonai nach den nysäischen Pferdeweiden machte er einen Umweg, um die Gärten in Augen- schein zu nehmen, welche Serairarais am Fusse des Berges Bagis- tano-! angelegt hatte ■') . In einem der babylonischen Paradiese ver- brachte er die ersten Tage seiner tödtlichen Krankheit, bis er, bereits sprachlos, in den Palast gebracht wurde 4) . Noch zur Zeit, als Theophrast seine Pflanzengeschichte schrieb, wurde den baby- lonischen Parks die sorgfältigste Pflege gewidmet ; wie er mit- theilt«'»], brachten die Gärtner, wenn auch mit grosser Mühe, darin den Buchsbaum und die Linde zum Gedeihen. Solche TrotpaSsiaot wurden dem Demetrios Poliorketes zur Verfügung gestellt, nach- dem er von Seleukos in der syrischen Chersonnes internirt wor- den war '') . Es ist wohl glaublich , dass die Griechen , als sie ihrerseits derartige Anlagen herzustellen anfingen, wie es u. a. in den Grossstädten der Diadochenreiche der Fall war , zunächst an die ihnen vom Orient gebotenen Vorbilder anknüpften. Ueberhaupt wird die ganze Gärtnerei der Hellenen durch die Erschliessung Asiens einen beträchtlichen Umschwung erfahren haben. Allerdings ist es bekannt, dass diese Thätigkeit in Griechenland von Alters her gepflegt wurde. Die homerischen Gedichte bezeugen dies in der unwiderleglichsten Weise. Die in uralten Zeiten beginnende Einbürgerung von urspi'ünglich in Asien heimischen Gewächsen, wodurch allraählig die ganze Vege- tation Griechenlands eine durchgreifende Veränderung erfuhr"), setzt in weitem Umfange menschliche Nachhülfe voraus. Der reichliche Verbrauch an Blumen , wie ihn die Sitte des täglichen Lebens und die Satzungen des Cultus mit sich brachten ^) , musste 1) Ephippos von Olynth bei Athen. XII p. 537 D. 2) Theophr. h. pl. IV i und bei Plutarch. quaest. conv. III 2 p. 648. Plin. XVI 62. 3) Diodor. XVII 11 o. II 13. Vgl. Droysen, Gesch. Alexanders p. 553. 4) Arrian. anab. VII 25. 5) Theophr. h. pl. IV 4, I. 6) Plutarch. Denietr. 50 7) Vgl. hierüber das vortreffliche Buch von Hehn , Culturpflanzen und Haiisthiere in ihrem Uebergang aus Asien nach Griechenland und Italien. Berlin ls7(i. 8) Da zur Ausübung gewisser Culte bestimmte Pflanzen nöthig waren, so führte dies vielfach zu Acclimatisationsversuchen. Vgl. Bötticber, Baumcultus p. 247 ff. Bei Pantikapaion bemühte man sich XXIII. Das Naturgefühl. 281 nothwendig zu einer künstlichen Pflege der Blumen führen. Mag somit diese Thätigkeit bereits früher zu einem gewissen Grade der Vollkommenheit gediehen sein, immerhin war die Alexanderepoche ganz geeignet, ihr einen verstärkten Impuls zu geben. Diirch die damals Statt findende Erschliessung des Orients lernten die Griechen eine neue Flora \) und zugleich die dortige Kiinst- gärtnerei kennen, welche sich von Alters her auf einer sehr hohen Stufe befand ^ . Bald dirauf erhob Theophrast die Botanik zu einer Wissenschaft und gründete er in Athen den ersten bota- nischen Garten 3) . Jetzt fingen die Griechen an , die Acclimati- sation ausländischer Gewächse im Grossen und systematisch zu betreiben. Was in dieser Hinsicht in den babylonischen irapa- Sstaoi geleistet wurde, habe ich bereits angeführt'*]. Die Seleu- kiden versuchten den Zinimtbaum in Syrien , das Amomum und den Nardus , die sie zu Schiff aus Indien kommen Hessen , in Arabien»] , die Ptolemaier den Weihrauchbaum und den Ladanum- strauch in Aegypten zu acclimatisiren^j . Von der Blumencultur im Lande der Ptolemaier berichtet Kallixenos von Rhodos ') . Indem er beschreibt, wie in dem Prachtzelte des Ptolemaios Philadelphos der Boden mit einer Fülle der mannigfachsten Blumen bestreut war, fügt er bei, dass Aegypten wegen der Vorzüge seines Klimas und der sorgfältigen Pflege , welche man daselbst den selten und nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten gedeihenden Blumen widmete, das ganze Jahr hindurch einen reichen Blumen- flor hervorbringe , und keine Gattung jemals ganz ausgehe. Zur Zeit des Theophrast bemühten sich die Einwohner von Philippi namentlich um die Cultur der hundertblätterigen Rose , deren Schösslinge sie aus dem Pangaiosgebirge bezogen''). Nikandros zur Zeit des Theophrast vergeblich, Lorbeer und Myrte zum Gedeihen zu bringen (Theoplir. h. pi. IV 5, ;(), Versuche, die auch von König Mithradates angestellt wurden (Fun. XVI 137). Ueber die Aotovioo? -/.fjTOi vgl. Raoul Rochette, Rev. arch. VJII (1851) p. 97 ff. 2o9 ff. 1) Plinius XII 21 leitet, nachdem er über die italische und grie- chische Flora gehandelt , den neuen Abschnitt ein mit den Worten : nunc eas (arbores) exponemus , quas mirata est Alexandri Magni vic- toria orbe eo patefacto. 2 Vgl. Hehn, Culturpüanzen und Hausthiere p. 316 ff. 3 Diog. Laert. V 53. 4) Vgl. oben Seite 280. Von früheren Acclimatisationsversuchen, die an bestimmte Persönlichkeiten anknüpfen und sich somit chrono- logisch bestimmen lassen, kennen wir nur die Anpflanzung der Platane bei Rhegion durch den älteren Dionysios. Theophr. h. pl. IV 5, 6. Plin. XII 7. 5) Plin. XVI 135 6) Plin. XII 56. 76. 7) Athen. V p. 196 D. E. 8) Theophr. h. pl. VI 6, 4. 282 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. gab in seinen Georgika ausführliclie Anweisungen über Blumen- zucht') . König Attalos III. von Pergaraos beschäftigte sich höchst- eigenhändig mit der Cultur von Medicinalpflauzeu , nameutlicli giftiger Art, deren Wirkung er gelegentlich auch an seinen Gegnern erprobte 2;. Besonders wichtig aber für den uns beschäftigenden Gegenstand ist die Erscheinung , dass die Gärtnerei damals nicht nur als Mittel zum Zweck gepflegt wurde, sondern dass man auch darauf ausging , durch die künstliche Anordnung der Vegetation in einem gegebenen Räume einen ästhetischen Eindruck zu er- zielen. Von der Existenz einer derartigen Richtung findet sich in der voralexandrinischen Epoche nicht die geringste Spur. Viel- mehr begegnen wir den ältesten Nachrichten hierüber in der Be- schreibung des Festzuges des Ptoleraaios Philadelphos. Auf einem kolossalen Wagen wurde der Thalamos der Semele einher- gefahren : er bestand aus einer künstlichen Grotte , welche von Epheu umrankt war und in der zwei Quellen, die eine von Milch, die andere von Wein , sprudelten ; aus der Grotte heraus flogen allerlei Vögel, die von dem bei dem Feste gegenwärtigen Volke eingefangen wurden ; um dieselbe herum waren die Gestalten von Nymphen griippirt^j. lieber dem Wagen des Dionysos wölbte sich eine Laube aus Epheu , Weinreben und anderen Pflanzen," innerhalb deren Kränze, Tainien, Thyrsen, Tympana und sceni- sche Masken angebracht waren ^) . Wiewohl es sich bei diesem Festzuge nur um temporäre Vorrichtungen handelt, so versteht es sich doch von selbst, dass dieselben durch bleibende Anlagen be- dingt waren, wie sie sich in den Gärten der hellenistischen Grossen vorfanden. In dem Prachtschiffe Hierons II. waren die auf dem Verdecke angebrachten Gänge durch Blumenbeete eingefasst, denen durch bleierne Röhren das nöthige Wasser zugeführt wurde. Ueber den Gängen wölbten sich Lauben aus Epheu und Wein- reben, deren Wurzeln in mit Erde gefüllten Töpfen fussten''). lieber die Weise, wie sich das hellenistische Naturgefühl in der Litteratur äussert , dürfen wir uns kurz fassen , da dieser Gegenstand bereits von Woermaun*^) richtig gewürdigt worden ist. Eine Dichtungsgattung, welche in der Diadochenperiode 1) Siehe die Fragmente bei Athen. XV p. 683 A (= Frgm. 7J p. 91 Schneider) und III p. 72 A (Fragra. 81 p. 115 Schneider). 2) Justin. XXXVI, 4. Plutarch. Demetr. 20. 3) Kallixenos bei Athen, V p. 200 C. 4) Athen. V p. 198 D. 5) Moschion bei Athen. V p. 207 D. Die Lesart der Handschrift xaT£5T£fav(oiA£vo)v ist offenbar verderbt. Dass der ursprüngliclie Sinn der im Obigen angegebene war , ergiebt sich deutlich aus dem Fol- genden : -r^jv aÜT-^jv äpoe'jotv Xajißävo'jaat xn^dr-tp xa\ oi xfJTrot. 6) Ueber den landschaftl. Natursinn p. 57 ff. XXIII. Das Naturgefühl. 283 zur Ausbildung kam , die idyllische , beruht auf der damals er- folgten Umwandlung des Naturgefühls. Sie ist im Wesentlichen bedingt durch das ßewusstsein des Gegensatzes von Stadt und Land und geht darauf aus , den Leser in das verlorene Paradies der freien Natur zurückzuversetzen. Eine mehr oder minder aus- führliche Schilderung de.s landschaftlichen Hintergrundes , auf welchem sich die Handlung abspielt , ist in dem Idyll ein beinah unumgängliches Erforderniss und mit feiner Kefiexion wird der Charakter der Landschaft der darin vorgehenden Scene angepasst und zu einer künstlerischen Mitwirkung herangezogen. Aehnlich wird es sich mit einem anderen litterarischen Erzeugnisse der hellenistischen Epoche , dem Liebesromah , verhalten haben. In den erhaltenen antiken Romanen nimmt die Schilderung der die Handlung umgebenden Natur einen ganz ähnlichen Platz ein wie in dem Idyll. Mögen die!?elben auch einer beträchtlich späteren Epoche angehören, so spricht doch alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Berücksichtigung dieses Elements der betreffenden Lit- teraturgattung von Haus aus eigenthümlich war. Besonders be- zeichnend ist aber die Erscheinung , dass eine ganze Reihe von Epigrammen aus der Diadochenperiode vorwiegend darauf be- rechnet ist, landschaftliche Eindrücke zu veranschaulichen. Solche Epigramme keimen wir von Nikias ') , Leonidas von Ta- rent^). Anytc'^), Satyros^) und Menalkas^). Bisweilen wett- eifert die Dichtung recht eigentlich mit der Landschaftsmalerei. Als Probe hierfür diene ein Epigramm des Anyte (Anth. pal. Villi 314): £v Tptöooi;, troXiä? IfT'^'^^'' aiovo;, 'l^'jypöv o' dypae; y.pava UTZoidyei, und ein zweites des Menalkas, der vermuthlich während der Bltithezeit des achäischen Bundes dichtete (Anth. pal. Villi 333) : 2Ttt)[ji.£v äXtppavTOto Tiapd y&a[AaXav yiiova ttovtou, 5£p7CÖ(j.£vot T£(j.£vo; K'JJtpioo; EivaXia?, Tcpdvav T aif£ipoiat xaxdaxtov, d? d~o vä[i.a ^o'j{)a[ äcpüaaovTat y£iX£at^ ä).7.'jöv£5. Ueberliaupt wird in der an die Alexanderepoche anknüpfen- den Litteratur der Natur ungleich häutiger gedacht als bisher. Während die Schilderung früher die einfachsten und wesent- 1) Anth. pal. Villi 315. 2) Anth. pal. Villi 326. Anth. plan. IV 230. 3) Anth. pal. Villi 313. 314. vgl. 144 . plan. IV 228. 4) Anth. pal. X 13. 5) Anth. pal. Villi 333. 284 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. lichsten Erscheinungen in grossen Zügen hervorhebt , geht sie jetzt mehr auf das Einzelne ein und verausehatilicht sie mit fein berechnetem Ausdrucke der Phantasie mannigfache Phänomene, wie die Wirkung des Lichts auf die Landschaft und dergleichen, welche die frühere Epoche höchstens angedeutet hatte. Wir er- kennen hierin ganz dieselbe Ader des neuen Geistes , die sich in der Charakteristik historischer Persönlichkeiten bei den gleich- zeitigen Schriftstellern , die sich in der Behandlung des mensch- lichen Körpers bei den gleichzeitigen Bildhauern bemerkbar macht. Doch ist nicht allein die Fähigkeit, die Natur scharf auf- zufassen und von ihren Erscheinungen Rechenschaft zu geben, gesteigert, sondern auch die gemüthlichen Beziehungen zu der- selben erscheinen vertieft. Laute innigen Naturgefühls . wie sie Woermann ^) _aus der bukolischen Dichtung zusammengestellt hat, suchen wir in der vorhergehenden Epoche vergebens. Nicht nur ästhetisches Behagen ist hierbei maassgebend ; viel- mehr begegnen wir vielfach Aeusserungen welche darauf hin- weisen , wie der Mensch bestrebt ist , sein Denken und Fühlen, seine Freude und sein Leid , mit der Natur zu vergleichen oder mit ihr zu verflechten. Ich erinnere an die Worte der die Liebes- beschwörung recitir enden Simaitha 2) ; 'Hv(o£ a'.Y^] [A£v TTOVTOC, ci-^m^Xi fjd-qT'xi ä o' i[i.a fj'j aiyi^ otepvwv IvtoaÖev ävia. Akontios in. der Kydippe des Kallimachos entweicht auf das Land, um den Bäumen sein Liebesleid zu klagen^). Menander stellt in. einem Fragmente desTTCOjSoXtfxaTo^^) die erhabene Schönheit der sich ewig gleich bleibenden Natur der Kleinlichkeit des wechsel- vollen menschlichen Treibens gegenüber. Aus einer ganz ähn- lichen Abneigung gegen das complicirte Culturleben wird es ab- zuleiten sein , wenn der Sillograph Timon den Aufenthalt in ein- samen Gärten liebte ^) . Andererseits erklärt sich aus dieser Hingabe an die Natur die Vorliebe , mit welcher die Dichter nunmehr einzelne Natur- gegenstände belebt und unter heftigem Afl'ecte an dem mensch- lichen Leiden Theil nehmend einführen. So beklagen bei Bion**) Berge, Bäume, Eichen, Flüsse und Quellen den Tod des.Adonis. In dem Klagelied über den Tod des Bion^) werden Thäler, 1) Ueber den landsch. Natursinn p. 73 flf. 2) Theokr. II 33. 3) Siehe Dilthey, de Callimachi Cydippa p. 78 ff. 4) Meineke, fr. com. gr. IV p. 211 n. 2. 5) Antigen. Karyst. bei Diog. Laert. Villi U2. Vgl. Wachsmuth, de Tiraone Phliasio p. 6. 6) Id. I 31 ff. 7) Incert. id. (Mosch. III) I 1 ff. XXIII. Das Naturgefithl. 285 Flüsse , Wälder luul Blumen aufgefordert , den Dichter zu be- weinen ; aus Trauer werfen die Bäume ihre Früchte ab und ver- welken die Blumen. Aehnliche Belebungen finden sich auch in der Alexandra des Lykophron ^] . Noch manche andere Erscheinungen , welche in der hellenis- tischen und in der an dieselbe anknüpfenden römischen Entwicke- lung hervortreten , stehen mit dieser Gefühlsrichtung in engem Znsammejjhange. Unter anderen erklärt sich hieraus die Vor- liebe , die das spätere Altertlmra für Mythen hegt , welche , wie die von Adonis , Hylas , Hyakinthos , Narkissos , Daphne und andere, die Naturbeziehungen klar bewahrt haben. Da jedoch ein weiteres Verfolgen dieses Gesichtspunktes die Grenzen meiner Aulgabe überschreiten würde, wende ich mich sofort zu der Unter- suchung , wie sich das hellenibtische Naturgefühl in der bilden- den Kunst äussert. Betrachten wir zunächst die Sculptur. so tritt uns als das älteste datirbare Denkmal, welches die neue Richtung des Natnr- gefühls voraussetzt, die Tyche von Antiocheia, ein Werk des Eutychides, eines Schülers des Lysippos, entgegen. Selbst in der nnr decorativ behandelten vaticanischen Copie^) fyhlt man das reflectirende Behagen heraus , mit welcliem der Künstler den an- mnthigen Anblick der herrlichen auf den Hügeln des Orontes hingestreckten Stadt auf sich wirken Hess und in seiner Statue wiederzugeben bestrebt war. Das Werk verkörpert recht eigent- lich einen landschaftlichen Eindruck. Auch der farnesische Stier aus rhodischer Schule verräth das Streben, die die Handlung um- gebende Natur zu vergegenwärtigen ; dasselbe hat in diesem Falle die Darstellung einer Fülle von Motiven veranlasst , welche theils der Würde des Monumentalstyls , theils den Gesetzen der Plastik zuwiderlaufen. Endlich hätten wir hierbei der vaticanischen Nilstatue zu gedenken, vorausgesetzt, dass dieselbe in ihrem ganzen Bestände nach einem Originale der Ptolemaierepoche copirt ist 3). Selbst auf griechischen Münzen, welche gegen Ende des 4. oder während des 3. Jahrhunderts v. Chr. geschlagen sind, wird den landschaftlichen Bestandtheilen bisweilen iu eingehender Weise Rechnung getragen. Der Revers eines sehr schönen Te- 1) Vgl. Woermann, über d. landsch. Natursinn p. 72. 2) Visconti, Mus. Pio-Cl. III 4ii. Deukm. d. a.-K. 1 49, 220. Der Ansicht von Michaelis, welcher iu der Arch. Zeit. 18(55 p. 255 diese Gestalt dem Entychides abspricht , ihm dagegen einen Fortunatypus zu vindiciren versucht, der alle Kennzeichen beträchtlich späterer Er- findung trägt, kann ich nicht beipflichten. ;{) Vgl. oben Seite 29 ff. 286 Der Hellenismus und die oampanische Wandmalerei. tradrachmoii von Pandosia ') zeigt einen auf einem Felsen sitzen- den Eplieben mit zwei Speeren in der Recliten , neben welchem ein Hund liegt. Links ist zur näheren Bezeichnung des Locals eine bärtige Herme beigefügt. Tetradrachmen von Segesta stellen Pan dar, der, begleitet von zwei Hunden , auf einem verhältniss- raässig ausführlich behandelten steinigen Terrain vor einer bär- tigen, ithyphallischen Herme steht ^). Münzen von Gortyn, die aller Wahrscheinlichkeit nach der Ptolemaierepoche angehören-^) , zeigen Europa auf dem breiten Stamme einer Platane sitzend, während daneben und dahinter allerlei Reisig und Schilfstengel ersichtlich sind. In ungleich weiterem Umfange jedoch als auf Plastik und Stempelschnitt wird das hellenistische Naturgefühl auf die Malerei gewirkt haben. Wollen wir nicht dieser Kunst ganz besondere und von der übrigen geistigen Entwickelung verschiedene Bahnen zuschreiben , dann müssen wir es als unzweifelhaft betrachten, dass sie seit dem Ende des 4. Jahrhunderts der Landschaft eine- eingehendere Behandlung als früher aiigedeihen Hess, dass sie dieselbe zu einer höheren , gesetzmässigeren Wirkung heranzog, dass sie die enge Verbindung zwischen landschaftlicher und Seelenstimmung, deren sich die Mitwelt vollständig bewusst war, künstlerisch verwerthete. Die Vasenmalerei hat einige, wenn auch dürftige Reflexe dieser Thätigkeit bewahrt. Sie verräth mit Portschreiten der Entwickelung hinsichtlich des Ausdrucks des Landschaftlichen eine fortwährende Steigerung 4). Besonders auffällig tritt diese Steigerung hervor auf den feinen Gefässen, welche mit rothen Figuren vollständig freier Zeichnung bemalt und öfters durch aufgelegte Vergoldung verziert sind , also einer Gattung, deren vollendete Ausbildung mit hinlänglicher Sicherheit um die Alexanderepoche angesetzt werden darf. Um nur an einige besonders bezeichnende Exemplare zu erinnern, so verweise ich zunächst auf die Berliner Vase mit dem Parisurtheil •'') . Die Handlung findet auf einem wohl entwickelten hügeligen Terrain Statt. Einige Lorbeerstengel , welche darauf angebracht sind, deuten an , dass man sich die Hügel mit Lorbeerbäumen be- 1) Siehe Salinas bei Strozzi , Periodico di nuniisraatica HI Tav. 3 n. U. 2) Periodico di luimismatica HI Tav. 1 n. 10. Tav. '^ n. 1. Vgl. Salinas p. 49 ff. 221 ff. .i) Die genauesten Abbildungen bei 0. Jahn. Europa (Denkschr. der phil. hist. Cl. der Wiener Ak. Band XIX) Taf. IX d-k. Vgl. daselbst Seite 28 ff. 4) Vgl. Brunn, die phijostrat. Bilder p. 292. 5) Overbeck , dal. Taf. X 5. XXIII. Das NaturgefUhl. 287 schattet zu denken hat. Ein Reh und ein Panther vergegenwär- tigen das Gethier, welches den Hain belebt. Am unteren Rande schliesst ein Gewässer, dessen Wogen in streng stylisirter Weise ausgedrückt sind, die Landschaft ab. Eine verwandte Behand- lung ist der Petersburger') und der Karlsruher Vase 2) mit dem Parisurtlieil eigenthümlich ; doch hat der Maler der ersteren die Blumen , welche die Triften ' bedecken , besonders hervorgehoben und ist auf der letzteren, indem Helios sein Viergespann über den Bergen emporgelenkt , angedeutet , dass die Scene bei Sonnen- aufgang vor sich geht. Ferner gehören hierher das bekannte Gefäss, worauf Aphrodite, Eros, Peitho, Paidia, Eudaiinonia und andere Personificationeu zusammengestellt sind-^), die Berliner Kadmosvase ^) , der palermitaner Krater , dessen Darstellung die delpliischen Gottheiten und den bakchischen Thiasos vereinigt^), und der bekannte ruveser Krater mit dem lomythos '^) . Noch eingehender erscheint die Behandlung des Landschaftlichen auf den Gefässen mit gelockerter Zeichnung, wie sie sich namentlich in unteritalischen Gräbern finden. Die Maler derselben begnügen sich niclit die Bewegung des Terrains im Allgemeinen durch Um- risse anzudeuten , sondern individualisiren auch die verschiedene Structur desselben und unterscheiden , wie es z. B. Assteas auf seiner Kadmosvase") thut, die steinigen und die erdigen Bestand- theile. Die Andeutung der Vegetation ersclieint reicher und mannigfjxltiger. Das Wasser , dessen Darstellung in den älteren Gattungen streng stylisirt ist, wird der Wirkliclikeit entsprechend behandelt '^) . Ja, einige dieser Gefässe , die wir bereits im neun- zehnten Absciiuitte angeführt , weisen sogar durch figürlichen Ausdruck der Himmelskörper oder durch Andeutung der Wolken auf die über der Landschaft ersichtlichen Erscheinungen des Lichts und der Atmosphäre hin ■') . Um diese Reihe mit einem Vasenbilde abzuschliessen , dessen Inhalt recht eigentlich auf bestimmten , ausschliesslich der lielle- nistischen Cultur eigenthümlichen Verhältnissen beruht, sei hier 1) Stephani, Compte rendu 1SC1 Taf. III. IV p. 3;{. Vasen der Ermitage n. 1807. 2) 0 verbeck, Gal. Taf. XI 1. 3) Stackeiberg, Gräber der Hellenen Taf. 29. 4) Gerhard, etrusk. und carapan. Vasenb. Taf. C 1. 5) Gerhard, antike Biklw. Tat". 59, Denkm. d. alt. Kunst II 3(), 425. 6) Mou. deir Inst. II 59, EI. ceraui. III 101. 7) Millingen, anc. imed. mon. I 27, Mus. Borb. XIV^ 28. Vgl. auch Gerhard, etrusk. und cainpan. Vasenb. Taf. C G. 8) Vgl. z. B. Stephani, Compte rendu 1862 Taf. IV. V. Vasen der Ermitage I n. 350. 9) Vgl oben Seite 212 ff. 288 I^cr Hellenismus und die campanische Wandmalerei. noch einer in der Ermitage befindlichen ruveser Amphora ^j ge- dacht. Die Malereien dieses Gefässes stellen die Aussendnng des Triptolemos dar , lassen dieselbe aber nicht , wie es gewöhnlich der Fall ist , in Eleusis , sondern an den Ufern des Nil vor sich gehen. Also liegt dieser Darstellung die in der Gescliichte des Hellenismus so wichtige Thatsache zu Grunde, dass Aegypten durch die Handelspolitik der Ptolemaier die Kornkammer der europäischen Staaten geworden war. Auch hier ist das Land- schaftliche zwar dürftig , aber in sehr bezeichnender Weise zum Ausdruck gebracht. Im Vordergrunde fliesst der Nil, dessen Wassermassen nicht stylisirt, sondern der Wirklichkeit ent- sprechend, mit breiten Pinselstrichen hingesetzt sind. Weisse und rothe Blumen überziehen die Ufer. Auf den Hügeln im Hinter- grunde gedeihen verschiedene Vegetabilien, unter denen der Oel- baum und die Weinrebe deutlich kenntlich sind. Allerdings ist der Ausdruck der landschaftlichen Bestand- theile durch Umrisse oder höchstens aufgesetzte Localfarben auf allen diesen Gefässen ein höchst dürftiger. Denken wir uns aber das landschaftliche Gefühl , welches aus diesen Producten des Handwerks spricht , in dem Geiste der Künstler verfeinert und gesteigert , denken wir uns , was auf der Vase nur angedeutet werden konnte , mit den Mitteln ausgedrückt , über welche die gleichzeitige Tafelmalerei verfügte , dann ergiebt sich für die da- malige Kunst eine landschaftliche Schilderung , wie die , welche wir im Obigen als ein notliwendiges Product der hellenistischen Entwickelung voraussetzten. Auch die Gestaltung gewisser Personificationen von Natur- gegenständen, wie der 'Axtai und ^xoTTiai, von denen nament- lich die letzteren häufig in der campanischen Wandmalerei vor- kommen , steht offenbar im Zusammenhange mit der neuen Phase des Naturgefühls. Da wir jedoch über dieselben bereits im neun- zehnten Abschnitte ^j das Nöthige bemerkt , so ist es überflüssig, liier noch einmal darauf zurückzukommen. ^ Endlich konnte es nicht ausbleiben , dass in einer Periode , in welcher die Dichtung lediglich landschaftliche Eindrücke zu ver- anschaulichen bestrebt ist , in welcher die Hand des Gärtners die Vegetation nach künstlerischen Principien gestaltet, in welcher Bildhauer und Maler der landschaftlichen Umgebung in dem wei- testen Unjfange Rechnung tragen, auch die Landschaftsmalerei als selbstständige Gattung zur Ausbildung kam. Dem ältesten 1) Vgl. Stephani, Compte rendu lst)2 Taf. IV. V. Vasen der Ermitage I n. ;<5(t. 2) Vgl. oben Seite 217 fl'. XXIII. Das Naturgefilhl. 289 Landschaftsmaler, TO'iTOYpa'',poc , oder, wie Letronne mit einer leichten und sehr ansprechenden Aenderung zu lesen vorschlägt, TOTiioYpacpoc, begegnen wir um die Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Christus. Es ist der Alexandriner Demetrios , der damals in Rom lebte und bei dem der vertriebene König Ptolemaios Philo- metor sein Absteigequartier nahm ') . Allerdings zweifelt Brunn 2) daran, dass -oTToypacpoc Landschaftsmaler bedeute , und schliesst er aus dieser Bezeichnung vielmehr auf einen Landkartenmaler. Doch ist diese Ansicht nicht haltbar. Der Begriff des Landkarten- malers konnte auf Griechisch nur durch eine Umschreibung aus- gedrückt werden , etwa durch o toTc Ystupypa^poic '^((opoYpacpoic) Tooc TTivaxac Ypotcptov oder j^apaaawv. Ausserdem waren die Land- kartenmaler wie heut zu Tage so gewiss auch im Alterthume Leute untergeordneter Bedeutung , im Alterthume vermuthlich meist Sklaven , während Demetrios , der Gastfreund des Königs von Aegypten , offenbar eine höhere gesellschaftliche Stellung ein- nimmt. Wenn wir dagegen in Demetrios einen gesuchten Land- schaftsmaler erkennen , so steht diese Auffassung mit der Be- zeichnung TOTTOYpacpoc oder TOTrioypacpo;;, mit den Verhältnissen, unter denen er auftritt, und mit den Bedingungen der ihm gleich- zeitigen Kunstentwickelung im besten Einklang. Dass damals die Lafidschaftsmalerei als selbstständige Gat- tung ausgebildet war , bezeugen in unwiderleglichster Weise die Berichte über die malerische Ausstattung römischer Triumphe. Mögen die von den Schriftstellern angewendeten Ausdrücke öfters zweideutig sein und sich die von ihnen erwähnten simu- lacra oppidorum , welche bei den Triumphen vorübergetragen wurden , auch als Personificationen eroberter Städte oder als Mo- delle derselben erklären lassen , so besitzen wir doch einige be- stimmt gefasste Zeugnisse , die mit Sicherheit auf landschaftliche Schilderungen hinweisen. Die im Jahre 146 v. Chr. von L. Hos- tllius Mancinus auf dem Forum ausgestellten Gemälde , welche nach Plinius 3) die Lage der Stadt Karthago und die Operationen des Belagerungsheeres gegen dieselbe darstellten, waren offenbar Landschaftsbilder, die die bezeichneten Vorgänge als Staffiige enthielten. Aehnlich werden wir über das Gemälde zu urtheilen haben, welches Sempronius Gracchus, der im Jahre 174 v. Chr. Sardinien unterwarf , im Tempel der Mater Matuta weihte , mag dasselbe auch von mehr landkartenartiger Behandlung gewesen 1) Siehe Diodor. Excerpt. vat III p. 9<» ed. Dind. und Overbeck, Schriftquellen 2141 ff. Vgl. Letronne, lettre d'un ant. a un artiste p. 408 ff. 2) Gesch. d. gr. Künstl. II p. 289. 3) XXXV 23. Heibig, UntefsuchuDgen ü. d. campan. Wandmalerei. 1^ 290 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. sein : es stellte die Insel Sardinien und die darauf von Gracchus gelieferten Schlachten dar ^) . Ausserdem stimmt mit der Annahme, dass die Landschafts- malerei bereits in der hellenistischen Epoche geübt wurde , das Resultat der in einem früheren Abschnitt vorgetragenen Com- bination, wonach die vaticanischen Odysseebilder auf Originale aus dieser Epoche zurückgehen 2) . Doch wir können uns eine weitere Auseinandersetzung über diesen Gegenstand ersparen ; denn wir besitzen noch authentische Denkmäler der Landschaftsmalerei der Diadochenperiode, die nur bisher nicht als solche erkannt worden sind. Gar nicht selten finden sich auf rothfigurigen Vasen beträchtlich vorgeschrittenen Styls Malereien, welche Hermen und Altäre neben heiligen Bäumen darstellen. Die Schilderung beschränkt sich bisweilen auf die Hervorhebung dieser Gegenstände ; bisweilen ist sie ausführlicher und fügt sie Wasserbecken , Votivbilder und zur Andeutung des Heiligthams , welches man sich im Hintergrunde zu denken hat, Bukranien bei 3) . Es ist undenkbar, dass die Vasenzeichner selbst- ständig auf die Darstellung solcher Gegenstände verfielen. Viel- mehr zeigte ihnen offenbar die kunstmässige Malerei den Weg. Niemand aber wird läugnen , dass künstlerisch durchgeführte Darstellungen dieses Inhalts als Landschaftsbilder im eigent- lichsten Sinne des Worts zu betrachten sind. Wenn nun jene Gefässe, um den spätesten möglichen Termin anzunehmen, im Anfange des 2. Jahrhunderts v. Chr. gearbeitet sind, so ergiebt sich , dass bereits damals Landschaftsgemälde existirten. Das Resultat , zu dem wir in diesem Abschnitte gelangt sind, findet eine merkwürdige Analogie in der Entwickelung der mo- 1) Liv. XLI28. 2) Siehe oben Seite 21 7 flf. :i) Eine grosse Menge solcher Vasen sah ich in S. Maria di Capua im Magazine des Herrn Simmaco Doria. Publicirt sind nur wenige : 1. Lekythos vormals im Besitze Gerhards. Gerhard, akadem. Abhandl. II Taf. G3, 1. 2. Lekythos aus Nola im britischen Museum. D'Hancarville, aiitiqu. etr. II 72, Christie, disqu. upon the painted greek vases pl. XVI p. 85, Inghirami, vasi fittili III 2;j(j, Elite c6ra- mographique III 7!), Gerhard, akadem. Abhandl. II Taf. 63, 5. 3. Lekythos aus Nola im britischen Museum. D'Hancarville, antiqu. etr. II 97, Inghirami, vasi fittili III 327, Elite c6ram. III 78. 4. 011a aus Nola. liaoul liochette , lettres archeol. pl. I, Elite c6ram. III 8ü, Gerhard, akad. Abh. H Taf. 03, 4. 5. Lekythos aus Gela im Museum zu Palermo. Benndorf, griechische und sicili sehe Vasen bilder, Lieferung I, Titel- vignette, p. 13 Anm. 57. XXIV. Ueber das Verhältniss der camp. Landschaftsbilder etc. 291 dernen Kunst. Die Griechen bilden die Landschaftsmalerei im Laufe der Diadochenperiode, die Modernen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer selbstständigeu Gattung aus. Beide Male tritt dies Ereigniss ein , nachdem die Kunst die ihr am Nächsten liegende Aufgabe , die Schilderung des Menschen , ge- wissermaassen erschöpft hat. Hier wie dort wird die Ausbildung der neuen Gattung durch das Auftreten entsprechender Cultur- factoren eingeleitet. Wie in der griechischen Entwickelung der Zug Alexanders und infolge dessen eine Erweiterung der Natur- und Erdkunde vorhergeht , wie Theophrast die Botanik zu einer Wissenschaft erhebt und die ersten botanischen Gärten gründet, so begegnen wir in der Renaissanceepoche vor der Ausbildung der Landschaftsmalerei den Entdeckungen des Columbus , Vasco de Gama und Alvarez Cabral , einem Aufschwünge der Botanik, welcher an die Namen des Leonhard Fuchs , Konrad Gesner und anderer deutscher , wie italienischer Gelehrten anknüpft ') , und der Anlage botanischer Gärten, wie sie zwischen 1545 und 1568 zu Padua , Pisa und Bologna gegründet werden 2] . Diese Ueber- einstimmung bezeugt , dass der Sachverhalt , wie ich ihn darge- stellt, den Bedingungen einer normalen Entwickelung vollstän- dig entspricht. XXIY. Ueber das Terhältuiss der campauischeu Laudschafts« bilder zur hellenistischen Malerei. Es gilt nunmehr zu untersuchen , wie sich die landschaftliche Schilderung der Wandbilder zu der im vorigen Abschnitte er- örterten Entwickelung der hellenistischen Kunst verhält. Allgemein anerkannt ist es, dass die Hintergründe der mytho- logischen Bilder trotz ihrer nur andeutenden Charakteristik in der Regel die vollendetste Harmonie mit der darauf dargestellten Handlung oder Situation verrathen. Es genügt daher , für diese Erscheinung an einige der am Häufigsten vorkommenden Com- ^positionen zu erinnern. Sehr bezeichnend wirkt die felsige und zum Theil öde und kahle Strandlandschaft auf Bildern, welche die von Theseus verlassene Ariadne und die Rettung der Andro- meda oder Hesione darstellen. Das Gleiche gilt von dem waldigen 1) Vgl. Meyer, Geschichte der Botanik IV p. 309 ff. 322 ff. 2) Vgl. Meyer a. a. 0. IV p. 256 ff. 19* 292 Der Hellenismus und die carapanische Wandmalerei. Hintergrunde, auf welchem sich die Mythen des Endymion, Hylas und Narkissos abspielen. Das geheimnissvolle Waldesdunkel, in welchem der Raub des Hylas vor sich geht , macht selbst in dem Stiche der Pitture d'Ercolano^) einen bedeutenden Eindruck. Auf den Bildern, welche ein Liebespaar schildern, das ein Erotenuest betrachtet 2) , haben wir im Vordergrunde ein aumuthiges Lorbeei'- gebüsch, im Hintergrunde den Durchblick auf Berge mit sanft geschwungenen Umrissen ; der Zug traulicher Heiterkeit, welcher in der dargestellten Handlung herrscht, klingt auch in der um- gebenden Landschaft wieder. Ausserdem sei hier nur noch eines Gemäldes gedacht, welches wohl als die liervorragendste Leistung in dieser Richtung betrachtet werden darf. Es ist dies das her- culaner Wandbild -') , welches drei schöne ruhige Frauengestalten neben einer in einem Haine dahinfliessenden Quelle dar- stellt. Die eigenthümliche Stimmung , welche den Menschen an einem heissen Sommertage in waldigem Tliale und an kühler Quelle überkommt , könnte nicht edler veranschaulicht werden. Beiläufig sei bemerkt, dass wir mehrere dichterische Schilde- rungen aus der Diadochenperiode besitzen , welche gerade dieser Stimmung Ausdruck verleihen "•) . Dieser Wechselbezug zwischen Landschaft und Handlung, den wir in den Wandbildern wahrnehmen , entspricht vollständig dem Geiste , welcher in der alexandrinischen Poesie und nament- lich im Idyll maassgebend zu sein pflegt. Wenn ausserdem unsere Behauptung richtig ist , dass die Wandmaler in der Darstellung der Handlung an hellenistische Vorbilder anknüpften, dann ist es beinah selbstverständlich , dass sie sich auch bei der Schilde- rung der Gründe durch dieselben Vorbilder bestimmen Hessen. Allerdings sind wir bei der Dürftigkeit der Ueberlieferung ausser Stande, diesen Zusammenhang bestimmt zu beweisen. Die spä- teren Vasenbilder , welche wir bei der bisherigen Untersuchung vielfach mit Nutzen zum Vergleiche heranzogen , lassen uns in dieser Frage beinah vollständig im Stiche ; denn die Gegen- stände, um welche es sich liierbei handelt, das Terrain und die Vegetation , werden von den Vasenzeichnern nur ganz flüchtig angedeutet. Immerlün tritt bei dem Vergle che der beiden Denk- mal ergat tun gen eine bezeichnende Erscheinung mit hinlänglicher Deutlichkeit zu Tacre. Wo nämlich die Gründe räumlich beden- 1) IV6p. 3L Heibig N. 1260. 2) N. 821-823. :{) N. I(tl7. Vortrefflich wiedergegeben von Temite , Schlussheft Taf. I. l; Theoer. id. VH 135 ff. Ciilliuiacli. lavaer. Fall. 71 ff. Nikias, Anth. pal. IX ;J15. Anyte, Anth. pal. IX 313. XXIV. Ueber das Verhältniss der camp. Landschaftsbilder etc 293 tender entwickelt sind , verrätli der Aufbau derselben liier wie dort dasselbe Princip. Betrachten wir Beispiels lialber eine Reihe von Wand{?emälden , welche Herakles bei Omphale darstellen'). Unten im Vordergrunde liegt Herakles auf dem Rasen, umtändelt von Eroten; nach dem Hintergrunde zu erhebt sich der Boden und auf dem äussersten Rande sehen wir Ömphale sitzen , um- geben von ihren Damen , wie sie voll Stolzes das Treiben des von ihr bezwungenen Helden betrachtet. Auf einer Replik ist, ebenfalls auf dem äussersten Plane, noch der bakchische Thiasos* beigefügt , der sein Erstaunen über den unerwarteten Anblick äussert. Diese Weise der Coraposition stimmt deutlich mit dei', welche in den jüngeren Vasengattungen von dem sogenannten neuattischen Styl abwärts vorkommt. Auch hier sehen wir die Haupthandlung unten im Vordergrunde dargestellt , während der Hintergrund als ein erhöhtes Terrain aufgefasst ist, auf dem sich Göttergestalten oder andere nicht unmittelbar an der Handlung betheiligte Figuren bewegen. Allerdings ist auf den Gefässen dieser Aufbau der Landschaft nur durch Umrisse oder punktirte Linien ausgedrückt. Denken wir uns aber diese Andeutungen malerisch durchgeführt, dann ergiebt sich eine Behandlung, welche der der soeben erwähnten Wandbilder vollständig ent- spricht. Besonders nachdrücklich tritt aber diese Verwandtschaft hervor, wenn die Wandmalerei ausnahmsweise mit den einfachsten Formen operirt und sich somit in den Mitteln des Ausdrucks der Vasenzeichnung nähert, wie es z. B. der Fall ist auf dem Gemälde, welches Herakles , Orpheus , die Musen und die Personification von Thrakien in verschiedener Höhe auf einem felsigen, von jeg- licher Vegetation entblössten Terrain gruppirt '^) . Bei Unterouchung der eigentlichen Landschaftsbilder legen wir die Gattungen zu Grunde , welche in unserem zwölften Ab- schnitte unterschieden wurden. Ueber die dort an erster Stelle behandelte Gattung , die nämlich , welcher eine dramatisch be- wegte Staffage eigenthümlich ist , können wir uns kurz fassen ; denn zur Beurtheilung des Zusammenhanges derselben mit der hellenistischen Malerei bieten uns die auf dem Esquilin gefun- denen Landschaften mit Scenen aus der Odyssee ^*) einen festen Anhaltspunkt dar. Wir haben im Obigen^) wahrscheinlich ge- macht, dass diese Gemälde auf hellenistischer Ueberlieferung be- ruhen. Ist dieses Resultat richtig, dann ergiebt sich die Möglich- 1) N. 1137—39. 2) N. 893. 3) Die Publicationen sind oben Seite 96 Anm. 1 verzeichnet. 4) Seite 217 flf. 294 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. keit, wo nicht die Wahrscheinlichkeit, dass die geistesverwandten Producte in der campanischen Wandmalerei, wie die Landschaften mit dem Kampfe des Perseus und mit dem Tode des Ikaros ^) , auf dieselbe Quelle zurückgehen. Niemand wird daran Anstoss nehmen , dass die Odysseebilder nicht im Bereiche der campani- schen Städte, sondern in Rom gefimden sind. Vielmehr ist der Zusammenhang, wir dürfen bestimmter sagen die Abhängigkeit der campanischen Wandmalerei von der römischen gegenwärtig genügend festgestellt , und sind demnach Gesichtspunkte , die innerhalb der letzteren erwiesen sind, auch für jene mustergültig. Eine andere Gattung von Landschaftsbildern wurde von uns als idyllischen Charakters bezeichnet ^j . Die Richtung, welche darin vertreten ist, findet bereits in der Poesie der Diadochen- periode und namentlich im Idyll einen vollständig entsprechen- den Ausdruck. Alle die auf diesen Gemälden dargestellten Handlungen könnten in der bukolischen Dichtung Platz finden. Einige verrathen deutliche Anklänge an Situationen, die in er- haltenen Idyllien geschildert sind. Hier wie dort begegnen wir einem Hirten , welcher seine Geliebte mit Flötenspiel er- lustigt^). Zauberscenen , wie eine auf einem pompeianischen Landschaftsbilde ^) vorkommt, gehören zu den Lieblingsstoffen der Unglauben und Aberglauben mischenden hellenistischen Epoche und sind auch von Seiten der bukolischen Poesie behan- delt worden^) . Ausser dem Idyll ist das Epigramm der Diadochen- periode zur Vergleichung heranzuziehen. Wie die campanische Landschaftsmalerei mit Vorliebe Opfer darstellt , die von Hirten oder Landleuten dargebracht werden "»j , so behandeln viele er- haltene Epigramme von Dichtern aus jener Periode Opfer oder Weihungen , welche zu Ehren ländlicher Gottheiten , namentlich des Pan und der Nymphen, Statt finden. Wir begegnen als Ver- fassern solcher Gedichte dem Theokrit^), Alexander Aitolos^), Nikainetos '^j , Leonidas von Tarent^*^), Rhianos^'), der Anyte^''^) 1) N. 1184. 1209. 2) Siehe oben Seite 97 flf. 3) N. 1560. Vgl. ine. idyll. VII 12. 4) N. 1565. 5) Theoer. id. II. Apoll. Rhod. Argon. III 528 ff., 800 ff., 843 ff., 1025 ff., 1196 ff., IV 477 ff., 1659 ff. Vgl. Meineke , anal, alex. p. 45. 6) N. 1558. 1564. 7) Anth. pal. VI 336. IX 437. 8) Anth. pal. VI 182. ' 9) Anth. pal. VI 225. 10) Anth. pal. VI 35. 154. 11) Anth. pal. VI 34. 173 (7. 8 bei Meineke, anal. alex. p. 210). 12) Anth. plan. IV 291. XXIV. lieber das Verliältniss der camp. Landschaftsbilder etc. 295 und der Myro oder Moiro ') . Auch Apollonios von Rhodos liebt es, primitive Cultushandlungen zu vergegenwärtigen. Er lässt die Argonauten eine solche auf dem Gipfel des Diudymon der Kybele darbringen 2). Argos schnitzt aus wildem Weinstocke ein Bild der Göttin ; dasselbe wird unter einer Gruppe von Phegos- bäumen aufgestellt und davor aus Feldsteinen ein Altar aufge- schichtet, auf welchem die Helden ein Brandopfer darbringen. Auf der Insel Thynia errichten die Argonauten aus Felsstücken einen rohen Altar zu Ehren des Apoll und opfern darauf eine wilde Ziege -^j. P^ndlich zeigt der Vergleich der späteren Vasen- gattungen , dass auch die damalige Malerei solche Stoffe in glei- chem Geiste behandelte. Ein Vasenbild feinen sogenannten neu- attischen Styls^) stellt ein Stieropfer dar, welches vor einem alterthümlichen Idol dargebracht wird. Der Altar ist ans Fels- blöcken roh zusammengefügt ; ein mit Votivbildern behangener Baum beschattet die Handlung. Die Beschaffenheit des Götter- bildes und des Altars und die Gegenwart des populären Cultus- males , des heiligen Baumes , lassen deutlich erkennen , dass der Vasenmaler bemüht war, jenen Eindruck des Ursprünglichen und Primitiven zu erwecken, wie er in grösserem oder geringerem Grade einer idyllischen Darstellung eigenthümlich zu sein pflegt. Dieses Vasenbild ist den in den campanischen Landschaften dar- gestellten Opferscenen nicht nur hinsichtlich des Gegenstandes, sondern auch hinsichtlich der Stimmung nah verwandt^) und liefert uns somit den Beweis , dass eine entsprechende Richtung, wie sie in diesen Wandbildern hervortritt , bereits von der helle- nistischen Malerei gepflegt wurde. 1) Anth. pal. VI 189. 2) Argon. I 1117 ff. 3) Argon. II 696 ff. Zu vergleichen ist auch die Schilderung des Arestempel der Amazonen, in welchem ein schwarzer Stein als primi- tives Cultusobject dient. Argon. II 1 1 72 ff. 4) Raoul ßochette, peint. ined. pl. 6 == Arch. Zeit. 1845 Taf. 35, 2. 1847 p. 155. Vgl. Stephani, Compte rcndu ISO'^ p. 132. 5) Zu vergleichen ist auch ein merkwürdiges Vasenbild im Berliner Museum (Gerhard, akadem. Abhandl. II Taf. ()7, 1) : liin mit einem Schurze bekleideter Jüngling schreitet zwischen zwei bärtigen ithy- phallischen Hermen auf einen brennenden Altar zu In der Linken hält er ein eigenthümliches in drei Spitzen auslaufendes Geräth , wel- ches vielleicht dazu diente, die Opferflamme zu bedecken (vgl. Arch. Zeit. 1S71 Taf. 45 p. 53). Auf dem Phallus der einen Henne sitzt ein Rabe. Auch diese Darstellung ist hinsichtlich des Gegenstandes den Opferscenen der campanischen Landschaftsbilder verwandt. Wenn die idyllische Stimmung nicht so deutlicli hervortritt, wie auf dem oben angeführten Vasenbildc , so rührt dies offenbar von der sehr flüchtigen Durchführung her. 296 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Wenden wir uns von der Betrachtung der Staffage zu der Untersuchung des Landschaftlichen , so gelangen wir zu dem- selben Resultate. Der Leser greife irgendwelche ausführlichere Schilderung aus der bukolischen oder epigrammatischen Poesie der Diadochenperiode heraus und er wird fast durchweg dieselben landschaftlichen Bestandtheile wahrnehmen, die auch auf den Wandbildern vorkommen. Im ersten Idyll- des Theokrit^j ist der Hintergrund durch ein Eichengebüsch, worin eine Quelle fliesst, und durch Statuen des Priap und der Quellnymphen bezeichnet. In einem Epigramme desselben Dichters'^) begegnen wir einem Holzbilde des Priap und einer von Felsen herabrieselnden Quelle, welche von Lorbeer, Myrten und Kypressen umgeben ist. Myro oder Moiro'^) schildert die Weihung von hölzernen Nymphen- statuen unter einem Pinienhain. Leonidas von Tarent vergegen- wärtigt in zwei Epigrammen*) eine Felslandschaft, in welcher eine Quelle herabrieselt und Holzbilder von Nymphen stehen. Alle diese von den Dichtern der Diadochenperiode geschil- derten Motive kehren , einzeln oder mehrere vereinigt , auch in der Wandmalerei wieder. Die von Gebüsch umgebene oder von Felsen herabfallende Quelle •">) ist ein Lieblingsgegenstand ihrer landschaftlichen Schilderung. Eine Herme oder Statue des Priap pflegt fast auf keinem der Laudschaftsgemälde, in denen ein idyllischer Zug maassgebend ist, zu fehlen ^') . Ländliche Bildnisse von Nymphen haben wir vermuthlich in den undeutlich behan- delten weiblichen Gewandstatuen zu erkennen, die auf diesen Gemälden sehr häufig vorkommen '') . Glücklicher Weise können wir auch hier beweisen , dass bereits die Malerei der Diadochen- periode mit einigen dieser Motive wirkte. Es ergiebt sich dies 1) Vers 20 ff. 2) Anth. pal. IX 437 (= Epigr. 17 Ahreris). 3) Anth. pal. VI 189. 4) Anth. pal. VI 334. 1X326. 5) Z. B. N. ]2ii5. \^bS. Auch auf mythologischen Compositionen wird öfters eine Quelle oder ein Bach beigefügt. Ein Bach findet sich neben Ganymod N. 155 (hier in meiner Beschreibung übersehen) und neben der schlafenden Chh)ris N. !»74. Bei den Gcniäldcn aus dem Narklssosmythos (N. 13.'>() ff.) und denen, welche Perseus schildern, wie er der Andromeda die Spiegelung des Medusenhauptes zeigt (N. 1192 ff.), bildet derselbe ein wesentliches Moment der Darstellung. ()) Z. B. N. 70. 549. 1053. 1183. 1350. 1370. 1585. 7) Z. B. N. 1053. 1561. 1562. Vgl. Philostrat. senior, imag. I 23: xe fap ziyyTfi xd i-^akixara xat XiiK/j xoü ^vxeüösv , y.ai xd ji-ev Trepix^xptTixott uito xoü vpovou, xd oe ßo'jy.öXoiv irj -ot|i.ev())V TraiSe? -eptr/to'Wv £xi vtjttioi xai dvaCairr^xoi xoü tleoü. XXIV Ucber das Verhiiltniss der camp. Landschaftsbilder etc. 297 aus den oben angeführten Vasenbildern ') , welche ithyphallische Hermen neben Altären, Wasserbecken oder heiligen Bäumen dar- stellen. Dieselben lassen mit Sicherheit auf eine gleichzeitige Landschaftsmalerei schliessen , welche den carapanischen Wand- bildern, mit denen wir uns gegenwärtig beschäftigen, hinsichtlich der Gegenstände , wie der Stimmung nahe verwandt war. Wir können in diesem Falle sogar eine entsprechende Darstellung nachweisen , welche sich zeitlich zwischen die Ausführung jener Vasenbilder und die künstlerische Thätigkeit in den campanischen Städten einreiht und somit deutlich auf die Continuität der Ueber- lieferung hinweist. Die Reliefs einer in dem Grabmale der Volum- nier gefundenen Urne 2) schildern eine Herme , an welcher eine Palme lehnt, einen Krater, auf dessen Rande Vögel sitzen, und eine von einer Säule getragene Amphora. Ein Weinstock, der an der rechten Seite der Darstellung angebracht ist, und ein anderes gleichartiges Gewächs , welches über dem Krater hervorragt, deuten den landschaftlichen Hintergrund an , vor dem man sich diese Gegenstände zu denken hat. Die Gemälde ohne oder mit nur sehr flüchtig angedeuteter Staffage , deren Betrachtung wir an die der idyllischen Gattung anschlössen •') , verrathen merkwürdige Berührungspunkte mit Epigrammen der Diadochenperiode , die darauf ausgehen , land- schaftliche Eindrücke zu vergegenwärtigen^). Ein Lieblings- gegenstand dieser Richtung ist die Strandgegend mit dem darin liegenden Heiligthume. Ein Epigramm des Menalkas^), worin derselbe auffordert, an den Rand des Ufers zu treten und den Hain der Kypris zu überschauen, lässt sich als poetische Illustra- tion dieser ganzen Serie betrachten. Angesichts des Bildes, wel- ches einen einsamen Strand und darauf eine Priapherme darstellt^) , denken wir unwillkürlich an eine ähnliche Schilderung der Anyte') . Schliesslich sei hier noch des heiligen Baumes gedacht , eines Gegenstandes , welcher sehr oft auf den campanischen Land- schaftsbildern vorkommt. Bald begegnen wir ihm neben kleinen Tempeln ; bald streckt er seine Aeste unter einem Epistyl hervor, welches zwei Pfeiler oder Säulen verbindet ^) ; öfters ist er , um 1) Siehe oben Seite 290. Vgl. auch die Seite 286 angeführten Münztypen von Pandosra und Segesta. 2j Conestabile, sepolcro dei Volunni Tav. Xu. 3) Siehe oben Seite 98 ff. 4) Vgl. Seite 283. 5) Anth. pal. IX 333. Abgedruckt Seite 283. 6) Pitt. d'Erc. I p. 55. 7) Anth. pal. IX 314. Abgedruckt Seite 283. 8) Festus p. 319 Müller: Sacella dicuntur loca diis sacratu sine tecto. Vgl. Heibig N. 1571 ff. 298 Der Hellenismus und die carapanische Wandmalerei. die Ausdehnung des dazu gehörigen heiligen Bezirkes zu be- zeichnen und dasselbe vor Verletzung zu schützen, mit einer Um- friedigung versehen *) . Die Grundbedingung, welche erforderlich war , damit der gebildete Grieche gerade durch solche schlichte Cultusobjecte eigenthümlich gestimmt wurde, war in der fort- geschritteneren Entwickelung des Hellenismus gegeben. Als noth- wendiger Rückschlag gegen die complicirte Civilisation , wie sie in den damaligen Culturmittelpunkten herrschte, entwickelte sich die Neigung zum Ursprünglichen und Primitiven , eine Neigung, die bekanntlich den Geist der damaligen Epoche in der viel- seitigsten Weise bestimmt. Der gebildete Alexandriner , der Grieche aus Seleukeia am Tigris oder aus Antiocheia am Orontes, musste sich , wenn er , entfernt von dem Getümmel seiner Stadt, eines heiligen Baums ansichtig wurde , in eine andere Welt versetzt fühlen, in welcher der Mensch unter einfacheren und naturgemässeren Verhältnissen seine Befriedigung fand. Zu- gleich wurde durch den Anblick der ehrwürdigen Bäume sein Naturgefühl angeregt 2) . Mögen uns auch aus der alexandrinischen Litteratur keine Aeusserungen erhalten sein , welche von solchen Eindrücken bestimmte Rechenschaft ablegen , so ergiebt sich die Existenz der Empfindungsweise, die wir aus den Bedingungen der damaligen Cultur geschlossen , deutlich aus Erscheinungen der gleichzeitigen Poesie und Kunst. Die Diadochenperiode fängt an, das Cultusmal des heiligen Baumes zum Gegenstande eingehender dichterischer Behandlung zu machen. Der Baumfrevel des Ery- sichthon ist der Stoff eines Gedichtes des Kallimachos ^) . Theo- krit 4) schildert , wie lakonische Jungfrauen eine der Helena ge- weihte Platane mit Lotoskränzen schmücken und mit Oelspenden benetzen. Apollonios von Rhodos"») handelt von dem Baumfrevel, den der Vater des Paraibios beging, und erzählt**), wie der Schiffs- balken aus wildem Oelbaumholze , den die Argonauten auf dem Grabe des Idmon aufgestellt, Sprossen trieb und nachmals Central- heiligthum der pontischen Herakleia wurde. Drei selbstverständ- lich epideiktische Epigramme des Leonidas von Tarent beziehen sich auf Weihungen , welche an heiligen Bäumen dargebracht werden. Ein Hirt weiht das Fell eines erschlagenen Wolfes 1) Z. B. Pitt. d'Erc. I p. 18. 2) König Attalos I. von Pergamos beschrieb ausführlich eine durch Grösse und Schönheit ausgezeichnete Pinie, die sich im Gebiete des Ida befand: Strabo XIII I, 44 p. ()03. 3) Hymn. in Cercr. 38 flF. 4) Idyll. XVIII 44 ff. 5) Argon. II 477 flF. 6) II 844 S. XXIV. lieber das Veihältniss der camp. Landschaftsbilder etc. 299 an einer Fichte ') . Ein Jäger nagelt ein Hirschgeweih an einen gleichen Baum 2). Nach dem dritten Epigramme wird Jagd- beute und Jagdgeräth dem Pan an einer Platane dargebracht 3) . Wenn aber die Griechen der Diadochenperiode das Bedürfniss empfanden, sich das Bild solcher mit Weihgeschenken ausge- statteter Bäume durch die Dichtung vergegenwärtigen zu lassen, dann wird auch die gleichzeitige Malerei nicht ermangelt haben, dasselbe durch den Pinsel zu verwirklichen. Und diese Annahme wird durch die gleichzeitige Vasenmalerei bestätigt. Wir kennen verschiedene Gefässbilder , welche den heiligen Baum in genre- hafte Darstellungen einführen. Das eine derselben ist das bereits erwähnte Stieropfer 4). Ein zweites von sehr später und nach- lässiger Ausführung 5) zeigt den heiligen Baum neben einer ithy- phallischen bärtigen Herme mit Stierhörnern; rechts sitzt auf einem Felsen ein Jüngling mit Chlamys, die Linke auf einen Speer stützend ; links steht eine vollständig bekleidete weibliche Figur, mit einem Kästchen in der Hand. Offenbar handelt es sich auch hier um einen Cultiisact, der vor der Herme und dem Baume Statt finden soll. Schliesslich erwähne ich noch einen Krater ebenfalls später Fabrik, der sich in der Sammlung Santangelo be- findet*»). Seine Malereien scheinen einen Wanderer darzustellen, welcher unter dem Schatten eines heiligen Baumes ausruht. Wir sehen in der Mitte den Baum und vor demselben eine bartlose, phallische Herme ; unter dem Baume sitzt ein Jüngling auf seiner Chlamys , den rechten Ellenbogen aufgestützt , einen Stab in der Linken ; dem Ausruhenden nähert sich ein Mädchen , bekleidet mit Chiton und Mantel, und bietet ihm mit der Rechten eine Schale dar; im Hintergrunde hängt eine Tainie, während die Vegetation im Vordergrunde durch einige Kräuter angedeutet ist. Andere Vasenbilder , deren wir bereits gedacht , gehören in das Bereich der landschaftlichen Schilderung und stellen den heiligen Baum neben Altären, Wasserbecken oder ithyphallischen Hermen dar^). Trotz der dürftigen Mittel des Ausdrucks lassen diese Darstel- lungen deutlich genug eine entsprechende Stimmung durch- klingen , wie sie Wandbildern , auf denen der heilige Baum vor- kommt, eigenthümlich zu sein pflegt. 1) Anth. pal. VI 2ü2. 2) Anth. pal. VI 110. 3) Anth. pal. VI 35. 4) Raoul Rochette, peint. ined. pl. 6 = Arch. Zeit. 1845 Taf. 35, 2. Vgl. oben Seite 295. 5) Gerhard, akad. Abhandl. II Taf. 67, 2. 6) Heydemann, die Vasensammlungen des Museo nazionale zu Neapel p. 78ü n. 649. 7) Siehe oben Seite 290. 300 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Ueberblicken wir noch einmal in der Kürze die einzelnen Resultate dieser Untersuchung, so haben wir gezeigt, dass die Stimmung , welche in den campanischen Landschaftsbildern idyl- lischer Richtung herrscht, die darin vorkommende Staffage, end- lich sogar die einzelnen landschaftlichen Bestaudtheile bereits von der Poesie der Diadochenperiode künstlerisch verwerthet sind. Gewiss wäre es eine höchst abnorme Erscheinung, wenn eine Richtung, die schon damals in der Dichtung Ausdruck fand , Ge- nerationen hindurch keinen Einfluss auf die bildende Kunst aus- geübt und erst in griechisch-römischer Epoche , die an Produc- tivität so tief unter der Diadochenperiode steht , in die Malerei Eingang gefunden hätte. Da wir vielmehr wissen, dass die Land- schaftsmalerei bereits in der Diadochenperiode als selbstständige Gattung existirte , so ergiebt es sich als eine naturgemässe Con- sequenz , dass diese Kunst schon damals eine der gleichzeitigen Poesie entsprechende Richtung einschlug. Und diese Annahme konnte ausserdem durch einige Erscheinungen aus der an die Alexanderepoche anknüpfenden Vasenzeichnung bestätigt werden. Unter solchen Umständen dürfen wir es als hinlänglich bewiesen betrachten, dass die campanische Landschaftsmalerei, insoweit sie eine idyllische Richtung vertritt, von entsprechenden Leistun- gen der hellenistischen Kunst abhängt. Dieses Resultat findet eine Bestätigung und kann zugleich schärfer gefasst werden , wenn wir das Verhältniss in Betracht ziehen , in welchem die Litteratur der Kaiserzeit hinsichtlich der poetischen Naturschilderung zu der alexandrinischen steht. Die Schriftsteller der Kaiserzeit , mögen sie lateinisch oder griechisch schreiben , wirken auf diesem Gebiete in entsprechendem Geiste und mit denselben landschaftlichen Motiven , wie ihre alexandri- nischen Vorgänger. Hier wie dort begegnen wir denselben Lieb- lingsstoffen , der Quelle ^) , dem ländlichen Heiligthume 2) , dem heiligen Baume 3) , den Statuen des Priap und der Nymphen ^) . Hiermit soll keineswegs behauptet werden, dass alle diese Aeusse- rungen der römischen . Poesie schlechthin Nachahmungen be- stimmter alexandrlnischei; Dichterstellen seien. Das Naturgefühl der begabteren Dichter der augusteischen Epoche, wie des Horaz, TibuU und Properz, war gewiss ein achtes und inniges. Doch 1) Horat. Carm. I 17, 12 ff. Ovid. Metam. III 15.5 ff. 407 ff. Ars am. III ()87 ff. Propert. I 20. Xi ff. Krinagoras, Anth. pal. VI 253. Alciphron, äTToaTtaop. p. Hü ed. Meineke. 2) Propert. III li», Vi. V 3, 57. Ovid. fast. I 275. 3) Vergil. Aen. XII 7(;(). Tibull. I 1, 11. Propert. III 19, 19. 4) Alciphron, äjroaT:ao|j.. p. 80 ed. Meineko. Longos, past. 14. Vgl. Propert. IV 3, 27 ff. XXIV. Heber das Verhältniss der camp. Landschaftsbilder etc. 301 war die ganze Anschauungs- und Empfindungsweise der damaligen Gebildeten derartig von hellenistischer Bildung durchdrungen, dass sich auch das Naturgefühl in einer entsprechenden Richtung bewegte, dass es mit Vorliebe an denselben Gegenständen haffcte und unwillkürlich einen ähnlichen Ausdruck annahm, wie bei den Griechen der Diadochenperiode. Wenn aber schon die hervor- ragendsten Geister, denen wir innerhalb der dem Geiste ihrer Zeit gesteckten Grenzen ein selbstständiges Empfinden zuzutrauen be- rechtigt sind , bis zu einem gewissen Grade dem hellenistischen Einflüsse unterliegen, so wird derselbe in noch viel weiterem Um- fange bei den weniger begabten maassgebend gewesen sein. Horaz spottet an einer bekannten Stelle^) über die Naturschilderungen, mit denen zu seiner Zeit poetische Stümper ihre Gedichte auszu- putzen pflegten. Die Gegenstände, die er dabei anführt: lucus et ara Dianas et properantis aquae per amoenos ambitus agros, gehören zu der in der Diadochenjißriode entwickelten Scenerie. In den Liebesromanen werden die hellenistischen Landschafts- motive, wie Recepte, welche für bestimmte Bedürfnisse bereit liegen, verwendet und in mechanischer Weise, wo die Erzählung es erfordert, eingeschoben. Eine eigenthümliche Auffassung der- selben, die der Darstellung einen gewissen Reiz giebt, ist höchstens in dem Romane des Longos wahrzunehmen. Wir können das Thema der Weihung einer Jagdbeute an einem heiligen Baume, wie es bereits von dem Tarentiner Leonidas behandelt wurde, durch Epigramme des Antipater^), Erykios-*), Zonas*) bis zu einem Epigramme des Paulus Silentiarius^) , also bis in das 6. Jahr- hundert nach Christus verfolgen. Auf dem Gebiete der Dichtung ist also die Abhängigkeit der späteren Leistungen von den alexan- drinischen durch erhaltene Litteraturdenkmäler hinlänglich fest- gestellt. Es wäre widersinnig , für die Malerei , weil hier die Ueberlieferung spärlicher fliesst , weil sich vor Allem keine hel- lenistischen Originale erhalten haben, einen verschiedenen Ent- wickelungsgang anzunehmen. Vielmehr werden wie die Dichter der Kaiserzeit so auch die gleichzeitigen Maler auf dem Gebiete der idyllischen Landschaftschilderung an die Leistungen der hellenistischen Kunst angeknüpft und mit den von dieser aus- gebildeten Motiven weitergearbeitet haben. Die Veduten- und Prospectenbilder haben wir bereits im 1) Epist. ad Pison. IG ff. 2) Anth. pal. VI 111 . Offenbar eine Nachahmung des Epigrammes des Leonidas in Anth. pal. VI 1 10. 3) Anth. pal. VI 9(i. 4) Anth. pal. VI 10(5. 5) Anth. pal. VI 16s. 302 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. zwölften Abschnitte als Producta anerkannt , die , dem wesent- lichen Inhalte nach , in der Kaiserzeit gestaltet sind i) . Möglich ist es allerdings , dass auch in diese Gattungen einige Fäden der hellenistischen Entwickelung hineinreichen ; doch lässt sich dies bei der Dürftigkeit der Ueberlieferung nicht im Einzelnen nach- weisen. Dagegen sind wir im Stande, diesen Beweis zu führen hinsichtlich einer Wandmalerei , welche der Gattung des Pro- spectenbildes , die Gartenanlagen darstellt, nahe verwandt ist. Stücke einer ursprünglich zusammengehörigen herculaner Wand- decoration 2) stellen eine Reihe von Lauben dar, welche sich über scenischen Masken emporwölbeu. Zwischen den Blättern dieser Lauben sind allerlei Gefä^se, Tympana, Syringen, Rhyta an- gebracht. Ganz denselben Motiven begegneten wir bereits an der Laube , die bei dem Festzuge des Ptolemaios Philadelphos über dem Wagen des Dionysos ausgespannt war '^) . Wir sind in diesem Falle sogar im Stande , eine entsprechende Anlage nach- zuweisen, welche sich chro*uologisch zwischen die Diadochen- periode und die künstlerische Thätigkeit in den campanischen Städten einreiht. M. Antonius nämlich liess , wie Sokrates von Rhodos "*) berichtet , zu Athen eine ganz ähnlich decorirte Laube über der Skene des Dionysostheater aufführen und zechte dar- unter vor dem versammelten Volke mit seinen Genqssen. Wenden wir uns nunmehr zu der Betrachtung der ägyptischen Landschaften 5), so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch diese Gattung bereits in der Diadochenperiode ausgebildet war. Die an der Basis der vaticanischen Nilstatue angebrachten Reliefs, welche Nilgegenden, belebt durch Pygmaienfiguren und durch die Fauna des ägyptischen Flusses , darstellen , setzen mit Noth- wendigkeit die Existenz einer entsprechenden I^andschaftsmalerei voraus. Wenn nun diese Statue, was mir hinlänglich sicher scheint''), in ihrem ganzen Bestände nach einem Originale der Ptolemaierepoche copirt ist, so ergiebt sich, dass die Gattung der ägyptischen Landschaft bereits damals existirte. Wenn ferner Plinius '') über ein Gemälde des Nealkes , welches eine Schlacht zwischen Aegyptern und Persern auf dem Nil schilderte, be- richtet , dass der Maler der Handlung ein Krokodil beifügte , das einem am Ufer trinkenden Esel nachstellte, so lässt diese Angabe 1) Vgl. oben Seite lOG ff. 2) N. 1741. 1748. 3) Kallixenos von Rhodos b. Athen. Vp. IDSD. Vgl obenS. 282. 4) Bei Athen. IV p. 148 B. 5) Siehe oben Seite lol. fi) Vgl. oben Seite 29 ff. 7) XXXV 1 42. XXIV. Ueber das Verhältniss der camp. Landschaftsbilder etc. 303 auf einen Hintergrund schliessen, welcher die eigeuthümliche Natur des Landes veranschaulichte. Wir werden hierbei zugleich einer Spur gewahr , welche mit Bestimmtheit auf den Zusammenhang der in den campanischen Städten gefundenen ägyptischen Land- schaften mit entsprechenden Leistungen der Diadochenperiode hinweist ; denn ein ganz ähnliches Motiv , wie es Nealkes seinem Schlachtbilde beifügte , kehrt auf einem ägyptisirenden Land- schaftsbilde aus Herculaneum i) wieder. Was die Meerlandschaften mit SchifFskämpfen betriflft^), so wird Jedermann zugeben , dass kein Motiv derselben uns uöthigt, in ihnen Erfindungen der römischen Epoche zu erkennen. Wären vielmehr diese Compositionen gegen Ende der Republik oder im Anfange der Kaiserzeit geschafifen, dann stünde zu erwarten, dass der Charakter der damals geschlagenen Seeschlachten irgend- wie auf die malerische Darstellung gewirkt hätte. Und diese Schlachten , die des Pompeius gegen die Seeräuber und die bei Actium, boten bezeichnende Züge genug dar, die sich selbst mit den dürftigen Mitteln der Frescotechnik deutlich veran- schaulichen Hessen. Nichts war leichter, als den Gegensatz zwischen den kleinen Schnellseglern des Octavian und den gros- sen schwer beweglichen Schiffen der ägyptischen Flotte hervor- zuheben , wie er bei Actium den Ausschlag gab 3) . Doch findet sich von dem Versuche einer derartigen Charakteristik in der campanischen Wandmalerei nicht die geringste Spur. In der Form , der Ausrüstung und der Verzierung der Schiffe , in der Bewaffnung ihrer Mannschaften , welche bei beiden kämpfenden Parteien der der griechischen Hopliten entspricht, zeigt sich nichts Individuelles ; vielmehr ist die ganze Behandlung sehr all- gemein gehalten und scheint sie lediglich durch ästhetische Ge- sichtspunkte bedingt zu sein *] . Ausserdem spricht die Tiefe der Auffassung, wie sie bisweilen in diesen Bildern trotz der be- schränkten Mittel der Ausführung hervortritt''), gegen die An- nahme einer so späten Erfindung . Wenn wir demnach den Ursprung auch dieser Gattung in älterer Zeit zu suchen haben, dann war ge- ll N. 1568. 2) Vgl. oben Seite 101 ff. 3) Cassius Dio L 18, 5. 23, 2. 29, 1. 32, 2. Plutarch. Anton. 62. Horat. carm. I 37, 3ü. 4) Dieselbe Abstraction von dem specifisch Römischen zeigt sich auch bei den amphitheatralischen Seeschlachten der Kaiserzeit. Die Schauspiele dieser Art , welche bei der Einweihung des Colosseums und der Titusthermen gegeben wurden , stellten nicht etwa römische Siege , sondern Seeschlachten zwischen Korkyraiern und Korinthiern, und Syrakusern und Athenern dar. Cassius Dio LXVI 25. 5) Siehe namentlich N. 1580. 304 Der Hellenismus und die carapanisch e Wandmalerei. wiss keine Periode so geeignet , sie in das Leben zu rufen , wie die der Diadochen. Die maritimen Interessen, welche früher von einzelnen Städten gepflegt worden waren , wurden damals das Gemeingut der gesammten civilisirten Welt. Es fand ein kolos- saler Umschwung in dem Seewesen Statt. Alle Staaten , welche irgendwelche selbstständige politische Stellung einnehmen wollten, wendeten der Entwickelung ihrer Seemacht die grösste Aufmerk- samkeit zu. Hierdurch wurde das nautische Interesse in den wei- testen Kreisen verbreitet und auch die Kunst auf die Behandlung entsprechender Stoffe hingewiesen. Schon Nikias empfahl die Darstellung von Seeschlachten als einen Gegenstand, welcher dem Maler die geeignete Gelegenheit böte, die Fülle seiner Erfindungs- kraft zu bewahren^). In der weiteren Entwickelung begegnen wir dem bereits erwähnten Bilde des Nealkes, welches eine Schlacht zwischen der persischen und ägyptischen Flotte auf dem Nil darstellte 2) . Jedenfalls erscheint die Einführung von Land- schaften mit Schiffskämpfen in die Decoration des Privathauses ungleich natürlicher in den hellenistischen Staaten , wo ein be- deutendes Capital nautischer Bildung und nautischen Interesses vorlag, als in dem römischen, welcher sich nur zeitweise und nothgedrungen die Entwickelung seiner Seemacht angelegen sein Hess. Demnach spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Gattung nicht in römischer Epoche und auf italischem Boden aus- gebildet , sondern von den Römern zusammen mit dem ganzen Apparate hellenistischer Wanddecoration übernommen wurde. Schliesslich tritt die Frage an uns heran , wie sich die Ge- mälde, welche verschieden geartete landschaftliche Bestandtheile vermischen '■^] , zu der in diesem Abschnitte begründeten Auffas- sung verhalten. Wir haben nachgewiesen, dass eine ganze Reihe von Compositionen oder Motiven , welche in der Wandmalerei reproducirt sind, seit der Diadochenperiode von Generation zu Generation weiter überliefert wurden. Es ist schon in Anbetracht der langen Dauer der Ueberlieferung, begreiflich, dass mit der Zeit das Verständniss für die Bedeutung der einzelnen Motive ge- trübt wurde. Besonders nahe lag dies aber, wenn die Repro- duction innerhalb einer untergeordneten Kunstübung, wie es die Wandmalerei war. Statt fand. Mag man den ästhetischen Sinn der campanischen Wandmaler noch so hoch veransclilagen , so wird doch Jedermann zugeben, dass das Bewusstsein des Wechsel- bezuges, wie er in dem Organismus der Natur zwischen den 1) Demetr. Plialor. de elocutione 7ti. 2) Plin. XXXV 1 12. Vgl. oben Seite 302. 3) Siehe oben Seite 102 ff. XXIV. Ueber das Verhältniss der camp. Landschaftsbilder etc. 305 Gliedern und dem Ganzen lierrscht , nicht bei allen gleich ent- wickelt war.* Ziehen wir ausserdem noch die Art in Betracht, wie diese Künstler arbeiteten, oline Vorlegeblatt und durch die Bedingungen ihrer Technik zur Eile genöthigt, dann erklaren sich jene Mischbildungen in der naturgemässesten Weise. Bei dem Verfahren der Wandmaler konnte es kaum ausbleiben, dass dieselben sich bisweilen in den Dimensionen einzelner land- schaftlicher Bestandtheile vergriffen. Ihr Gefühl für richtige Raumfüllung, ein Gefühl, welches die classische Kunst bis in die spätesten Zeiten des Verfalls hinein bewahrte, trieb sie an, diesen Verstössen, so gut es ging, abzuhelfen. Sie konnten sich somit leicht veranlasst fühlen, ein geläufiges Motiv aus dem Apparate der idyllischen Gattung , eine Priap- oder Nym- phenstatue oder ein sacellum rusticum beizufügen , mochte auch ein solcher Zug dem Grundcharakter der zu reproducir enden Composition zuwiderlaufen. Da ausserdem, wie wir später sehen werden, die improvisirende Thätigkeit der Wandmaler nicht ge- ring anzuschlagen ist," so fragt es sich sogar, ob sie nicht die von Alters her überlieferten Motive bisweilen geradezu wie Versetz- stücke behandelten und dieselben, um neue Landschaften zu er- zielen , willkürlich auseinanderrückten oder zusammenschoben. Besonders nahe lag es ihnen aber , Motive aus dem Bereiche des Vedutenbildes einzuschalten ; denn die von dieser Gattung ge- schilderten Erscheinungen mussten ihnen , da sie mit der Natur, welche die Wandmaler umgab , übereinstimmten , vorzugsweise geläufig sein. In dieser Weise aufgefasst, findet die Entstehung der Landschaftsbilder , welche idyllische Elemente und baulichen Luxus durcheiuaudermischen 1) , eine bezeichnende Analogie in einem litterarischen Erzeugniss der augusteischen Epoche. Die Eclogen des Vergil sind im Wesentlichen Uebersetzungen oder Umarbeitungen der Idylle des Theokrit. Doch überträgt der la- teinische Dichter auf diese Grundlage bisweilen eigene Gedanken und Anspielungen auf Ereignisse seine** Zeit, die einen eigen- thümlichen Gegensatz darbieten zu der Naivität, welche in den aus der hellenistischen Poesie entlehnten Bestandtheilen im Ganzen glücklich gewahrt ist. Wenn wir bei den Eclogen den verschie- denen Ursprung der von Vergil zusammengearbeiteten Elemente bestimmt nachweisen können, so .sind wir berechtigt, ja genöthigt, eine entsprechende Erscheinung der ungefähr gleichzeitigen Ma- lerei in derselben Weise zu erklären. Demnach haben wir auch hier zu scheiden zwischen den idyllisclien Bestandtheilen , die auf hellenistischer Ueberlieferung beruhen , und den Motiven I) Vgl. oben Seite lo3 flf. H e 1 b i g , Untersnchungeu ü. d. campan. Wandmalerei. 20 306 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. üppiger Architektur, welche die Maler unter dem Eindrucke der sie umgebenden Aussenwelt mit diesen zusammenbrachten. XXV. Thierstück und StilUebeu. Das Thierstück , wie es in der campanischen Wandmalerei aufzutreten pflegt , giebt der Natur entsprechende Darstellungen aus der Thierwelt und stimmt im Ganzen mit dem Begriffe , den wir heut zu Tage mit dieser Bezeichnung verbinden. So lange die griechische Kunst vorwiegend eine religiöse und monumentale Richtung verfolgte, war sie keineswegs geeignet, eine solche Gattung auszubilden. Die selbstständigen Thier- figuren , welche während der älteren Entwickelung geschaffen wurden, waren Symbole und Anathemata. Eine solche Bedeutung und Bestimmung ist aber dem, was wir Thierstück nennen , voll- ständig fremd. Wo dieselbe vorhanden war , musste sie auch die Behandlung in eigenthümlicher Weise bedingen und den Ele- menten, in welchen sich das Thierstück mit Vorliebe ergeht, dem Naturalismus und der Berücksichtigung momentaner Erschei- nungen und genrehafter Züge, Schranken, setzen. Die eingehendere Begründung der Ansicht, welche ich über die Thierfigur der älteren Entwickelung ausgesprochen , würde mich von meinem Gegenstande zu weit abführen. Ich begnüge mich daher hier nur einer berühmten Schöpfung zu gedenken, die bei flüchtiger Betrachtung gegen meine Behauptung geltend ge- macht werden könnte. Es ist dies die Kuh des Myron. Sicher- lich war auch diese ein öffentliches Anathem. Obwohl wir weder über den Anlass , welcher dieselbe in das Leben rief, noch über den ursprünglichen Ort der Aufstellung unterrichtet sind , so ist jene Annahme nicht nur durch den ganzen Charakter der gleich- zeitigen Kunst, sondern auch durch eine Reihe bezeichnender Analogien geboten. Eherne Statuen von Kühen oder Stieren waren in der an die Perserkriege anknüi)fenden Entwickelung beliebte Weihgeschenke. Die euböischen Karystier weihten nach der Ver- treibung der Perser in dem delphischen Tempel ein ehernes Rind') . Wenn Pausanias beifügt, dass die Statue des feldbestellendeu Thieres auf die Befreiung des Ackerbodens hinwies , so hat diese Angabe alle innere Wahrscheinlichkeit für sich, und darf ein 1) Pausan. X Iti, 6. XXV. Thierstiick und Stillleben. 307 entsprechender Sinn bei allen ähnlichen Weihgeschenken voraus- gesetzt wercien, die als Dank für Errettung aus Kriegsgefahr dar- gebracht wurden. Dies gilt von dem ehernen Rinde, welches die Plataier nach dem Abzüge der Perser in Delphi aufstellten i) , von den zwölf ehernen Kühen , Werken des Phradmon , die nach einem Siege über die Illyrier in dem Vorhofe des Tempels der itonischen Athene geweiht wurden 2) , vermuthlich auch von dem ßou? sv ttoäsi, dem auf der athenischen Akropolis befind- lichen VVeihgeschenke der Areopagiten •*) . Einen weiteren Beleg dieses Symbols geben die selinuntischen Münztypen , welche sich auf die Regulirung des Hypsas und Selinus beziehen '*) . Die von hoher Basis getragene Rinderfigur, welche auf diesen Münzen neben dem Schale und Lorbeerzweig haltenden Flussgotte und dem Hahne , dem Vogel des Asklepios , dargestellt ist , kann meines Erachtens nur das Acker- oder Weideland &) bezeichnen, welches durch jene Regulirung gewonnen worden war*»). Was sich aber hinsichtlich der soeben angeführten Rinderfiguren be- weisen oder wahrscheinlich machen lässt, darf auch von ent- sprechenden Werken der gleichzeitigen Kunst vorausgesetzt wer- den , über deren ursprüngliche Bedeutung und Bestimmung wir zufällig nicht unterrichtet sind^]. Es spricht somit alle Wahr- 1) Pausan. X 15, 1. 2) Theodoridas, Anth. pal. IX 743. 3) Hesycli. ßoü; dv TiöXet -^aX-xoü; üto t-^; [io'jX-qc. dvaTeflei;. Pausan. I 24, 2. Vgl. Bergk, Zeitschr. f. Alterthuraswiss. 18J5 p. 981 ; E. Curtius, Arch. Zeit. ISüO p. 37; 0. Jahn, de antiquissimis Minervae simulacris atticis p. 7. 4) Denkm. a. K. 142, 194. 5) Da das Rind, soweit ich diese Münzen kenne , mit abwärts ge- senktem Kopfe , demnach weidend, dargestellt ist, so scheint die An- nahme des Weidelands die näher lieg^ende. ö) E. Curtius, Arch. Zeit. IStiO p. 38 zieht es vor, in dem Rinde der selinunti seilen Münzen das Symbol der Wasserkraft zu erkennen, welche durch die Regulirung gebändigt worden war. Doch entspricht der Begritf der Wasserkraft keineswegs dem Charakter des Selinus und Hypsas, welche nicht den gehörigen Fall hatten imd dcsshalb das undiegende Land versumpften. Andererseits hätten wir, wenn dieser' Begriff symbolisirt wenlon sollte, auf den Mihizen nicht das ruhig voi- schreitende und allem Anscheine nach weidende Rind , sondern einen {io'jc. iloiipto; zu gewärtigen. Jedenfalls erscheint die Darstellung, wenn wir sie in der oben angedeuteten Weise erklären , ungleich klarer und einheitlicher. Dann drücken beide Symbole , welche neben dem libi- renden Flussgott dargestellt sind , auf das Deutlichste die durch die Stromregulirung erzielten Vortheile ans, der Hahn, als Vogel des As- klepios, die Beseitigung der Malaria, das Rind -das gewonnene Acker- oder Weideland. 7) Dies gilt auch von d'em ehernen Rinde , einem Werke des Phi- lesios, welches die Eretrier nach Olympia weihten, von einem gleichen 20* 308 l)er Hellenismus und die campanische Wandmalerei. scheinlichkeit dafür, dass die Kuh des Myron und die vier Stiere desselben Meisters, die sich nachmals zu Rom im*Vorhofe des palatinischen ApoUotempels befanden i) , von Haus aus als Sym- bole und Anathemata gearbeitet waren. Ist dies aber anerkannt, dann dürfen wir annehmen , dass der Naturalismus in diesen Ge- bilden, mag auch die Lebenswahrheit der Kuh von vielen classi- schen Zeugen gepriesen werden , immerhin gewisse Grenzen ein- hielt, dass sie vielmehr Idealtypen waren, auf welche die Benen- nung »Thierstück« ebensowenig passen würde, wie auf den luzerner Löwen oder andere monumentale Thierfiguren der mo- dernen Kunst 2) . Ueberhaupt begegnen wir in der Zeit vor Alexander nur einem Kunstwerke, welches dem Begriffe, den wir mit der Be- zeichnung »Thierstück« zu verbinden pflegen, einigerraaassen ent- spricht. Pauson, so wird erzählt-^), erhielt den Auftrag, ein sich wälzendes Pferd zu malen. Er stellte dasselbe jedoch laufend und von vielem Staube umwirbelt dar. Als der Auftraggeber ihm hierüber Vorwürfe machte, drehte Pauson das Bild um , wodurch die Figur des Pferdes , der Bestellung gemäss , sich wälzend er- schien. Hier hätten wir in der That eine genrehafte Darstellung, die sich als Thierstück bezeichnen liesse. Doch steht dieselbe, soweit unsere Kenntniss reicht , in der damaligen Entwickelung völlig vereinzelt da. Ich will die Möglichkeit nicht abläugnen, ebenda befindlichen Anathem der Korkyraier (Pausan. V 27, 9) und von der ehernen Kuh , welche zu Korinth neben der Peirene stand (Klearchos bei Athen. XIII p. üOö E), deren Ursprungszeit jedoch un- bekannt ist. In heftiger Bewegung dargestellt, war der Stier posei- (lonisches Symbol (vgl. Curtius. Arch. Zeit, l^üo p. 38 ff.). In diesem Sinne sind die bronzenen Votivfiguren von Stieren aufzufassen, die sich im Bezirke des Poseidonstempels auf Tainaron finden (Bull, dell' Inst. 18-57 p 155), und der eherne Stier, ein Werk des Aigineten Theopropos, welches die Korkyraier nach Delphi weihten. Dcm- posei- donische Bezug d(;r letzteren Figur ergiebt sich deutlich aus der Ver- anlassung der Weihe , wie sie von Pausanias X 9, 3 berichtet wird. 1) Propert. II 31, 7. Auch die Vasen mit schwarzen Figuren schildern bisweilen solche Weihstatuen von Rinderu : Gerhard , aus- 1 erles. Vasenb. IV 242, 1.2 = 0. Jahn, de antiqu. Minervae simuiacris atticis Tab. I i vgl. p. 5 ff.; Gerhard, auserl. Vas. IV 242, 2. 3; Micali, storia tav. 98, 3 2) Die Handschriften des Pliuius XXXIV 57 schreiben dem Myron auch die Figur eines Hundes zu. Doch scheint die Lesart caneui ver- dorben. Benndorf, de anth. graec. epigramin. quae ad artes spectant p. 1 5 Note I schlägt dafür Ladam vor. Wann der Bildhauer Simon lebte , von dem ein Hund und ein Bogenschütze angeführt werden (Plin. XXXIV 90. Vgl. Brunn. Gescii. d. gr. Künstl. I p. 84), ist un- bekannt. 3) Plutarch. de Pythiae orac. 5; Aelian. var. bist. XIV 15; Pseudo-Lucian. Demosth. encom. 24. XXV. Thierstück und StilUebeu. 309 dass die griechische Malerei, welche ja in vielen Hinsichten der Plastik vorteilt, eine derartige Anffassnngsweise eher ausbildete, als die Schwesterkunst, kann aber nicht umhin, darauf auf- merksam zu machen, dass die Erzählung von dem Pferde des Pausen in das Gebiet der Künstleranecdote gehört und daher keine unbedingt sichere Gewähr bietet. ürtheile man hierüber wie man Avolle , jedenfalls waren erst seit der Alexanderepoche alle Bedingungen erfüllt, um die Pflege der genrehaften Thierdarstellung in weiterem Umfange zu fördern. Das Interesse für die verschiedenen Erscheinungen der Wirklich- keit und die Fähigkeit der Kunst, dieselben wiederzugeben, hatten eine beträchtliche Steigerung erfahren. Durch die Fort- schritte der Naturwissenschaft war das Verständniss für die Thier- welt vertieft worden. Indem die Kunst in ungleich höherem Grade, als es früher der Fall gewesen war, privaten Zwecken zu dienen anfing, indem sie Paläste und Parks schmückte, die Cabinets- und die Prospectenraalerei ausbildete, eröffnete sich für die genre- hafte Thierdarstellung ein geeigneter Spielraum. Jetzt begegnen wir auch unzweideutigen Spuren , welche die Existenz der Thier- malerei als besonderer Gattung bezeugen i) . Von Nikias berichtet Plinius , dass ihm auch Thierbilder zu- geschrieben wurden und dass er besonders glücklich in der Schil- derung von Hunden gewesen sei 2). Hiermit stimmt eine Stelle des Pausanias^), wo es von Nikias heisst Cwa apioxoc Ypa<];ai T(ov l(p' auTou , Worte , welche , wie Welcker ^) richtig annimmt, nicht auf Malerei überhaupt , sondern im Besonderen auf Thier- malerei zu beziehen sind. Die Esel, welche unter den von Pei- räikos''') behandelten Gegenständen angeführt werden, können bei der ganzen Richtung dieses Malers nur genrehafte Thier- stücke gewesen sein. Wenn Nikias die Maler warnte , ihre Kräfte nicht an unbe- deutenden StoflFen, wie Vögeln und Blumen, zu zersplittern*"'), so bezeugt diese Bemerkung, dass zur Zeit Alexanders Gemälde, welche Vögel zum Gegenstand der Darstellung machten, allgemein verbreitet waren. Später begegnen wir in Pergamos dem be- ll Thierfiguren, wie das Reh (Aelian. bist, animal. epil. p. 435 Hercher) und das Pferd des Apelles (Flin. XXXV 95), von denen es un- gewiss ist, ob sie selbstständig dargestellt oder nur Theile eines grös- seren Ganzen waren (vgl. Brunn, Gresch. d. gr. Künstler II p. 2ü6, 210), lassen wir bei dieser Betrachtung selbstverständlich unberücksichtigt. 2) Plin. XXXV 1 33. 31 Pausan. I 29, 15. 4) Kunstblatt 1827 n 81. 5) Plin. XXXV 112. 0) Demetr. Phaler. de elocut. 70. 310 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. rühmten Mosaikgemälde des Sosos , welches Tauben um ein mit Wasser gefülltes Gefäss gruppirt darstellte ^) . Der Einfluss dieser Richtung der kunstmässigen Malerei ist auch in der späteren Vasenfabrik ersichtlich. In der Nekropole von Canosa finden sich häufig Krüge und zweihenklige Töpfe späten Styls, auf deren dunklem Grunde mit weisser Localfarbe und gelblichen Schatten Vögel und namentUch Schwäne und Tauben gemalt sind. Bald sitzen sie ruhig da, bald schreiten sie mit gehobenen Fittigen ein- her, bald picken sie im Begriffe , zu fressen , mit den Schnäbeln abwärts. Gewöhnlich sind sie innerhalb der Traubenguirlanden angebracht, welche den Bauch dieser Gefasse umranken, bis- weilen aber , wie kleine Tafelbilder , durch einen weissgemalten Rahmen von der umgebenden ornamentalen Malerei geschieden. Einige Gefässe dieser Art befinden sich im Museum zu Neapel 2) , die reichste Auswahl und die eigenthümlichsten Exemplare je- doch in der Sammlung Herrn Alexander Castellanis. Es fehlt uns an bestimmten Angaben, um zu beurtheilen, wann die Malerei die in dem Wasser lebenden Thiere zum Gegen- stande selbstständiger Behandlung machte. Doch spricht auch hier eine Erscheinung aus dem Gebiete der Vasenmalerei für die Annahme , dass dies bereits während der hellenistischen Epoche der Fall war. Teller später Fabrik, welche namentlich in cumäi- schen und capuaner Gräbern gefunden werden , sind häufig mit Fischen, Krebsen, Polypen und anderem essbaren Seegethier be- malt, was der Italiener frutta di mare nennt. Trotz der dürftigen Darstellungsmittel verräth die Behandlung der Typen der Thiere und der Ausdruck der ihnen eigenthümlichen Bewegungen eine staunenswerthe Naturwahrheit. Gewiss bildeten die Vasenzeichner die Fähigkeit zu solcher Charakteristik nicht selbstständig , son- dern nach dem Vorgange der kunstmässigen Malerei aus. Ist dies aber zugegeben , dann waren Gemälde , welche das Treiben des Seegethiers schilderten, gewiss am Geeignetsten, das Vasen- haudwerk zu solchen , dem Inhalte nach vollständig entsprechen- den Darstellungen anzuregen. Es scheint somit , dass Bilder dieser Art schon zu der Zeit, in welcher jene Teller fabricirt wurden, geläufig waren. Diese Betrachtung hat gezeigt, dass bereits die an die Alexan- derepoche anknüpfende Malerei das Treiben der verschieden- artigsten Thiere zu schildern unternommen hatte. Die Frage, wie sich die in den campanischen Städten entdeckten Thierstücke 1) Plin. XXXVI 184. 2) Hcydemann, die Vasensatnmlung desMuseo nazionalc zu Neapel p. (j n. 2», 24, 43. XXV. Thierstück und Stillleben. ;^1 1 zu den älteren Leistungen verhalten , ist sehr schwer zu beant- worten. Da die Kunst der römischen Epoche noch in hohem Grade befähigt war, die Natur scharf zti beobachten *) und getreu wie- derzugeben , und diese Fähigkeit ausreichte , um wenigstens na- turwahre Thierstticke zu gestalten, so liegt kein Grund vor, die Thätigkeit der Karserzeit auf diesem Gebiete gering anzuschlagen. Nun dürfen wir allerdings nach dem ganzen Entwickelungsgange der antiken Kunst annehmen , dass mit der Zeit auch in dem Thierstticke die Tiefe und Grossartigkeit der Auffassung ab- nahm , dass die Thierbilder des Nikias einen ungleich bedeuten- deren Inhalt verwirklichten, als entsprechende Leistungen der Kaiserzeit. Doch fehlt uns zur Beurtheilung der einzelnen Sta- dien dieser Entwickelung der sichere Maassstab und sind wir vor der Hand lediglich auf unser subjectives Gefülil angewiesen. Ausserdem wird die Untersuchung im Besonderen dadurch er- schwert, dass das Bezeichnende der Charakteristik, worauf einer der wesentlichen Reize dieser Kunstgattung beruht, mit den dürftigen Mitteln der Frescotechnik nur schwer zu erreichen war. Wurde ein künstlerisch durchgebildeter Thiertypus in der Wand- malerei reproducirt, so konnte es nicht ausbleiben, dass der Cha- rakter desselben mannigfache Trübungen erfuhr. Es ist daher sehr misslich , aus den Wandgemälden auf den Inhalt der Thierfigur zu schliessen, welche als Vorbild diente. Eine ungleich sicherere Grundlage bieten für eine solche Untersuchung die erhaltenen plastischen Thiertypen 2) . Doch hat es bis jetzt Niemand der Mühe werth erachtet , dieselben nach Inhalt und Styl eingehend zu analysiren. Unter solchen Umständen ist es unmöglich, inner- halb der campanischen Thiermalerei überall zu entscheiden , was der römischen Epoche angehört und was auf ältere Vorbilder zurückgeht. Nur wenige Gemälde bieten in dieser Hinsicht einige r- maassen sichere Anhaltspunkte dar. So ist das grosse Prospecten- bild in dem umfangreichen, neuerdings auf der Südseite des Vicolo dei soprastanti ausgegrabenen Hause gewiss im Wesentlichen ein Product der römischen Epoche. Der Inhalt desselben, ein wirres 1) Dass damals Thiere nach der Natur modellirt wurden, bezeugt die bekannte Geschichte, welche Plinius XXXVI 40 von Pasiteles er- zählt. Derselbe war beschäftigt, einen Löwen zu modellircn, als ein in einem benachbarten Käfig eingeschlossener Panther ausbrach , der den Künstler beinah zerrissen hätte. 2) Die Untersuchung muss , wie bei der Malerei , so auch hier von den Denkmälern abstrahiren , die möglicher Weise von Haus aus nur Bestandtheile eines grösseren Ganzen waren, wie von dem Pferde des Lysippos1(Overbeck, Schriftquellen n. 15(15. Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. Künstl. ifp. 366) und dem equus cum fuscinis und den canes venantium des Euthykrates (Plin. XXXIV 66. Brunn a. a. 0. 1 p. 4ü9). 312 Der Hellenisraus lind die CJimpanischc Wandmalerei. DurcheiDander von allen möglichen Thieren, l^öwen, Eleplianten, Straussen, Schlangen, erklärt sich am Besten aus Eindrticken, wie sie die Arena des Amphitheaters darbot. Die Auffassung der Thiere erhebt sich nirgends über das Triviale. Anders dagegen dürfte über die Thierstücke im Vicolo del balcone pensile N. 9 und in Casa delle quadrighe^) zu urtheilen sein. Hier verräth die Gestalt des wüthend aus dem Schilfe hervorbrechenden Ebeis trotz der nur decorativen Behandlung eine sehr grossartige Auf- fassung, die der eines vortrefflichen plastischen Typus 2) nahe verwandt ist und eher dem Geiste der Alexander- oder Diadochen- periode, als dem der Kaiserzeit zu entsprechen scheint. Aehnlich wie mit dem Thierstück verhält es sich mit dem Stillleben. Auch diese Gattung kam schwerlich vor der Alexander- epoche zur Ausbildung. Wollte Jemand hiergegen die Geschichte von den Trauben des Zeuxis und dem Vorhange des Parrhasios •*) einwenden , so gebe ich einerseits zu bedenken , dass diese Er- zählung dem bedenklichen Gebiete der Küustleranecdote an- gehört. Andererseits aber auch zugegeben, dass dieselbe einen historischen Kern enthalte, so darf daraus keineswegs gefolgert werden , dass das Fruchtstück in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. als besondere Kunstgattung existirte. Die Trauben konnten von Zeuxis und der Vorhang von Parrhasios le- diglich als Naturstudien und ohne die Absicht, hiermit ein Kunst- werk von selbstständiger Bedeutung zu schaffen, gemalt werden, wie uns ähnliche Studien von der Hand Albrecht Dürers erhalten sind, aus denen Niemand die Existenz des Stilllebens in der Malerei des sechszehnten Jahrhunderts folgern wird. Das Auftreten einer solchen Gattung in dem fünften Jahrhunderte v. Chr. wäre ein ebenso abnormes Phänomen wie in dem Quattrocento. Anders lagen die Verhältnisse , als seit der Alexanderepoche die für den privaten Genuss berechnete Cabinetsmalerei in dem weitesten Umfange gepflegt wurde. Jetzt begegnen wir deutlichen Spuren, welche die Existenz des Stilllebens als selbstständiger Kunstgattung bezeugen. Die dieser Gattung nahe verwandte Blumenmalerei war bereits in der Alexanderepoclie im Schwünge '') . Unter den von Peiräikos behandelten Gegenständen werden obsonia ange- 1) N. 1585. 15SÜ. 2j Am Besten vertreten durch das florentiner Exemplar. Gori, statuae, quao extant in thesauro Mediceo' III 09. 3) Plin. XXXV ()5. 4) Dies bezeugt der Ausspruch des Nikias bei Demctr. Phaler. de elocutione 7« (vgl. oben Seite .■«)!») und die Nachricht über die Blumen- malerei des Pausias (Plin. XXXV I25j. XXV. Thierstück und Stillleben. 313 führt ^] . Jedenfalls ist der griechische Ursprung des culinarischen Stilllebens durch die dieser Gattung eigenthümliche griechische Benennung »xenia« bezeugt 2). Das berühmte Mosaik des Sosos, der oTxoi; aaapojxo«; , war im Grunde nichts weiter , als eine in kolossalem Maassstabe ausgeführte decorative Schilderung dieser Art '^) . Wenn endlich spätere canosiner Vasen der bereits oben erwähnten Technik bisweilen Lyren , Flöten und andere musika- lische Instrumente neben einander gruppirt darstellen *] , so fragt es sich , ob nicht diese Schilderungen durch entsprechende Leis- tungen des gleichzeitigen kunstmässigen Stilllebens bedingt sind. Endlich findet die Ansicht, welche wir über die Entstehungs- zeit dieser Gattung ausgesprochen, durch den Vergleich der Poesie eine Bestätigung. Diese Kunst, deren Entwickelung , wie wir öfters zu beobachten Gelegenheit hatten , in innigen Beziehungen zu der der Malerei steht, bietet seit dem dritten Jahrhundert V. Chr. Schilderungen dar, welche sich dem Stillleben vergleichen lassen. Es sind dies epideiktische Epigramme , welche sich auf Weihungen von Früchten, Geräthen , Spielzeug u. s. w. be- ziehen '•) . Durch die Aufzählung dieser Gegenstände werden der Phantasie ähnliche Eindrücke vergegenwärtigt, wie sie der Pinsel des Malers in dem Stillleben erzielt. Der Blumenmalerei, welcher wir zum ersten Male in der Alexanderepoche begegnen, gehen auf dem Gebiete der Dichtung die bekannten Schilderungen des Chai- remon'') vorher. Die Untersuchung des Verhältnisses , in welchem die Still- leben der campanischen Wandmalerei zu der älteren Entwicke- lung stehen, unterliegt ähnlichen Schwierigkeiten, wie wir sie bei Betrachtung des Thierstücks hervorhoben. Da solche Darstel- lungen nicht so sehr ein schöpferisches Genie , wie das Talent, die Natur scharf zu beobachten und getreu wiederzugeben , er- fordern , so liegt kein Grund vor , der Kaiserzeit gelungene Leistungen auf diesem Gebiete abzusprechen. Eine Bemerkung des Varro''] über eine der Malerei der Stillleben verwandte Gat-^ 1) Plin. XXXV 112. 2) Vitruv. VI 10 p. 150 Rose. Philostrat. senior, imag. I 31. II 26. •6) Plin. XXXVI 184. 4) Mehrere Exemplare dieser Art befinden sich im Besitze Herrn Alexander Castellanis. Derselben Gattung scheint das von Heyde- mann , die Vasensammlungen des neapler Museums p. 8 n. 253 be- schriebene Gefäss anzugehören. 5) Siehe z. B. Leonidas, Anth. pal. VI 300, Phanias, Anth. pal. VI 209. 6) Bei Athen. XIII p. 608 D. Welcker , die griech. Tragödien Abth. III p. 1088 ff. 7) Bei Plin. XXXV 155. 314 Der Hellenismus und die campanisclio Wandmalerei. timg der Plastik bezeugt, in wie hohem Grade die damalige Kuust bei Behandlung solcher Gegenstände der Natnr nahekam. Ein gewisser Possis ahmte Aepfel , Trauben und Fische in bemaltem Thon so getreu nach, dass es, wie Varro angiebt, unmöglich war, dieselben von wirklichen zu unterscheiden. XXVI. Die decorativ angewandten Figuren, Bei der wunderbaren Schönheit, welche die Anlage der Figuren dieser Gattung offenbart, dürfen wir mit Sicherheit annehmen, dass dieselben nicht in der Kaiserzeit , sondern in einer künst- lerisch begabteren Epoche erfunden sind. Und zwar weisen auch hier die wenigen Anhaltspunkte , welche die Ueberlieferung dar- bietet, auf die Alexander- oder Diadochenperiode hin. Münzen, Vasenbilder, Spiegelzeichnungen, Reliefs von Spiegelkapseln und andere Producte dieser Periode zeigen Gestalten, welche mit denen der campanischen Wandmalerei, die uns in diesem Abschnitte be- schäftigten, die grösste Verwandtschaft verrathen. Eine genaue Ueberein Stimmung in allen Einzelheiten haben wir allerdings auch bei diesem Vergleiche nicht zu gewärtigen. Das classische Alter- thum Hess der Selbstthätigkeit des reproducirenden Künstlers oder Handwerkers stets einen verhältnissmässig weiten Spielraum und gestattete ihm, das wiederzugebende Motiv nach den Bedingungen des Raumes, für welchen, und der Technik, in welcher er arbei- tete, eigeuthümlich zu modificiren. Es ist daher vollständig be- greiflich , dass , wenn ein Stempelschneider , ein Vasen- oder Spiegelzeichner und ein Wandmaler durch die Reminiscenz des- selben Motivs bestimmt wurden, die Reproduction in so verschieden bedingten Kunstzweigen allerlei Abwandlungen herbeiführte. Uebcrhaupt haben wir bei dieser Untersuchung nicht so sehr die formellen Einzelheiten, wie den Geist zu berücksichtigen, welcher aus den zu vergleichenden Gebilden spricht. Dieser aber zeigt eine so in die Augen springende Uebereinstimmung , wie sie nur bei Erzeugnissen derselben Entwickelung möglich ist. Auf Münzen des Pyrrhos*) ist eine schwebende Nike dar- gestellt , welche in der Rechten einen Kranz , über der linken 1) Raoul Rochetto, memoire sur les mudaillos de Pyrrhus pl. I 2 in den Memoires de numism. et d'antiquitös p. 50 ff. Huber, numismat. Zeitsclir. iU (1871) Taf. V li Denkm. d. a. K. l 54, 2ül. XXVI. Die decorativ aTigowandten Figuren. 315 Schulter ein Tropaion trägt. Niemand wird die nahe Verwandt- schaft verkennen, welche zwischen dieser Gestalt und entsprechen- den der campanischen Wandmalerei obwaltet. Weitere Analogien ergeben sich durch den Vergleich der mit polychromen Relief- verzierungen geschmückten Gefässe, welche sich namentlich in unteritalischen Nekropolen , jedoch auch anderweitig finden und deren Fabrik jedenfalls einer beträchtlich älteren Epoche, als der Kaiserzeit, angehört ^j. Auf einer Amphora dieser Gattung, welche nach einer Angabe aus Malta, nach einer anderen aus Todi stammt 2), kehrt viermal als Reliefverzierung eine Nike wieder , welche über der linken Schulter ein Tropaion trägt und dasselbe mit erhobener Rechten stützt. Eine ganz entsprechende Figur kommt in der pompeianischen Wandmalerei vor>*). Auch der Typus der Krug und Schale haltenden Nike, welcher sich häufig an canosiner Gefässen der bezeichneten Gattung findet "*], ist in der Wandmalerei durch eine Reihe entsprechender Figuren vertreten-^). Endlich dürfen wir noch eine thönerne zum Auf- hängen bestimmte Nike , die aus einem attisclien Grabe stammt und deren Ausführung jedenfalls beträchtlich vor die Kaiserzeit fällt ß), wegen der Verwandtschaft der Auffassung zum Vergleiche heranziehen. Wenn Nike in der Wandmalerei bisweilen eine Schiffsprora trägt ^), so lag, wie sich aus dem von uns im vier- undzwanzigsten Abschnitte Auseinandergesetzten 8) ergiebt, der Gedanke , die Siegesgöttin mit diesem Attribute auszustatten , der hellenistischen Epoche ungleich näher, als der Kaiserzeit. Bei dem Festzuge des Ptolemaios Philadelphos '') traten Niken mit Thymiaterien in den Händen auf. Ein verwandter Gedanke liegt zu Grunde , wenn die Göttin in Pompei einen Dreifuss tragend dargestellt ist '") . Bereits 0. Jahn hat darauf hingewiesen' i), wie die gchweben- den Figuren, die innerhalb der Arabesken der unteritalischen 1) In den Gräbern von Canosa finden sich solche Gofässe , wie mir Herr Raffaele Gargiulo mittheilt, zugleich mit bemalten Vasen späten unteritalischen Styls. 2) Bull, deir Inst. 185^ p. 54. Zeichnung im Apparat des Instituts. ;}) N. itü2. 4) Dieser Typus ist meines Wissens nirgends publicirt , sondern nur einmal flüchtig notirt im Bull, dell' Inst. 18G4 p. T.VJ. 5) N. 920 fr. 6) Stackeiberg, Gräber der Hellenen Taf. 60. 7) N. 9i:{. 914. 8) Vgl. oben Seite 303 ff.' 9) Kallixenos bei Athen. V p. 197 E. 10) N. 925. 11) Vasensammlung König Ludwigs, Einleitung p. CCXXI. 316 Der Hellenismus und die carapanische Wandmalerei. Vasen angebracht sind , vielfach an Motive der Wandmalerei er- innern. Um nur einen besonders bezeichnenden Beleg hervor- zuheben , so erinnere ich an zwei Frauengestalten , welche den Hals eines ruveser Gefässes schmücken ') . Gehüllt in feine Ge- wänder, welche die Umrisse des Körpers durchschimmern lassen, schweben sie auf einander zu, indem sie die eine Hand, wie grüs- send, zum Antlitze erheben. Die links vom Betrachter befindliche streckt die Rechte, mit welcher sie das Gewand gefasst hält, nach rückwärts und lässt durch diese Bewegung das Gewand in einer Fülle von Falten hinter sicli flattern. Denken wir uns diese Ge- stalten in eine durchgeführte , farbige Behandlung übertragen, dann ergiebt sich eine. den berühmten Mädchenfiguren aus der sogenannten Villa des Cicero nahe verwandte Darstellung. Bei einer der letzteren'-^) ist auch die Bewegung des zur Seite ge- streckten Arme? ganz ähnlich behandelt wie auf der Vase. Die- selbe Verwandtschaft stellt sich heraus , wenn wir die tanzen- den Frauen oder Mädchen , welche auf Gefässen späteren Styls dargestellt sind, zur Vergleicliung heranziehen. Eine der an- muthigsten Figuren dieser Art findet sich auf einer aus den süd- russischen Ausgrabungen stammenden Vasenscherbe '■^) . Beson- ders aber sind es die unteritalischen Gefässe, welche sich hinsicht- lich der Auffassung und Bewegung solcher Figuren mit der Wand- malerei berühren^). Die Zeichnung eines in Korinth gefundenen Spiegels ^) stellt zwei in zarte durchsichtige Gewänder gehüllte Frauengestalten dar, welclie mit tanzartigen Bewegungen neben einander schweben. Die links vom Betrachter schwebende hält mit der vorgestreckten Linken den äussersten Zipfel des Gewandes, welches ihren Körper umgiebt , und wendet den Kopf nach der neben ihr befindlichen Gefährtin. Diese schwebt nach vorwärts, indem sie die Rechte, welclie unter dem Gewände geborgen ist, zum Antlitz erhebt, wobei Kinn und Mund von dem Saume des Gewandes bedeckt 1) Ann. deir Inst. IHA'.i Tav. d'agg. 0, Buchstabe Q. Die Vase ist von Heydemann, die Vasenaaiumiungen des neapler Museums p. 502 ff. n. 3220 beschrieben. 2) N. 1904. 3) Stephani , Corapte rcndu ISG!) Taf. IV 12. 4J Inghirarai, vasi fittili II 183. III 273. IV 313. Tischbein, vases Hamilton III 24. I 48 (= Denkm. d. a. K. II 45, 504). Heydemann, die Vasensaranilungen des neapler Museums p. 101 n. 1991, p. 255 n. 2303, p. 443 n. 2919, p. 552 n. 3242. Zu vergleichen ist auch die über einen Blüthenkeich dahin schreitende Mädchenfigur auf einer unteritalischon Vase : Tischbein, vases Hamilton IV 14, Ann. dell' Inst. 1813 Tav. d'agg. 0, Buchstabe T. 5) Revue arch. XVII (1868) pl. I p. 89 ff. XXVI. Die decorativ angewandten Figuren. 317 werden. Die Gruppe erscheint durch die Anmuth der Erfindung, den leichten Ausda'uck des Schwebens, die Bewegung der Hände, die Behandlung der Gewänder , welche die Uniriisse des Körpers durchblicken lassen , einer ganzen Keihe campanischer Wand- malereien nahe verwandt. Die auf dem Spiegel zur Linken dar- gestellte Figur berührt sich im Besonderen mit einem schweben- den Mädchen, welches in der sogenannten Villa des Cicero gemalt war ') . Die andere erinnert in der Anordnung des Gewandes und der Geberde der Rechten an eine Personilication des Winters 2) ^ in der Stellung der Arme an eine schwebende Mädchenfigur , die in der Regel für eine Muse erklärt wird ^) . Benndorf ^) beschreibt die Reliefs einer in Megara gefundenen Spiegelkapsel mit folgenden Worten ; »Links ein bocksbeiniger, bärtiger Pan, welcher, in lebhaftem Tanze begriffen, nach rechts die Arme ausstreckt, um eine bekleidete Mainade (en face) zu' haschen , welche gleichfalls tanzt und in der gesenkten Linken ein Tympanon hält«. Eine andere Theke korinthischer Provenienz wird von Friederichs ^) beschrieben; »Ein Pan setzt einer Bak- chantin zu , mit der linken Hand bewundert und mit der rechten untersucht er die Schönheit ihres geöffneten Busens. Die Bak- chautin hat in der Linken ein Tambourin und hält mit der Rechten den fortflatternden Zipfel ihres Ueberwurfes«. Ganz ähnliche Gruppen , nur dass an die Stelle des Pan ein Satyr tritt , finden sich auch in der Wandmalerei *•) . Wären unsere Begriffe über den Styl der an die Alexander- epoche anknüpfenden Entwicklung zu grösserer Klarheit ge- diehen , dann dürfte auch eine Reihe von Terracottenfiguren be- sprochen werden. Da jedoch die Ansichten hierüber noch beträcht- lich schwanken , so begnüge ich mich , nur an eine Figur zu er- innern, in welcher jedes einigermaassen geübte Auge eine Original- arbeit aus der Alexander- oder Diadochenperiode erkennen wird. Es ist dies die. in vielen Gypsabgüssen verbreitete Mädchen- figur attischer Provenienz , welche , umflossen von einem dünnen faltigen Gewände , tanzend vorwärts schreitet , indem sie die Linke an die Seite stemmt und mit der abwärts gestreckten Rechten das Gewand festhält^). Derselben Entwickelung wird auch eine aus Griechenland stammende Silberfigur angehören, welche vor etwa drei Jahren in Paris von den Herren Rollin und 1) N. 1939. 2) N. 999. 3) N. 19ü5. 4) Arch. Zeit. IsG^ p. TT n. T. 5j Kleinere Kunst und Industrie im Alterthum p. 21 n. 2»- 1>. (5) N. 513 ff. T) Zu vergleichen sind auch die Terracotten bei Biardot, les terres-cuite.s grccques funebres, Atlas pl. XXXII I. XXXVI 2. 318 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Feuardent erworben wurde und ebenfalls durch Gypsabgüsse in weiteren Kreisen bekannt ist. Sie stellt ein Mädchen dar, welches vermuthlich ein Schema des von den Griechen Trivaxi? genannten Tanzes^) aufführt. Indem sie die Wucht des Körpers auf dem linken Beine ruhen , das rechte dagegen leicht in den Fügungen spielen lässt , zieht sie mit der einen Hand das Gewand empor, welches über ihren rechten Schenkel, den Rücken und den linken Arm herabfällt , und stützt sie mit der gesenkten Linken einen Teller an die Seite. Die Terracotte wie die Silberfigur offenbaren denselben Geist, wie er in entsprechenden Gestalten der Wand- malerei zu herrschen pflegt. Die letztere stimmt auch in der Stel- lung und Bewegung mit einer der in der sogenannten Villa des Cicero gefundenen Mädchenfiguren überein 2] . Noch hinsichtlich mehrerer anderer Figuren , welche in ver- schiedenen tanzartigen Schemata aufgefasst sind und in grosserem oder geringerem Grade an Gebilde der Wandmalerei erinnern, wie der auf den Reliefs des athenischen Dionysostempels 3) , auf einem ReHef im Museo Chiaramonti ^) , auf einer lateranischen Ära '') , der Tänzerin aus Palazzo Caraffa In Neapel ^) , einer ähnlichen Statue in der vaticanischen Galeria delle Statue''), lässt es sich wahrscheinlich machen , dass sie in der Alexander- oder Diadochenperiode erfunden sind. Doch will ich hier nicht Vermuthung auf Verrauthung bauen und beschränke ich daher meinen Vei-gleich auf die bisher angeführten sicher beglaubigten Producte der damaligen Kunst. Jedenfalls sind die Gestalten , mit denen wir uns in diesem Abschnitte beschäftigt, ganz in dem Geiste der an die Alexander- epoche anknüpfenden Entwickelung. Erst als der Privatluxus die bildenden Künste zu einer üppigen decorativen Wirkung herangezogen hatte, konnten solche duftige Gebilde entstehen, welche, ohne tieferen Inhalt, lediglich darauf ausgehen, in Form 1) Athen. XIV p. 629 F. 2) N. 192.3. 3) 'E) Mon. deir Inst. VI. VII 84, 2. 0. Jahn , aus der Alterthums- wissenschaft Taf. VI. 320 Der Hellenismus und die eampaiiische Wandmalerei. hält, personificiren hier den Morgenthau und die Morgenröthe. Niemand wird die Behauptung aufstellen , dass diese Gruppe für den Panzer des Augustus erfunden worden sei; Vielmehr ist sie offenbar, wie die übrigen Motive, welche den Bilderschmuck des- selben ausmachen, als fertiges Erzeugniss aus der älteren griechi- schen Entwickelung herübergenommen ^) . Dass sie nicht aus specifisch römischen Vorstellungen erwachsen ist, ergiebt sieh deutlich aus der Thatsache , dass die lateinische Sprache eines besonderen Namens für die mit der Morgenröthe verbundene Thaugöttin entbehrt. Mögen uns die Mittel fehlen , um die Er- findungszeit dieser Gruppe näher zu bestimmen, immerhin werden wir auch hier auf eine vor die Kaiserzeit fallende und acht grie- chische Kunstthätigkeit hingewiesen. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. Die Geschichte des Uebergangs der von der hellenistischen Malerei erfundenen Compositionen nach Italien ist in tiefes Dunkel gehüllt. Sie bildet ein Glied in der grossen culturhistorischen Entwickelung, durch welche die hellenistische Civilisation all- mählig von den östlichen Ufern des Mittelmeeres nach Westen verbreitet wurde. Mag der Verlauf dieses Processes im Grossen und Ganzen, das stätige Vordringen des Hellenismus, und als schliess- liches Resultat die Uebermacht desselben über die nationalen Ele- mente , deutlich erkennbar sein , so ist doch im Besonderen hin- sichtlich der Kunst unsere Kenntniss zu dürftig, um die einzelnen Entwickeluugsstadien darzulegen und chronologisch zu bestimmen. Einigermaassen in Zusammenhang mit unserer Untersuchung stehen nur zwei Zeugnisse der lateinischen Komödie. Eine Stelle des Plautus'-^) zeigt deutlich , dass die hellenistische Decorations- weise, welche Tafelbilder, in der Frescomalerei nachgeahmt, zu Mittelpunkten der .Wanddecoration machte, zur Zeit dieses Dicli- ters, also in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr., in Italien eingebürgert war. Dagegen sind die Stoffe, welche Plautus als in dieser Decoration geläufig bezeichnet , der Raub des Ganymedes durch den Adler und die Entführung des Adonis durch Venus , innerhalb der Wandmalerei der Kaiserzeit nicht 1) 0. Jahna. a. 0. p. 291 ff. 2) Menaechmi I 2, 31 ff. Vgl. oben Seite 139. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 321 nachweisbar. Der um etwa ein Menöchenalter spätere Terenz^l er- wähnt ein Gemälde, welches Danae im Begriff den goldenen Regen zu empfangen, also einen häufig in den campanischen Städten be- handelten Gegenstand , darstellte. Doch sind die Andeutungen, welche der Dichter von dem Danaebilde giebt , zu allgemein ge- halten , um zu beurtheilen , ob dasselbe eine der nachmals von den Wandmalern reproducirten Compositionen darstellte. Der Vorgang, wie sich überhaupt acht griechische Kunstübung allmählig auf italischem Boden verbreitete , lässt sich noch am Deutlichsten veranschaulichen durch die Nachrichten, welche über den römischen Aufenthalt griechischer Künstler vorliegen. Be- reits in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. sind zwei grossgriechische Plasten, Damophilos und Gorgasos, daselbst beschäftigt, den Cerestempel mit polychromen Terracottenarbeiten zu verzieren 2). Doch gehört diese Thatsache in eine t^ntwicke- lung , welche mit der durch die Wandbilder vertretenen selbst- verständlich nichts zu thun hat. Anders verhält es sich dagegen mit der Thätigkeit der Künstler, weiche seit dem dritten Jahr- hundert V. Chr. nach Italien übersiedelten. Da dieselben der hel- lenistischen Epoche angehörten, so kann die Verbreitung der hellenistischen Malerei recht wohl neben der Einwanderung solcher Künstler hergegangen sein. In das dritte Jahrhundert v. Chr. könnte der italische Aufenthalt des Simos fallen, welcher Walker malte , wie sie die Quinquatrus feiern — vorausgesetzt , dass die Combiuation , welche Brunn hinsichtlich dieses Künstlers vorge- schlagen , richtig und die Angabe des Plinius über das Gemälde desselben genau ist 3) . Zur Zeit des Naevius war Theodotos , ein heruntergekommener griechischer oder grossgriechischer Maler, in Rom mit Herstellung von Larenbildern beschäftigt 4] . Im Jahre 186 V. Chr. (566 d. St.) wanderten griechische Künstler in grosser Zahl nach Rom, um bei der Ausstattung der Spiele, welche M. Fulvius Nobilior während des aitolischen Kriegs gelobt hatte, behülflich zu sein ^) . Mag auch die von Livius angewendete Be- zeichnung artifices vieldeutig sein , so spricht bei der römischen Sitte , den Platz , wo die Spiele Statt fanden , mit einem improvi- sirten malerischen Schmuck zu versehen, alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich darunter auch Maler befanden. Diese Spiele waren noch in einer anderen Hinsicht für das Eindringen grie- chischer Sitte bedeutsam ; denn bei denselben wurde dem römi- 1) Eunuch. .583 fT. (III 5, 35 flf.) Vgl. oben Seite 243 ff. 2) Plin. XXXV 154. 3) Vgl. oben Seite 5. 4) Ribbeck, Comic, rel. p. 2(i. Vgl. Rhein. Mus. IV(1S46) p. 133 ff. 5) Liv. XXXIX 22. H e 1 b i g , Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. 2 1 322 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. sehen Volke zum ersten Male das Schauspiel eines hellenischen Athletenkampfes zu Theil. Die Söhne des Philhellenen Aemilius PauUus waren von einer Menge griechischer Lehrer umgeben, worunter ausdrückhch auch Bildhauer und Maler namhaft ge- macht werden 1). Nachdem PauUus im Jahre 168 v. Chr. den Persens besiegt , berief er den Athener Metrodoros , damit derselbe die für seinen Triumph erforderlichen Gemälde her- stelle 2) . Einer der Söhne des entthronten Perseus suchte in Rom seinen Lebensunterhalt als Toreut zu gewinnen ■^) . Ungefähr in dieselbe Zeit fällt der römische Aufenthalt des alexandrinischen Landschaftsmalers Demetrios , in dessen Hause der im Jahre 165 V. Chr. vertriebene Ptolemaios VL Philometor einkehrte^). Weiterhin veranlasste die grausame Regierung des Ptolemaios VIL Euergetes IL eine Menge von Gelehrten und Künstlern , unter denen auch Maler erwähnt werden , zur Auswanderung aus Alexandreia ^) . Wiewohl es nicht ausdrücklich bezeugt wird , so ist es doch sehr wahrscheinlich , dass viele derselben von der mächtig aufblühenden italischen Hauptstadt angezogen wurden. Besonders bedeutsam jedoch tritt die Thätigkeit, welche die griechische Kunst in Rom entfaltete, nach der 156. Olympiade (156 — 153 V. Chr.) hervor, in der Plinius , wie bereits bemerkt, ein Wiederaufleben der Plastik annimmt *') . Hermodoros von Salamis leitete nach dem Triumphe des Q. Caecilius Metellus über Makedonien (146 n. Chr. = 608 d. St.) den Bau der mit dem Namen dieses Feldherrn bezeichneten Porticus. Derselbe Archi- tekt baute etwa zehn Jahre später im Auftrage des Brutus Gal- laecus den in der Region des Circus Flaminiiis befindlichen Mars- tempel ") . Die in dem Bereiche der Poiiicus des Metellus ge- legenen Tempel erhielten durch griechische Bildhauer, Polykles, Dionysios, Timokles undTiuiarchides, ihren plastischen Schmuck^) . Eä liegt ausserhalb unseres Zweckes , diese Entwickelung weiter abwärts zn verfolgen. Nur sei hier noch des asiatischen Griechen gedacht . welcher als Maler in Ardea thätig war und daselbst das Bürgerrecht und den Namen Q. Plautius empfing-'). Die von Plinius erhaltene Inschrift seiner Wandmalereien zeigt, 1) Plutarch. Aemil. Paul. VI. 2) Plin. XXXV 135. .'}) Plutarch. Aemil. Paul. XXXVII. 4) Overbcck, Schriftquellen N. 2141 ff. Vgl. oben Seite 289. ö) Menekles und Andron bei Athen. IV p. 184 B. ü) Vgl. oben Seite 164. 7) Vgl. Brunn , Gesch. d. griech. Künstl. II p. 357 ff. 8) Vgl. Brunn, Gesch. d. griech. Künstl. I p. 530 ff. 9) Plin. XXXV 115. Vgl. Hertz, de M. Pluutio poeta ac pictore Vratisl. ISüT p. 12 ff. Mouimscn, röm. Gesch. H p. !I55. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 323 da sie in lateinischen Hexametern abfi^efasst ist, dass die Thätig- keit dieses Künstlers nach Ennius fällt. Andererseits weist die Verleihung des ardeatischen Bürgerrechts auf die Zeit vor dem B mdesgenossenkrieg hin ; denn in Folge desselben verloren die Ardeatiner ihre Autonomie, hatten also kein Bürgerrecht mehr zu vergeben. Mag diese Bestimmung auch einen Spielraum von ziem- lich vier Menschenaltern offen lassen , so ist es immerhin inter- essant wahrzunehmen, wie bereits vor dem Bundesgeuossenkrieg griechische Künstler nicht nur in Rom, sondern auch in die latini- schen Landstädte einwanderten. Es bleibt uns nun noch übrig , zu untersuchen , in wie weit sich die Wandbilder zur Keconstruction der Malerei der Alexander- und Diadochenperiode benutzen lassen und in wie weit sie den Anforderungen genügten, welche das gleichzeitige Publicum an dieselben zu stellen berechtigt war. Diese beiden Untersuchungen, die eng zusammenhängen, werden verschiedene Erscheinungen, die in den vorhergehenden Abschnitten nicht eingehend genug berücksichtigt worden sind , in das rechte Licht stellen und Ein- würfe beseitigen, welche gegen die bisherigen Ergebnisse erhoben werden könnten. Es sind vorwiegend drei Gesichtspunkte , welche hierbei zu berücksichtigen sind : 1 ) die Bestimmung der grössten Masse der Wandbilder, nach welcher dieselben als ständiger Schmuck in Wohnzimmern figuriren sollten , 2) die Bedingungen der decora- tiven Frescotechnik , '6) die Eigenthtimlichkeiten der Räume , in denen die Bilder gemalt wurden. Die Räume des antiken Privathauses, abgesehen von den palastähnlichen Wohnungen der Grossen, waren in der Regel von verhältnissraässig geringem Umfange. Compositionen von monumentalen Dimensionen und entsprechender Auffassung eig- neten sich daher im Gro.ssen und Ganzen nur wenig zur Aus- schmückung des Privathauses. Es konnte leicht geschehen, dass selbst Tafelbilder von massiger Grösse innerhalb der engen Räume gedrückt erschienen. Die Wandnialer waren sich dieser Schwierigkeit bewtisst und haben dieselbe durch verschiedene Auskunftsmittel zu umgehen versucht. Dies geschah einer Seits durch die Behandlung der auf den Wänden gemalten Architektur. Die hellenistische Decoration in ihrer einfachsten Form , wonach die Wände des Zimmers selbst in Felder eingetheilt und im Fresco nachgeahmte Tafelbilder zu Mittelpunkten derselben gemacht werden , findet sich in den campanischen Städten verhältniss- mässig selten. Gewöhnlich ist ein complicirteres Verfahren ein- geschlagen. Die Mitte der Wand nimmt ein von zwei Säulen oder Pilastern getragenes Vestibulum mit perspectivisch behandelter 21 * 324 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Decke ein , welches den Durchblick auf eine ausserhalb des Zim- mers gelegene Wandfläche verstattet. Auf dieser Wandfläche ist dann als Mittelpunkt ein in der Frescomalerei nachgeahmtes Tafel- bild angebracht. Durch diese Behandlung erschien überhaupt der Raum erweitert. Zugleich aber ergab sich der Vortheil , dass die Tafelbilder nicht mehr die Mauern des Zimmers selbst beschwer- ten , sondern an einer ausserhalb desselben gelegenen Fläche an- gebracht erschienen , deren Dimensionen und Tragfähigkeit sich die Pliantasie in beliebiger Weise vorstellen durfte. Ein noch grösserer Raum liess sich für die figürliche Darstellung gewinnen, wenn dieselbe nach dem Principe des Prospectenbildes behandelt wurde. Die Architekturmalerei schildert die Wand als durch- brochen, wie von einer Art von Thür oder Fenster, oder coulissen- ürtig geöffnet. Innerhalb dieses imaginären freien Raums setzt die Composition ein und erweckt somit den Eindruck , als ob die dargestellte Handlung ausserhalb des Zimmers vor sich ginge und durch die Oeffnung der Wand wahrgenommen würde. Hierbei ist die Mauer nicht durch ein Tafelbild, dessen Umfang zu dem ilirigen ausser Verhältniss stehen würde , beschwert ; vielmehr erscheint die Malerei von der Architektur vollständig emancipirt. In der klarsten Weise, welche den Durchbruch der Wand deutlich durch die structiven ßestandtheile der Architekturmalerei veranschau- licht, ist diese Behandlung bei den Bildern der lo und der Galateia auf dem Palatin zur Anwendung gekommen ') . Auch das grosse Adonisbild in der pompeiauischen Casa d'Adonide ferito^) ist in ähnlicher Weise in eine imaginäre Oeff"nung der Wand eingesetzt. Doch steht diese Erscheinung in den campanischen Städten ziem- lich vereinzelt da. In weiterem Umfange kommt hier die pro- spectenartige Behandlung nur bei Bildern zur Anwendung, wo die Handlung auf einem ausführlicheren , landschaftlichen Hinter- gründe vor sich geht, wie es z. B. auf dem grossen Aktaionbilde in der Casa di Sallustio^) und auf dem Dirkegemälde aus Casa del Granduca^) der Fall ist. Es scheint somit, dass dieses Ver- fahren vorwiegend auf solche Bilder beschränkt blieb , welche durch die Natur ihres Hintergrundes dem ursprünglichen Cha- rakter des Profspectenbildes nicht allzu ferne standen. I) Die Bilder sind, jedoch ohne die umgebende Architektur- malerei, publicirt in der Revue arch6ologique XXI (1870) pl. XV, pl. XVni. 2) N. 340. ;<) N. 249'». Hier wird jedoch der deutliche Ausdruck des Durch- blicks durch den dunklen Rand beeinträchtigt, der das Bild oben und an den beiden Seiten umgiebt. 4) N. 1151. Dieses Bild ist ohne umgebenden Rand wie in einer fensterartigen Oeffnung auf dem schwarzen Wandfelde augebracht. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 325 Nun lag es allerdings nahe , eine Megalographie , damit die Keproduction den gegebenen Räumen entspräche, zu reduciren. Bisweilen ist dies auch geschehen. Zwei Megalographien des Ni- kias , die lo und die Andromeda , erscheinen in der Wandmalerei bisweilen zu Bildern von verhältnissmässig beschränktem Umfange verkleinert ') . Wenn , wie wir es nachzuweisen versucht , die carapanischen Europabilder durch verschiedene Zwischenstadien auf eine Composition des Antiphilos zurückgehen'^), so ist auch hier eine Megalographie oder wenigstens die Hauptfigur aus einer solchen auf geringere Dimensionen reducirt. Die herculanische Medeia ^) steht wie hinsichtlich der Auffassung , so auch voraus- sichtlich in den Dimensionen dem Original des Timomachos näher, als die beiden kleineren pompeianischen Bilder *) . Doch hatte dieses Verfahren immerhin etwas Missliches; denn leicht konnte hierdurch der wesentliche Inhalt und Charakter der wiederzu- gebenden Composition beeinträchtigt werden. In noch höherem Grade jedoch als die Dimensionen , ist bei dieser Untersuchung der Inhalt der Megalographien der Alexander- und Diadochenperiode zu berücksichtigen. Der grösste Theil der erhaltenen antiken Wandbilder stammt aus Privathäusern. Die Anforderungen, welche naturgemässer Weise an diesen ständigen Zimmerschmuck gestellt wurden ,. schlössen eine Menge gerade der bedeutendsten Compositionen jener Entwickelung von der Keproduction aus. Gemälde, welche schreckliche Vorgänge ver- wirklichten , waren gewiss nicht geeignet , um als dauernder Schmuck der Zimmer vor den Augen der Insassen zu figuriren. Aristeides •"•) giebt dem hierbei maassgebend* n Gefühle Aus- druck , wenn er seine Abneigung gegen cpoßspa rs xai aaeß^ Ypajx}i.ata ausspricht und im Gegensatze dazu Gemälde hei- teren Inhalts preist, w^e eines, welches den Empfang des Palaimon durch seinen Vater Poseidon darstellte. Der Ver- fasser eines anakreontischen Gedichts •"') verlangt , indem er über den Bilderschmuck Anweisung giebt , mit dem sein Becher zu verzieren ist, dass die Reliefs desselben nicht ein cpeuxtov laTopTifjLa , sondern Dionysos , Kypris , waffenlose Eroten , die lächelnden Chariten und Phoibos darstellen. Die Betrachtung der Wandbilder lehrt, wie die Alten bei der Auswahl der in dem 1) N. 131 ff. N. 1188. 2) Vgl. oben Seite 225 flf. , 3) N. 1264. Vgl. oben Seite 146 flF. 4) N. 1262. 1263. 5) Orat. III. Isthm. in Neptun. 28 (I p. 46 ed. Dindorf). 6) Anacreontea 4 (18) Bergk. Vgl. Seneca , dial. IV 2, 4: movet mentes et atrox pictuia. 326 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Privathause zu repioducirenden Corapositioneu von einer ganz ähnlichen Empfindung bestimmt wurden. Die Malereien der F^riese, der Predellen, der in die Architekturmalerei eingelassenen Vignettenbildchen, auch die Staffagen einiger als Mittelbilder be- handelter Landschaften lassen sich kaum» gegen diec^e Annahme geltend machen ; denn bei der Kleinheit der Figuren kommt die Handlung , w^elches Charakters sie auch sein mag , nicht zu un- mittelbarem Ausdruck. Anders dagegen verhält es sich mit den als Tafelbildern behandelten Compositionen mythologischen oder historischen Inhalts , welche den Mittelpunkt der Wandfelder bilden und durch den Platz , den sie einnehmen , ihre Grösse und eine eingehendere Ausführung besonders die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Innerhalb dieser Gattung finden sich Schilderungen, deren Inlialt geeignet wäre, Schrecken oder Grauen zu erwecken, verhältnissmässig selten. Die Compositionen, welche als Aus- nahmen von dieser Regel angeführt werden könnten, sind fol- gende: die Medeia des Timomachos, von der eine Keplik sicher aus einem Privathause, aus der pompeianischen Casa dei Dioscuri, stammt'), einige Bilder, welche die Strafe des Aktaion"^), ein anderes, welches die Strafe der Dirke darstellt-^), das Opfer der Iphigeneia aus Casa del poeta*), endlich das Gemälde, welches den Tod der Sophoniba schildert'»). Doch stellt es sich bei näherer Betrachtung heraus , dass auf mehreren dieser Gemälde der ergreifende Inhalt durch das Her- vortreten anderer Elemente der Darstellung oder durch die Weise des Vortrags gemildert ist. Das grosse pompeianische Dirkebild vertritt eine eigenthümliche Uebergaugsgattung von der Megalo- graphie zu der Landschaftsmalerei und nimmt das Interesse des Betrachters nicht nui- durch die Handlung , sondern auch durch die landschaftliciien Bestandtheile in Einspruch. Ebenso findet ^ sich der von den Hunden angefallene Aktaion in der Kegel auf Gemälden mit ausführlich entwickeltem landschaftlichen Hinter- grunde. Ausserdem ist die Scliilderuug des leidenden Helden ge- wöhnlich auf einen ferneren Plan entrückt und zieht die im Vorder- grunde befindliche .sinnlich reizende Ge.stalt der badenden Göttin zunächst die Aufmerksamkeit auf sich. Ein pompeianisches Ge- mälde") entbehrt zwar einer ausführlicheren Charakteristik der Landschaft und stellt den von den Hunden angegriffenen Aktaion in dem Vordergrunde dar. Dagegen lässt hier die leise archai- sirende Behandlungsweisc das Patlios der Scene nicht zu un- mittelbarem ifusdrucke gelangen^). Aehnlich verliält es sich 1) N. 1262. 2) N. 24!)— 250. .H) N. 1151. 1) N. I304. 5) N. l:<85. (ij N. 24!). 7) Vgl. oben Seile 00. XXVIl. Die hellenistische Malerei auf italischem Bodcu. 327 mit dem Iphigenieiiopfer ans der Casa del poeta'j. Demnach bleiben als Compositionen, welche sich unbedingt als Ausnalimen von der oben aufgestellten Regel betrachten lassen , nur die Me- deia aus Casa dei Dioscuri und das Sophonibabild übrig , — gegenüber der Füllender anders gearteten Gemälde eine ver- schwindend geringe Zahl. Wir dürfen es somit als hinlänglich sicher betrachten , dass die Alten bei Decoration des Privat- liauses die Schilderung eines cpsuxtov bToprj[j.a zu vermeiden pflegten. Hieraus erklärt es sich leicht, dass eine Reihe ergrei- fender Schöpfungen der hellenistischen Megalographie , wie das Bild des Antiphilos , welches den Untergang des Hippolytos dar- stellte 2), die auf die Orestie bezüglichen Compositionen des Theon-') und geistesverwandte Gemälde anderer derselben Ent- wickelung angehörigeu Meister , von der Wandmalerei unberück- sichtigt gelassen wurden. Eine andere Richtung der Megalograpliie , welche durch zwei der bedeutendsten Meister der Alexanderepoche , Apelles und Protogenes *) , eingeleitet wurde, beschäftigte sich mit der Ver- herrlichung Alexanders oder seiner Nachfolger. Da das itali- sche Publicum der griechisch-römischen Epoche Compositionen, welche sich auf bestimmte Persönlichkeiten oder Ereignisse der Vergangenheit bezogen, nur ein beschränktes Interesse entgegen- bringen konnte, so war auch diese Richtung keineswegs geeignet, um in weiterem Umfange auf die Wandmalerei zu wirken. Doch will ich hiermit die Möglichkeit nicht abläugnen, dass drei pom- peianische Wandbilder, welche Nike und einen siegreichen Krieger zusammenstellen^), auf Motive aus dieser Entwickelung der hel- lenistischen Kunst zurückgehen. Wenn demnach der Inhalt vieler der bedeutendsten Megalo- graphien der Alexander- und Diadochenperiode und gerade solcher, über die wir durch die Ueberlieferung am Ausgiebigsten unterrich- tet sind, den Anforderungen widerstrebte, welche naturgemässer Weise in griechisch-römischer Epoche an den bildlichen Schmuck des Privathauses gestellt wurden . dann ist es ganz begreiflich, dass die Wandmalerei von der Reproduction derselben abstand. Ueberhaupt war es nicht die Megalographie, sondern das Cabinets- bild, welches hierfür die geeignetsten Bedingungen darbot. Seine beschränkten Dimensionen entsprachen den Verhältnissen der 1) Vgl. oben Seite «5. 2) Plin. XXXV 114. 3) Vgl. Brunn, Gesch. d. gr. KUnstl. II p. '255. Ann. dell' Inst. 1865 p. 239 ff. 4) Overbeck, Schriftquellen N. 1875 ff. Plin. XXXV 106. 5) Heibig N. 940, 941 und p. 457. 328 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Räume, welche die Wandmalerei zu schmücken unternahm. Für den privaten Genuss berechnet, ging es nicht so sehr darauf aus, den Betrachter durch einen tiefen oder bedeutsamen Inhalt zu er- greifen , wie ihn angenehm anzuregen , indem es leicht fassliche Situationen und anmuthige oder charaktervolle Erscheinungen in feiner Ausführung schilderte. Musste die Frescotechnik bei ihren beschränkten Mitteln auf die Feinheit der Durchführung ver- ziehten , so war der Inhalt , welchen das Cabinetsbild verwirk- lichte , ganz geeignet , um als Mittelpunkt der Zimmerdecoration dem Auge einen angenehmen Ruhepunkt zu gewähren. Es er- klärt sich daher leicht , dass die Auswahl der von der Wand- malerei zu reproducirenden Compositionen vorwiegend innerhalb der Cabinetsbilder getroffen wurde. Mit der Erwähnung der beschränkten Mittel der decorativen Technik haben wir ein weiteres Moment berührt, welches bei dieser Auswahl berücksichtigt werden musste. Gemälde, bei denen die Durchführung besonders in das Gewicht fiel , ver- loren durch die Uebertragung in das Fresco ihren wesentlichen Reiz. Die coloristische Anmuth eines Apelles, die staunens- werthe Naturwahrheit eines Protogenes , die feinen physiogno- mischen Abstufungen, wie sie die allegorisirende Richtung der Malerei, z. B. das dem Apelles zugeschriebene Gemälde der Verläumdung')^ erforderte, konnten durch die Frescotechnik auch nicht annähernd zum Ausdruck gebracht werden. Die Wandmaler haben daher , der Grenzen ihrer Kunst bewusst , auf die Reproduction solcher Gemälde verzichtet. Während sich die griechische Kunst seit der Alexanderepoche eifrig der Blumen- malerei befliss^), bietet die Wandmalerei unter den Bildern, welche als einigermaassen selbstständige Bestandtheile aus der Zimmerdecoration heraustreten, keine entsprechende Erscheinung dar. Sie war ausser Stande , die Feinheit der Formen und den Farbenschmelz der Blume wiederzugeben und überliess daher die decorative Behandlung dieser Gegenstände dem Mosaik, dessen Material, bunte Steine, glänzende Pasten, durchsichtige Glasstifte, bei solchen Schilderungen eher der Natur nahe kommen konnte-^) . Aus technischen Rücksichten erklärt es sich ferner , wenn die charakteristische Richtung der hellenistischen Malerei, wie sie 1) Lucian. calumn. non tom. cred. IV. Vgl. oben Seite 216. 2) Es bezeugt dies der Ausspruch des Nikias bei Demotr. Phal. de elocutione 7(i und die Blumenmalerei des Pausias (Plin. XXXV 125). H) Die scliönste Darstellung dieser Art ist der Blumenkorb aus Uonia vecchia, der im Vatican in der Sala della crocc greca einge- lassen ist: Braun, Ruinen und Museen p. 413 n. 157. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 329 z. B. durcli die Schusterbuden des Peiräikos*) und den von Plinius'^) erwähnten alten Hirten vertreten war , nur in sehr beschränktem Maasse berücksichtigt wurde. Was in der kunstmässigen Malerei als ein Charaktertypns auftrat, konnte, in die Frescotechnik über- tragen, leicht zu einer absolut hässlichen Erscheinung werden. Die Wandmaler haben daher nur wenige Compositionen , auf denen solche Gestalten vorkommen, zu reproduciren gewagt, wie die mit dem zechenden Barbarenjünglinge 3) und einige genrehafte Darstellungen aus dem Leben der Theater- und Tonkünstler ^), und sich im Uebrigen , wenn sie Schilderungen aus dem städti- schen Alltagsleben geben wollten, der comicae tabellae bedient, deren Inhalt bei den feststehenden Typen der Masken und der Tracht auch mit beschränkten Mitteln zum Verständniss gebracht werden konnte. Aus denselben Gründen wurden Darstellungen vermieden, bei denen Lichtetfecte bedeutsam hervortraten. Der Feuer anblasende Knabe des Antiphilos, ein wegen der Behandlung der Lichtreflexe berühmtes Gemälde '•) , wird in dem gegenwärtig bekannten Vorrathe antiker Wandgemälde vermisst. Auf einem poinpeianischen Bilde, welches die Schmiede des Ilephaistos dar- stellt"), ist der Feuerschein , welchen der flammende Heerd ver- breiten müsste , gar nicht ausgedrückt. Allerdings schildern die beiden auf die Geschichte von Kimon und Pero bezüglichen Wandgemälde") das in den Kerker dringende Sonnenlicht, die vaticanische Unterweltslandschaft den Schein , welcher aus der Oberwelt in den Orcus fällt**), und ein herculaner Bild") den sich über Zeus wölbenden Regenbogen. Doch tritt die Licht- erscheinung auf diesen Gemälden immerhin nur als nebensäch- liches Motiv auf, und beruht das wesentliche Interesse auf anderen Elementen der Darstellung. Endlich findet noch eine andere Erscheinung, welche bei Betrachtung der Wandbilder auffällt, durch die Beschränktheit der Technik ihre Erklärung. Wir kennen nur zwei Gemälde, welche Elemente gebundener Kunstweise enthalten : die Iphigeneia aus ( 'asa del poeta und ein Aktaionbild'o). Und doch war gerade in der Epoche, in welcher die Ausführung der Wandbilder Statt hatte , das Interesse für archaische Malerei weit verbreitet ^M und äussert sich der archai- . 1) Plin. XXXV 112. 2) Plin. XXXV 25. 3) N. 1448. 1418i>. •1) N. 1455 ff. 5) Plin. XXXV 138. 6) N. 259. 7) N. 1376. Giern, d. scav. (n. s.) II Taf. III. 8) Vgl. oben Seite 215. 9) N. 113. 10) Vgl. oben Seite 65 ff. 11) Vgl. oben Seite H ff. und namentlich Quintilian VIII 3, 25: Olli enim et quianam et miis et pone pellucent et aspergunt illam, quae etiam in picturis est gratissima, vetustatis inimitabileni 330 Der Hellenismus und die campanischc Wandmalerei. sirende Geschmack deutlich in erhaltenen Denkmälern der gleich- zeitigen Plastik. Wenn diese Richtung in der Wandmalerei nur ganz geringfügige Spuren hinterlassen hat , so erklärt sich dies offenbar daraus , dass die Vorzüge , welche die damalige Zeit an der noch nicht zu vollständiger Freiheit gediehenen Kunst schätzte , die präcise Sauberkeit und Eleganz der Darstellung, für die decorative Frescotechnik unerreichbar waren. Im Grossen und Ganzen zeigt die Summe der Wandbilder, dass die Architekten oder Maler , welche die Auswahl der zu re- producirenden Compositionen veranstalteten , ein richtiges Ver- ständniss für die Bedingungen dieses Kunstzweiges besassen. Nur gegen wenige Schilderungen, wie die Lichteffecte und die Reflexe fester Körper in durchsichtigen oder glänzenden Materien , über welche im neunzehnten Abschnitte die Rede war ') , lässt sich der Vorwurf erheben , dass sie die Grenzen der Technik überschrei- ten. Doch hat man hierbei eine Thatsache zu berücksichtigen, die im Folgenden eingehendere Würdigung finden wird, dass nämlich die gedämpfte Beleuchtung, welche in dem antiken Wohnhause herrschte, den mangelhaften Ausdruck solcher Er- scheinungen nicht mit derselben Schärfe hervortreten Hess , wie es bei dem vollen Lichte der Fall ist, in welchem wir heut zu Tage die Gemälde betrachten. Urtheile man hierüber, wie man wolle, jedenfalls sind die meisten der in der Wandmalerei repro- ducirten Compositionen solche , deren wesentlicher Inhalt durch die Mittel der Technik veranschaulicht werden konnte, deren Ge- stalten, klar gedacht und schön gestellt, auch ohne eingehende Ausführung das Auge des Betrachters anziehen. Wenden wir uns nunmehr zu der Untersuchung , in wie weit die Wandbilder die Originale getreu wiedergaben , so müssen wir zunächst einer Erscheinung gedenken, die in den frühereu Ab- schnitten bereits öfters berührt worden ist. Wenn die griechische Kunst einen ansprechenden Gedanken in vollendete Form gebracht hatte , dann pflegten die folgenden Generationen das G(!gebene in eigenthümlicher Weise weiter zu entwickeln , den Gedanken ver- schiedenartig zuzuspitzen , den Bestand der Composition durch Zuthaten zu erweitern oder durch Auslassungen zu verkürzen. Eine solche Weiterentwickelung knüpfte auch an die grossen ma- lerischen Schöpfungen der Diadochenperiode an, wie es die Unter- art! auctoritateni, und XII 10, .'{: Clari pictores fuisse dicuntur Poly- gnotus atquo Aglaophon, quorum simplex color tarn sui studiosos adhuc habet, ut lila propc rudia ac velut futurae uiox artis priniordia maxiniis, qui post oos extiterunt, auctoribus praeferant, proprio quodam intel- ligendi, ut inca opinio fort, auibitu. 1) Siehe oben Seite 214. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 331 suchungen üiltheys ') über die Medela des Timomachos und unsere Betrachtungen über die Iphigeneia desselben Künstlers und die Europa des Antiphilos^) bewiesen. Es fehlt uns an Anhalts- punkten, um die einzelnen Neubildungen, welche auf solchem Wege entstanden, chronologisch zu bestimmen. Mögen auch manche derselben aus früherer Epoche datiren , so liegt doch kein Grund vor, die Thätigkeit der Kaiserzeit in dieser Hin- sicht gering zu veranschlagen. Vielmehr beweist die Analogie der Plastik , dass die damalige Kunst noch in hohem Grade die Fähigkeit besass , ein gegebenes Motiv in eigenthümlicher Weise zurecht zu machen und zu nüanciren. Fragen wir, wie sich die Wandmalerei zu dieser Weiterentwickelung verhielt , so ist es zweifellos, dass dieselbe in vielen Phallen nicht das hellenis- tische Original in seinem ursprünglichen Bestände, sondern Ge- bilde reproducirte , welche die spätere Kunst aus diesem Origi- nale abgeleitet hatte Die beiden pompeianischen Medeiabilder geben die Composition des Timomachos mit einer Abwandlung wieder , welche , wie wir im sechszehnten Abschnitte sahen , mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einem Gemälde voraus- gesetzt werden darf, das in einem griechischen Epigramm behan- delt ist •"') . Ebenso fehlt in der Wandmalerei eine getreue Repro- duction der taurischen Iphigeneia des Timomachos ; vielmehr be- gegnen wir nur Corapositionen , in denen die Schöpfung des Byzantiers beträchtlich modificirt ist^). Hinsichtlich einer der- selben, der. welche am Besten durch die Replik aus Casa del Cita- rista vertreten ist, ergab sich durch den Vergleich mit Sarkophag- reliefs, dass sie in den verschiedensten Gegenden des orbis aiitiqiius geläufig war. Eine solche Verbreitung ist aber nur unter der Vor- aussetzung wahrscheinlich , dass diese Composition zunächst in einem Kunstwerke Gestalt empfing , welches allgemeinen Beifall fand und hierdurch geeignet war, auf weitere Kreise zu wirken •'') . Wenn endlich die Europabilder auf eine gemeinsame Grundlage zurückweisen, die wir in der Europa des Autiphilos vermutheten, so zeigen die mannigfachen Nuancen , welche die Gestalt der an den Stier gelehnten Heroine darbietet, was für eine Fülle von Neubildungen die sj)ätere Kunst durch Weiterentwickelung der Composition, die als Ausgangspunkt diente, in das Leben rief"). Auch spricht alle innere Wahrscheinlichkeit dafür, dass bisweilen 1) Ann. deir Inst. 1869 p. 46 ff. 2) Siehe oben Seite 14!» ff. 224 ff. 3) Siehe oben Seite 147. 4) Siehe oben Seite 140 ff. 5) Siehe oben Seite 151. 6) Siehe oben Seite 224 ff. 332 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. ein abgeleitetes Gebilde leichter in die Wandmalerei p]ingang fand, als die hellenistische Composition in ihrem ursprünglichen Be- stände. Wie jenes zeitlich der Epoche, in welcher die Wand- bilder hergestellt wurden , näher stand , so mochte vielfach auch die ihm eigenthümliche Abwandlung des Gedankens dem Publicum, für welches die Wandbilder bestimmt waren , in höherem Grade zusagen , als die ursprüngliche Auffassung. Besonders nahe lag dies aber, wenn die Weiterentwickelung, wie es oft der Fall war, darauf ausging, das sinnlich reizende oder heiter tändelnde Element zu betonen. Sind uns doch auch von der knidischen Aphrodite des Praxiteles nur sehr wenig im Ganzen getreue Copien erhalten, während die Menge der Statuen, welche Typen wiedergeben , die aus jener Schöpfung abgeleitet sind , beinahe unzählig ist. Wir dürfen demnach voraussetzen, dass viele Wand- bilder nicht unmittelbar, sondern durch Zwischenstadien auf hel- lenistische Originale zurückgehen. Fragen wir ferner , wie die Wandmaler ihrerseits mit den ihnen von der Kunst übermittelten Motiven umgingen, so sind zunächst wiederuui die Bedingungen ihrer Technik in das Auge zu fassen. Bei dem hastigen Frescoverfahren war an eine genaue Durch- bildung der Einzelheiten , wie sie bei dem Staffeleibilde möglich war, nicht zu denken. Der Wandmaler konnte selbst, wenn er es sich ernstlich angelegen sein liess, ein Tafelbild genau zu copiren, doch nur einen Auszug aus demselben geben. Wir dürfen daher annehmen, dass selbst zwischen den sorgfältigsten Wandgemälden und den Tafelbildern , welche ihnen als Originale dienten , ein beträchtlicher Abstand vorlag. Am Meisten treten aus der gewöhnlich üblichen decorativen Behandlungsweise vier herculanische Bilder heraus, welche die Schmückung eines Mädchens, einen siegreichen Schauspieler, der eine Maske weiht, eine (^oncertprobe und eine noch nicht sicher erklärte mythologische Scene darstellen'). Schon die tech- nischen Vorrichtungen , die Zubereitung der Stuckfläche , die auf das Sauberste geglättet, und die Farben, die mit grosser Feinheit gerieben sind, zeugen von der besonderen Sorgfalt, welche auf die Herstellung dieser Gemälde verwendet wurde. Auch weist die Beschafl'enheit des Randes, der nicht wie gewöhnlich aus einer einfachen braunen Leiste besteht, sondern aus mehreren bunten Streifen zusammengesetzt ist, darauf hin , dass man be- dacht war, diese Bilder in nachdrücklicher Weise aus der um- 1) N. 143.'), 1460, 1462, 1389»». Vgl. Donner, die ant. Wand- malereien in tcchn. Beziehung p. CXVI. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 333 gebenden Wanddecoration heraus zu heben. Die Durcliführung der Bilder selbst leistet in der That Alles, was die Mittel der Technik gestatteten . Vollständig derselben Herr , hat der Maler Schatten wie Lichter in mannigfachen Abstufungen auf die Localtöne auf- zusetzen und die Darstellung in einer Weise durchzubilden ver- standen , welche die sonstigen Leistungen der campanischen Wandmalerei weit übertrifft. Mögen auch bei der Uebertragung in die Frescotechnik viele Feinheiten der Originale, in denen wir mit hinlänglicher Sicherheit Tafelbilder voraussetzen dürfen , ab- geschwächt oder getrübt worden sein, so geben uns diese Gemälde immerhin den annäherndsten Begriff von der Leistungsfähigkeit der kunstmässigen Tafelmalerei der damaligen Epoche. Wie hoch sie bereits im Alterthum geschätzt wurden, bezeugt der Umstand, dass man sich die Mühe gab , sie aus der Mauer , auf der sie ursprünglich gemalt waren , herauszuschneiden , um sie in eine andere Decoration einzufügen. Die vier Bilder fanden sich in einem noch nicht ausgemalten Zimmer an die Wand angelehnt >) . Offenbar sollten sie in die Wände dieses Raumes eingelassen wer- den, als die unerwartete Katastrophe, der Ausbruch des Vesuvs, eintrat. Es würde zu weit führen , die verschiedenen Grade , welche sich hinsichtlich der Genauigkeit der Durchführung innerhalb der ganzen Denkmälergattung unterscheiden lassen , durch bestimmte Beispiele zu veranschaulichen. Allerdings ist die Zahl der flüchtig und recht eigentlich decorativ behandelten Gemälde die über- wiegende. Doch lässt sich auch hier den Wandmaleni im Grossen und Ganzen das Verdienst nicht absprechen , dass sie mit Ver- ständniss zu Werke gehen, dass sie, entsprechend der Be- schränktheit der Mittel , das Bedeutsame und Unbedeutsame in der Erscheinung zu unterscheiden und Jenes mit dem gehörigen Nachdrucke hervorzuheben wissen. Selbst ganz flüchtig hin- geworfene Bilder bezeugen die tüchtige Ti-adition, welche die damalige Malerei, mochte auch die Erfindungskraft erschöpft sein, hinsichtlich des Machwerks bewahrt hatte. Wie die Wandmaler durch die Beschränktheit ihrer Technik genöthigt wurden, auf die eingehende Durchführung, welche vor- aussichtlich den Originalen eigenthümlich war , zu verzichten , so zeigt die Weise, wie sie diese Technik handhabten, dass auch der Bestand der wiederzugebenden Motive als solcher, abgesehen von der Durchführung, mannigfachen Abwandlungen ausgesetzt war. Von der Anwendung mechanischer Hülfsmittel findet sich , abge- sehen von den Ornamenten und den Architekturen, in der campani- I) Vgl. Winckelmann , Briefe an Bianconi § 18. 334 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. sehen Wandmalerei nicht die geringste Spur. Pause oder Schablone scheinen , soweit gegenwärtig unsere Kenntniss reicht , bei figür- lichen Schilderungen niemals benutzt worden zu sein. Nur in vereinzelten Fällen Hessen sich die Wandmaler herbei, ehe sie mit dem Pinsel arbeiteten, die Figuren durch einen einigermaassen vollständigen Umriss zu bestimmen. Gewöhnlich ritzten sie , um den Platz zu bezeichnen , wo die einzelnen Motive hingehörten, wenige Striche auf den Stuckgrund ein , welche skelettartig die Haltung der Gestalten und die Stellung ihrer Glieder andeuteten, und arbeiteten sie über diesen Strichen sofort mit dem vollen Pinsel ^) . Nehmen wir auch an, dass der Wandmaler ein Vor- legeblatt vor Augen hatte , so konnte bei diesem Verfahren unmöglich eine genaue Copie , sondern im günstigsten Falle nur eine im Allgemeinen übereinstimmende Wiedergabe der Original- motive erzielt werden. Besass aber der Maler eine gewisäe Frische der Auffassung und Keckheit der Hand , dann konnte es kaum ausbleiben , dass er im Eifer und in der Hast der Arbeit, sei es auch nur hinsichtlich geringfügiger Einzelheiten , von dem Originale abwich. Dieser Sachverhalt kommt deutlich zum Be- wusstsein , wenn wir die in mehreren Repliken vorliegenden Wandbilder unter einander vergleichen. p]s ist in der ganzen Denkmälergattung kein Fall nachweisbar , dass zwei Gestalten unter einander vollständig übereinstimmen. Vergleichen wir bei- spielshalber die Darstellungen der fischenden Aphrodite"^), so sehen wir deutlich , dass sie alle auf dasselbe Original zurück- gehen. Nichtsdestoweniger aber werden wir einer ganzen lieihe von Abweichungen gewahr. Auf N. 351 steht der rechte Unter- arm der Göttin, welcher die Angel hält, ziemlich tief und berührt er beinah das Knie der Figur. In ungefähr horizontaler Lage ist er auf N. 349 und 354 dargestellt. Noch höher steht die reciite Hand auf N. 352 und 353 , wo der Maler vermuthlich darstellen wollte, wie die Göttin den Fisch , der soeben augebissen hat , aus dem Wasser herauszuschnellen im Begriff ist. Der Kopf dei' Aphrodite steht bald gerade (N. 349), bald mehr vorwärts geneigt (N. 351). Die Stellung der Füsse und der Fall des Gewandes bieten überall allerlei wiewohl unbedeutende Verschiedenheiten dar. Bald ist das Haupt der Göttin vollständig schmucklos (N. 348, 353) , bald mit einem Haarbande (N. 349, 351) , bald mit einer klei- nen Krone (N. 34G, 354), bald mit einem Epheukranze (N. :s5>) verziert. Die einander ähnlichsten Producte in der ganzen Wand- malerei sind zwei Bilder, welche einen Dichter oder Regisseur 1) Vgl. Donner, die ant. Wandm. intechn. Beziehung p. LXXI fF. 2) N. ;<4() ff. XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 335 darstellen , der einem Schauspieler Anweisung ertheilt ^] . Doch lassen sich auch auf diesen gegenwärtig, da sie nebeneinander aufgestellt sind, mehrere wenn auch geringfügige Unterschiede nachweisen. Die Halbmaske , welche der Schauspieler auf dem Kopfe trägt, sitzt auf N. 1455 beträchtlich rückwärts und wird von unten in eigenthümlicher Verkürzung gesehen. Auf dem an- deren Bilde dagegen liegt sie mehr nach der Stirn zu und ist sie beinah in der Seitenansicht dargestellt. Während auf N. 1455 der Schauspieler durch den emporgestreckten linken Daumen in sehr bezeichnender Weise die Aufmerksamkeit ausdrückt, mit der er die Rede seines Meisters begleitet, ist der Daumen auf dem anderen Gemälde an das in der linken Hand befindliche Pedum angedrückt. Dort ragt das halbe rechte Bein des sitzenden Mannes neben dem Scrinium hervor, hier ist nur die Fussspitze sichtbar. Bei solchen Abweichungen , die wir , wie gesagt , bei allen Re- pliken desselben Motivs wahrnehmen , ist es sogar wahrschein- lich, dass die Wandmaler gar kein Vorlegeblatt vor Augen hatten , sondern die Motive auswendig wussten und dieselben frei und aus dem Gedächtniss reproducirten. Eine in der Wandmalerei sehr häufig vorkommende Erschei- nung ist die V^erkürzung des Bestandes der Originalcomposition. So ist die lo des Nikias auf pompeianischen Wandgemälden mit Auslassung der Figur des Hermes reproducirt^) . Auf einem der auf die Andromeda desselben Meisters zurückgehenden Gemälde 3) fehlt die Gruppe der 'Axtai. Während die Composition , welche Danae auf Seriphos schildert, von Haus aus voraussichtlich zwei P'ischer enthielt, welche die Heroine mit Fragen bestürmen, be- gegnen wir auf einer Replik nur einem Fischer und ist auf zwei anderen Danae mit dem Perseusknaben ohne jegliche Neben- figur dargestellt *) . Da solche Auslassungen , wo es galt , die einzelnen Bilder , welche als Gegenstücke gemalt wurden , hin- sichtlich ihres Bestandes und ihrer Verhältnisse in den erforder- lichen Einklang zu bringen , sehr nahe lagen und sie auch ohne besondere künstlerische Befähigung bewerkstelligt werden konn- ten, so sehe ich keinen Grund, dieselben der selbstständigen Thätigkeit der Wandmaler abzusprechen. Wo dagegen der Be- stand einer Composition durchgreifendere Veränderungen erfahren hat , müssen wir es öfters unentschieden lassen , ob dieselben von der kunstmässigen Malerei vorgebildet oder von den Wandmalern improvisirt sind. Doch erfordert die Erörterung der ganzen 1) N. 1455, J456. 2) Vgl. hierüber und über das P^olgende oben Seite 141 ff. 3) N. nsü. 4) Vgl. üben Seite 14ö ff. 336 Der Hellenismus und die canipanische Wandmalerei. Summe von Erscheinungen diener Art eine eingehende ver- gleichende Analyse aller Repliken der einzelnen Compositionen, auf die ich, da sie die Grenzen dieses Buches überschreiten würde, verzichten muss. Jedenfalls ist die Freiheit , mit der die Wandmaler verfahren durften, zur Beurtheilung des ganzen Kunstzweiges von der grössten Tragweite. Hierauf beruht die Frische , welche auch in ihren untergeordnetsten Leistungen so erquicklich wirkt und die- selben in so vortheilhafter Weise von entsprechenden Pioducten der modernen Kunstindustrie unterscheidet, die mit peinlicher Genauigkeit eine bestimmte Vorlage wiedergeben und die lange Weile, die dabei der Arbeiter empfand, auch dem Betrachter mit- theilen. Aus dieser Freiheit der Reproduction erklärt es sich ferner, dass auch das den Originalen zu Grunde liegende Kunstprincip bisweilen durch die den Wandmalern eigenthUmliche Auffassung, durch den Einfluss der dieselben umgebenden Aussenwelt , end- lich durch zufällige Launen der Maler oder ihrer Auftraggeber getrübt wurde. Wir dürfen mit hinreichender Sicherheit an- nehmen , dass die Kunst im höheren Sinne des Worts , wenn wir von ganz vereinzelten Erscheinungen absehen, auf dem Gebiete der mytliologischen Darstellung stets ein im Wesentlichen ideales Ge- staltungsprincip verfolgte, dass sie selbst in den jüngsten Stadien ihrer Productivität , mochte sie auch auf die Grossartigkeit der älteren Typen verzichten, immerhin schöne oder wenigstens an- muthige Erscheinungen verwirklichte. Auch in der mythologi- schen Malerei der campanischen Städte ist dieses Princip im Grossen und Ganzen festgehalten. Züge einer verschieden- artigen , mehr individuellen Charakteristik finden sich verhält- nissmässig selten. So zeigt das Gesicht des Perseus , welcher die Andromeda das Spiegelbild des Medusenhauptes betrachten lässt. einmal eigenthümlich derbe Formen'). Von der Darstellung des Perseusknaben als unförmlichen Wickelkindes war bereits im sechszehnten Abschnitte die Rede 2). Auf einem Bilde mit den drei Chariten 3) ist das Profil der mittleren Göttin sehr individuell gebildet ; alle drei Gestalten zeigen im Vergleiche mit dem sehr langen Oberkörper verhältnissmässig kurze Beine, Proportionen, welche Ruraohr^) mit Recht als eine Eigenthümlichkeit des itali- schen Stammes im Gegensatz zum griechischen bezeichnet. Die 1) N. 1196. •2) N. 121. Vgl. oben Seite 146. :i) N. S56. Atlas Taf. IX». 4) Italicnische Korschungeu I p XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 337 Gesichter der Phaidra und des Hippolytos sehen auf einem pom- peianischen Riindbilde ') beinah wie Portraits aus. Wir dürfen es als hinlänglich sicher annehmen , dass die Originale , auf welche diese Gemälde zurückgehen, die Chariten, Perseus, Phaidra und Hippolytos als ideale Gestalten behandelten und dass jene Züge individueller Charakteristik von den Wandmalern absichtlich oder unwillkürlich unter Eindrücken der sie umgebenden Aussenwelt beigefügt sind. Allerdings blieben Erscheinungen dieser Art auch der kunstmässigen Malerei nicht vollständig fremd , wie denn Arellius , ein im letzten Jalirhundert der Republik thätiger Künstler, den Göttinnen, die er malte, die Züge seiner Geliebten zu geben pflegte 2) . Doch zeigt die Fassung , in welcher Plinius diese Nachricht mittheilt, deutlich, dass das Verfahren des Malers allgemeines Aufsehen erregte und aus dem Kreise des gewöhn- lich Ueblichen heraustrat. Wie sich die kunstmässige Plastik bei mythologischen Schilderungen auf einer idealen Höhe hielt, so wird auch die gleichzeitige Schwesterkunst nur ausnahmsweise einer abweichenden Charakteristik Eiiigang verstattet haben. Näher lag dies bei einer mehr handwerksmässigen Production, wie es die Wandmalerei war. Die realistische Richtung war in der Masse des Volkes besonders beliebt und kam namentlich auf nie- drigen Gebieten zur Geltung 3) . Wir sahen , wie die untergeord- netste Gattung der Wandmalerei , die der Laren- und Penaten- bilder, beinah regelmässig von Einflüssen dieser Richtung durch- drungen ist 4). Obwohl nun die Maler, welche die zum Wand- schmuck bestimmten Gemälde herstellten, auf einer höheren Stufe standen , als die der Sacralbilder , so waren sie doch eben nicht mehr als Decorationsmaler. Es ist daher nicht zu verwundern, dass auch sie bisweilen von der volksthümlichen Richtung be- rührt wurden und Züge aus der sie umgebenden Wirklichkeit in die Gestalten der griechischen Mythologie hineintrugen. Während es in den oben erwähnten Fällen unentschieden bleiben rausste, ob die betrefi'ende Charakteristik unwillkürlich oder mit bestimmter Absicht erfolgte , dürfen wir bei einer merk- würdigen Darstellung des Daidalos entschieden das Letztere an- nehmen. Während dieser Heros gewöhnlich ganz im Geiste der griechischen Kunst als stattlicher Mann mit vollem Haare und Bart geschildert wird"') , tritt er auf einem Wandgemälde, welches darstellt , wie er der Pasiphae die von ihm gefertigte hölzerne 1) N. 1247. 2) Plin. XXXV 119. 3) Vgl. oben Seite 39, 42, 75. 4) Vgl. oben Seite 89 ff. 5) So auch auf dem Wandgemälde N. r2U5. Hei big, Untersuchungen ü. d. carapan. Wandmalerei. ^2 338 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. Kuh zeigt ') , bartlos mit vollständig kahlem Haupte und eigen- thümlich scharf geschnittenen Zügen auf, die an das Portrait des älteren Scipio erinnern. Ohne Zweifel hat der Maler in dieser Gestalt die Erscheinung einer bestimmten , ihm bekannten Per- sönlichkeit verewigt, die sich vielleicht in irgend welchem Zweige des Kunsthandwerks hervorthat und somit den Vergleich mit Daidalos, dem mythologischen Prototyp solcher Thätigkeit, nahe- legte. Da diese Darstellungs weise jedenfalls auf ganz individuellen Motiven beruht, so werden wir schwerlich jemals im Stande sein, dafür eine sichere Erklärung zu finden. Doch auch wo die Wandmaler, wie es gewöhnlich der Fall ist, eine ideale Schönheit schildern, dürfen wir kaum annehmen, dass sie die den Originalen eigen thümlichen Typen genau wieder- geben. Es stellt sich dies deutlich heraus durch den Vergleich der cainpanischen Wandgemälde mit denen, welche an anderen Stellen des orbis antiquus zu Tage gekommen sind Leider ist unsere Kenntniss in dieser Hinsicht noch sehr beschränkt und bietet uns vor der Hand «ui* Rom, namentlich durch die auf dem Palatin entdeckten Wandbilder, ausreichenden Stoff zur Ver- gleichung. Die lo und die Galateia auf dem Palatino) stimmen liinsichtlich der Anlage mit Gestalten campanischer Wandbilder überein , verrathen aber eine verschiedene Charakteristik. Sie sind zarter , schlanker und von durchsichtigerem Colorit , als auf den entsprechenden campanischen Fresken , welche die beiden Heroinen mit volleren Formen und einer derberen Sinnlichkeit ausstatten. Während die lo dort feine Züge und einen sehr edlen Ausdruck zeigt , ist sie auf den campanischen Wandbildern be- trächtlich gröber aufgefasst. Wäre der römische Kopf aus der umgebenden Stuckfläche herausgeschnitten und mit einem ent- sprechenden pompeianischen zusammengestellt, so würde es auch dem feinsten Auge schwer fallen , zu erkennen , dass beide auf dasselbe Original zurückgehen. Die Gründe dieser Divergenz sind hinlänglich klar. Indem die Typen von Generation zu Generation überliefert -und unzählige Male und an den verschie- densten Orten reproducirt wurden, konnte es nicht ausbleiben, dass ihr ui'sprünglicher Charakter bei dem Durchgänge durch so mannigfache Zwischenstadien allerlei Modificationen erfuhr. Zie- hen wir ausserdem die Freiheit in Betracht, mit welcher die Wand- malcr bei der Ueproduction zu Werke gingen , dann ist es ganz begreiflich, dass die Typen von Einflüssen berührt wurden, welche an der Stelle maassgebend waren , wo die lieproduction 1) N. 1206; vielleicht auch auf N. 1480. 2) Revue archoologique XXI (1870) pj. XV, XVHl. XXVII. Die hellenistische Malerei awf italischem Boden. 339 Statt fand. In Rom wird demnach der grosse Culfiirmittelpunkt, der gewähltere Geschmack , die unmittelbare Nähe von griechi- schen Originalen, vielleicht auch die Erscheinung der römischen Weltdame einen verfeinernden Einfluss auf die Reproduction der Wandmaler ausgeübt haben , während die Thätigkeit ihrer cam- panischen Collegen durch weniger günstige Verhältnisse bedingt wurde. Endlich haben wjr hierbei noch das Verhältniss der Bilder als Bestandtheile der Wanddecoration zu berücksichtigen. Nach- dem der ursprünglich übliche Gebrauch, wonach wirkliche Tafel- geraälde zu Mittelpunkten der Felder gemacht wurden , der Her- stellung der gesammten Decoration durch die Frescomalerei ge- wichen war, lag es ganz in dem classischen Geiste, durch Unter- ordnung der einzelnen Glieder unter das Ganze eine einheitliche Wirkung, anzustreben. Bis zu einem gewissen Grade wurde dies schon durch die Gleichheit der Technik erzielt. Bei einer der Wirklichkeit entsprechenden Durchführung der Mittelbilder wären dieselben in schneidendem Contraste aus der Wanddecoration herausgetreten. Da die dürftigen Mittel der Frescotechnik zu einer andeutenden Behandlung nöthlgten, so kam diese Beschrän- kung der Harmonie des Gesammteindrucks zu Gute. Doch scheint es , dass die Alten sich hiermit nicht begnügten , sondern dass sie auch die Farbenscala der einzelnen Bestandtheile — der Wand- felder , der Mittelbilder , der Architekturen — zu einer einheit- lichen Wirkung abzutönen suchten. Es ist das Verdienst Hettners^) , zuerst einige Beobachtungen über diesen Gegenstand mitgetheilt zu haben. Vielfach stellt sich, wenn die Wandmalereien unmittel- bar nach ihrer Ausgrabung untersucht werden , eine eigenthüm- liche Uebereinstimmung zwischen dem Tone des Mittelbildes und dem der umgebenden Wand heraus. Ist z. B. die Wand roth gemalt, dann hat das Mittelbild ein leuchtendes Colorit und pflegen die Schatten röthlich abgetönt zu sein. Auf einem dunklen, etwa schwarzen Felde zeigt das Mittelbild eine dumpfere Farbenscala und eine entsprechende Schattirung. Wenn diese Erscheinung, wie überhaupt die Farbenlehre der Alten, nicht mit der Aufmerk- samkeit ergründet worden ist, die sie verdient , so erklärt sich dies hinlänglich aus den Schwierigkeiten , die ihre Untersuchung mit sich bringt. • Da die atmosphärische Luft im Laufe der Zeit das Colorit der Wandmalereien modificirt und auch die Firnisse oder Wachse , mit welchen die Bilder zu ihrer Sicherung über- zogen werden, immerhin gewisse Abwandlungen des ursprüng- 1) Vorschule zur bildenden Kirnst der Alten p. 307 ff. 324 ff. 22* 340 Der Hellenismus und die campanische Wandmalerei. liehen Tones hervorrufen ^) , so muss die eingehende Behandlung dieses Gegenstandes nothwendig einem neapolitanischen Gelehrten überlassen bleiben , der Gelegenheit hat , eine Reihe von Jahren hindurch die Wandmalereien unmittelbar nach ihrer Ausgrabung zu untersuchen. Sollte sich hierbei auch kein consequent durch- geführtes Gesetz, sondern nur so viel herausstellen, dass die ein- zelnen Maler nach eigenem Ermessen und gewissermaassen in- stinctiv eine coloristische Harmonie der einzelnen Theile der De- coration anstrebten , so würde auch dieses Resultat ein weiteres Moment ergeben , welches die genaue Wiedergabe der in den Mittelbildern zu reproducirenden Originale beeinträchtigte. Schliesslich hat man, um die Eigenthümlichkeiten der Wand- bilder richtig zu würdigen , die Beleuchtung zu berücksichtigen, für welche sie von Haus aus berechnet waren. Dieser Gesichts- punkt fällt bei Beurtheilung derselben gleich schwer in das Ge- wicht , wie bei der der Sarkophage, deren Reliefs einen ungleich ruhigeren und befriedigenderen Eindruck machen, wenn wir sie statt bei vollem Lichte in einem Halbdunkel betrachten, wie es der antiken Grabkammer eigenthümlich war. Die Durch- führung der in Pompei an Ort und Stelle belassenen Wand- gemälde erscheint bei dem vollen Lichte , welches sie , da das Dach des Hauses stets , die Decken der einzelnen Räume in der Regel zerstört sind , von allen Seiten umfängt , allerdings meist dürftig und hart. Ganz anders dagegen werden sie gewirkt haben, als die Architektur und die Einrichtung des antiken Hauses noch in ihrem vollen Bestände vorhanden waren. Damals fiel das Licht nur durch die Oeffnungen, welche in dem Dache über dem Atrium und dem Peristyle angebracht waren , in das Innere des Hauses und theilte sich von dem Atrium und Peristyle aus den um diese beiden Räume gruppirten Wohn-, Schlaf- und Speisezimmern mit. Diese ganze Zimmerflucht war somit , da die Decke das Oberlicht ausschloss , lediglich von der Seite aus beleuchtet. Doch wurde auch dieses von der Seite kommende Licht durch allerlei Vor- richtungen gedämpft. An den Säulen des Atriums und Peristyls waren Vorhänge angebracht 2) , deren Spuren, wenn man die pom- 1) Auch Hettner a. a. 0. hätte besser gethan. einige Bilder,'deren Farbe durch solche äussere Einflüsse luodificirt ist, aus seiner Unter- suchung auszifschiiossen. So ist der grünlichgelbe Ton auf dem Alkestisbilde N. 1157 (vgl. Hettner, Vorschule p. '<11), wie auf meh- reren anderen, gewiss nicht ursprünglich, sondern durch den berüch- tigten Firniss veranlasst, durch welchen Moricone so viele der in den ältesten Ausgrabungen gefundenen Gemälde verdarb. 2) Als Hauptstellen , welche diesen Gebranch in unzweideutiger Weise bezeugen, führe ich an Ulpian. Dig. XIX 1 , 1 7 § 4 : reticuli circa XXVII. Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. 341 peianischen Häuser unmittelbar nach ihrer Ausgrabung unter- sucht , noch heute deutlich zu erkennen sind. Allenthalben sind an den nach dem Impluvium gerichteten Seiten der Säulen Nägel oder Haken ersichtlich , die nur zur Befestigung von Vorhängen dienen konnten ') . Spuren von Nägeln , Haken oder Klammern finden sich auch an entsprechenden Stellen der gegenüber liegen- den Wände der Porticus ^j . Man sieht deutlich , dass die Inter- columnien , je nach den Bedürfnissen der Jahreszeit oder des Wetters , durch Vorziehen der Vorhänge verschlossen , dass die Vorhänge , wenn es beliebte , von den Säulen nach den Wänden herübergezogen werden konnten , um gewisse Theile der Porticus zu isoliren-*). Weiterhin trugen die Thüren oder Portieren, welche an den Eingängen der einzelnen Zimmer angebracht waren *) , das Ihrige dazu bei , um die Beleuchtung dieser Räume zu dämpfen. Endlich wurde sogar das von oben in das Haus fallende Licht bisweilen durch ein in horizontaler Richtung über die Oeflfnung des Atriums ausgespanntes Velum gebrochen '') . columnas, und XXXIII 7, 12 § 20 : de velis, quae in hypaethris exten- duntur, item de his, quae sunt circa columnas etc. 1) Ich habe diese Erscheinung namentlich in folgenden pompei- anischen Häusern beobachtet: Strada degli Augustali N. 22, im Peri- styl ; Casa di Diadumeno , im Atrium ; Haus östlich von der Casa di Diadumeno, in dem ersten Feristyl; Strada d'Olconio N. 4—5, im Peristyl (hier sieht man an den unteren Theilen der Säulen bleierne Stifte eingelassen , welche vormals vermuthlich in Bronceknöpfe aus- liefen , oben unter den Kapitellen eiserne Nägel) ; Vicolo del balcorie pensile N. 6—7 , im Atrium (eiserne Klammer am Pilaster der West- wand, neben dem Larenbilde N. 46) ; Vico d'Eumachia N. ü, im Atrium , Casa di Cornelio Rufo , im Peristyl ; Casa del ciüirista , im mittleren Peristyl; Casa di GavioRufo, im Peristyl (an einer Säule der Süd- seite ein grosser eiserner Haken). Die älteren Ausgrabungen sind für solche Beobachtungen nicht geeignet, da die eisernen Nägel oder Haken baldigst von der Luft angegriflfeu werden und herabfallen und die hiei'durch entstandenen Löcher , um das weitere Abbi'öckeln des Stuckes zu verhüten, zugeputzt zu werden pflegen. 2) So namentlich in den beiden Peristylen des östlich von der Casa di Diadumeno gelegenen Hauses. 3) Hieraus erklärt es sich, dass die antike Kunst, wo es gilt zu bezeichnen , dass eine Handlung in dem inneren Räume des Hauses vorgeht, im Hintergrunde einen Vorhang darstellt. Vgl. Ann. dell' Inst. 1869p. 15, Rossbach, römische Hoch zeits- und Ehedenkmäler p. 42. Solche Vorhänge fehlten auch nicht bei den öffentlichen Por- ticus. Die des Pompeius war mit pergamenischen Vorhängen aus- gestattet. Propertius III 32, 12 : scilicet umbrosis sordet Pompcia columnis porticus , aulaeis nobilis Attalicis. 4) Vgl. Marquardt, römischePrivatalterth. I p. 244. 319. 5) Die Hauptstellen : Ovid.Metam.X 595 flf. Plin.XIX25. ülpian. Dig. XXXm 7, 12 § 20. 342 I^er Hellenismus und die campauische Wandmalerei. Da demnach die Inuenräume des antiken Hauses nur sehr matt beleuchtet waren , so wird die Flüchtigkeit der Durchführung der darin befindlichen Wandgemälde in ungleich geringerem Grade bemerkbar gewesen sein , als heut zu Tage , wenn wir die Bilder bei vollem Lichte betrachten. Vielmehr reichte die decorative Technik , welche sich begnügt , das Wesentliche , aber dieses mit grosser Energie zu geben, unter solchen Verhältnissen vollständig aus. Wer Gelegenheit hat, die düsteren Magazine des neapler Museums zu besuchen , wird sich überzeugen , dass daselbst sehr flüchtig hingeworfene Wandgemälde in der befriedigendsten Weise wirken. Mag es auch in vereinzelten Fällen vorge- kommen sein, dass sorgfältig durchgeführte Tafelbilder in Wohn- zimmern aufbewahrt wurden , so diente in den Häusern der Reichen, wo wir allein eine grössere Menge solcher Bilder zu ge- wärtigen haben, zur Aufbewahrung derselben ein besonderer Raum , die pinacotheca. Bei Orientirung und Anlage dieses Raumes wurde dafür gesorgt, dass die Vorzüge der Bilder in deut- lichster Weise zur Geltung kamen ') . Fassen wir die einzelnen in dem Bisherigen gewonnenen Re- sultate zusammen, dann stellt es sich allerdings heraus, dass die Wandgemälde einen nur beschränkten Begriff von der an die Alexanderepoche anknüpfenden Malerei geben. Wir haben es mit einer Auswahl zu thun, welche namentlich injierhalb der Cabinets- bilder dieser Entwickeluug getroffen wurde. Vielfach ist nicht die hellenistische Composition in ihrem ursprünglichen Bestände, son- dern mit Abänderungen reproducirt , welche die spätere Malerei in dieselbe hineingetragen hatte. Wo aber auch der ursprüng- liche Bestand im Ganzen festgehalten ist, haben wir keine genaue Copie zu gewärtigen. Vielmehr sind die hellenistischen Motive in eine mehr oder minder decorative Behandlung übertragen , sind sie durch Einflüsse der Epoche, in welcher, und der localen Ver- hältnisse, unter welchen die Reproduction Statt fand, in grösserem oder geringerem Grade modificirt. Erwägen wir aber nicht, was die Wandbilder im Vergleiche zu den Originalen, sondern was sie an und für sich sind , dann erscheinen sie als vollständig zweck- entsprechende Leistungen. Ihre Gegenstände sind in der Regel Stoffe , welche , von der alexandrinischen und der daran an- knüpfenden lateinischen Dichtung bearbeitet, dem ganzen gleich- zeitigen gebildeten Publicum geläufig waren. Nur ausnahmsweise bringen sie einen tieferen Gehalt zur Darstellung. Gewöhnlich schildern sie anmuthige Gestalten in Situationen und mit Gefühlen, die der Fassungskraft des Betrachters die nächstliegenden sind. 1) Vgl. Vitruv. I 2 p. 14. VI 5 p. 143, 7 p. 145, 10 pt 149 Kose. XXVII. Die hellenistische Mulerei auf italischem Boden. 343 Die andeutende Durchführung, die bei einem Tafelbilde selbst- ständiger Bedeutung ein Mangel sein würde , wirkte für die Har- monie der Wanddecoration günstig und war bei der gedämpften Beleuchtung nur in geringem Grade bemerkbar. Weit entfernt von den Ansprüchen , als Kunstwerke zu gelten , genügten die Wandgemälde allen Anforderungen , welche an Decorationsbilder gestellt werden durften , die , beständig vor dem Angesichte der Insassen des Hau- es , den Betrachter nicht tief ergreifen und auf längere Zeit fesseln, sondern ihm einen Ruhepunkt gewähren soll- ten, auf dem das Auge einen flüchtigen Moment gern verweilte. An dem Ende der Untersuchung angelangt, kann ich nicht umhin auf die Verwandtschaft hinzuweisen , welche sich heraus- stellt, wenn wir die durch die Wandbilder vertretene Entwicke- lung , wie sie im Vorhergehenden aufgefasst wurde , mit der gleichzeitigen Poesie vergleichen. Da dieser Erscheinung be- reits bei Betrachtung der einzelnen Gemäldegattungen öfters ge- dacht wurde , so gilt es gegenwärtig im Wesentlichen , Bemer- kungen, die an verschiedenen Stellen dieses Buches zerstreut sind, in übersichtlicher Weise zusammenzufassen. Wir gelangten zu dem Resultate , dass die Bilder , welche griecliische Mythen be- handeln , im Grossen und Ganzen auf Originale aus der an die Alexanderepoche anknüpfenden Malerei zurückgehen. Eine ganz entsprechende Richtung zeigt sich auch auf dem Gebiete der Poesie. Um hier nur an solche Producte zu erinnern, deren Entstehung gegenwärtig von allen Gelehrten in wesentlich über- einstimmender Weise beurtheilt wird, so begnüge ich mich, auf die Epyllien des Catullus und die Metamorphosen des Ovid zu verweisen. Jene sind im Ganzen getreue Reproductionen alexan- drinischer Gedichte. Bei der Frische und Lebendigkeit der Dar- stellung, welche den Metamorphosen eigenthümlich ist, müssen wir allerdings annehmen, dass Ovid die in seinen Vorbildern dar- gebotenen Elemente mit beträchtlicher Freiheit und Selbstständig- keit handhabte. Nichts desto weniger ist es allgemein anerkannt, dass seine Dichtung auf alexandrinischer Grundlage beruht. Alexandrini seh sind die Versionen der Mythen , die er behandelt ; seine Charakteristik, die Gefühle, welche er veranschaulicht, seine landschaftliche Schilderung tragen den Stempel derselben Ent- wickelung , mag es sich auch nicht immer entscheiden lassen , ob wir Nachahmung , Reminiscenz oder freie Aeusserung eines von hellenistischer Bildung durchdrungenen Geistes anzunehmen haben. Die Metamorphosen sind die dichterischen Producte, welche nach 344 Der Hellenismus und die cainpanische Wandmalerei. Inhalt und Auffassung den mythologischen Wandbildern am Näch- sten stehen, und wir dürfen die Vermuthung wagen, dass sie nicht wenig dazu beitrugen, das Verständniss und das Interesse für diese Compositionen bei dem Publicum der Kaiserzeit rege zu er- halten. .Wenn wir ferner die Wandgemälde, welche Situationen aus dem Alltagsleben mit idealer Auffassung darstellen, auf hellenisti- sche Vorbilder zurückfülirten , so findet auch diese Erscheinung auf dem Gebiete der Poesie eine bezeichnende Analogie. Die pastoralen Genrescenen, welche Vergil in den Eclogen behandelt, sind Nachahmungen der Idyllien des Theokrit. Ebenso weisen der Culex , die Copa , das Moretum deutlich auf alexandrinische Vorbilder zurück. HinsichtUch der bestimmten Situationen, , welche sie schildern , lassen sich die Eclogen im Besondern den bukolischen Scenen vergleichen, welche in den campanischen Landschaften idyllischer Richtung die Staffage zu bilden pflegen. In der Weise , wie Vergil auf die bukolische Grundjage , deren naiver Charakter von Theokrit im Ganzen glücklich gewahrt ist, bisweilen eigene Gedanken und Anspielungen auf Ereignisse seiner Zeit überträgt, berühren sie sich mit den Landschaftsbildern, welche idyllische Motive und Bestandtheile des architektonischen Luxus der Kaiserzeit durcheinandermischen. Neben der gräcisirenden Production geht wie in der Malerei so auch in der Poesie eine Richtung her, welche sich mit der unmittel- baren Gegenwart beschäftigt und dieselbe in realistischer Weise auffasst. Ihre Blütlie, welche durch die polemischen Gedichte des CatuUus , die Satirae Mehippeae des Varro , die Satiren und Episteln des Horaz bezeichnet ist, fällt in die Periode des Ueber- gangsvon der Republik zu der Monarchie. Beeinträchtigt durch die fortschreitende Consolidirung des Imperiums, verlor sie in der folgenden Zeit mehr und mehr an Bedeutung , so dass sie unter den flavischen Kaisern, also in der Zeit, in welche die Ausführung der carapanischen Wandgemälde fällt, nur noch in der Satire tind im Epigramme zur Geltung kommt und die gräcisirende Richtung fast unumschränkt herrscht. Die durch die Wandgemälde ver- tretene Entwickelung, wie wir sie aufgefasst, zeigt eine ganz ent- sprechende Erscheinung. Auch hier ist die an griechische und besonders hellenistische Vorbilder anknüpfende Richtung in quan- titativer und qualitativer Hinsicht die bedeutenjlere , wählend die realistische nur innerhalb der untergeordnetsten Production ein dürftiges Dasein fristet. Suchen wir auf dem Gebiete der Dich- tung nach einer Erscheinung, welche sich den Wandgemälden mit Scenen aus dem römisch -campanisclien Alltagsleben ver- gleichen liesse, so dürften sich als die bezeichnendsten Analogien nicht die Epigramme des Martial, sondern die derben Gassenhauer XXVII. Die hellenistische Maleroi auf italischem Boden. 345 darbieten , in denen bisweilen der römische Pöbel oder die römi- sche Soldateska ihren Gefühlen Ausdruck gab. Es bleibt mir noch übrig nachzuweisen , warum einige andere Richtungen , welche der Diclitung im ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit eigenthüiiilich sind, innerhalb der Wandmalerei keine oder nur sehr geringfügige Berührungsi)unkte finden. Vergeblich suchen wir darin nach einer Analogie zu der höfischen oder offi- ciellen Poesie, wie sie durch das Carmen saeculare und verschie- dene andere Oden des Horaz^) vertreten ist. Dass eine ent- sprechende Richtung in der gleichzeitigen Kunst existirte , ist durch die Prachtcameen , welche Mitglieder des iulischen Kaiser- hauses verherrlichen, durch die Reliefs der Siegesdenkmale, durch den Bilderschmuck des Panzers der vaticanischen Augustusstatue und durch andere Arbeiten der damaligen Epoche hinlänglich bezeugt 2). Wenn sie in der Wandmalerei keine Spur hinter- lassen hat , so erklärt sich dies hinlänglich daraus , dass die er- haltenen Reste dieses Kunstzweiges mit wenigen Ausnahmen aus Privathäusern und zwar aus Privathäusern von Landstädten stam- men. Es ist bekannt, wie seit der Begründung der Monarchie das Interesse , welches die grosse Masse des Publicums an den öffentlichen Verhältnissen nahm, von Generation zu Generation geringer wurde. Bereits unter Nero werden Stimmen laut, welche unumwunden erklären , dass die Gegenwart im Vergleich mit der Vergangenheit unbedeutend und unerquicklich sei"'), und in der weiteren Entwickelung erscheint die Gleichgültigkeit gegen Er- eignisse und Persönlichkeiten , welche nach dem Ende der Re- publik fallen, als eine bezeichnende Eigenthümlichkeit der ganzen Littcrutur und Kunst, insoweit sie nicht von der Person des Kaisers abhängen oder mit derselben zu rechnen haben i). Allerdings wird der Kaiser nach wie vor durch Vers und Bild gefeiert. Doch bewegte sich diese Thätigkeit in einem bestimmt abgeschlossenen officiellen Kreise und blieb sie , wo die Privaten unabhängig und nach eigenem Geschmacke die Kunst bestimmen durften, ohne Einfluss. Dies war aber in den campanischen Landstädten der Fall. Mochten Personen , welche dem Hofe nahe standen , aus Furcht oder Berechnung ihre Häuser mit Kunstwerken schmücken, welche die Ergebenheit an den Caesar bekundeten , so kamen solche Gesichtspunkte in Herculaneum und Pompei gewiss nur ausnahmsweise in Betracht und durfte sich hier der private Ge- schmack im Ganzen rückhaltslos entfalten. 1) Namentlich Carm. I 2. III 5. IV 5. 14. IW. 2) Vgl. 0. Jalin, aus der Alterthuuiswissenschaft p. 2^b ff. 3) Siehe namentlicli Seneca, quaest. uat. III praef. I) Vgl. Burckhai'dt, die Zeit Constantins p. 28.ö ff. 346 Dei" Hellenismus und die campanisclie Waiulmalerei. Auch für die an Pindar , Sapplio imd Älkaios anknüpfende Lyrik , wie sie namentlich von Horaz gepflegt wurde , bietet die Wandmalerei keine augenfällige Analogie dar , es sei denn , dass man die wenigen Gemälde, welche auf Originale aus voralexan- drinischer Epoche zurückzugehen scheinen , zu einem oberfläch- lichen Vergleiche heranziehen wolle. Die Gründe, warum hier der Zusammenhang zwischen den beiden Kunstgattungen ab- bricht, sind hinlänglich deutlich. Einerseits war die Lyrik , da sie Scenen, welche bildlich dargestellt werden konnten, immerhin nur als Episoden behandelte, überhaupt wenig geeignet, einen unmittelbaren und weitgreifenden Einfluss auf die Malerei aus- zuüben. Andererseits würde ein solcher Einfluss, wenn er über- haupt Statt fand, in die Zeit vor Alexander dem Grossen fallen, also in eine Epoche, in welcher die Malerei eine vorwiegend mo- numentale Itichtung verfolgte. Wir haben aber im Vorhergehen- den gesehen , dass sich die Wandmalerei nur ausnahmsweise zur Reproduction von Megalographien verstand , dass sie vielmehr in der Regel die Auswahl der zu reproducirenden Compositionen innerhalb des Kreises der Cabinetsmalerei traf, einer Richtung also , welche erst seit der Alexanderepoche in weiterem Umfange gepflegt wurde. Mit der Aeneis des Vergil berührt sich die Wandmalerei nur in einem einzigen Producte, dem vielfach besprochenen Gemälde, welches eine Scene aus dem zwölften Buche dieser Dichtung wiedergiebt^). Diese Erscheinung erklärt sich, wie wir bereits früher hervorgehoben, hinlänglich aus dem geringen Productiont- vermögen, über welches die bildende Kunst zur Zeit, als die Aeneis erschien, verfügte. Da die Versuche, welche sie machte, die neuen von Vergil dargebotenen Stoff'e zu gestalten, sehr mittelmässig aus- fielen, so ist es ganz begreiflich, dass die Wandmalerei dieselben nur ausnahmsweise berücksichtigte und in der Regel an den ge- lungenen Compositionen festhielt, welche ihr aus der älteren Ent- wickelung zugekommen waren. Ausserdem darf hierbei wohl noch ein anderer Gesichtspunkt in Betracht gezogen werden. Ein herculanisches Wandbild 2), welches die Gruppe des mit Anchises und Ascanius fliehenden Aeneas karikirt, indem es Aff'en zu Trä- gern der Handlung macht , zeigt deutlich , dass die von dem iuli- schen Kaiserhause begünstigte Sage nicht von allen Bewohnern der campanischen Städte in beifälliger und respectvoUer Weise aufgenommen wurde , dass vielmehr die Tendenz derselben , sei es, weil noch das oskische Bewusslsein, sei es, weil noch republi- 1) N. 1383. 2) N. 1380. XXVII Die hellenistische Malerei auf italischem Boden. ;547 kanische Sympathien rege waren, bisweilen auf Widerstand stiess. Mag sich auch die Tragweite dieses Factors einer selbst an- nähernden Schätzung entziehen , so ist derselbe doch , wo es sich darum handelt, den geringen Einfluss der Aeneis auf die campani- sche Wandmalerei zu erklären , wenigstens in zweiter Linie zu berücksichtigen. Vergleichen wir endlich die Entstehung.s weise der Aeneis und das Gestaltungsverfahren, auf welchem das Wand- bild beruht, das eine Scene aus diesem Epos darstellt, so ist auch hier eine gewisse Verwandtschaft unverkennbar. Der epische Kern der Aeneis ist durch die Ilias und Odyssee bestimmt. Die Durchführung , namentlich die psychologische Schilderung , die Gleichnisse , selbst die Diction verrathen allenthalben die Nach- ahmung alexandrinischer Dichtungen oder wenigstens Remini- scenzen an solche. Dem Vergil eigenthümlich ist im Wesentlichen das locale Colorit, welches er über die Erzählung verbreitete, indem er die ihm wohl bekannten Landschaften , in denen die Handlung vorgeht , vergegenwärtigte und eine Menge von Zügen aus seiner Kenntniss der italischen Alterthümer beifügte. Ebenso liegen der Composition des Wandbildes griechische Motive zu Grunde ; doch sind sie mit einer eigenthümlichen Behandlung in realistischem Sinne durchdrungen , welche damals in der Masse des Volkes besonders populär war und dem Bilde einen beson- deren Charakter verlieh , der dasselbe von den Darstellungen aus der griechischen Mythologie unterscheidet ') . 1) Vgl. oben Seite 6, S9, 1 14 tf. 348 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. XXVUI. Ueber einen Grundunterschied antiker und moderner Malerei. Das Material, welches zur Vergleichung antiker und moderner Malerei vorliegt , ist sehr ungleich beschaffen . Während wir die letztere nach ihren höchsten Leistungen zu würdigen im Stande sind, haben sich aus dem Alterthume nur decorative Frescobilder erhalten. Mag aber auch der Abstand, den wir zwischen der kunstmässigen Malerei der Alten und den erhaltenen Wandbildern vorauszusetzen haben, noch so bedeutend veranschlagt werden, so liegt doch kein Grund vor, anzunehmen, dass das Princip der beiden Gattungen ein verschiedenes gewesen sei. Wir dürfen dem- nach immerhin mit der nöthigen Vorsicht aus den Wandbildern auf die Tafelmalerei schliessen und das Ergebniss, welches sich hierbei herausstellt, mit den modernen Leistungen vergleichen. Ich habe nicht die Absicht, diese schwierige Frage erschöpfend zu behandeln, sondern nur eine Thatsache festzustellen, welche hierbei von der grössten Tragweite ist und weiteren Erörterungen als Ausgangspunkt dienen kann , eine Thatsache , welche in engem Zusammenhange steht mit der Verschiedenheit des antiken und des modernen Naturgefühls , die bereits in unserem dreiund- zwanzigsten Abschnitte berührt wurde. Wir dürfen mit hinreichender Sicherheit annehmen , dass die Wandmaler in der Darstellung der Hintergründe' dasselbe Princip verfolgten, wie die gleichzeitigen Tafelmaler. Vergleichen wir nunmehr die den Wandbildern und die der modernen Malerei eigenthümliche Behandlung dieser Motive, so tritt ein bemerkens- werther Unterschied zu Tage. Dort sind die landschaftlichen Bestandtheile fast durchweg sehr hell und recht eigeutlich als Grund behandelt, auf welchem sich die Plastik der handeln- den t'iguren als etwas Sclbstständiges und Fürsichbestehendes abhebt'). Hier dagegen spricht die Landschaft ungleich stärker mit und greifen die Wirkung der Handlung und die der Gründe vielfach in einander über. Und diese Behandlung ist nicht etwa erst eine Errungenschaft der fortgeschritteneren Stadien der mo- dernen Kunst; vielmehr zeigen sich die ersten Spuren derselben, wenn auch zunächst mit gebundenem Ausdrucke, baldigst, nach- dem die Malerei den Goldgrund aufgegeben hat. Dieser Unter- I) Nur ganz wenige Gemälde, welche gcwisserinaassen einer Ueber- gangsguttung von der Historienmalerei zur Landschaft angehören, wie das grosso Dirkebild N. 1151 , machen eine Ausnahme von der oben aufgestellten Kegel. XXVIII. lieber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. 349 schied erklärt sich hinlänglich aus der verschiedenen Entwicke- lung, welche das Naturgefühl bei den classischen und den moder- nen Völkern durchmachte. Das moderne Naturgefühl beginnt in der Frührenaissance mit einer analogen Phase, wie die war, welche im Alterthume um die Alexanderepoche zur Ausbildung kam und seitdem mit geringen Abwandlungen bis zum Zerfall der griechisch- römischen Cultur Bestand hatte. Ja wir dürfen sogar vermuthen, dass die Empfindung eines Dante, Boccaccio, Petrarca, wie in anderen Hinsichten , so auch in dieser , zum Theil unmittelbar durch die damals wiedererweckte lateinische Litteratur beeinflusst wurde. Auf einer solchen in der Frührenaissance ausgebildeten Grundlage hat sich dann das moderne Naturgefühl in eigen thüm- licher Weise weiterentwickelt. Wie es der Vergleich der Land- schaftsbeschreibungen bei Dante, Boccaccio, Petrarca und Aeneas Sylvius lehrt, steigert sich von Generation zu Generation die Hin- gabe an die Natur, wird die Schilderung eingehender, reflectirter, moderner 1). Im Mai des Jahres 1544 fasst bereits Aretino einen abendlichen Licht- und WolkenefFect umständlich in Worte 2) . So gedieh nach mannigfachen Durchgangsstadien das Gefühl des Modernen allmählig zu einem Grade subjectiver Versenkung in die Natur, wie er den Alten stets fremd geblieben ist. Diese Ent- wickelung war bereits im Gange, als die italienische Tafelmalerei im Quattrocento den Goldgrund aufzugeben und die Handlung auf einem der Wirklichkeit entsprechenden Räume darzustellen anfing. Es ist daher vollständig begreiflich, dass die Kunst schon damals die Landschaft stark mitsprechen läs^t, dass sie in dieser Hinsicht schon früh ein fortgeschritteneres Stadium verräth , als das, welches durch die jüngste Phase der antiken Malerei ver- treten ist. Hieraus erklärt es sich auch, warum die Landschaft als selbst- ständige Gattung im Alterthume niemals die hervorragende Be- deutung gewann, wie in der modernen Zeit und namentlich heut zu Tage, wo es allen Anschein hat, als ob aus ihr heraus oder an sie anknüpfend eine neue Entwickelung der Malerei beginnen werde. Und doch sind die antiken Landschaftsbilder besonders geeignet, um bei einer Untersuchung über die Verschiedenheit antiker und moderner Malerei als Ausgangspunkt zu dienen: Wir sind nämlich , um die Leistungen der Alten in diesem Kunstzweige zu beurtheilen, nicht nur auf die erhaltenen Frescogemälde ange- wiesen, sondern dürfen auch die Naturbeschreibungen der antiken Schriftsteller zum Vergleiche heranziehen. Da in derselben Epoche 1) Vgl. Burekhardt, Cultur der Renaissance p. 295 flf. 2) Brief an Tizian in den Lettere pittoriche III 36. 350 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. zwischen der landschaftlichen Schilderung, welche sich durch das Wort, und der, welche sich durch Umriss und Farbe äussert, ein inniger Zusammenhang obzuwalten pflegt, so wird eine vorsich- tige Untersuchung der einschlagenden Litteraturdenkmäler den Begritf , den wir uns von der antiken Landschaftsmalerei zu bilden haben, ergänzen und uns zugleich ein Kriterium verschaffen, in wie weit wir aus den erhaltenen Wandgemälden auf die kunsttnässigen Leistungen schliessen dürfen. Wenn nämlich ein antiker Schrift- steller von einem landschaftlichen Eindruck Rechenschaft giebt, die Wandmalerei dagegen nichts Analoges darbietet, dann liegt die Wahrscheinlichkeit oder zum Mindesten die Möglichkeit vor, dass die letztere wegen der Beschränktheit ihrer Mittel auf die Ver- wirklichung desselben verzichtete. Anders dagegen wird sich das Urtheil gestalten, wenn eine geläufige Naturerscheinung weder von den Schriftstellern berücksichtigt, noch auf den Wandbildern geschildert ist. Dann dürfen wir mit Sicherheit annehmen , dass diese Erscheinung keinen nachhaltigen Eindruck auf den Geist der Alten machte und desshalb an ihrer Litteratur , wie an ihrer Malerei spurlos vorüberging. Hinsichtlich der Fähigkeit, die Gegend organisch zu ent- wickeln und ihre ßestandtheile stylvoll zu gestalten , war die antike Landschaftsmalerei den besten Leistungen der Modernen vollständig ebenbürtig. Um sich hiervon zu überzeugen , genügt die Betraclitung der auf dem Esquilin entdeckten Landschafts- bilder mit Scenen aus der Odyssee ^) . Die klargefngte Mannig- faltigkeit der Pläne, deren Zusammenhang das Auge in übersicht- licher Weise von dem Vordergrunde bis in die äusserste Ferne verfolgen kann . der Rhythmus der Massen , der durch einzelne Gegensätze belebt und durdi die Harmonie des Ganzen wiederum beruhigt wird , der plastische Adel der einzelnen Terraingebilde sichern dem hellenistischen Künstler, welcher diese Compositionen erfand, einen Platz unter den grössten Landschaftsmalern aller Zeiten. Ist doch auch Preller, welcher wie wenige zur richtigen Würdigung solcher Leistungen befähigt war, als er die Land- schaft mit den Rindern des Hehos entwarf, offenbar durch das auf dem Esquilin entdeckte Gemälde der Unterwelt inspirirt worden. Eine ähnliche Begabung in derselben Richtung ver- rathen campanische Landschaftsbilder mit dramatischer oder idyl- lischer Staffage , von denen es sich voraussetzen lässt , dass sie die Originale im Ganzen getreu und ohne Improvisationen wieder- geben. Wenn hier die Vorzüge, die wir an den römischen Wand- gemälden bewundern , weniger unmittelbar hervortreten , so liegt 1) Siehe die Litteratur oben Seite 96 Anm. 1. XXVIII. üeber einen Grundunterscliied ant. n. mod. Malerei. 351 dies lediglich an der Aiisführinig. Keine der campanischen Land- schaften verräth eine so kecke und trotz einzelner Fehlgriffe so bezeichnende Pinsel führting , wie sie den römischen eigenthüm- lich ist. Die moderne Malerei begnügt sich aber nicht damit, eine Ge- gend organisch und in bedeutenden Formen zu gestalten, son- dern sucht auch durch Wiedergabe der darin wirksamen Luft- und Lichterscheinungen eine eigenthüraliche poetische Stimmung zu erwecken. Die jüngste P^ntwickelung hat sogar auf das letztere Hilement bisweilen das Hauptgewicht gelegt und eine Gattung von Landschaften hervorgerufen, deren Plastik sehr un- bedeutend ist und die vorwiegend oder lediglich durch die Poesie der über der Gegend schwebenden Atmosphäre wirken. Um zu beurtlieilen, was die Alten in dieser Hinsicht leisteten , muss sich der Leser zunächst das, was wir im neunzehnten Abschnitte ^) auseinandergesetzt, in das Gedächtniss zurückrufen. Es wurde daselbst gezeigt, wie bereits die Meister der Alexander- und Diadochenperiode eine Reihe von atmosphärischen und Licht- erscheinungen künstlerisch verwertheten und wie der Einfluss dieser Richtung deutlich in den späteren Vasenbildern ersicht- lich ist. Auch haben wir in demselben Abschnitt zusammengestellt, was sich von Schilderungen dieser Art in der Wandmalerei findet. Es bleibt uns daher , um das Material zu vervollständigen , nur noch übrig, einige erhaltene Gemäldebeschreibungen anzuführen, welche geeignet sind, über den Gegenstand , der uns gegenwärtig beschäftigt, Aufklärung zu geben. Der Reiz eines von Philostra- tos''^; beschriebenen Gemäldes, welches den Sturz des Phaeton darstellte, beruhte recht eigentlich auf dem Zusammenwirken verschiedener Lichteffecte : unten die brennende und dampfende Erde , in der Mitte die gleissende Strahlenkrone des stürzenden Phaethon, oben die hereinbrechende Nacht und die sichtbar wer- denden Gestirne. Auf zwei anderen Gemälden , welche derselbe Rhetor beschreibt, dem Komos-^) und der Kassandra*), war die Wirkung des Fackellichtes, auf einem dritten, der Antigene^), die des Mondscheins dargestellt. Der Künstler, welcher die Be- gegnung des Poseidon und desPelops malte, scheint in diesem Bilde das matte Licht der Abenddämmerung veranschaulicht zu haben*') . 1) Siehe oben Seite 210 ff. 2) Imag. I 11. Vgl. hierüber und über die anderen hierher ge- hörigen Gemäldebeschreibungen des Philostratos Brunn, die philostrat. Gemälde p. 2;{ü. 3) Imag. I 2. 4) II 10. 5) II 29. 6) I 30 : v6| T£ Yap i~iyz\. -mi Xa[j.7rp'jv£xat tÖ) ojfjwo xö [xeipavctov (d. h. Pelops durch die elfenbeinerne Schulter) , oaov rj '^ü^ töj eoTrIpw. Vgl. 352 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. Auf einer der Inseln *) erschien über einem Feuer , glühende Lavaströme und dunklen Qualm auswerfenden Vulcane Zeus. Blitze schleudernd, in den Wolken. Dunkles durch die Gestalten von Bronte und Astrape belebtes Gewölk und im Gegensatz dazu der Lichtglanz , den der neugeborene Dionysos ausstrahlt, waren in dem Bilde der Semele^) dargestellt. An einer anderen Stelle führt Philostratos '^) die auffälligen Gebilde, welche die vom Winde auseinandergerissenen Wolkenmassen darbieten, ausdrücklich unter den von der Malerei behandelten Gegenständen an. Auf dem Bilde des Meles *) war nach der Schilderung des Rhetors eine Woge dargestellt , welche sich grottenarlig wölbte und unter den Strahlen der Sonne in den Regenbogen färben spielte. Bei Be- schreibung des Bildes des Skamandros sagt Philostratos ^j , dass sich darauf der leuchtende Feuerstrora , welcher von Hepliaistos ausgeht, mit den Wassern des Flusses vermischt. Ein grie- chisches Epigramm ^) bezieht sich auf ein Gemälde , welches die Buhlschaft des Ares und der Aphrodite darstellte : Helios, welcher, innerhalb der Thür stehend, das Paar betrachtete, eischien von Lichtglanz umflossen. Achilles Tatius'') endlich beschreibt ein Landschaftsbild, in welchem als Staffage die Entführung der Europa dargestellt war, und giebt an, dass der Maler darauf die Sonnenstrahlen ausdrückte , die durch das Blätterdickicht eines Haines auf den darunter befindlichen Rasen fallen. Wir sehen also , dass die Alten eine beträchtliche Reihe von Erscheinungen des Lichts und der Atmosphäre künstlerisch ver- wertheten. Nichts desto weniger aber bleibt es zweifelliaft, ob sie alle die Erscheinungen, welche von der modernen Kunst ver- anschaulicht werden , behandelten , ob sie die , welche sie dar- stellten, in derselben Weise auffassten, wie die Modernen. Wenn der Lichtschein , welcher auf den Kimon und Pero darstellenden Wandgemälden in den Kerker*^) , und der, welcher auf der vatica- Welcker, zu Philostrat. ed. Jacobs p. 389 und Brunn, die philostrat. Gemälde p. 2:w. 1) II 17. Ein in einen Baum schlagender Blitz fand sich auch auf dem Bilde des Phorbas II l!>. 2) I 14. 3) Vita Apollon. II 21 : «to. o' ^v tw o6pav) Anth. pal. IX 591. 7) I 1, 1. 8) N. 1376, Giornale degli scavi II (n. s.) Tav. III. Vgl. oben Seite 215. XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. 353 nischen Unterweltslandschaft in den Orcus fällt i) , in sehr andeu- tender Weise behandelt sind , so steht nichts im Wege , dies aus der Beschränktheit der Frescotechnik zu erklären. Dagegen fragt es sich, ob wir mit dieser Erklärung auskommen angesichts der Charakteristik, mit welcher das Unwetter auf der römischen Läs- trygonenlandschaft^) geschildert ist. Der Maler hat hier durch gelblichgraue Massen , die mit breitem Pinsel hingesetzt sind , die Wolken , durch wenige feine Pinselstriche den herabströmenden Regen angedeutet. Während ein Moderner das Verschwimmen des Horizontes mit dem herabströmenden Regen und den darüber treibenden Wolken genau der Natur nachcopiren würde , ist auf dem Wandgemälde das Ineinanderübergehen dieser Erscheinungen in keiner Weise ausgedrückt , sondern hebt sich das den Hinter- grund abschliessende Meer mit einem deutlichen Umrisse von der Atmosphäre ab. Ueberhaupt zeigt sich in dem ganzen bis jetzt bekannten Vorrathe antiker Gemälde nirgends eine Spur des Strebens, das Zerfliessen der landschaftlichen Formen in die Atmosphäre zu veranschaulichen. Während sich die mo- derne Malerei mit Vorliebe in solchen Schilderungen ergeht und dadurch eine eigenthümliche ahnungsvolle Stimmung zu er- wecken weiss, sehen wir auf den antiken Gemälden niemals, dass die im Hintergrunde gelegenen Berge sich allmählig in Dunst oder Nebel verlieren. Vielmehr sind die Formen tiberall in sich ab- geschlossen und sondert stets ein nach dem Maasse der Entfer- nung stärkerer oder schwächerer , aber immer deutlich bezeich- neter Umriss die Massen von einander ab. Dieses Princip ist selbst bei den sehr blassen Gründen der mythologischen Gemälde festgehalten. Mögen hier die landschaftlichen Bestandtheile , na- mentlich der Baumschlag, in einem sehr zarten Tone gehalten sein, der sich kaum von dem der Luft unterscheidet, so sind die Formen doch niemals verwischt, sondern stets präcis mit dem Pinsel hingesetzt. Es gilt, zu entscheiden, ob diese Behandlungs- weise aus einer principiellen Verschiedenheit antiker Auffassung gegenüber der modernen oder aus der Beschränktheit der Fresco- technik abzuleiten ist. Da eine allgemeine Erörterung über das Maass des Könnens , welches wir dieser Technik und ihren Ver- tretern zuzutrauen berechtigt sind , nur zu ganz subjectiven An- nahmen führen würde , so ist die Untersuchung gegenwärtig zu einem Punkte gediehen , wo wir das oben angedeutete Kriterium anwenden und die sprachlichen Aeusserungen der Alten über die Landschaft zum Vergleiche heranziehen müssen. 1) Vgl. oben Seite 215. 2) Matranga, Cittä dl Lamo Tav. I. Arch. Zeit. 1852 Taf. 45. Heibig, Untersachnngen ü.d. campan. Wandmalerei. 23 354 XXVIII. üeber einen Grundunterschied ant. u. raod. Malerei. An die Spitze stelle ich eine höchst bezeichnende Thatsache : die auffällige lexicalische Armuth der classischen Sprachen . wo es sich darum handelt, die verschiedenen Wirkungen der Atmo- sphäre auf die Gegend zu veranschaulichen. Der geübteste Hellenist oder Latinist würde in Verlegenheit sein , wenn ihm die Aufgabe gestellt würde, Wendungen, die uns bei landschaftlichen Schilderungen ganz geläufig sind, wie »den Duft der Landschaft, das Dämmernde der Hintergründe, die verschwimmenden Er- scheinungen des Horizontes«, einigermaassen kurz und treffend wiederzugeben. Wenn aber die Alten des Bedürfnisses entbehrten, solche Eindrücke durch die Sprache zu versinnlichen, dann fehlte gewiss auch die nöthige Grundlage, um ihre Malerei zur Ver- anschaulichung derselben zu bestimmen. Die Betrachtung der Naturschilderungen , welche aus der classischen Litteratur seit der Zeit Alexanders des Grossen erhalten sind , berechtigt uns zu einer präciseren Fassung dieses Satzes. Eine der schönsten Land- schaftsbeschreibungen, die wir besitzen, ist die des Tempethales, welche Aelian aller Wahrscheinlichkeit nach aus Dikaiarchos ent- lehnte 1) . Der Schriftsteller entwickelt zunächst die Topographie des Thaies , wie es sich , eingeschlossen vom Olympos und Ossa und durchflössen vom Peneios, dahinzieht. Hierauf geht er zu den Einzelheiten über und schildert er , wie allenthalben üppiger Epheu die Bäume umrankt und Smilax die Felsen überzieht , wie sich unten im Grunde schattige, von Quellen durchflossene Haine ausbreiten, in denen der schmetternde Gesang der Vögel erschallt. So von oben herabsteigend gelangt die Beschreibung zur Tiefe, wo der Peneios , langsam und majestätisch , unter mächtigen Baumwipfeln dahinfliesst. Schliesslich wird, wie um die Land- schaft durch eine geeignete Staffage zu beleben , der delphischen Gesandschaft gedacht, die mit dem frisch gebrochenen hei- ligen Lorbeer in dem Thale einherzieht. Nur einmal ist in dieser Beschreibung von der Farbe , nämlich von dem frischen Grün, welches allenthalben die Augen erlabt , nirgends von den Wir- kungen die Kede, welche die Hülle der Atmosphäre über die Gegenstände verbreitet. Die Schilderung hat im Wesentlichen einen topographischen und plastischen Charakter. Aehnlich ver- hält es sich mit den Landschaftsbeschreibungen des ApoUonios von Rhodos. Wiewohl sich darunter Schilderungen einiger Fernsichten , wie der vom Dindymon 2) und vom Olympos ') , be- 1) Aelian. var. bist. III I. Vgl. Buttmann, quaest. de Dicae- archo p. :J2. 2) Argon. I 1103 ff. :<) 111 1(>4 ff. Vgl. die Schilderung der Küsten des schwarzen XXVIII. lieber einen Grnnduntersehied ant. u. mod. Malerei. 355 finden, bei denen die Berücksichtigung der atmosphärischen Media so nahe lag , begnügt sich der Dichter doch im Wesentlichen da- mit, die plastische Entwickelung der Gegenden zu veranschau- lichen. Nur einmal, bei der Schilderung der Aussicht vom Diu- dymon i) , wird der am Fernsten liegende Punkt , die Mündung des Bosporos, als nebelig bezeichnet; doch geschieht dies in aller Kürze und lediglich durch Beifügung eines Adjectivs. In der Be- schreibung , welche der jüngere Plinius 2) von der Aussicht aus seiner tuskischen Villa entwirft , äussert sich das Vorwiegen des Interesses für die Form sogar in eigenthümlichen sprachlichen Wendungen, wie »regionis forma pulcherrima« und »neque enim terras tibi, sed formam aliquam ad eximiam pulchritudinem pictam videberis cernere. ea varietate, ea descriptione, quocum- que inciderint, oculi reficientur«. Alle diese Schilderungen machen den Eindruck , als sei für dieselben eine klare Luft und ein volles Licht vorausgesetzt, welche die Plastik der Gegen- stände allenthalben zur vollendetsten Geltung kommen lassen. Auch besitzen wir eine Reihe bestimmter Aeusserungen , welche bezeugen , dass die Alten eine formenschöne Gegend am Liebsten in einer solchen Atmosphäre betrachteten •') . Davon , dass das Duftige, Dämmernde, Verschwimmende in der Landschaft die Alten in ähnlich bedeutsamer Weise gestimmt hätte, wie die Mo- dernen , findet sich in der erhaltenen antiken Litteratur nicht die geringste Spur. Allerdings berühren die antiken Schriftsteller bisweilen zei'fliessende und von eigenthümlicher Beleuchtung be- gleitete atmosphärische Erscheinungen. Doch zeigt die Art ihrer Schilderung deutlich , dass sie angesichts derselben anders era-, pfänden, als die Modernen. Der Rhodier ApoUonio^^j erwähnt den aus den Plankten aufsteigenden Rauch, der den Aither überzieht und die Sonnenstrahlen unsichtbar macht. Vergil er- zählt''), wie sich die Sonne nach der Ermordung des Caesar mit einem dunklen Dunste überzieht. Beide Dichter aber schil- Meeres II 345 ff., des Laufes des Therraodon II 972 ff. und des Hades II 730 ff. 1) I 1114 : cpaivETO 5' -fiEooev aTO|i.a Boaröpo'J . . . 2) Epl. V 6. 3) Siehe z. B. das Komikerfragment bei Die Chrysost. LXIV p. 334 ed. Reiske (Meineke, fragm. com. gr. IV p. «1(5, 49) , die Schilderung der sedes beatae bei Vergil. Aen. VI ()4Ü : Largior hie campos aether et lumine vertit | purpureo , Anacreontea 2 B [49] Bergk : yP''?^ ~^^ '^^- Xei; To -pöJTov I IXapa; te v.7.t felwa^xi , die panegyrische Schilderung Athens bei Aristid. or. XIII 100 (I p. 160 ff. Dindorf). 4) Argon. IV 925 ff. Aehnlich ist die Schilderung des Feuer speienden Aetna bei Vergil. Aeueis III 570 ff. gehalten. 5) Georg. I 466. 23* 35ß XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. dem diese Vorgänge ganz objectiv als Naturphänomene und ver- zichten darauf, was ein Moderner gewiss nicht unterlassen haben würde, die Wirkungen derselben auf die darunter befindliche Landschaft zu veranschaulichen. Wird aber auch einmal, was verhältnissmässig selten der Fall ist, der Lufthülle, welche einen landschaftlichen Bestandtheil umgiebt , gedacht i) , dann lässt der bezeichnende, aber knappe Ausdruck ebenfalls auf eine Objec- tivität der Auffassung schliessen, die sich wesentlich von dem sub- jectiven Gefühle unterscheidet, mit welchem die Modernen solche Erscheinungen aufzunehmen und zu schildern pflegen. Jedenfalls findet sich in der ganzen classischen Litteratur keine Naturschil- derung, in welcher die atmosphärische Stimmung über das plasti- sche Element vorwaltete oder neben demselben gleichberechtigt aufträte. Mit dieser Thatsache stimmen die philostratischen Ge- mäldebeschreibungen. Da die darunter befindlichen Nachtstücke eine besondere Behandlung erfordern, so beschränken wir uns vor der Hand auf die Bilder, in denen Tagesbeleuchtung herrschte. In der Beschreibung derselben findet sich keine Andeutung, welche auf das, was wir atmosphärische Stimmung nennen, hinwiese. Nach dem Geiste und den Absichten der Philostrate hätte man aber im Gegentheile zu gewärtigen , dass sie dieses Gebiet in der ein- gehendsten Weise berücksichtigten. Einerseits ist die über den Gegenständen schwebende Hülle von Luft und Licht, wie es die neuere Litteratur zur Genüge beweist , besonders geeignet , um durch das Wort dem Gefühle veranschaulicht zu werden. Anderer- seits bietet die stimmungsvolle Abtönung dieser Potenzen den Malern eine vortreffliche Gelegenheit, ihre coloristische Meister- schaft zu bekunden. Nun lassen es sich die Philostrate besonders angelegen sein, Feinheiten der malerischen Charakteiistik aufzu- spüren und dem Leser zum Verständniss zu bringen. Sie thuen in dieser Hinsicht eher zu viel , als zu wenig und entdecken auf den Bildern , die sie beschreiben , öfters Wirkungen , welche die 1 ) Dies ist der Fall bei der bereits angeführten Stelle des Apol- lonios Rhodios, Arg. I 1114. Vgl. auch die Beschreibung der Syrte Arg. IV 1244 flf. : Ä](o? S' ?Xev eloopöoivxaC ilioi xat (jiefdXTji; vwxa yöovöc, i/]^pt 5' loa TTfjAoü ÜTrepxeivovxa Snrjvex^; .... Vergil. Aen. IV 248 : Atlantis, cinctum adsidue cui nubibus atris piniferura caput et vento pulsatur et irabri. Etwas anderer Art , aber immerhin verwandt ist die Schilderung in dem llippolytos des Euripides (1205 fF.), wo der Bote erzählt, wie die Wasserhose , welche das Meerwunder in sicli birgt, die Klippen des Skeiron, den Isthmos und den Felsen des Asklepios verhüllt. XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant..u. mod. Malerei. 357 Grenzen des malerisch Darstellbaren tiberschreiten. Angesichts des Bildes, welches den Theraistokles in Babylon darstellt*), sieht der ältere Philostratos es dem Theraistokles an, dass er persisch spricht , und meint er den Weihrauchduft zu riechen , welcher in der Halle des Perserkönigs verbreitet ist. Vor den über Rosen dahin schreitenden Hören ^j glaubt er den Duft zu empfinden, den die zertretenen Blumen ausströmen. Der Hain von Dodona^) scheint ihm mit Gerüchen von verbranntem Räucherwerke erfüllt. Bei der Tendenz, welche sich in solchen Bemerkungen ausspricht, muss es jeden unbefangenen Beobachter befremden, dass in keiner Beschreibung der Eindruck berührt wird, welchen die Behandlung der Luft hervorruft. Nirgends findet sich ein Hinweis, dass dieselbe von trockener Hitze , von Schwüle oder von Feuchtigkeit durch- drungen erscheine , oder ähnliche Bemerkungen , wie sie in den modernen Gemäldebeschreibungen oder -kritiken so häufig vor- kommen. Wenn diese ganze Seite des malerischen Schaffens, die für die rhetorische Schildeji'ung einen so dankbaren Stoff darbot, unberücksichtigt bleibt , dann dürfen wir gewiss annehmen , dass sie auf den Bildern , durch welche die Beschreibungen der Philostrate inspirirt wurden, nirgends bedeutsam hervortrat. Als Schlussresultat aller dieser Beobachtungen ergiebt sich zum Min- desten ein gradueller Unterschied zwischen der antiken und der modernen Auffassung. Während das Gemüth der Modernen in dem Zusammenhange der Landschaft und der darin wirkenden Atmosphäre das Walten einer elementaren Naturseele empfindet und dadurch auf das Tiefste ergriffen wird, ist den Alten der Einklang dieser Factoren in ungleich geringerem Grade aufge- gangen und haftete ihr Auge vorwiegend an den festen, plasti- schen Formen. Diese Auffassungsweise musste aber nothwendig auch in ihrer Landschaftsmalerei Ausdruck finden und derselben gerade den Charakter verleihen, wie er den erhaltenen Wand- bildern eigenthümlich ist. Wir sind demnach durch die Unter- suchung der sprachlichen Aeusserungen über die Landschaft, der Beschreibungen der Philostrate und der erhaltenen Wandgemälde in der That dazu gelangt, einen principiellen Unterschied zwi- schen der antiken und der modernen Landschaftsmalerei nachzu- weisen. Jene legt das Hauptgewicht auf das topographische und plastische Element und strebt demnach , schöne und bedeutungs- 1) Imag. II 31. 2) II 34. Zu vergleichen sind die Bemerkungen über die Rosen des Komos (I 2) , über den Geruch im Garten (I 6) , über den duftenden Athem der Ariadne J 15). 3) II 33. 358 XXVIII. Uebcr einen Grundunterschied ant, u. raod. Malerei. volle Formen in übersichtlicher Weise zu einem organischen Ganzen zu entwickeln. Dagegen sind die in der Gegend wir- kenden Potenzen von Luft und Licht für sie von nebensächlichem Interesse. Mag sie auch einige geläufige Erscheinungen aus diesem Gebiete , wie gewisse Lichteffecte, Regenbogen , Wolken- gebilde , künstlerisch verwerthet haben , so hat sie doch der atmosphärischen Stimmung niemals den Platz eingeräumt, welchen dieselbe in der modernen und namentlich der modernsten Malerei einnimmt. Landschaften , welche jeglichen Formenreizes ent- behren und wo das Interesse lediglich auf der Charakteristik der darüber verbreiteten Atmosphäre beruht, wie ein Stoppelfeld, ein lehmiger , von verkrüppelten Weiden umgebener Feldweg und ähnliche Motive , welche in der modernen Malerei ganz ge- läufig sind , werden den Alten stets fremd geblieben sein. Dieses verschiedene Princip entspricht aber vollständig dem Geiste und im Besonderen dem Naturgefühle der beiden Cultur- epochen. Jenes Dämmernde , Träumerische, Ahnungsvolle, wie es die moderne Malerei vorwiegend durch die atmosphärische Schilderung erzielt , ist ein der Klarheit des classischen Geistes vollständig zuwiderlaufendes Element. Die künstlerische Ver- wirklichung solcher Eindrücke setzt ein sentimentales Versenken in die Natur voraus, wie es den Alten stets fremd blieb und auch in der modernen Entwickelung erst spät zur vollendeten Ausbil- dung gekommen ist. Ausserdem hat man zu bedenken , dass der südliche Himmel, welcher die antike Malerei bedingte, im Ver- gleich mit dem nordischen ungleich weniger Erscheinungen dar- bietet , die geeignet sind , eine solche träumerische oder gar schwermüthige Stimmung zu befördern. Auch heut zu Tage hat die Landschaftsmalerei, welche in dieser Richtung thätig ist, ihren Hauptsitz im nebligen Norden. Endlich dürfte es am Platze sein, hierbei einer beinah nothwendigen Bescliränktheit des künstleri- schen Schaffens zu gedenken. Zu allen Zeiten und in jeglicher Gattung der Malerei sind ein plastisch vollendeter Umi'iss und malerischer Reiz schwer vereinbare Dinge. Da nun die antike Laudschaftskuust vorwiegend nach der ersteren Seite hin thätig war, so konnte es kaum ausbleiben, dass sie die coloristische Stimmung, welche namentlich durch Verwirklichung der atmo- sphärischen Erscheinungen erzielt wird, in geringerem Grade berücksichtigte. Dürfte es doch schwer fallen , einen modernen Künstler namhaft zu machen, welcher beide Richtungen gleichraässig durchgebildet und bei dem nicht die eine oder die andere das Ueberge wicht hätte. Fragen wir, in wie weit die besten aus dem Alterthume erhaltenen Leistungen , die vati- canischen Odysseelandschafteu , die Einführung atmosphärischer XXVIII. Ueber einen Giundunterschicd unt. u. niod. Malerei. 359 Stinimung vertragen , so wird Jedermanu zugeben , dass die Vorzüge derselben, die klare Gruppirung der Massen nnd die Schönheit und Bedeutsamkeit der Formen, durch ein scharfes Geltendmachen dieses Elements eher verlieren , als gewinnen würden. Jedenfalls finden durch dieses Princip, wie ich es festzustellen versucht , eine Reihe von Erscheinungen , welche der landschaft- lichen Darstellung der Alten eigenthümlich sind , die Jiatur- geraässeste Erklärung. Wir dürfen es nun mit hinlänglicher Sicherheit aussprechen , dass die Behandlung des Unwetters auf der Lästrygonenlandschaft , von welcher unsere Untersuchung ausging , nicht lediglich durch die Bedingungen der decorativen Frescotechnik , sondern im Wesentlichen durch das Princip der antiken Landschaftsmalerei bestimmt ist 'j . Wenn ferner die Mo- dernen, wenigstens seit den Poussins, den Standpunkt, von dem aus sie die öegend entwickeln, bald hoch, bald tief nehmen, auf den Wandbildern dagegen bei Schilderung ausgedehnterer Ge- genden stets ein verhältnissmäsig hoher Standpunkt vorausgesetzt wird 2) , so erklärt sich auch diese Erscheinung aus dem Gegen- satze, welchen ich zwischen dem Wesen der antiken und der modernen Kunst nachgewiesen. Die antiken Maler wurden durch das von ihnen eingeschlagene Verfahren in den Stand gesetzt, ohne besonderen Aufwand von Lufttönen und vorwiegend durch die plastischen Formen den Zusammenhang der einzelnen Glieder bis zu dem äussersten Plane zu entwickeln. Hiermit stimmt ferner das häufige Vorkommen monochromer, namentlich grün oder gelb gemalter Landschaften ■*) . Das Verzichten auf ein der Natur entsprechendes Colorit zeigt deutlich , dass der Schwer- punkt dieser Gattung anderswo , nämlich in dem plastischen Elemente , zu suchen ist. Endlich erklärt sich aus dieser Eigen- I : Auch die antike Poesie verzichtet bei entsprechenden Schilde- rungen darauf, das Veischwimnien der landschaftlichen Formen in die atmosphärischen Potenzen zu veranschaulichen. Vgl. z. B. Vergil, Acn. I 88 : Eripiunt subito nubes coelumque diemque Teucroruni ex oculis ; ponto nox incubat atra. 2' Ein solcher hoher Standpunkt muss auch den von Philostratos beschriebenen Landschaften eigenthümlich gewesen sein, den Sümpfen (imag. I i);, dem Bosporos (I 12), den Inseln (II 17). Setzt man dies voraus , dann erscheint die Entwickelung der Gegenden , wie sie der Rhetor schildert, bildlich ganz wohl darstellbar. ;3) Ein grünes Monochrom ist die Aktaionlandschaft N. 252*'. Ein Cyklus von gelben Landschaften findet sich in der pompeianischen Casa di Sirico in einem der Zimmer, welche an der Nordsoite des nach Vicolo dei lupanari orientirten Atriums liegen) , ein anderer in dem sogenannten Hause der Livia auf dem Palatin. 360 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. thümlichkeit die Thatsache, dass die Alten öfters und bereits in verhältnissmässig früher Epoche landschaftliche Motive in der Sculptur behandelten. Terracotten südrussischer Provenienz, deren Arbeit sicherlich der vorrömischen Epoche angehört, stellen Aphrodite dar, wie sie neben einer Priapherme auf einem natura- listisch behandelten Felsen sitzt. An dem Felsen sind in sehr flachem Relief scherzende Eroten angebracht. Einmal ist auch das darunter fliessende Gewässer angedeutet i) . Die Künstler des far- nesischen Stieres haben das Terrain , auf welchem die Handlung vor sich geht , sehr ausführlich veranschaulicht. Das Gleiche ist öfters der Fall bei den kleinen Marmorwerken , welche zum Schmucke der Wasserkünste in den Atrien , Peristylien und Gärten dienten 2) . Was das Relief betriff't , so genügt es , an die Basen des Nil und des Tiber 3) , an die Apotheose des Homer , an die Reliefs von S. Agnese"*), an zwei im CapitoP), zwei andere im Lateran befindliche Denkmäler 6) zu erinnern. Besonders häufig sind Motive aus dem Gebiete der idyllischen Landschaft in das Relief übertragen ^) . Festungen , Berge , Flüsse werden auf den 1) Ant. du Bosph. cimm. pl. LXV 1, 2, 5. 2) Hierher gehört ohne Zweifel das Marmorwerk in Villa Borghese, welches Fischer auf einem klippenreichen Strande (gegenwärtig im Zimmer der Daphne , in der Beschreibung Roms nicht verzeichnet) , ein anderes im Vatican, welches einen schlafenden Hirtenjüngling, vielleicht Endymion , umgeben von seiner Heerde , auf einem felsigen Terrain darstellt (Beschreibung Roms II 2 p. 162 n. 39), vielleicht auch das in Bergaus Besitz befindliche , welches eine Mädchenfigur schil- dert , die auf einem mit Weinreben bewachsenen Felsen sitzt imd mit einem Schwane tändelt, während um sie herum Eroten scherzen (Bull, deir Inst. 1866 p. 12, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1871 Taf. II p. 108 ff.). Das letztere Denkmal erinnert in Auffassung und An- ordnung merkwürdig an die südrussischen Terracotten, welche wir in der vorhergehenden Anmerkung angeführt. 3) Visconti, Mus. Pio-Clem. I 37, 38. Bestandtheile ägyptischer Landschaft finden sich auch auf dem vaticanischen Relief bei Visconti, Mus. Pio-Clem. VII \4\ 4) Braun, zwölf Basreliefs Taf. I — VIII. 5) Befreiung der Andromeda ; Endymion schlafend : Foggini, Mus. capit. IV 52, 53; Braun, zwölf Basreliefs Taf. X, IX. 6) Pflege des Pan : Benndorf und Schöne, Bildwerke des lat. Mu- seums p. 16 n. 24. Wenn hier behauptet wird , es seien keine Mythen von der Pflege des Pan überliefert, so ist dies unrichtig. Pausanias VIII 30 erzählt , dass die Nymphe Oinoe Pflegerin des Pan gewesen sei. Vgl. auch Euphorion im Schol. zu Eurip. Rhcs. 36 und Meineke, anal. alex. p. 158, 164. — Vielleicht die Entdeckimg des Asklepios durch Autolaos: Benndorf und Schöne a. a. 0. p. 6 n. II. Vgl. auch das Relief mit Alexander und Diogenes: Zooga, bassiril. I 30. 7) Landraann mit Kuh, dahinter Tempel, Donarium, heiliger Baum : Mon. dell' Inst. H 27 ; Lützow , Münchener Antiken Taf. 38 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. 361 Cochlearsäulen geschildert •) , was um so weniger befremden wird, da das Relief dieser Denkmäler in engem Zusammenhange mit der vorhergehenden Entwickelung der historischen Malerei steht. Aehnliche Darstellungen haben selbst auf Münztypen Eingang gefunden 2) . Die unerfreulichsten Producte dieser Richtung sind endlich die verworrenen Hafenlandschaften, denen wir auf Reliefs der Verfallsepoche begegnen ^) . Niemand wird gegen den Schluss, den ich auf diese Denkmäler gegründet, die der antiken Marmor- sculptur eigenthümliche Bemalung einwenden ; denn , mag man den Naturalismus derselben noch so hoch veranschlagen , so war die Verwirklichung atmosphärischer Stimmung hierbei gewiss in nur ganz beschränktem Grade erzielbar *) . Um einem möglichen Einwurfe zuvorzukommen, haben wir schliesslich noch das antike Nachtstück zu berücksichtigen. Im (Brunn, Beschr. der Glyptothek n. 301). — Landmann mit Kuh vor einem Sacellum und heiligen Baume: Visconti, Mus. Pio-Clem. V 33. — Rinderheerde, dahinter Felsen, Priapherme und Berggott: Winckel- mann, mon.in. 67; Braun, zwölf Basreliefs, Vignette zuTaf. 7; Lützow, Münchener Antiken Taf. 3S (Brunn, Beschr. d. Glyptothek n. 127). — Jäger neben Pferd ; im Hintergrunde Bäume , Felsen und eine mit Guirlanden behangene Priapherme : Zoega bassiril. I 37. — Poly- phemos mit Eros sitzt unter dem Schatten eines gewaltigen Baumes auf einem Felsen: Zoega, bassiril. II 57. — Bakchisches Opfer vor Sacellum mit heiligem Baume , Relief von Calvi : Bull, dell' Inst. 1865 p. 41 ff. — Pan auf Maulthier reitend , davor Eichbaum auf einem Felsen, unter welchem eine Priapherme steht : Gerhard, Neapels antike Bildwerke p. 45S n. 11 ; Fiorelli, raccolta pornografica n. 44. — Bak- chische Procession ; darüber Feigenbaum und Haus: Foggini, Mus. capitol. IV 36. ■ — Ein dem letzteren ähnliches Exemplar in Neapel : Gerhard, Neapels ant. Bildw. p. 455 n. I ; Fiorelli, racc. porn. n. 43. — Ein Satyr neckt einen Panther, indem er ihm einen Hasen vorhält ; links ein mit einer Guirlande bekränzter Felsen ; rechts eine Pinie und ein Cippus, an dem einPedum, eine Chlamys imd ein todter Hase aufgehängt sind: Bouillon, Mus. d. ant. I 79; Denkm. d. a. K. II 39, 465. 1) Z. B. Fröhner, Colonne trajane p. 65. 2) Z. B. Donaldson, Architectura numismatica N. 1, 2, 32, 33. 3) Visconti, Mus. Pio-Clem. VII 17; Guglielmotti, delle due navi romane scolpite sul bassiril. portuense del Principe Torlonia , Roma 1866. 8. 4) Ich kann nicht umhin bei dieser Gelegenheit eine Frage auf- zuwerfen , welche die ursprüngliche Polychromie des capitolinischen Andromedareliefs (Foggini, Mus. capitol. IV 52 ; Braun, zwölf Bas- reliefs Taf. X) betrifft. Hier erscheint die rechte Seite des Reliefs, wo die Figur des Perseus dargestellt ist, im Vergleich mit der linken, wo sich der Felsen aufthürmt , von dem Andromeda herabsteigt , auf- fällig leer. War diesem Mangel vielleicht durch die Polychromie ab- geholfen und neben dem Felsen nach dem rechten Rande der Platte hinüber das blaue Meer angedeutet? 362 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. raod. Malerei. neunzehnten Abschnitte ' i wurde gezeigt, dass diese Gattung ver- niuthlich in der Alexander- oder Diadochenperiode zur Ausbildung kam. Der Nacht^tücke, die von Philostratos beschrieben sind, des Komos und der Kassandra , welche durch Fackellicht , der Antigone , die durch Mondschein beleuchtet war , haben wir im Anfange dieses Abschnitts gedacht. Eine verwandte Erschei- nung bot auch das Bild des Phaethon 2) , indem darauf bei dem Sturze des Trägers der Sonnenstrahlen in den oberen Regionen des Himmels nächtliches Dunkel hereinbrach und die Gestirne sichtbar wurden. Innerhalb der Wandmalerei endlich ist das Nachtstück durch eine pompeianische Landschaft vertreten, deren Staffage die Troianer darstellt , wie sie unter Fackelbeleuchtung das hölzerne Pferd vorwärts ziehen '^) . Ausserdem findet sich eine zum Mindesten verwandte Darstellung auf der vaticanischen Unterweltslandschaft, wo zwar nicht die Nacht, aber das Dunkel eines Raumes geschildert ist , in welchen nur wenig Licht hinein- fällt. Nun könnte Jemand die Behauptung aufstellen . dass das Nachtstilck nothwendig eine stimmungsvolle Verwirklichung zer- fliessender Massen mit sich bringe , dass demnach die Existenz dieser Gattung in der antiken Kunst der von mir im Obigen ent- wickelten Tlieorie widerspräche. Doch sind wir auch hier im Stande, zum Mindesten einen graduellen Unterschied zwischen der antiken und der modernen Auffassung nachzuweisen. Be- trachten wir, wie sich die alten Schriftsteller über die nächt- lichen Erscheinungen äussern , so sind allerdings einige Stellen erhalten , wo der gedämpfte Schimmer des durch Wolken oder Nebel verschleierten Mondes berücksichtigt wird. VergiHi ver- anschaulicht den Gang des Aeneas durch das Schattenreich mit folgendem Vergleiche : quäle per incertam lunam sab luce maligna est iter in silvis , ubi caelum condidit umbra Juppiter et rebus nox abstulit atra colorem. Die Nacht, welche die Trojaner in der Aetnagegend zubringen, wird folgendermaassen geschildert ^) : uam neque erant astrorum ignes nee lucidus aethra siderea polus , obscuro sed nubila caelo, et lunara in nimbo nox intempesta tenebat. Nichts desto weniger aber beruhen diese Aeusserungen auf einem von dem modernen verschiedenen Gefühle. Von jener be- 1) Vgl. oben Seite 211. 2) Philostrat. imag. 111. 3) N. i:r>6. 4) Aeneis VI 270 flf. 5) Aeneis III 585 ff. XXVIII. lieber einen Orundunterschied ant. u. mod. Malerei. 363 wussten Hingabe, mit welcher wir in dem Nebelhaften der Nacht- landschaft schwelgen , von der Ausführlichkeit unserer Schilde- rung ist Vergil weit entfernt. In den an zweiter Stelle ange- führten Versen lässt er sogar die Wirkung des verschleierten Mondes auf die darunter befindliche Landschaft ganz unberück- sichtigt. Bei dem Vergleiche deutet der Dichter allerdings das trübe Licht an , welches der bewölkte Himmelskörper über den Wald verbreitet. Doch zeigt die Fassung seiner Worte, dass eine solche Erscheinung auf ihn einen anderen Ein- druck machte als auf den Modernen. Während der letztere in dem Zitternden und Nebelhaften des gebrochenen Mondlichtes einen eigentbümlichen Genuss finden und denselben auch in der Beschreibung durchklingeu lassen würde , bezeichnet Vergil die Beleuchtung kurz als lux maligna. Bedeutsam ist es auch, dass der Dichter, obwohl es doch hier so nahe lag, jeglichen Hinweis auf das Verschwimmen der Formen unterliess und nur die Unkennt- lichkeit der Farben hervorhebt. Zu demiselben Resultate führt die Betrachtung der gesammten Masse von Nachtschilderungen, welche uns in der antiken Litteratur erhalten sind. Stellen, wie die beiden des Vergil , in denen die nebelhaften Erscheinungen der Mondnacht berührt werden , finden sich nur ganz vereinzelt. Gewöhnlich wird die Wirkung des klaren vollen Mondes geschil- dert , welche den Formen einen eigentbümlichen malerischen Reiz verleiht und ihre Schärfe mildert, ohne sie jedoch verschwim- men zu lassen i, . Besonders bezeichnend für diese Vorliebe ist die Stelle des Vergil ^) , wo der Dichter erzählt , wie die Penaten dem Aeneas im Traume erscheinen. Während ein Moderner eine solche Erscheinung gewiss in einem ahnungsvollen Dämmer- lichte Statt finden lassen würde , wird sie von dem classischen Dichter bei vollem Mondscheine eingeführt. Wenn aber die an- tiken Dichter und Schriftsteller nur ein sehr beschränktes Interesse für das Verschwimmende der Nachtlandschaft verrathen, so dürfen wir dasselbe auch von der damaligen Malerei annehmen. Wie die antike Landschaft überhaupt , wird demnach auch das Nachtstück das plastische Element gewahrt und die zerfliessenden Potenzen der nächtlichen Atmosphäre in ungleich geringerem 1) Sielje ausser den oben Seite 213 angeführten Stellen nament- lich Hymn. homer. XXXII in Lunam 3 ff. Sappho, fragm. 3 Bergk. Horatius, Carm. II 5, 18 ff. Vergilius, Aen. VII b ff. Ovidius, Epl. ex Pento III 3, 5 ff. Trist. I 3, 27 ff. 2) AeneisIII 150 ff.: visi ante oculos adstare iacentis in sommis , m u 1 1 o manifesti I u m i n e , qua ae p 1 e n a per insertas fundebat I u n a fenestras. 364 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u mod. Malerei. Grade verwerthet haben, als es die moderne Kunst zu thun pflegt. Fragen wir , wie sich die erhaltenen Wandbilder , die hierher gehören , zu dieser Annahme verhalten , so gestattet das flüchtig hingeworfene pompeianische Gemälde mit dem hölzernen Pferde kaum einen Schluss auf Leistungen der kunstmässigen Land- schaft. Ausgiebiger hierfür ist das römische Gemälde , welches die Unterwelt darstellt. In der Höhle, welche das Local des Schattenreiches bildet, herrscht abgesehen von einem fahlen Scheine, der durch ein aus der Oberwelt herabreichendes Felsen- thor fällt, ein dunkler Ton. Doch führt derselbe nirgends zu einem Verschwimmen der Massen; vielmehr heben sich die einzelnen Bestandtheile der Landschaft und die sich darin be- wegenden Gestalten überall bestimmt von einander ab , eine Behandlungsweise , welche sich selbst auf die ganz im Hinter- grunde befindlichen Eidola erstreckt, die ohne Andeutung der Einzelheiten , schattenartig , mit grauer Farbe gemalt sind ') . Wenn endlich Philostratos 2) von dem Mondlichte auf dem Antigonebilde schreibt »asÄTjVYj [isv yap TrpoaßaXXsi (päc, outto) TTiarov 6cp^aX[xoTc((, so braucht dies nicht auf den durch dunkle Wolken oder Nebel brechenden Schein gedeutet zu werden , wel- cher in vielen modernen Nachtstttcken wie ein Schleier über der Gegend lagert. Vielmehr war diese Bezeichnung auch ganz an- gemessen, wenn das Mondlicht, ohne durch atmosphärische Media gebrochen zu sein , die Gegenstände in einem matten Tone er- scheinen liess , etwa dem entsprechend , welcher auf der römi- schen Unterweltslandschaft herrscht. Ja wir dürfen weiter gehen und behaupten , dass , wenn das Antigonebild die Andeutung von Dünsten , Nebeln oder ähnlichen Erscheinungen enthalten hätte, Philostratos gewiss nicht ermangelt haben würde, diese zur rhetorischen Ausschmückung so geeigneten Motive nachdrücklich hervorzuheben. Das Resultat, zu welchem wir durch diese Betrachtungen gelangt sind , ist nicht nur für die Landschaft , sondern für die ganze antike Malerei von der grössten Tragweite. Wenn die Alten in der Landschaft die atmosphärische Stimmung in un- gleich geringerem Grade berücksichtigten, als die Modernen, dann dürfen wir dasselbe mit um so grösserer Sicherheit für die an- deren Gattungen ihrer Malerei voraussetzen , bei denen die Be- 1) Vergleichen lässt sich die Behandlung der Fische bei Philostra- tos, imag. I i:j : h fXocjxö) Se xi^ ttj; UaXaTXT]; ä^\)ei rä xtöv (yft'jwv ypeo- [AaT-x (ji£Xav£i [x£v ol av«) ooxoüow , T/TTov ö' ol dcpe^fj«, oi oe |j.eT dxeivo'j? ffif] Ttapa'|»£'joovTai 'z■^•^ o'itv, eixa atLubOen, eiö' üoapot, eiö' üitovofjaat. 2) Imag. II 29. XXVIII. üeber einen Grundunlerschied ant. u. mod. Malerei. 365 rücksichtigung dieses Elementes beträchtlich ferner lag. Die im elften Abschnitte berührte Erscheinung , dass die antiken Still- leben der stimmungsvollen Beleuchtung entbehren , welche den modernen und namentlich den holländischen Bildern dieser Art eigenthümlich ist, wird jetzt Niemanden mehr befremden. Besonders wichtig aber ist es, dass sich durch das von uns gewonnene Resultat bestimmte Grenzen für den Naturalismus in der antiken Malerei ergeben. Die Modernen dürfen es wagen, eine gemeine Natur, wie sie die Wirklichkeit darbietet, in dem Bilde zu schildern ; denn sie sind im Stande , auch über diese durch eine eigenthüraliche Trübung oder Klärung des Lichts einen poetischen Schimmer zu verbreiten. Um hier nur an Leistungen zu erinnern, welche dem extremsten Stadium des modernen Realismus angehören , so wirken Bilder Cour- bets, wie »das Begräbniss zu Omans« und »die Steinklopfera immer noch künstlerisch, weil der Eindruck der vulgären Exi- stenzen , welche als Träger der Handlung auftreten , durch die harmonische Abtönung der sie umgebenden Atmosphäre , dort eines grauen , Feuchtigkeit ausströmenden Wolkenhimmels , hier einer heissen, trockenen, mit Staubtheilen geschwängerten Mittags- beleuchtung , ein Gegengewicht erhält i) . Ein solcher extremer Realismus blieb der antiken Malerei, so lange sie Gefühl für ästhetische Wirkung bewahrte , nothwendig verschlossen. Indem sie des Mittels entbehrte , durch welches die Modernen auch das Hässliche oder Gemeine zu verklären wissen, durfte sie die Wirk- lichkeit nicht , wie sie vor den Sinnen lag , nachcopiren , sondern musste sie mit den von der Natur gebotenen Elementen sichtend, läuternd, ordnend zu Werke gehen. Sie konnte daher , wenn sie auf die Verwirklichung einer idealen Schönheit verzichtete, immer- hin nur bis zu einer im höchsten Grade charaktervollen Schilde- rung vorgehen, welche ein von allen Zufälligkeiten entkleidetes und somit allgemeingültiges Abbild einer Gattung oder einer Situation darbot. Wie lange die antike Malerei diese Grenzen einhielt, lässt sich nicht einmal nach Generationen bestimmen. In der Production der Diadochenperiode sind dieselben , soweit unser Wissen reicht, noch beobachtet, wie es die Betrachtung der Alexanderschlacht 2) und der Wandbilder genrehaften Inhalts lehrt , die wir auf hellenistische Vorbilder zurückführten •*) . Da- gegen herrscht ein rUckhaltsloser Realismus in den Schilderungen 1) Vgl. Meyer, Geschichte der modernen französischen Malerei p. 260 flf. 2) Vgl. oben Seite 44. 3) Vgl. oben Seite G9 ff., 76 ff. 366 XXVIII. Ueber einen Grundunterschied ant. u. mod. Malerei. aus dem Alltagsleben, welche mit Sicherheit als Producte der Kaiserzeit betrachtet werden dürfen ^) . Und die Eindrücke, die der Betrachter angesichts dieser Bilder empfängt , sind ganz geeignet, die Ansicht zu bestätigen, welche ich über die Grenzen der antiken Malerei aufgestellt. 1) Vgl. oben Seite 71, 72 ff. Yasenbild von Nazzano (siehe weitei' unten Seite 370). Nachträge und Verbesserungen. Seite 2 Anm. 4 ist das p. nach Ars am. I zu streichen. Zu Seite 7 am Ende. Die Weise, wie ich mich über das Ver- hältniss des Serapis- und des späteren Plutonideals geäussert, könnte missverstanden werden. Ich behaupte keineswegs , dass sie identisch sind, sondern nur soviel, dass bei Gestaltung des letzteren das Serapisideal zu Grunde gelegt wurde. Seite 12 Anm. 2 lies statt Quintilian. X 12, 3: Quintilian. XII 10, 3. Zu Seite 18. Die Frage über die Motive, welche Menelaos möglicher Weise bei Gestaltung der ludovisischen Gruppe be- nutzen konnte, ist unterdess wiederum vonConze, über griechische Grabreliefs (Sitzungsberichte der phil. bist. Gl. d. Wiener Aka- demie LXXI, 1872) p. 15 (329) berührt worden. Er verweist namentlich auf die Reliefgruppe eines in Wiltonhouse befindliclien griechischen Grabsteins, der von ihm auf Tafel II l publicirt ist. 368 Nachträge und Verbesserungen. Zu Seite 22. Zu vergleichen sind die Bemerkungen, welche Friederichs, kleinere Kunst und Industrie p. 453 fF. über die Bronzefiguren von Opfernden und Betenden mittheilt. Zu Seite 28 Anm. 5. Die daselbst angeführten Münzen von Katana sind besser, als bei Paruta, publicirt bei Torremuzza, Principe diCastelli: Siciliae veteris numismata I tav. XXIII 16 ff., ein Werk, welches sich in Rom nicht vorfindet und erst während eines neapolitanischen Aufenthalts von mir benutzt werden konnte. Zu Seite 33. Dass bereits die ältere Kunst Portraitstatuen in der Bewegung der Anrede bildete, also in ähnlicher Stellung, wie sie dem August Pourtales und der Statue desselben Kaisers aus der Villa ad Gallinas eigenthümlich ist, bezeugt die Nachricht über den älteren Kephisodotos bei Plin. XXXIV 87 : fecit et con- tionantem manu elata, persona in incerto est. Zu Seite 48. Hier hätte als ältestes Denkmal des römischen historischen Reliefs der Bilderschmuck des Mausoleums von St. Remy (Orange) erwähnt werden müssen. Ritschi hat in dem Priscae latinitatis epigr. suppl. V p. 111 ff. aus der Inschrift des Grabmals nachgewiesen , dass dasselbe ganz in den Anfang der Kaiserzeit fällt. Hiermit stimmt die Chronologie des in unmittel- barer Nähe gelegenen und offenbar gleichzeitigen Triumphbogens. Nach einer von de Saulcy, Revue arch^ologique XIV (1866) p. 313 ff. , angestellten Revision der In Schriften spuren an diesem Bogen gehört derselbe in die Zeit des Tiberius und zwar in das Jahr 21 n. Chr. Doch reicht die einzige neuere Publication jener Reliefs , die mir zugänglich ist , die bei Miliin , voyage dans le midi de la France, Atlas pl. LXIII Fig. I a — d, zu einer styli- schen Würdigung nicht aus. Seite 50 Anm. 6 und 7 lese man Vellejus Paterculus. Seite 89 Zeile 14 von unten ist statt »den Kopf« zu lesen »der Kopf«. Seite 102 Zeile 8 von unten ist statt »einen Krytoporticus« zu lesen »eine Kryptoporticus«. Seite 119 Anm. 3 ist statt »prospicicus« zu lesen »prospiciens«. Seite 126 Zeile 6 von unten ist statt »Zeit von Alexander« zu lesen »Zeit vor Alexander«. Zu Seite 131. Die Lesart Pireicus, welche ich nach dem Vor- gange Brunns (Gesch. der griech. Künstler II p. 259) und Over- becks (Schriftquellen n. 1964) bei Propertius IV 9,' 12 annahm, ist unzulässig. Karl Dilthey , den ich bei der Beschränktheit des mir zu Gebote stehenden bibliothekarischen Materials in dieser Frage um Auskunft bat , theilte mir mit , dass sie von Beroaldus aus zwei interpolirten vaticanischen Handschriften in den Text gesetzt worden ist. Offenbar ist Plinius n. li. XXXV 1 1 2 die Quelle Nachträge und Verbesserungen. 369 der Interpolation. Die lateinische Form des von Piraeeus abge- leiteten Namens kann aber nur Firaeicus lauten, passt also seiner Quantität nach nicht in den Vers. Meiueke in den Analecta Alexandrina p. 2U) zweifelt an der richtigen Lesart des Namens bei Plinius und schlägt vor, Pyres Icius zu lesen. Da jedoch eine ganze Reihe solcher von Ortschaften abgeleiteter griechischer [*ersouennamen bekannt ist (vgl. Keil , specimen onomatologici graeci p. 92 ft'.) , so liegt kein Grund vor, Ilstpaixos oder Piraeicus in Frage zu stellen. Zu Seite 134. Eines besonderen Kaffinements , welches mit diesem Deckenschmucke getrieben wurde, gedenkt Seneca, epl. XC I 5 : qui .... versatilia coenationum laquearia ita coagmentat, ut subinde alia facies atque alia snccedat et toties tecta , quoties fercula mutentur (vgl. Marquardt, röm. Privatalterth. I p. 320 Anm. 19SI). Diese Bemerkung bezieht sich keineswegs, wie Rein in Beckers Gallus ll-' p. 260 annimmt, auf Decken, welche sich vermöge einer geheimen Maschinerie hoben oder senkten, ein Anblick, welcher auf die darunter befindlichen Gäste einen Schwindel erregenden und Jedenfalls unangenehmen Eindruck hervorgebracht haben würde. Vielmehr waren die Bildchen, welche die Deckenfelder füllten, verschiebbar und konnten durch irgendwelchen Mechanismus andere an ihre Stelle gerückt werden, so dass das Ensemble der Decke bei jeder Veränderung ein neues Schauspiel darbot. Seite 159 Zeile 18 von oben ist statt »Antiochos Seta« zu lesen »Antiochos Soter«. Seite 166 Anm. 1 : Die hier erwähnte Schale des EuphrOnios ist nnterdess publicirt worden von de Witte , monuments grecs publies par l'association pour l'encouragement des ^tudes grecques en France N. 1 (Paris 1872) pl. I, II. Zu Seite 235 ff . : Den Berührungspunkten zwischen den Wandbildern und der späteren Vasenmalerei , über die ich in jenem Abschnitte gehandelt, kann ich gegenwärtig einen weiteren sehr bezeichnenden beifügen. In den Ländereien des Principe del Drago zwischen Nazzano und Filacciano (Provincia di Civita Castellana) wurde im vorigen Jahre eine Nekropole von beträcht- lichem Umfange entdeckt. Die auf Befehl des Fürsten veran- staltete Ausgrabung derselben ist noch gegenwärtig im Gange. Die Nekropole besteht, wie mir der Direttore degli scavi, Herr Bondini, mittheilt, aus zwei ttbereinander liegenden Schichten. In den Gräbern der unteren Schicht haben sich alterthümliche Gefässe aus schwarzem Thone und wenige Vasenscherben mit schwarzen Figuren gefunden, von denen keine eine besonders eigeuthümliche Schildeiiing darzubieten scheint. Die Gräber der H e 1 b i g , Unter sachungen ü. d. campan. Wandmalerei. 24 370 Nachträge und Verbesserungen. oberen Schicht , enthielten einige Spiegel , deren Zeichnungen wegen des dieselben bedeckenden Oxyds vor der Hand noch un- kenntlich sind, und viele Gefässe mit rothen oder gelben Figuren, deren Styl an den der unteritalischen Vasen erinnert. Der Cha- rakter der besseren Exemplare dürfte sich am Besten durch Ver- gleich mit der bekannten Amphora Lambruschini veranschaulichen lassen, welche in der benachbarten Sabina gefunden wurde (Arch. Zeit. 1848 Taf. 17. Vgl. Ann. dell' Inst. 1858 p. 240, 3. Bull, deir Inst. 1866 p. 213, 39). Ein zweihenkliger Topf, der sich unter diesen Gefässen befindet (Form bei Heydemann, die Vasen- sammlungen des neapler Museums Taf. I n. 33), zeigt auf der Hauptseite den Kampf eines Satyrs und eines Bockes. Der Satyr, bärtig, mit kahlem Scheitel und Pferdeschwanz, schreitet vor, beide Arme nach hinten ausstreckend , und neigt das Haupt , um damit den Stoss gegen den Bock auszuführen. Ihm gegenüber springt der Bock auf den HinterfUssen zum Angriffe an. Zwischen den beiden Kämpfern ein Baum^) . Rückseite : Kahlköpfiger, bär- tiger Triton mit Stumpfnase, in der Rechten einen Schild haltend. Die Darstellung der Hauptseite berührt sich mit den beiden von mir unter N. 449 aufgeführten herculanischen Wandbildern und namentlich mit dem an erster Stelle beschriebenen. Allerdings tritt hier nicht ein Satyr , sondern ein Pan als Gegner des Bockes auf. Doch wird durch diese Abweichung der Zusammenhang, den ich zwischen der Vase und den Wandgemälden annehme, keineswegs ausgeschlossen. Der Unterschied, ob ein Satyr oder ein Pan dem Bocke gegenübergestellt wird, ist sehr geringfügig, und, war einmal eine von beiden Darstellungen vorhanden, dann lag es nalie, daraus die andere zu entwickeln. Kommt doch die gleiche Abwechselung auch bei anderen Compositionen vor, welche deutlich auf denselben Ausgangspunkt zurückweisen. Durch viele Repliken bekannt ist die Gruppe, welche Dionysos darstellt, wie er sich auf einen Satyr stützt. Doch kennen wir einige Denk- mäler, worin die Figur des Satyr durch die eines Pan ersetzt ist (z. B. Panofka, Gab. Pourtales pl. 19. Impronte dell' Institute IV 38) •^). Die Wandmalerei schildert Satyrn, griechische Spiegel- kapseln Pane und Bakchantinen, welclie neben einander schweben oder tanzen (vgl. oben Seite 317). Auf den Wandgemälden, welche Ariadne auf Naxos darstellen, hebt einmal ein Satyr 1) Der Holzschnitt auf Seite 367 giebt dieses Bild, etwa zur Hälfte verkleinert , wieder. 2) Eine weitere Entwickelung dieses Typus wird durch die Gruppen bezeichnet, welche Dionysos darstellen, wie er sich mit dem einen Arm auf einen Satyr , mit dem anderen auf einen Pan stützt. Vgl. Ann. dell' Inst. Im4ö p. 218 ff. 1>.56 p. lia ff. Nachträge und Verbesserungen. 37 1 (N. 1240), ein anderes Mal Pan (N. 1235) das. Gewand von dem schlafenden Mädchen ab. Der gleiche Wechsel zeigt sich endlich auch auf den Gemälden , welche die Beschleichung einer schla- fenden Bakchantin darstellen (N. 542 ff. 559 ff.). Welche der beiden Formen die ursprüngliche sei , lässt sich nicht tiberall mit Sicherheit entscheiden. Im Allgemeinen spricht allerdings die grössere Wahrscheinlichkeit dafür , dass der Satyr das ältere Motiv ist. Die Auffassung des Pan nämlich, wie sie diesen Darstellungen eigenthiimlich ist , kam bei den Griechen erst spät und schwerlich vor der Zeit Alexanders des Grossen zur Ausbil- dung. Die älteren Griechen kannten einen Gott Pan , wussten dagegen nichts von einem Gattungsbegriffe untergeordneter Wesen dieses Namens. In der volksthümlichen Vasenmalerei ist Pan überhaupt niemals recht geläufig geworden und als Mitglied des Thiasos und Kamerad des Dionysos , der Satyrn und Mainaden findet er sich selbst auf den spätesten Gefässen nur ganz selten. Was die Composition betrifft, welche die Ueberraschung der Bak- chantin darstellt, so wird die Annahme, dass ursprünglich ein Satyr als Träger der Handlung auftrat, durch anderweitige Zeug- nisse bestätigt. Bereits Nikomachos malte Bacchas obreptantibus Satyris (Plin. XXXV 109) und Darstellungen dieses Inhalts finden sich auf Gefässen von verhältnissmässig altem Style (vgl. oben Seite 238). Pau wird demnach in diesem Falle von der spä- teren Malerei substituirt worden sein , um durch den wirksamen Gegensatz zwischen seiner thierischen Erscheinung und der Schönheit des schlafenden Mädchens eine neue Nuance zu er- zielen. Gegen die Annahme, dass die Composition , welche den Kampf gegen den Bock schildert, eine entsprechende Entwicke- lung durchmachte , dass die Vase mit dem Satyr die ältere , die Wandgemälde mit dem Pan die jüngere Form darbieten , lässt sich nichts einwenden. Trotzdem dürfte aber auch eine andere Auffassung zulässig sein. Wir wissen nicht, wann die Composi- tion, die als Ausgangspunkt diente , gestaltet wurde. Geschah dies in einer späteren Epoche , in welcher bereits die genrehafte Auffassung des Pan im Schwünge war, dann konnte die Kunst recht wohl von Haus aus dem Bock einen Pan gegenüberstellen. Dagegen ist es wohl möglich, dass die Vasenmalerei, als sie ihrerseits diesen Gegenstand zu behandeln anfing, an der ihr wenig geläufigen Figur des Pan Anstoss nahm und dieselbe durch die eines Satyr ersetzte. Noch ein anderes Gefäss, welches aus der oberen Schicht der zwischen Nazzano und Filacciano entdeckten Nekropole stammt und einer ähnlichen Localfabrik angehört , wie das soeben be- sprochene, bietet, wie es scheint, einen Berührungspunkt mit der 4- 24* 372 Nachträge und Verbesserungen. Wandmalerei dar. Es ist von beträchtlichem Umfange und sehr figurenreich , aber leider in eine Menge kleiner Scherben zer- brochen. Soviel ich bei einer vorläufigen Zusammensetzung der Fragmente ersehen konnte , stellt dasselbe die auch in der Wandmalerei häufig vorkommende Scene dar, wie sich Dionysos, umgeben von dem Thiasos, der schlafenden Ariadne nähert. Doch gebe ich diese Notiz mit Vorbehalt ; denn erst , wenn das Gefäss gehörig zusammengesetzt ist, wird es möglich sein, den Inhalt seiner Darstellung sicher zu beurtheilen. Uebrigens hoffe ich, über die Ausgrabungen von Nazzano demnächst ausführlich im Bulletino dell' Instituto berichten zu können. Zu Seite 276: Den Stellen, welche die allgemeine Verbrei- tung der Jagdliebhaberei bei der griechischen Jugend der helle- nistischen Epoche bezeugen , ist beizufügen Terentius , Andria (I 1, 24) 51 ff. : Nam is postquam excessit ex ephebis .... quod plerique omnes faciunt adulescentuli, ut animum ad aliquod Studium adiungant, aut equos alere aut canes ad venandum aut ad philosophos. Zu Seite :V26 : Hier ist das Wandgemälde N. 11 82 (vgl. oben Seite 152) nachzutragen, welches den Tod der Medusa darstellt. Es gilt von ihm dasselbe, was über das Dirkebild N. 1151 be- merkt wurde. Auch hier erhält die schreckliclie Scene durch die ausführliche Behandlung des Landschaftlichen ein Gegengewicht. Register*). Vb. bedeutet Vasenbild , Wb. Wandbild. Achilleus: Seite 194. 259. und Agaraemnoa 80. 143. 221. und Briseis 81. undCheiron 156. 159. und Chryseis 81. und Hcktor 143. und Iphigeneia 196. und Priamos 144. auf Skyros 8 1 . 158 (vgl. Athe- nion) . im Zelte 85. Admetos260. 261. und Alkestis 81. und Apoll 83. 249. 260. Adonis 259. 260. 285. und Aphrodite 84. 118. 139. 222. 224 ff. 248. 320. 324. auf Relief Spada 6. Aegyptiorum audacia 136. Aegyptische Landschaften 101. 104. 302. 360 Anm. 3. Aegypti sirende Motive 13S. Aemilius PauUus 129. 277. 322. aufWdg.4.6.89. 115. 116.346. und Anchises 28. 346. und Dido 4. Aetion : Hochzeit der Rhoxane 131. 242. 252. Serairamis 131. 173. Agamemnon 65. und Achilleus s. u. Achilleus. Agasias 25. Agatharchos 125. Agathokles 130. Ageladas 11. Agrippa 159. 160. 164. Agrippina, die ältere 32. die jüngere (?) 33. Aietes 175. Aigisthos 259. Aisopos 209. Akontios 284. Akragas 23. 276. 'AocTGti 84. 117. 142. 217 ff. 288. Aktaion 102. 263. 266. 324. 326. 329. Alexander Aitolos 245. 248. 291. Alexander der Grosse seine Jagdliebe 275. sein Interesse für die Trapd- oeiaot 279 ff. seine Kleidung 171. seine Kunstliebe 180. sein Leichenwagen 45. 51. mit Pan 50. seine Portraits 181. 186. 205(?). 208. Alexanderschlacht , pompeiani- sches Mosaik 44. 54. 158. 159. 162. 214. 365. Alexandreia 271. 272. Alkaios von Messene 243. Alkestis 81. 340 Anm. 1. Alkibiades 125. Amazonen 79. 155. 176. 177. Ambrakia 129. Amme der Alkestis 69. Amme der Phaidra 69. der Skylla 69. Amphitheater auf Wb. 73. 95. 104. Amphitrite 166 Anm. 1. Amulius, König von Alba 6. Amulius, Maler 62. Anatomie 206. Anaxandra 193. 194. 201. Anaxarchos 262. Anchises 4. 28. 346. *) Lateinische Götternamen sind nur angewendet, wo es sich um römi- sche Mythen oder um Darstellungen aus dem speciflsch römischen Cultus handelt. Im Uebrigen sehe man stets die griechischen Namen nach. 374 Register. Andromeda s. Perseus. Antigoüos Gonatas *262. Antigonos , Kunstschriftsteller 163. Antiuoos 33 ff. Antiocheia am Orontes 271. 272. Antiochos I 245. Antiochos Epiphanes 128. 216. in Bronzegruppe 183. Antiphilos 131. 169. 183. 210. Europa 225 S. 325. 331. Feuer anblasender Knabe 329. Hesione I5s. Hippolytos 220. 327. Jagd des Ptolemaios 276. Wollbereitung 187. Antonius, M. 12. 50. 302. Anyte 193. 283. 294. 297. Appiades des Stephanos 18. Apelles 180. 181. 328. Alexander 52. 181. 210. 327. Anadyomene 63. 211. Gewitter 210. Gorgosthenes 187. Herakles 210. Pankaspe 199. Procession des Megabyzos 173. Sterbende 205. Verläumdung ^?) 216. 328. Apoliodoros von Damaskus 5. 49. Apollon 258. bei Admetos s. u. Admetos. und Artemis 87. mit Asklepios und Cheiron 87. mit Eros 85. mit Hindin auf Vb 234. mit Kitharspielerin 85. Apollonkopf Giustiniani 247. Apoll onstatue, pompeianische 15. Apollonios, Bildhauer 24. Apollonios von Rhodos: Aphro- dite sich schmückend 224. genrehafte Züge 273 Anra. 4. heiliger Baum 29S. landschaftliche Schilderung 218. 270. 279. 354. 355. Lichteffecte 213. primitive Ciiltushandlungen 295. Apotheose 319. Aphrodite: angelnd 84. 85. J17. 334. auf bosporanischen Terracot- ten 360. Aphrodite auf dem Meere 119. sich schmückend 84. 224. und Adonis s. Adonis. und Ares s. Ares. und Dionysos 87. und Eros 228. 273. und Paris 201. und Zeus 87. Aphroditestatuen : capitolinische 25. knidische s. Praxiteles. mediceische 25. vom Parthenon 264. Aphroditetypus mit Schild 21 1. Ära Casali 4. 6. Aratos 12S. Archaisirender Geschmack 11 ff. 329 ff. Archelaos von Priene 26. Archemoros 91. Archimedes 101. Arellius 62. 337. Ares und Aphrodite 26 222. 236. schwebend 319. Arete 191 Anm. 1. Argos 83. 113. 120. 236. 259. 261. Ariadne 6. 118. schlafend 242. 252 ff. 372. trauernd 113. 119. 120. 157. 159. 218. 248. 255. mit Theseus und Dionysos auf attischem Gemälde 256. Arimaspen 176. Aristarete 193. 201. Aristeides : anapauomene 252. Dionysos 128. Kranke 205. Leontion (?) 199. Perserschlacht 181. Pornographie 25U. Scenen aus der persischen Ge- schichte (?) 173 Anm. 4. Sterbende Mutter 127. 205, tragoedus et puer 188. venatores cum captura 276. Aristobulos, Maler 169. Aristodemos : Aisopos 209. Aristokles 11. Aristolaos : Stieropfer 20 1 . Aristomache 191 Anm. 1. Aristophanes, Wespen 1215 : 125. Aristoteles 186. 204. bei Cicero de nat. deor. II 37 129. aeia Portrait 186. 208. Register. 375 Arkadia 152. 154. Arkesilaos 22 flf. 61. Arsinoe 9. 40. Artemis 65. 87. 326. (Vgl. Ak- taion.) asiatisch gekleidet 177. Arteinisia 36. Artemon : Danae 145. Stratonike 159. Asia 220. Asklepiodoros : Zwölfgötter 1*^1. Atalante 88. 177. 197. 268. Athene Alea 12. Kranaia 10. Tritonias 12. auf Münzen Antiochos' VII 8. und Bellerophon 98. . und Teiresias 263 (vgl. Pallas) . Atheuion; Achill aufSkyros 158. Athcnis 12. Atmosphäre , Behandlung der- selben in der Malerei 351 fF. Attalos 43. 128. 182. 282. Attius Priscus 62^. Augustus 4. sein archaisir. Geschmack 12. Augustusstatuen 33. 38. 31 9. 345. 368. AüXTjTpioojv SiSaaxaXeia 189. Aura 252. Bakchantinnen 86. 119. 120. 158 (vgl. Kentauren, Satyr, Pan). nackt 265. Bakchylides 125. Bäckerladen auf Wb. 72. 75. Bär 93. Baibus, Statuen der Töchter des- selben 31. Barbaren auf Vb. 174 ff. Barbar und Hetaire auf Wb. "0. 77. 200. 329. Barbarentypen der pergameni- schen Kunst 44. 51. 206. Beleuchtung des römischen Hau- ses 340 ff. Bellerophou 98. Berenike 174 Anm. 3. Berenike , Gattin des Ptolemaios Soter 192. Berenike, Gattin Ptolemaios' III. 194. Berenike , Gattin Antiochos' II. 193. Berggott 179. Bion 224. 244. Blumencultur 281 ff. Blumenmalerei 309. 312. 328. Boreas 176. Bordell, pompeianisches 75. Botanische Gärten 281. 291. Branchos (?) 178 Anm. 6. Briseis 69. 81. Brode 73. Bronzegiesserei auf Vb. 188. Bryaxis 7. Buca, L.: Denar desselben 157. Bupalos 12. Busiris 177. Büste, hellenistisches Motiv 39 ff. Cabinetsbild 131 ff. 163—165. 183. 312. 328. Cabinetsraaler 183. Caesar 4. 159. 160. 164. Caligula 50. Camillus 20 ff. Capri (?) 99. 105. Catamitus 139. Catullus 343. 344. sein 64. Gedicht 113. 157. Ceres (?), capitolinische Statue 35. Chairemon 213. 251. 313. Chalkosthenes : comoedi 188. ^Chariten , realistisch behandelt auf Wb. 336. Cheiron und Achill 156. 159. Cheiron und Apoll und Asklepios 87. Chryseis 81. Claudius 52. comicae tabellae 131. 329. Copa 344. Copiren älterer Kunstwerke 34.63. Courbet 365. Cornelius Pinus 62. Cucullus 73. Culex 344. Daidalos 97. portraitartig 337. 338. Damophilos 12. 321. Danae: der goldene Regen 86. 235. 243. 26(). 321. Danae auf Seriphos 145 ff. 335. Daphne bei Antiocheia 272. Daphne, Tochter des Ladon 222 ff. 230—232. 266. 267. 285. Daphnis234 (?). 245. 248. von Pan und Priapos heim- gesucht 252. Dareios auf dem Hügel bei Chal- kedon 278. 376 Register. Dareiosvase 174. Deckenmalerei 132 ff. 369. Decorative Figuren 109 ff. .'il I ff. Deidameia 194. Deinokrates 9. Deiuarete 191 Anm. 1 Demetrios, alexandrinisch. Land- schaftsmaler 138. 169. 289. 322. Demetrios Phalereus 190. 258. Demetrios Poliorketes 171. 181. 280. Demetrios Soter 275. Dexileos, Grabstele desselben 56. Dichter (?) auf Wh. 11. 334 ff. Dichter, Portraits derselben 1S7. Aioao-^aXia, Personification 219. Dido 4. Dikaiarchos zu Odyssee XXI 63 ff. 195. Diogenes, Bildhauer 24. 61. Diomedes 65. Dionysios, Bildhauer 322. Dionysios, Portraitmaler 61. Dionysos mit Ariadne 120. 252 ff. 372. mit Hephaistos, attisches Ge- mälde 256 ff. mit Hephaistos auf Vb. 257. mit Schauspielern 239. mitSemeleaufVb. 234. mit Zeus und Aphrodite auf Wb. 87. triumpliirend 52 ff. Dionysosknabe auf Wb. 84. Diphilos , komischer Dichter (?), aufVb. 189. Dirke Sl. 82. 324. 326. Domitianus 51. Donatello 15. Dorotheos 63. Duris von Samos 163. 258. seine Charakteristik histori- scher Personen 207. Eber 93. 312. Eirene 193. 201. Elektra in neapler Gruppe 20. Endoios 12. Endyraion 83. 84. 118. 157. 158. 252. 266. 292. sein Typus 260. Ephebc, fiorentiner Statue 17. 22. kasseler Kopf 246. pariser Statue 21. sciarraschc Statue 17. 21. Ephebe, Statue von Virunum 22. von Stephanos 11 ff. 17. Epikuros 273. Erasistratos 192. 206. ErdtheileaufWb. 219. Eros auf Vb. und Wb. 237. in Bescliäftigungen des All- tagslebens 76. 237. gestraft 243. bei Aphrodite 237. bei Aphrodite u. Ares 237. 242. bei Ariadne 242. 252—255. bei Danae SU. 235. bei Helena 240. bei Leda 86. bei Omphale 86. 242. bei Zeus und mit dem Zeus- stier 86. 224. Erosstatue , die Sehne in den Bogen spannend 120. Eroten auf einem Bilde desAetion 2J2. mit den Waffen des Ares und des Herakles 242. reitend 237. 212. Vestalia feiernd 161. Erotennest 84. 222 Anm. 4. 223. 292. Eroten verkauf 69 Anm. 6. 237 ff. Eudemos, Anatom 206. Euphorion 3. 193. 255. Euphronios , Vasenfabrikant 166 Anm. 1. 369. Europa, die Heroine 112. 113. 119. 22 1 ff. 266. 325. Gemälde beschrieben von Achilles Tatius 226. 352. auf attischen Gussgefässen 265. auf Bild des Antiphilos 225 ff. 325. auf Münzen von Gortyn 2S6. Europa, Personification des Erd- theils219. Eurydike , Feindin der Olympias 192. Eurydike, Gattin des Orpheus 19. Euryklcia 6!». Eurysaces, Grabmal desselben 42. Eutychides : Tyclie 285. Euthykrates 311 Anm. 2. Fabuli US 62. Farnesischer Stier 285. 360. Felicitas, Statue des Arkesilaos 22. 21. Register. 377 Fernsichten 279. 351. 35.5. Fische 93. 310. Fischer 83. Typus derselben 187. Fischhändler-aufVb. 1^9. Fliehende Frauengestalten in der bildenden Kunst 229. 235. Flötenspieler 77. 78. Fornices 16. Forunisbilder 72. 75. Frauenbad 263. 265. Fullones aufWb. 72. 75. Fulvius, M. 129. seine Spiele 321. (;ialateia 83. 103. 194. 195. 197. 321. ihr Typus auf Wb. 338. Ganymedes 81. HS. 139. 252. vom Adler geraubt 230. 320. von Zeus verfolgt auf Vb. 230. Typus desselben 260. 261. Gärtnerei 280 fF. Gegenstücke in der Tafelmalerei 130 ff. Genrehafte Züge auf Vb. 228. 232 ff. Germania, Statue in Florenz 27. Gewandbrüche an Statuen der zweiten attischen Schule 35. 205. Gigant, pergamenische Statue 56. Gladiatorenkämpfe 72. Glyptik 58 ff. Gorgasos 12. 321. Gorgosthenes 187. Grab des Patron 100 Anm. 8. Gräber an Via Latina 131. Greif 176. Hafenlandschaften auf späten Re- liefs 361. Handkiiss 194. Harpalos 280. Hedyle 193. Hcgcsandros 277. Hegias, Bildhauer 12. Heiliger Baum 98. 99. 290. 295. 297 ff. 300. Hektor 143. 144. Helena des Zeuxis s. Zeuxis. und Paris s. Paris. Helenas Entführung (?) 81 Anm. 8. Heliodoros , Bildhauer ; Sym- plegma 250. Heliodoros , Kunstschriftsteller 163. Helle 66. 119. Hephaistion, Scheiterhaufen des- selben 276. Hephaistos in der Schmiede 80. 329. von Dionysos in den Olymp geführt 256 ff. Herakles, assyrischer 173. Herakles, seine Thaten auf Wb. 79. Löwe 67. Omphale 86. 113. 178. 293. Orpheus und Musen 293. Prometheus 103. Telephos 152 flf. Theseus 19. würgt die Schlangen 81. Herakleskopf Steinhäuser 14. 153. 156. Heraklesstatue , farnesische 1 4 . 25. 153. des Apollonios 24. Heraklestypus auf späten Vb. 259. Hermaphrodit 86. 179. Statue 250 Anm. 6. 252. und Panisk 252. Herraenform des Portraits 39 ff. Hermes neben der gefangenen lo 141 ff. 236. sein Gespräch mit Argos 83. 113. Hermodoros von Salamis 322. Herophilos 206. Hesione 158. 291. Hetairen 70. 77. 195 ff. 198 ff. 200. 262. Hierax 190. Hieron H., sein Prachtschiff 282. und Philistis auf Relief 45. 48. 246. Hintergründe auf Vb. 293. auf Wb. 82. 84 ff. 291 ff. 348. iTTTraXeTCTpuDve? 170. Hippokrates , Portrait desselben 210. Hippolochos 262. 263. Hippolytos 81. 82. 201. portraitartig 337. Hirsch 92. Hirt auf Landschaftsbildern 83. 97. 98. 104. 294. Gemälde auf dem römischen Forum 187. 329. Histiaia, Grammatikerin 193. Historische Darstellungen 42 ff. 378 Register. Hölzernes Pferd auf pompeiani- scher Landschaft 362. 364. Homer, Portrait desselben 209. Horatius 344. 345. 346. Hostilius Mancinus 2S9. Hyakinthos des Nikias s. Nikias. Hylas 285. 292. Typus desselben 259. Hyperboreer 176. Hypereides 262. Hypnos bei Ariadne 253. 255. bei Endymion 158 Anm. Hypsas auf selinuntischen Mün- zen 307. laia 61. Jagd 274 flf. Jäger 83. Idyll , Bedingungen desselben 282 ff. 292. handelnde Figuren 83. 294. Hintergrund 84. Idyllische Richtung auf Vb. 234 ff. auf Landschaftsbildern 97 ff. 102 ff. 104. 111. 294 ff. 305. auf mythologischen Wb. 83 ff. 221 ff. auf Reliefs mit landschaft- lichem Hintergnmde 360. Ikaros 97. lo, Typus derselben auf Wb. 338. und Argos 113. 140 ff. 236. 287. 324. los Ankunft in Aegypten 80. 1 38. 'loöi acpt^t;, Gedicht des Kalli- raachos 114. 138. Iphigeneia bei den Tauriern 81. 147 ff. Iphigeneia, Opfer derselben 65. 80. 81. 326. 327. 329. Isiscultus, Scenen aus demselben auf Wb. 91. Isistypus 8. Jupiter auf Sacralbildern 90. Kadmos, Vb. 287. Kaiamis 11. 12. 19. 60. Kalasiris 170. Kalates 131. 183. Kalchas 65. 80. Kallikles 131. ls3. Kallimachos, Bildhauer 16. Kallimachos, Dichter 191 Anm. 1. 200. 266. 298. berührt sich mit Wb. 224. genrehafte Züge bei demselben 221. 224. Kallimachos, 'loü; acpilt; 114. 138. Kydippe 245. von Catull bearbeitet (?) 113. Kallixenos von Rhodos 123. 128. 129. 243. 281.. 282. 302. Kanachos U. Kandytalis 171 Anm. 7. Karanos, seine Hochzeit 262. 263. Karyatiden 24. Kassandros 192. 275. Katanäische Brüder 28. Kaunake 170. Kentauren: kämpfend 79. und Bakchantinnen des Akra- gas 23. und Bakchantinnen auf Wb. 23. 110. und Nymphen des Arkesilaos 22. vor Triumphwagen 52. Kephisodotos : Symplegma 250. Kidaris 170. 171 Anm. 7. Kimon und Pero 215. 329. 352. Klearchos 258. Kleitos 259. Kleomenes : mediceische Aphro- dite 25. sog. Germanicus 32. Thespiaden 25. Kleopatra 174 Anm. 3. Kleopatra, Gattin des Deme- triosll. 193. Schwester derTryphaina 193. Klytie, sogenannte, im britischen Museum 40. Koketterie 195. Konon, Astronom 194. Krateros 275. Kratinos: comoedi 188. Kreon 178. Ktesibios 190. Kühe, Statuen derselben 306 ff. Kyparissos 84. 230. 248. sein Typus 260. Laia 61. Landleute 97. 98. 104. Landschaften 95 ff. aegyptische 101. 104. 138. 302 ff. 360 Anm. 3. idyllische 97 ff. 294 ff. 305. 344. 360. mit Scenen aus der Odyssee s. u. Odysseelandschaften. mit Seeschlachten 101. 303 ff. monochrome 359. Register. 379 Landschaftliche Motive in der Sculptur 360 ff. Landschaftsmalerei 289 ff. 349 ff. Laodike 193. Laokoon 3. 34 fl". 206. 20ü. Laren- und Penatenbilder 00 ff. 337. Leda 86. 266. schwebend 319. A£t[xä)v£i; 117. Leochares 230. 276. Leonidas von Tarent 291. 296. 298. 301. Leonnatos 275. Leontiskos 188. Lichteffecte 210. 212 ff. 215. 284. 287. 329. 351 ff. Lichtgottheiten 248. Liebe zu Statuen 246. Livia 1. Lorenzo di Credi 15. Lotis 120. Löwe auf Mosaik 23. aufWb. 92. 154. 312. Löwin des Arkesilaos 22. Lucullus 12. Ludius s. Studius. Lykurgos, der Eteobutade 170. der nemeische 178. der thrakische 176. 256. Lysimachos 275. Lysippos 67. 180. 205. Aisopos 209. Apoxyomenos 206. Jagd Alexanders 276. Kairos 216. Pferd 311 Anm. 2. sieben Weisen (?) 209. Lysippos: temulenta tibicen 188. Lysistratos 9. 37. 206. Malerin auf Wb. 76. 201. Marius 50. Mars 4. 6. 90 vgl. Ares. Marsyas 83. Urtheil desselben 155 ff. 179. Maske, Anathem 199. Mausolos 35. 208. Medeia 80. 146 ff. 176. 325. 326. 327. Medusa 152. Typus derselben auf Vb. und Wb. 268. Medusenhaupt auf Wb. 84. Ludovisi 205. Meerlandachaften 303 ff. Megabyzos 173. Melanthios 128. Meleagros, Epigrammatiker 243. Meleagros und Atalante 88. 197. Melitäisches Hündchen 232. Memnon 176. Menalkas 283. 297. Menandros 203. Portrait desselben 186. vaticanische Statue 2o8. 209. Menelaos, Bildhauer 18 ff. 367. Mera^ota 219. Metellus, Q. Caecilius: seine Bauten 322. Metrodoros 5. 49. 322. Midas 175. 279. Mikon8. 166 Anm. 1. Minos 81. Mithrastypus 8. Mnason von Elatea 181. Moiro oder Myro 193. 295. 296. Moretum 344. Moschos 113. 224. 225. Mumm ins 128. Museion 272. Musen und Herakles 293. Myro 8. Moiro. Myron 11. 12. 15. Hund (?) 308 Anm. 2. Kuh 306 ff. vier Stiere 308. Nachtstück 211. 361 ff. Narkissos 83. 84. 230. 232. 248. 285. 292. Typus desselben auf Wb. 261. Naturgefühl 269 ff. 348 ff. Nealkes : Schlacht zwischen Per- sern und Aegyptiern 173. 302. 304. Nekyia auf vaticanischem Ge- mälde s- Unterweltsland- schaft. Nekyia des Nikias 181. Nerva, vaticanische Statue 31. Neuattische Plastik 24 ff. 164. Nikaia, Gattin des Alexander 193. Nikaia , Geliebte des Dionysos 252. 263. Nikainetos 294. Nike apteros 171. Nike auf Münzen desPyrrhos314. auf Schild schreibend 28 ff. mit Dreifuss auf Wb. 315. mit Krug und Schale auf Vasen und Wb. 315. 380 Register. Nike mit Schiflfsprora 315. mit Thymiaterion 315. mit Tropaion auf Vasen und Wb. 315. Stier opfernd S. und Triumphator 51. 327. Nikias, Arzt und Dichter 192. Nikias, Maler 15!». 210. 301. 309. Andrömeda 131. 140 ff. 201. 325. 335. Grabmal bei Triteia 276. Hyakinthos 141. 259. lo 131. 140 ff. 325. 335. Nekyia 181. Thiermalerei 309. 311. Nikomachos: Bacchae 158. 250. 252. 371. Victoria und Quadriga 154 Anm. 1. Nikomedes von Bithynien 1 28. Nikophanes, Pornograph 250. NilaufVb. 28S. Nillandschaften 101. 302. Nilstatue, valicanische 29 ff. 285. 302. 360. Nonnos 255 ff. durchsichtige Gewänder 268. flatternde Gewänder 267. Schönheitsideal 259. Sinnenreiz 266. weibliche Nacktheit 263. Nossis 193. Nymphen auf Kentauren, Gruppe des Arkesilaos 22. Nymphenstatuen 296. 300. 305. Obscöne Bilder ST. Odysseelandschaften 96. 217 ff. 290. 293. 350 (vgl. Unter- welt, Unwetter). Odysseus und Penclope 15S. Oeci cyziceni 273. Oinonc und Paris s. Paris. oxX-xsij.a 175. Olympias 192. Olympos (?) auf Vb. 235. Olympos und Marsyas 83. und Pan s. Pan. Omphale S6. 113. 178. 293. Onatas 11. Opfer, ländliche 295. Ophelion : Aerope 220. Orestes 81. 147 ff. Orientalische Moden 170 ff. Ormuz 172. Orpheus 19. 176. Ovidius Amor. I 1. 21 ff. : 120. Amor. 13, 23: 119. Ars am. II 613: 120. Fast. 1415 ff. III 461 ff.: 120. Fast. III 871: 119. Heroid.X49: 119. Metamorphosen 343. Remed. amor. 435: 120. seine Beziehungen zur bilden- den Kunst 112. 119 ff. 226. Palairaon, von Poseidon empfan- gen, Gemälde 325. Pallas , späterer Typus derselben 247. stürmt gegen Medusa an 152. zeigt dem Perseus die Spiege- lung des Gorgoneion 239. Pallasstatue aus Herculaneura 14. Pamphilos, Maler 128. Pan 86. 2s6. und Alexander der Grosse 50. und Ariadne 252 — 256. 370. und Bakchantin 120. 158. 251. 317. 370. und Bock 370 ff. und Daphnis 252. und Dionysos 53. und Hermaphrodit 252. und Olympos 156. 250. undTelephos 152. 154. Panainos 45. Paneion in Alexandreia 272. Paquius Proculus 89. riapaoetooi 278— 2S0. Parkanlagen 100. 279 ff. Paris 176. 179. 260. auf dem Ida 84. 97. und Helena 240. 265. und Oinone 84. 112—114. 231. 234. 241. 248. Parisurtheil 66. 84. 103. 179. 233. 240. 286. 287. Parmenion, seine Beuteregister 127. Parrhasios : Atalante und Mele- agros 249. Hopliten 130. libidines 249. Theseus 259. Vorhang 312. Pasiteles 10 ff. 16. 59. 60. 61. 165. 250. 311 Anm. 1. Pausias 131. 183. 210. apographou nach einem Bilde desselben 63 Anm. 1. Register. 381 Pausias, Blumenmalerei 312. 328. Deckenmalerei 132 ff. Kinder 202. Methe 133. 210. Pornographie 250. Stieropfer 201. Wandbilder in Thespiae 133. Pauson : Pferd 3()S ff. Peiräikos 131. 183. 187. 309.312. 32!l. 308 ff. Peisandros , Portrait desselben 209. Peloponnesischer Typus 247. Pelops 17f». Penelope auf Spiegelkapselu 28. auf Wb. 15S. pensilis ambulatio 273. Pentheus , attisches Gemälde 256 ff. Pergamenische Kunst ; Amazone 155. Auffindung des Telephos 153. 160. 161. Barbaren 44. 51. 155. 206. Verurtheilung des Marsyas 1 55 ff. 200. Perikles 191. Pero und Kimon s. Kimon. Persaios, Stoiker 190. Perseus, asiatisch gekleidet 177. befreit Andromeda 140 ff. 201 . 291. in Landschaft 97. 2 (5. tödtet Medusa 152. zeigt der Andromeda das Spiegelbild des Gorgoneion S4. 85. 336^.'3l Perseus und Pallas 152. 239. Perseusknabe auf Seriphos 145. 140. 335. 336. riepaixcti, Schuhe 170. Personificationen 215 ff. der Erdtheile219. von Naturgegen ständen 84. 116 ff 288. Petronius, sat. II: 136 ff. Phaidra81. 82. 201. portraitartig 337. Piianokles 245. 248. 249. Phila 192. Philemenos 276. Philippides, komischer Dichter 128. Philippos , komischer Dichter (?) , auf Vb. 189. Philippos V. von Makedonien 279. Philiskos : Maleratelier 187. Philopoimen 275. Philostratos 28. 256. 356. 357. Entwickelung der Landschaft 359 Anm. 2. Lichteffecte 351 ff. Nachtstücke 351. 362. 364. Philotas 275. Phineus 176. Phoinix 69. Phokion 207. angebliche Statue desselben 208. Phradmon: zwölf Kühe 307. Phrixos 66. auf Vb. 259. Typus desselben 260. 261. Phryne 262. Phrynichos 171. Phyromachos : Asklepiosatatue 127. Physiognomik 209. Pinakothek 1 35. 342. die athenische 126. Piaton über die Decoration des Hauses 126. Plautius, Q., Maler in Ardea 322. Plautus, Menaechmi I 2, 34 ff.: 139. 320. Mercator II 2, 42 ff.: 139. Plinius des jüngeren Villen 107. 355. Pluton 7. 367. TTotvciXiai 126. iroixiXfxaTa 126. Polemon, Maler 169. Polemon, Perieget 163. 250. Polybios , seine Jagdleidenschaft 275. Polychromie der Marmorsculp- turen 361. der historischen Reliefs 49. Polygnotos 79. Bilder in Thespiai 133. Schlacht bei Marathon 171. sein Einfluss auf die Vasen- malerei 165 ff. Polykles, Bildhauer 10. 322. Polykletos 22. 24. Polyyhemos, sein Typus 261. und Galateia auf Wb. 83. 197. 222. 224. und Galateia auf Landschaft 103. 382 Eegister. Polyphemos , und Galateia bei Theokritl94. 195. 197. 224. Pompeianer , ihre Rauferei mit den Nucerinern 7J. Pompeius, sein Triumph 51. Statne Spada 38. Pornographie 250. Portrait in der Diadochenperiode ISO. 206 flf. 246. in der Kaiserzeit 30 ff. Poseidippos , vaticanische Statue 209. Poseidonstatue auf Wb. 102. Possis: seine Thonplastik 314. Praxiteles: Aphrodite 25. 120. 128. 264. 332. Dionysos 259. Phryne 199. Thespiaden 25. Priamos 144. 176. 179. Priapos, sein Tj'pus auf Wb. 178. Priapos und Daphnis 252. und Lotis 120. Priapstatuen und -hermen aufWb. 99. 103. 296. 297. 3(10. 305. Prometheus auf Landschaft 103. Propertius I 3, 1 ff.: 119. I 3, 29 ff.: 119. III 26, 5: 120. Proserpina . capitolinische Statue 35. Prospectenbild 100 ff. 109. 111. 301 ff. 324. Protpgenes ISl. 210. 327. 328. Alexander und Pan 50. ausruhender Satyr 1 85. Jalysos 181. rhodische Heroen 130. rpOTOfi.'T] 39. Prusias I. von Bithynien 127. Ptoleraaios I. Soter, auf der Jagd, Bild des Antiphilos 276. Ptoleraaios I. Soter, seine Kunst- liebe 181. sein Portrait auf Münzen 37. Ptoleraaios II. Philadelphos 192. (?) auf Cameo 40. sein Festzug 51. 124. 216. 243. 266 Anm. 1. 275. 2^1. 282. 302. sein Prachtzelt 129. 281. Ptoleraaios III. Euergetes, erwirbt sikvonische Gemälde 128. sein Kunstraub imSeleukiden- reiche 127. Ptolemaios IV. Philopator , seine Jagdliebe 275. Thalamegos 36. Ptolemaios VI. Philometor, sein Aufenthalt in Rom 289. 322. seine Beziehungen zu Hierax 190. Ptolemaios VII. Euergetes IL, seine Beziehungen zu Hierax 190. seine Grausamkeit 322. seine Hyporanemata 196. Psyche in genrehaften Hand- lungen 76. Strafe derselben 243. Pudicitia, sogenannte, im Vatican 31. 32. Pygmaien 69. 78. 86. in ägyptischer Landschaft 101 . 13s. 302. Pylades 81. 148. 150. Pyramide in römischen Villen 107. Pyrrhos 129. Pythagoras, Bildhauer 1 1 . Quelle 296. 300. Regenbogen aufWb.212. 215. 329. Relief, Flächenbehandlung des- selben 48. Rhabduchen auf derThymele 203. Rhea Silvia 4'. 6. Rhesos 176. Rhianos 190. 294. Rhodos, Ansicht der Stadt 106. Rhoxane auf Bild desAetion 131. 242. 252. Rhyparographos 184. Rinder, Statuen derselben 306 ff. Römischer Mythos 2 ff 115 ff. 144. Roscius in Silber von Pasiteles 60. Sacellum 97. 98. 99. 102. 305. Sacralbilder 89 ff. 337. Salpion, Ki'ater desselben 25. Sarkophag Amendola 54. Sarkophage, ihreBeleuchtung3J0. Satyrn, kelternd 243. lascive 86 ff. und Ariadne 252— 254. und Bakchantinnen auf Vb. 238 ff. 252. und Bakchantinnen auf Wb. 86 ff. 120. 158. 238 ff. 251. 252. 317. 370 ff. (vgl. Niko- machos) . und Bock 370 ff. Scenae comicae 78. 202. Register. 383 Schauspieler 77. 187. 199. 200. 335. Schuster auf Vb. 188. Schutzflehender 0(i. SchwebendeFiguren auf Spiegeln, Vb. undWb. 3I5flf. Scipio , der ältere , sein Portrait 338. Scipio, der jüngere, seine Jagd- liebe 277. Seeschlachten auf Wb. 101. 303. von Nikias zur Darstellung empfohlen 304. Seidenstoffe 180. Selene s. Endymion. Seleukeia am Tigris 271. Selinus auf Münzen 307. Semele 203. Semiramis auf Bild des Aetion 131. 173. aufVb. (?) 175 Anm. 2. Gärten derselben 280. Sempronius Gracchus 289. Seneca, angebliches Portrait des- selben 38. Sentimentalität 244 ff. Serapion, Skenograph 61 Anm. 2. Serapis, Typus desselben 7. 367. Sicilien, eigenthümliche Cultur- formen daselbst 168. Sikyonische Malerei 182. Silanion: Jokaste 204. Simon, Bildhauer 308 Anm. 2. Simos : Walkerwerkstätte 5. 161. 187. 321. Skopas 204. l-AOTMi. 84. 117. US. 217 ff. 28^. Skylla81. Smyrna 106. Sokrates, Portrait desselben 210. Sonne auf Vb. 212. 21:k Sophokles , lateranische Statue 208. Portrait des Greises 208 Anm. 4. Sophonibabild 68. 70. 80. 161. 162. 326. 327. Sopolis 61 . Sosibios, Krater desselben 14. 25. Sosos, Mosaici8t211. 310. 313. Sostratos, Architekt 273. Specula 117. Stephanos : Appiades 18. Statue Albani 11 ff. 17. Stiere, Statuen derselben 306 ff. Stieropfer 299. Stilllebeu 94. 111. 312 ff. Strandlandschaften 98 ff. Strasseujungen, Wb. 72. 75. Stratonike 245. Studius 62. 100. 109. Sulla, sein Kunstraub 12. Symplegmata 87. 250. Tabula iliaca 144. Tadius, S. s. Studius. Tafelbild als Mittelpunkt der Wandfelder 122 ff. 323. Tantalos 175. Tanzende Figuren 316. 317 ff. Tauriskos : Eteokles 220. Kapaneus 220. Klytaimnestra 220. Techne, Personification auf Wb. 218. Teiresias sieht Pallas im Bade 203. Telephos und Herakles 152 ff. 101. Tempethal, beschrieben v. Aelian 354. Terentiu8,Eunuch.585ff.: 243.321. Thalamegos des Ptolemaios IV. 36. Thamyras 176. Theaterkünstler auf Wb. 70. 1 99 ff. 329. Theodotos, Larenmaler 90. 321. Theokritos, Idyll. II : 244. 245. Idyll. III: 224. 245. Idyll. XVIII : 298. Idyll. XXII 10 ff.: 263. Theokritos : nachgeahmt von Vergil 305. 344. seine Berührungspunkte mit den Wb. 224. Schilderungen ländlicher Opfer 294. Schilderungen der Landschaft 296. Theomnestos: Heroen 181. Theon 159. bellum iliacum 130. 142 ff. 221. Hoplit 143. Leontion 144. 199. Orestie 220. 327. Theophrastos 280. 281. 291. Theseus auf attischem Gemälde 8. Ariadne. des Parrhasios s. Parrhasios. und Amphitrite auf Vb. 166 Anm. 1. und Herakles auf Relief Al- bani 19. 384 Register. Theseiis und Kentaur auf her- culaner Monochrom 79. Thespiaden des Kleomenes 25. des Praxiteles 25. Thetis bei f lephaistos SO . 2 1 4 . 2 1 8 . mit den Waffen des Achill 240. Thierfabel 92. Thierhetzen 72. 31i>. Thierstücke 92 ff. 111. 306 ff. ThoasSl. 184. Thrakien, Personification 293. Thurmbauten in römischen Villen 107. Thusnelda (?), florentiner Statue 27. Tiber, Statue 29 ff. 360. Timarchides, Bildhauer 10. 322. Timokles, Bildhauer 10. 322. Timomachos: Aias 131. 159. 164. 220. Medeia 80. 131. 146 ff. 151. 159 ff. 164. 220. 221. 325. 326. 331. Medusa 152. Taurisehelphigeneial47ff.33] . Venus (?) 159. Timon, Sillograph 284. Tonkünstler 70. Topas als Material der Plastik 9. topia 217. TOTTtOYpa'fo; 289. TOTiOYpacpoc 289. Toreutik 59 ff. T(ja-^iXa(frji 170. triclinia cyzicena 273. Triptolemos 259. 288. Triumph 50 ff. 289. Troilos 158 Anm. 3. Tryphaina 193. Tychc von Antiocheia 285. Unterwelt, Wb. im Vatican 215. 217 ff. 329. 350. 353. 362. 364. Unwetter auf der Lästrygonen- landschaft 215. 353. 359. Unzüchtige Kunstwerke 249 ff. Varro 165. 313. 341. Vasenbilder in ihren Beziehungen zur Wandmalerei 165 ff. 228 ff. Vedutenbild 99 ff. 111. 301 ff. 305. Vela im antiken Hause 340 ff. Venus auf Wb. I (vgl. Aphrodite) . Venus felix fisica 24. Venus Genetrix des Arkesilaos 22. 24. ;i5 (?). Venus und Mars , plastische Gruppe 26. Vergilius, Aeneis: 347. AeneisIII 150 ff.: 363. Aeneis III 585 ft'.: 362. Aeneis VI 270 ff.: 362. Aeneis XII 398 ff. : 4. 6. 89. 115. 116. Eclogae 305. 344. Georg. I 466 : 355. sein Einfluss auf die bildende Kunst 2. 346. Verkürzungen 210. 214. Verres42. 130. Vesuv (?) auf Wb. 105. Vigiles 74. Vögel, Gegenstand der Malerei 309 ff. Vorhänge im antiken Hause 340 ff. Wettläuferin, vaticanische Statue 16. Wölfin und Zwillinge 115. Wolken auf Vb. 212. auf Wb. 215. bei Philostratos 352. Xenia 313. Xenokrates , Kunstschriftsteiler 163. Xenophantos, Vase desselben 1 74 . Xenophon, seine Schilderung his- torischer Charaktere 207. über die Decoration des Hau- ses 126. Xerxes 279. Zauberin in Landschaftsbild 98. 294. Zeichnenunterricht 182. Zenodoros 13. 60. Zeus in den Wolken auf Wb. 86. 215. 329. mit Dionysos und Aphrodite aufWb. 87. Zeusstatue in Daphne 8. Zeuxis: Helena 264. Kentauren 63 Anm. 1. malt das Haus des Archelaos 125. schlangenwürgender Herakles 60. Trauben 312. GETTY RESEARCH INSTITUTE 1 3 3125 00988 1992 -^c /«>. ?\.^:-K \T, , -f-OH